Die geschichtlichen Vorgänge von der Gründung der Abtei und deren Schicksale sind soweit als möglich in der Abhandlung Wilhelm Lübke’s (Ziffer 8. des nachstehenden Litteratur-Verzeichnisses) geschildert und werden wohl in dem badischen Inventarisationswerke seiner Zeit eine eingehende Würdigung noch erfahren. Hier seien zur Orientirung nur die wichtigsten Daten und Vorgänge in der Kürze zusammengestellt, wie sie sich aus den angeführten Forschungen ergeben unter Berücksichtigung einiger dort enthaltener Irrthümer und Hinzufügung weiterer auf den Bau bezüglicher Bemerkungen.
Die Gründung der Benediktiner-Abtei Schwarzach erfolgte etwa um 730 auf einer Rheininsel, nicht weit entfernt von dem Standort der jetzigen Klosterkirche. In den zwanziger Jahren des XIII. Jahrhunderts wurde die Abtei (die 826 auf das rechte Rheinufer verlegt wurde) ein Raub der Flammen, wurde aber bald darauf wieder aufgebaut und zwar nach der im General-Landesarchiv in Karlsruhe befindlichen Handschrift (No. 402) durch „Bischoff Bertholden zu Strassburg, so ein Herzog zu Teck aus Schwaben gewesen, der das verbrunnene Kloster Schwarzach gleich wieder von newem zum hüpsten und köstlichsten efbawet hat ungefähr im Jahre 1220“.
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Aus dieser Zeit stammt der Hauptsache nach das noch vorhandene Kirchengebäude mit dem gewölbten Langchor. 1299 wurde dieses abermals durch Brand zerstört, wobei der Glockenthurm, die Glocken, 16 Altäre, der Kirchenornat und die Bibliothek zugrunde gingen. Doch schon 1302 wurde die restaurirte Kirche wieder konsekrirt. Nach diesem Brande wurde wohl der jetzige Vierungsthurm mit den gothischen Schallfenstern erbaut.
1325 richtete ein weiterer Brand neuen, aber nicht bedeutenden Schaden an.
Im XV. und XVI. Jahrhundert wurden verschiedene Reparaturen an dem Bauwerke vorgenommen, nachdem auch 1525 die Abtei noch durch die Bauern geplündert worden war. Eine durchgreifende Wiederherstellung erfolgte aber erst im Jahre 1573 durch den Prior Firnkorn, wie eine Aufschrift an der Wand hinter der Orgel besagt, wobei wohl auch die Dachstühle ihre heutige Gestaltung erfahren haben, von denen Geier a. a. O. mit Recht annahm, dass deren tannene Balken und Gespaerre in späterer Zeit erneuert worden wären, unter Beibehaltung der inneren, aus schwachem Eichenholz gefertigten Rüstung.
Im XVIII. Jahrhundert beschloss der Abt Bernardus (1711—1729) den Neubau des Klosters und in dem Umfange, wie ihn der Grundplan (Abbildg. 1) zeigt, wurde er auch als ein ausgedehnter, glänzender Barockbau ausgeführt. Sogar ein Neubau der Kirche war geplant, der mit zwei Thürmen (vergl. Entwürfe im General-Landesarchiv in Karlsruhe) geschmückt werden sollte. Man begnügte sich aber mit dem Abbruch der Seitenschiffe, deren Umfassungsmauern um etwa 2,5 m hinausgerückt und mit grossen Fenstern versehen wurden. Bei dieser Gelegenheit fiel auch der alte Kreuzgang, , der nach seinen Resten zu den reichsten und prächtigsten des Mittelalters gehört haben dürfte. (Basen und Kapitelle der einfachen und gekuppelten Säulen sind in Karlsruhe in der Vorbildersammlung der technischen Hochschule und im Gebäude der vereinigten grossh. Sammlungen aufbewahrt.) Um 1700 wurde das schön geschnitzte, reiche, barocke Chorgestühl hergestellt, 1725 der bis zur Decke reichende prächtige Hochaltar und 1750 die kostbare Silbermann’sche Orgel.
Beim Abtragen des schadhaften Chorgiebels wurden im Mauerwerk drei Silbermünzen gefunden:
- eine Münze mit dem Bildnisse des Herzogs Anton von Lothringen, Zabern und Barr mit der Jahreszahl 1527 (30 mm durchmessend) und in Nanzig geprägt;
- eine Silbermünze mit dem Bilde des Königs Heinrich II. Von Frankreich mit der Jahreszahl 1552, und
- eine solche von 38 mm Durchmesser mit dem Wappen der Stadt Colmar und der Jahreszahl 1565.
Was noch blieb, war das Kirchen-Gebäude mit einer zweifelhaften Ecke des Palastes, die als Sakristei und als Zugang zum Vierungsthurm stehen gelassen wurde.
*) Litteratur-Vezeichniss
- J. B. Kölb, Histor. statist. topograf. Lexikon von dem Grossherzogthum Baden. Karlsruhe 1816, (S. 111)
- Universal-Lexikon vom Grossherzogthun Baden. Karlsruhe 1843. Druck und Verlag von C. Macklot. (S. 1002-1004).
- Realschematismus der Erzdiözese Freiburg. Herausgegeben vom Erzbischöfl. Ordinariat. Freiburg i. B. 1863. (S. 310).
- F. Geier, Holzverbindungen. Sammlung von Holzverbindungen aus Süddeutschland. Mainz 1841. Abth. V. Fig. 1 Taf. 4.
- Klingenberg, Reiseskizzen I. Th. (Blatt 8).
- W. Lübke, Geschichte d. Architektur. Leipzig 1884. I. Bd. (S. 574.)
- Otte, Handbuch der kirchlichen Kunst-Archäologie des deutschen Mittelalters. 5. Aufl., II. Bd., Leipzig 1884. (II. 40. 87.)
- W. Lübke in der „Festgabe zum Jubiläum der 4ojährigen Regierung S. k. H. des Grossherzogs Friedrich von Baden, von der technischen Hochschule in Karlsruhe dargebracht.“ Karlsruhe 1892. (S. 129-144.)
- Veröffentlichungen von Aufnahmen der Karlsruher Bauschule, Einige lose Blätter von Prof. F. Eisenlohr (vergriffen).
- Handschriften und Akten im General-Landesarchiv zu Karlsruhe.
- Denkmale romanischer Baukunst am Rhein von F. Geier und R. Görz. Frankfurt 1846. III. Heft Taf. 6 und IV. Heft Taf. 6, Ohne Text.
Berichtigungen und Ergänzungen.
Zu 3. des Litteratur- Verzeichnisses. Geier bezeichnet das Dachwerk des Vierungsthurmes als eine der ältesten Dachverbindungen aus Süddeutschland. Nach den Urkunden stammt es frühestens aus dem XIV. Jahrhundert, aus der Zeit nach dem Brande im Jahre 1302. Die angezogene Erneuerung der Balken und Sparren aus Tannenholz beim Dachstuhl des Hochschiffes unter Beibehaltung der inneren Rüstung aus Eichenholz erscheint glaubhaft. Der Dachstuhl des Vierungsthurmes trägt am obersten Querriegel die Jahreszahl 1715 – wohl das Datum einer Reparatur.
Auch die Restauration in diesem Jahrzehnt musste ähnlich verfahren und schadhaft gewordene Balken und Sparren auswechseln, während sie die gute eichene innere Rüstung unberührt lassen konnte.
Die noch sporadisch vorhandenen, grün glasirten Dachziegel des Vierungsthurmes sind aus der Zeit der Erbauung desselben. Die Dachstühle der Seitenschiffe sind Ausführungen des XVIII. Jahrhunderts.
Zu 5. Klingenberg verlegt den Bau nach „Schwaben“, während er dem elsässischen Städtchen „Sesenheim“ gegenüber, eine halbe Stunde einwärts vom rechten Rheinufer in Baden liegt. Er nimmt für den Bau das X. Jahrhundert an, nachweislich stammt er aus dem Anfange des XIII. Jahrhunderts. Höchstens könnte für das Relief im Tympanon über der Haupteingangsthür ein höheres Alter geltend gemacht werden, was aber kaum anzunehmen und schwer zu beweisen sein dürfte.
Zu 7 und 9. Otte giebt an: „Das einzige Beispiel, wo das Sparrenwerk des Daches nach Innen offen liegt, scheint das Schiff der Abteikirche zu Schwarzach am Oberrhein zu geben.“ – Der Glaube an den offenen Dachstuhl wurde wohl durch die unter 9. erwähnten lithographirten Blätter F. Eisenlohr’s und seiner Schüler erweckt. Eisenlohr zeichnete eine Innenansicht und setzte in problematischer Weise anstelle der damals noch vorhandenen wagrechten Gipsdecke mit Hohlkehlensimsen eine offene Balkendecke mit Blick nach dem Dachstuhl, ohne dabei zu bemerken, dass seine Aufnahme auf eigener Erfindung beruhe. Ein sogenannter offener Dachstuhl war niemals vorhanden.
Zu 11. Der bei Geier und Görz mässig gross gezeichnete Grundriss zeigt die Vierungspfeiler unrichtig, indem an der der nicht gewölbten Vierung zugekehrten Seite auch Dienste ausgeführt sind, die aber nur bis unmittelbar unter die Kämpfergesimse reichen. Es war für die Vierung wohl auch eine Wölbung wie beim Langchor geplant, deren Ausführung aber unterlassen wurde.
Schluss
In dem Querschnitt sind nur die, verstümmelten formlosen Basen bei den Säulen angegeben, die ursprüngliche, an einzelnen Säulen noch erkennbar gewesene Form ist unberücksichtigt geblieben. Bei den äusseren Blendarkaden ist die durchgehende Sohlbank nicht gezeichnet, die Arkaden sind mit umrahmenden Profilen angegeben, die sie nicht haben, die Bogensteine derselben sind als Quader gezeichnet, während sie aus Backsteinen gefertigt sind. Ueber den Bogenfriesen des Hauptgesimses sind Rollschichten angegeben, die nicht vorhanden sind.
Das verschiedenartige Material – natürliche neben künstlichen Steinen – ist in der Zeichnung nicht kenntlich gemacht, das Portal ist in dem kleinen Maassstab nicht verständlich genug, seine Gliederungen und Bogenformen sind nicht richtig, indem der grosse Portalbogen eine Parabel- und keine Halbkreisbogenform hat, während die das Tympanon umziehenden Halbkreisbogen unten hufeisenförmig eingezogen sind und dergleichen mehr.
Das Baumaterial der Kirche besteht an der Hauptfassade bis zum Giebelanfang aus hellen (weissen und röthlichen) Sandsteinquadern, die aus den Brüchen bei Oos (Baden-Baden) gewonnen wurden und jetzt eine dunkelgraue Farbe angenommen haben. Die Schichthöhe derselben beträgt durchschnittlich 0,38 m. Die Oberflächen sind sauber gespitzt, die Steine haben Kantenschlag, die Mörtelfugen sind ziemlich press und mit Weisskalk ausgestrichen. Der Chorgiebel, die Sockel und unteren Theile der Mauerflächen, die Ecken der Transeptgiebel, die Rosenfenster, einige Fenstereinfassungen, die erhaltenen Seitenportale, die Gesims- und Hängeplatten, Giebelabdeckungen sind gleichfalls aus Quadersandsteinen, während elle übrigen Mauerflächen aus rothen Backsteinen von 0,16 und 0,17 x 0,35 und 0,37 m Breite und Länge bei 7-9 cm Dicke hergestellt sind. Das Mauerwerk des Vierungsthurms ist hell verputzt, aber ganz aus Backsteinen ausgeführt, sogar die Pfeilerchen der gekuppelten Spitzbogenfenster sind aus diesem Materiale.
Im Inneren sind die Säulen, Pfeiler, Bogen, Gewölberippen, sowie das Gemäuer über den Bogen bis zu dem wagrechten Abschlussgesimse aus rothen Sandsteinen hergestellt. Die Oberflächen einiger Säulenschäfte waren überschliffen, die anderer und der übrigen Steine scharrirt und wie die Gesimskanten, Stösse und Profilecken mit einem Saumschlag bei den Lagerkanten versehen.
Das Gewölbe der grossen Concha ist 40 cm dick aus Backstein; bei den Kreuzgewölbe vor demselben sind Backsteine von 37 cm Länge, 17 cm Breite und 9 cm Dicke verwendet. Die Masse der Steine ist ungemein dicht, diese daher unverhältnissmässig schwer. Bei diesem Gewölbe war die Länge der Steine zur Dicke des Gewölbes genommen, die zugehörigen Sandstein-Rippen messen 0,45 x 0,56 m. Kräftig sind auch die tannenen Bund-Balken des Dachstuhles (Deckenbalken) mit 23:40 cm, bei einer Legweite von 1,06 von M. zu M. Die Hängesäulen haben eine Stärke von 11 x 12 cm, die Zangen von 18 x 10 cm, die Streben von 11 x 11 cm, die Zangen von den Bundbalken nach den Sparren 20 x 13 cm und letztere von 16 x 22 bis 13 x 26 cm. Die Lattenweite beträgt 0,16 m. Die alten Ziegel (Biberschwänze mit Nasen) messen 0,15 x 0,41 m. Zur Sicherung des Dachstuhles gegen Verschiebungen nach der Länge sind „Windlatten“ angeordnet. Sämmtliche Verbindungen sind durch Holznägel bewirkt. (Der Dachstuhl des Vierungsthurmes besteht ganz aus dünnem Eichenholz mit Sparren von 11 ½ x 8 und Streben von 11 x 12 cm.)
Der Zustand der Kirche vor dem Beginn der Wiederherstellung, war kein sehr herzerhebender. Die Gewölbe waren mit weisser Kalkfarbe gestrichen, Transept, Langhaus und Seitenschiffe zeigten schadhaft gewordene weisse Gipsdecken, die Wände, Pfeiler und Säulen waren weiss getüncht, den Seitenschiffen entlang zogen sich baufällig gewordene Emporen mit durchbrochenen Holzbrüstungen; die Fenster waren weiss verglast und nur die im Chor zeigten farbige Teppichmuster, der Chor selbst hatte bedenkliche Risse in der Umfassungsmauer und dem Gewölbe, die Bogen und Rippen des grossen Kreuzgewölbes waren deformirt, die schöne Silbermann’sche Orgel war verdorben, der Langchor und die Nebenchöre durch die barocken Zuthaten des an sich schönen Chorgestühles und des grandiosen Hauptaltars verbaut. Ein schmiedeisernes Gitter trennte das Transept und den höher gelegten Chor vom Langhaus, eine barocke Kanzel von etwas schwülstiger Form hing an dem ersten Pfeiler der Bogenstellung des Langhauses, eine Anzahl kleiner Barockaltäre und die Beichtstühle deckten die Schiffwände, Die Dächer waren vernachlässigt, eine rationelle Wasserabführung durch Kanäle und Fallrohre war nicht vorhanden, eingedrungenes Regen- und Thauwasser hatte die Decke in bedenklichen Zustand versetzt. Bedenklich waren auch die deformirten Gewölbe geworden, wie auch die Risse in den Chormauern und den Mittelschiffstützen. Letztere, wie auch die zugehörigen Bogen, hatten bei einem der angeführten Brände starke Beschädigungen erfahren, indem das brennende, herabgestürzte Gebälk und das Dachholz, und zwar immer auf der Seite nach der es fiel, die Sandsteine zerstörte, aus den Trommeln Stücke halb so dick wie die Säule selbst aussprengte (Abbildg. 2) und an Kapitellen und Basen grosse Stücke wegschlug. Nothdürftig mit Steinbrocken, Mörtel und Gips im vorigen Jahrhundert ausgebessert, verbargen sich anfangs die Schäden und Gebrechen unter der alles gleichmässig überdeckenden weissen Tünche, bis sie den Bestand des Baues zu gefährden drohten. Man untersuchte, überlegte, rechnete und schritt dann unter Zuhilfenahme staatlicher und kirchlicher Mittel zur Ausbesserung der Beschädigungen.
Zuerst galt es, den Langchor in seinem Bestand zu sichern, dann die Decken und Freistützen von Transept und Langhaus wiederherzustellen und zuletzt konnte die Frage der Dekoration und der Umgestaltung des kirchlichen Mobiliars inbetracht gezogen werden, durch welche Reihenfolge allein eine Unterbrechung des Gottesdienstes verhütet wurde. Man stellte sich dabei nicht auf den Standpunkt, aus der Kirche alles zu entfernen, was der Wiederherstellung eines sogen.
stilechten romanischen Baues im Wege stand, was ja in erster Linie das Niederlegen und die Neuaufführung der Seitenschiffmauern mit kleinen Fenstern am alten Platze zurfolge gehabt haben würde, wodurch die Kirche auch räumlich zu stark beschnitten worden wäre; man wollte auch nicht die guten Werke des vorigen Jahrhunderts aus der Kirche pietätlos entfernen, an deren Anblick sich Generationen gewöhnt und erfreut hatten. Man ging vielmehr von der Ansicht aus, dass gute Arbeiten, sie mögen einem Stile angehören, welchem sie wollen, sich nebeneinander wohl vertragen und einander niemals wehe thun.
So verblieben Hauptaltar, Abschlussgitter, Chorgestühl und Orgel unverändert in der Kirche, nur wurden sie theilweise anders gestellt oder umgebaut, so wie es die ursprüngliche Architektur des Baues erforderte. Technisch bemerkenswerth erscheinen die Vorgänge, welche zur Sicherung des Baues beobachtet und ausgeführt wurden. Sie bestehen in der Sanirung der Chormauer und des Chorgiebels und in der Auswechselung der schadhaft gewordenen Säulen.
Die Ursachen des Schadhaftwerdens der Chormauer war, nachdem ein Nachgeben des Untergrundes oder eine Beschädigung der Fundamente nicht erwiesen werden konnte, auf den Umstand zurückzuführen, dass für das barocke Chorgestühl zu starke Eingriffe in das Mauerwerk gemacht werden mussten. Die Anordnung desselben (Abbildg. 3) in Polygonform musste in das Halbrund der Concha eingepasst und zu diesem Zwecke das Mauerwerk bis zur Hälfte seiner ursprünglichen Dicke ausgespitzt werden. Die über dem Chorgestühl liegenden Mauertheile ruhten zumtheil auf den Eichenständern des ersteren und die Anordnung blieb gut, so lange die Ständer gesund waren. Als sie aber zu faulen anfingen und nachgaben, gab auch das Mauerwerk nach und das Chorgemäuer wurde zerrissen (Abbildg. 9). Weiter war der Chorbogen bei nicht sehr kräftigen Widerlagern sehr stark durch Uebermauerung belastet. Er wurde dadurch deformirt; sein Scheitel senkte sich, was bis zur Giebelspitze reichende Risse hervorrief (Abbildg. 5).
Diesen Bewegungen folgten auch die schweren Diagonalrippen des Kreuzgewölbes im Langchor. Durch Wegnehmen und Umbau des Chorgestühls und sofortiges Ausmauern der geschwächten Mauertheile wurde die Chornische wieder in sicheren Stand gesetzt. Der Chorgiebel wurde abgetragen, der Bogen und die Gewölberippen gehoben und in die frühere Lage gebracht; über dem Bogenkämpfer wurde eine Eisenschlauder eingezogen und der Chorbogen selbst durch einen darüber gesprengten Spitzbogen entlastet, der zwei Steine stark aus hartgebrannten Backsteinen mit Quadern durchschossen, konstruirt wurde. Die Schenkel des Spitzbogens stemmen sich gegen einen starken Quader-Schlusstein, an den zur weiteren Sicherung des halbrunden Chorbogens der Schlussstein des letzteren an einer senkrecht im Mauerwerk liegenden Eisenstange angehängt ist (Abbildg. 6).
Die Bogen-Konstruktion ist am Aeusseren des Giebels nur durch die 4 Durchschuss-Steine kenntlich, seine übrigen Theile verbergen sich hinter den Blendquadern des neuen Giebels, der wie der abgebrochene alte, wieder in sichtbarem Quadergemäuer sich zeigt (Abbildg. 7).
Abbildg. 8 zeigt die innere Bogenstellung der Kirche nach deren Wiederherstellung, die dem Mittelschiff und die dem Seitenschiff zugekehrte Seite, sowie die Anordnung der ursprünglichen hölzernen Verankerung der Bogen unter sich und mit den Mauern der Seitenschiffe. Beim Abheben der Kapitelle lagen die vom Brande verschonten eichenen Kreuzstücke der Holzanker mit ihren angekohlten Enden noch in den Ausschnitten der Bogenanfänger (Abbildg. 8). Die Holzanker zwischen den Bogen wurden auch bei der Restauration wieder eingezogen, die nach den Seitenschiffmauern wurden dagegen weggelassen. Sie wären zu lang und unschön aussehend geworden bei den so stark verbreiterten Seitenschiffen, deren ursprüngliche Breite von der Breite der Giebelfront abgelesen werden kann. Die Anschlüsse der Seitenschiffmauern sind übrigens auch noch durch Aufgrabung festgestellt worden, bei welcher Gelegenheit sich eine Thüranlage nahe der Transeptmauer auf der Südseite ergab. Die Bogenöffnungen der Seitenschiffe nach dem Chor in der Transeptmauer wurden von den Barockmeistern erweitert, bei welchem Vorgang die ursprünglichen Rundbögen in Korbbögen umgewandelt worden sind (vergl. Gesammtansicht der Kirche mit dem alten Mittelschiff-Dachstuhl und den Seitenschiff-Dächern aus dem vorigen Jahrhundert, Abbildg. 9).
Von den vorhandenen Säulen, welche die Mittelschiffmauern tragen, mussten neun ihrer Schadhaftigkeit wegen ausgewechselt und durch neue ersetzt werden, wobei in der durch Abbildg. 10 dargestellten Art vorgegangen wurde. Zwei der Bögen wurden jeweils sorgfältig mit schweren Hölzern ausgebaut, dann wurden über der Abschlussgurte rechts und links der Säulenaxe Löcher eingebrochen und durch diese Walzeisenstäbe gesteckt, die von auf Hebegeschirre gesetzten Schrägstämmen an den Enden gefasst wurden. Darauf wurde der Abacus des Würfelkapitells nochmals durch Querhölzer und Streben gefasst und dann wurden die schadhaften Säulenschäfte mit Fuss und Kapitell entfernt und durch neue ersetzt. Ohne Unfall und ohne den geringsten Mauerriss wurde diese Arbeit ausgeführt.
Mit der Ausführung dieser rein baulichen Arbeiten begnügte man sich aber nicht. Die grossh. Domänen-Direktion bewilligte in dankenswerthester Weise die Mittel, um das Innere des Gotteshauses würdig zu gestalten, während der Pfarrherr Göring dafür sorgte dass die Altäre und die Kanzel in stilgerechter Fassung, dass auch die Silbermann’sche Orgel wieder in guten Stand gesetzt und hergestellt werden konnten, wobei die Einpore eine zum Stil der Orgel passende Umgestaltung erfuhr. Auch das reich geschnitzte Chorgestühl wurde umgebaut und erhielt eine den neuen Verhältnissen entsprechende Aufstellung. Der grosse, bis zur Decke reichende Barockaltar wurde an die Südwand des Transeptes gerückt, während ein neuer stilgerechter Altar an seine Stelle trat. Das Innere zeigt sich nach 10jähriger Bauzeit in farbenprächtigem Schmucke der Wände, Decken und Glasfenster. Die nach und nach aufgewendeten Mittel beliefen sich schliesslich auf rd.
160 000 M.
Mit der Ausführung und Ueberwachung der Arbeiten am Platze war die grossh. Bezirks-Bauinspektion Achern betraut, während der unterzeichnete Vorstand der Baudirektion den grössten Theil der technischen Arbeiten entwarf und den dekorativen Theil ganz besorgte. Und zum Schlusse noch einen kurzen Blick auf den Kirchenbau im Ganzen. Er zeigt sich als spätromanische, dreischiffige Säulen-Basilika mit Querhaus, Nebenchören mit 5 Apsiden und einem einfachen Vierungsthurm mit gothischen Doppelfenstern.
Die verwandte Anlage finden wir im benachbarten Städtchen Gengenbach bei der Klosterkirche, die früher barock verbaut, mit einem prächtigen barocken Chorgestühl ausgestattet, zurzeit von dem erzbischöfl. Baudirektor Meckel in Freiburg restaurirt wird.
Schwäbische und sächsische Vorbilder (Hirsau, Ellwangen, Königslutter, Paulinzelle) dürften dem Baumeister von Schwarzach vorgeschwebt haben.
Eigenartig ist die Bildung des Hauptportales, eigenartig die starke Durchbrechung der Giebelmäuer durch breite Fenster und über denselben die schweren Mauermassen der Giebelwand, der dekorative reiche Schmuck der an den Kapitellen entfaltet ist und die sonst nirgends vorkommenden Volutenverbreiterungen bei den Bogen der inneren Säulenstellung. Aber am eigenartigsten berührt die Verbindung von Quader- und Backsteingemäuer am Aeusseren und in einer Gegend, wo der Quadersandstein zu Hause ist.
Wohl dürften es oberitalienische Werkleute (Comasken) gewesen sein, welche den Abt bestimmten, die Quadertechnik am Aeusseren des Hochschiffes aufzugeben und dafür die backsteinernen Mauerblenden und Konsolengesimse auszuführen, und die sich den Wechsel in der Form und Konstruktion der Hauptgesimse erlaubten (vergl. Abbildg. 11); welchen es auch keine Skrupel verursachte, dem Giebelgesimse durch Uebermauerung eine andere Neigung zu geben als dem ansteigenden Giebelbogenfriese. Diesen wollte man wohl nicht mehr abtragen, als man sich entschloss, dem Dache eine andere, den klimatischen Verhältnissen und dem Deckmaterial mehr entsprechende Neigung zu geben als dem Giebelfries.
Am Vierungsthurm musste der festhaftende Putz noch belassen bleiben, unter dessen Hülle sich der schlichte, einfarbig hellrothe Backsteinrohbau verbirgt. Und er dürfte ursprünglich mit seinem grünglasirten Ziegeldache, den rothen Backsteinen seiner Mauerflächen, seinen zierlich und schön gemauerten gothischen Doppelfenstern, die gleichfalls in allen ihren Theilen aus Backsteinen erstellt sind, eine bunte und fremdartige Krönung des hellfarbigen Quaderbauwerkes abgegeben haben, deren Wiederherstellung die Aufgabe einer kommenden Zeit sein wird. Es ist eine spätere Zuthat, in der man die am Hochschiffe, am Transept und am Hauptchor angeschlagene Backsteintechnik in vollster Weise mit den grossen Flächen ausklingen lassen wollte. In seiner Anspruchslosigkeit und Einfachheit an manch’ nordisches Architekturstück gemahnend. –
Karlsruhe, April 1899. Dr. Josef Durm.
Dieser Artikel erschien zuerst am 09. & 16.09.1899 in der Deutsche Bauzeitung.