Volksbad in Pirna a. d. Elbe

Architekt: Stadtbaumeister E. Fuhrmann in Pirna. Die Anlage ist auf einem von der Stadtgemeinde zur Verfügung gestellten schmalen Eckbauplatz neben dem Bürgerhospital und unweit der grossen Vereinsturnhalle im Auftrage von Frau Marie verw. Geibelt in Pirna nach den Plänen und unter Leitung des Unterzeichneten im Herbst v. J. fertiggestellt und der Stadt Pirna von genannter Dame als Geschenk überwiesen worden.

Das Gebäude, dessen einfache Anordnung aus den mitgetheilten Grundrissen mit genügender Deutlichkeit zu erkennen ist, und seine Einfriedigung stehen in der künftigen Strassenhöhe; zu dem Eingang führt von dem alten Wege daher vorläufig eine Rampe empor.

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Sämmtliche Ansichten zeigen reine Arbeit aus gelblichem Liebethaler bezw. Cottaer Sandstein und hellrothen Verblendziegeln. Die Reliefs in den beiden Dreiecksfüllungen der seitlichen Anschlagstafeln – badende Kinderfiguren – und die Kartusche mit Zubehör in der Mittelbekrönung sind in Stein gemeisselt, die Muscheln nebst wasserspeienden Delphinen und Wasserbecken aber aus verschiedenen Gründen in Zement hergestellt.

Die Dachdeckung besteht aus verschiedenen Sorten von Bieberschwanzziegeln und Ziersteinen an Firsten und Graten – sämmtlich mit dunkelbrauner Glasur versehen. Die beiden Lüftungsthürmchen – ausschliesslich des Daches – und die Zierspitzen sind aus Zink hergestellt und mit Oelfarbe gestrichen worden.

Untergeschoss
Erdgeschoss

In den Baderäumen und dem Warteraum besteht der Fussboden aus gebrannten Thonplättchen auf Beton bezw. Gewölbe, die in den ersteren glatt und gelblichweiss mit hellblauen Einlagen, in letzterem gerippt und gelb und braun gehalten sind. Die vertieften Fussbecken sind ebenfalls aus Plättchen mit besonders angefertigten gekehlten Randstücken hergestellt worden.

Die Wände der Baderäume sind in Kalkmörtel geputzt, in Zement und Kalkweisse gestuckt und mit Oelfarbe graugelb (unter Anordnung von Friesen und Feldern) gestrichen worden. Die Decken sind aus Koaks-Zementbrettern mit Einlage aus verzinktem Drahtgewebe, die unmittelbar an die Balken geschraubt und mit klarer Koaksschlacke überfüllt sind, hergestellt und wie die Wände gestuckt und gestrichen worden. Der Waschraum und der Heizraum haben Zementfussboden auf Försterdecke bezw, Beton erhalten; die Decke der ersteren entspricht derjenigen der Baderäume.

Die eingebauten Zellen für Brause- und Wannenbäder sowie die Klosets sind von zweiseitig polirten, 2,2 m hohen und 2 cm starken Platten aus grauweissem dunkelgeaderten karrarischen Marmor hergestellt und mit vernickelten Klammern und Winkeln unter einander befestigt.

Zur Ermöglichung besserer Reinigung, Erwärmung und Lüftung der Zellen sind die Platten zum grossen Theil bis auf 10 cm Höhe über Fussboden mit Ausschnitten versehen, stehen also auf Füssen. Um alles Holz zu vermeiden, sind die Zellenthüren mit zugehörigen Rahmen von U-förmigem Querschnitt aus Schmiedeisen und Eisenblech hergestellt und allseitig verzinkt und mit Oelfarbe gestrichen und lackirt worden. Die genannten Thürrahmen sind tief im Fussboden befestigt und dienen mit als Halt für die Marmorplatten.

Die Kloseträume haben Glasabdeckung auf verzinkten Eisenrahmen und ein bis über Dach führendes Lüftungsrohr erhalten. Die Fenster der Baderäume sowie des Wasch- und Heizraumes sind ebenfalls imganzen verzinkt und mit Öelfarbe gestrichen; die Verglasung der erstgenannten zeigt im Muster genarbte Scheiben.

Ueber die von Rietschel & Henneberg in Dresden ausgeführte Bade- und Heizungs-Anlage ist kurz Folgendes mitzutheilen: Für jeden Baderaum – Männer und Frauen – ist ein gusseiserner Schachtofen im Heizraum aufgestellt und mit einem ½ Stein starken Ziegelmantel ummauert, der sich bis in den Waschraum fortsetzt und daselbst eine mit Jalousie verschliessbare Oeffnung hat, aus der heisse Luft zum Trocknen der Handtücher herausgelassen werden kann. In den Baderaum gelangt die heisse Luft durch eine unter der Decke befindliche Maueröffnung. Sie wird, wenn mit Zirkulation geheizt werden soll, durch ein Gitter im Fussboden des Baderaumes nach dem grossen Kanal, unter dem letzteren wieder nach dem Ofenraum abgesaugt und wärmt dabei den Fussboden an, in dem sich die Fussbecken der Brausezellen befinden. Bei starker Benutzung wird dem Ofenraum frische Aussenluft vom Hofe her zugeführt, die, nachdem sie erwärmt ist und den grossen Kanal durchstrichen hat, durch ein Gitter mit Klappe im Fussboden des letzteren nach dem an der Esse liegenden Abluftkanal bis über Dach abgesaugt wird. Hierbei wird die unten vor dem Ofenraum befindliche Eisenthüre geschlossen, die bei Zirkulationsheizung offen bleibt. Zur weiteren Lüftung, zumal im Sommer, dient ein in der Decke des Baderaumes beginnender und mit verzinkter Eisenklappe verschliessbarer Kanal, der im Thürmchen über Dach ausmündet.

Das warme Wasser für Wannen und Brausen wird in dem im Heizraum stehenden verhältnissmässig sehr wenig Platz beanspruchenden Patent-Gegenstromkessel auf rd. 60 ° erhitzt, steigt nach dem eisernen rd. 1,70 cbm fassenden Warmwasserbehälter, der gleich dem rd. 1 cbm fassenden Kaltwasserbehälter im Bodenraum über der Bademeister-Wohnung steht, und wird von da nach den Baderäumen geleitet, wo es mit Gebrauchstemperatur ausläuft. Um bei geringem Bedarf eine zu grosse Abkühlung des in den Röhren stehenden Wassers zu vermeiden, ist von den Rohrenden aus eine Zirkulationsleitung angelegt, die nach dem Kessel zurückführt und bei grossem Bedarf mittels Hahn für jeden Baderaum abstellbar ist.

Sämmtliche Röhren sind aus Schmiedeisen hergestellt und verzinkt, und in den Zellen mit Silberbbronze gestrichen und lackirt. Die Hähne, Schellen, Schrauben u. dergl. sind aus Rothguss, die Brausen aus Kupfer hergestellt; alles ist vernickelt. Die Brausen, einschl. derjenigen über den Wannen, sind je mit Hähnen für Kalt und Warm versehen, die der Badende leicht handhaben kann Die Fussbodenschüsseln haben Entleerungs-Ventile und Ueberläufe aus Messing.

Die Wannen sind aus Gusseisen hergestellt, innen weiss emaillirt, aussen hell in Oelfarbe gestrichen und lackirt, haben mit Gummi umhüllten Ablaufventilstöpsel – um die Emaille der Wannen nicht abschlagen zu können – und werden durch 2 obere Auslaufhähne für Kalt und Warm gespeist. Die Wasserentnahme ist unbeschränkt, kann aber bei Missbrauch leicht vom Bademeister kontrollirt bezw. verhindert werden. Die Zellen sind je mit 1 Lattenrost, 1 Schemel, 1 Wandbrettchen 3hakiger vernickelter Kleiderleiste, Stiefelknecht und Spiegel mit Fase und ohne Holzrahmen ausgestattet; alle Befestigungstheile, Schrauben usw. sind gleichfalls vernickelt.

Im Warteraum befinden sich 2 Bänke aus gebogenem und polirtem Holz, Schirmständer, Zigarrenableger, ein verziertes Trinkwasserbecken mit Nickelhahn usw. Der Raum ist mit Simsen und Ornamenten aus Gipsstuck dekorirt und einfach gemalt. Links in der Nische ist eine Marmortafel angebracht worden, deren Schrift den Dank der Stadtgemeinde an die Stifterin bekundet.

Volksbad in Pirna

Der Wasch- und Trockenraum enthält einen Waschkessel mit Dunstabzug bis über Dach, Wasserhahn mit Gummischlauch, 2 grosse Waschwannen auf Böcken, 2 Einweichbottige, 1 Wäschelegetisch nebst Bank und eine kleine Drehmangel. Am Schornstein steht ein Sommerkochheerd für den Bademeister. In der Wohnstube des letzteren ist ein Kachelofen mit Kocheinrichtung aufgestellt worden.

Die Baukosten haben sich auf etwa 42000 M. gestellt.

In jedem der beiden Baderäume ist ein Spruch über der Thür angebracht worden.

Für die Männerseite lautet er:
Rein die Hülle,
Rein Herz und Wille!

Auf der Frauenseite steht:
Reiner Leib schafft frohen Sinn,
Lenkt zu inn’rer Reinheit hin!

Das Bad wird sehr fleissig benützt. Die Preise sind entsprechend billig gestellt; es kostet ein Brausebad einschliesslich Handtuch und Seife 10, ein Wannenbad 30 Pf.

Möchten vorstehende Mittheilungen dazu beitragen, dass dieser Zweig der Wohlthätigkeit auch in kleineren Gemeinden gedeihe, und möchten sich recht Viele ein Beispiel an der hochherzigen Stifterin nehmen.

Dieser Artikel von E. Fuhrmann erschien zuerst am 23.03.1898 in der Deutsche Bauzeitung.