Wohnhaus-Bauten in und bei Sonneberg in Thüringen

Architekt: Professor Albert Schmidt in München. An der südlichen Abdachung des Thüringer Waldes, zugänglich durch eine Zweig-Eisenbahn, die von Koburg aus bis Lauscha, nahe unterhalb des Rennsteiges geführt ist, liegt in einem der nach er der fränkischen Hochebene geöffneten Thäler der Hauptort des Meininger Oberlandes, Sonneberg.

Hohe, mit Fichten und Laubbäumen bewachsene Berge, von denen man nordwärts auf die unabsehbare, nur von den silbergrauen Schindeldächern vereinzelter Gebirgsdörfer unterbrochene, dunkelgrüne Wellenfläche des Waldes hinaus blickt, während dem Auge südlich das Koburger Gebiet und das Mainthal offen liegen, rahmen die Stadt ein; grüne Matten und wogende Felder breiten sich vor ihr aus. Und wie es einen eigenen Reiz gewährt, Gebirge und Ebene hier aus scharfem Gegensatze in einander übergehen zu sehen, so kann man auch mit nicht geringerem Interesse beobachten, wie in der Art der hier ansässigen Menschen norddeutsches und süddeutsches Wesen sich scheidet, bezw. verschmilzt. Wer auf werthvolle alte Baudenkmale fahndet, wird zu Sonneberg, wie im ganzen südöstlichen Theile des Thüringer Waldes, freilich nur geringe Ausbeute finden: die Stadt ist zwar alt, aber früher nur unbedeutend gewesen und mehrfach von Bränden heimgesucht worden, denen die fast durchweg im Fachwerk ausgeführten Häuser keinen Widerstand zu leisten vermochten. Der interessanteste alte Bau, den Sonneberg gegenwärtig besitzt, das aus Blockhölzern errichtete ehemalige Wirthshaus des benachbarten Gebirgsdorfes Judenbach, in welchem einst Luther übernachtet hat und dessen Einrichtung mit Rücksicht hierauf durch 3 Jahrhunderte sorgfältig erhalten worden ist, hat durch das opferwillige Eintreten eines reichen Sonneberger Bürgers, Hrn. Kommerzienrath Fleischmann, erst seit kurzem hier eine neue Stätte gefunden, nachdem sein Bestand am ursprünglichen Orte gefährdet war. Die ältere Kirche der Stadt ist i. J. 1845 durch einen grossen zweithürmigen Bau nach Heideloffs Entwurfe ersetzt worden, der in seiner hohen, das Thal beherrscherden Lage von weitem prächtig zur Geltung kommt, in der Nähe aber leider um so mehr enttäuscht.

Wohnhaus Carl Crämer – Ansicht von der Südseite

Dagegen bietet die neuere Entwickelung des z. Z. Etwa 10 000 Einwohner zählenden Orts, der bekanntlich ein Hauptsitz des deutschen Spielwaaren-Gewerbes ist und als solcher eine hohe Blüthe erlangt hat, so manches Bemerkenswerthe. Nicht nur nach der Breite hat Sonneberg sich ausgedehnt und die ganze Thalmündung ausgefüllt: auch der Raum vor derselben und den abschliessenden Bergen bis zur Eisenbahn ist bebaut, bezw. der Bebauung erschlossen und ebenso steigt letztere im Thal und an den Berglehnen allmählich immer höher empor. Zwar ist die grosse Mehrzahl der neu aufgeführten Häuser, unter denen als öffentliche Gebinde die Post und das neue Schulhaus besonders erwähnt werden mögen, von ziemlich einfacher Art; unter den Wohnhäusern, welche die geldkräftige Aristokratie der Fabrik- und Handelsherrn Sonnebergs namentlich im letzten Jahrzehnt sich errichtet hat, finden sich jedoch mehre Anlagen von monumentaler Haltung und eigenartig reizvollem Gepräge, die in ihrem Gegensatze zu den schlichten Bauten früherer Zeit auch in dieser entlegenen Gebirgsstadt deutlich den Fortschritt zur Anschauung bringen, den mit dem wachsenden Wohlstande und der verbesserten Lebenshaltung das künstlerische Verständniss und die künstlerischen Ansprüche in Deutschland überall gemacht haben.

Vor allen anderen zählen hierzu die Bauten, mit welchen der bekannte Münchener Architekt, Professor Albert Schmidt – als Sohn eines herzogl. Meininger Baumeisters zu Sonneberg geboren und aufgewachsen – seine Vaterstadt geschmückt und bereichert hat. Nicht dem Vorrath an architektonischen Schablonen entnommen, sondern – soweit wie nur möglich – aus den Sitten und Gewohnheiten des Gaues entwickelt und aufs liebevollste den Erfordernissen der jedesmaligen Baustelle angepasst, zeigen diese Schöpfungen jenen inneren Zusammenhang mit dem Boden des Landes, der uns in den meisten Bauten früherer Jahrhunderte so traulich anheimelt, den wir in unseren neuzeitlichen Werken aber fast durchweg so schmerzlich vermissen, Sie verdienen, schon aus diesem Grunde, gelegentlich aufgesucht zu werden und gern nehmen wir Veranlassung, an dieser Stelle auf sie hinzuweisen.

Wohnhaus Carl Crämer – Grundriss

Ueber die sämmtlichen Sonneberger Bauten Albert Schmidt’s zu berichten, kann natürlich nicht in unserer Absicht liegen. Es wird genügen, die bemerkenswerthesten unter ihnen zu erwähnen und in ihrer Eigenart kurz zu charakterisiren. Einige derselben sollen zugleich im Abbilde vorgeführt werden.

In einem Wohnhause für Hrn. Kommerzienrath Fleischmann, u. W. dem ältesten der bezgl. Werke, hat der Künstler unmittelbar an eine im Osten Thüringens von Alters beliebte Technik, diejenige des beschieferten Fachwerks angeknüpft. Dach und Wände des freistehenden, villenartigen Baues sind mit Thüringer Schiefer bekleidet; Gesimse sowie Fenster- und Thür-Umrahmungen zeigen eine zierliche Holz-Architektur unter reicher Anwendung ausgeschnittener Verbretterungen. So einheitlich und gediegen das Ganze auch durchgeführt ist, so ist dieser Bauweise doch ein etwas düsteres Gepräge eigen, das in freier Landschaft oder in der Umgebung gleichartiger Häuser stimmungsvoll wirkt, innerhalb einer modernen Stadt aber weniger anspricht. Es dürfte dies auch wohl der Grund sein, warum der bezgl. Versuch der einzige geblieben ist.

Zu einer eigenartigen Lösung hat der Umbau des alten Fleischmann’schen Wohn- und Geschäftshauses Veranlassung gegeben. Das im verputzten Fachwerkbau errichtete alte Gebäude sollte in seinem konstruktiven Bestande nicht angetastet werden, sondern war nur durch äusserliche Zuthaten zu verbessern und auf einen höheren Rang zu steigern. Da es nicht anging, den Fachwerkbau an der Fassade zur Erscheinung zu bringen und zum Ausgange für die bezgl. Zusätze zu nehmen, so ist dem vorspringenden Mittelbau des Hauses ein neuer Giebel aufgesetzt worden, dessen reiche, in den Formen deutscher Renaissance gestaltete Architektur (durch die Münchener Werkstätten des Schmidt’schen Baugeschäfts) in Eichenholz ausgeführt ist. Selbstverständlich kommt das Holz als solches zur Geltung und es sind Motive gewählt worden wie sie in kleinerem Maassstabe auch im Innern von Gebäuden angewendet werden und mit den Mitteln der Holztechnik leicht herzustellen waren. Der Eindruck des Ganzen ist ein sehr ansprechender. Die Bedenken gegen die geringe Haltbarkeit und Monumentalität einer derartigen Ausführung dürften im vorliegenden Falle weniger schwer wiegen, da die Dauer derselben derjenigen des Gebäudes selbst wohl mindestens gleichkommen wird.

Ein um so monumentaleres Gepräge trägt das durch die beigefügten Abbildungen in Fassade, Querschnitt und 2 Grundrissen dargestellte Wohn- und Geschäftshaus des Kaufmanns Hrn. Julius Hutschenreuter. Im Kern der alten Stadt, an der Hauptstrasse Sonnebergs und unweit einer platzartigen Erweiterung derselben gelegen, ragt das dreigeschossige Haus mit seinem ausgekragten Eckthurm und dem hohen Dach-Giebelreiter der Hauptfront wie ein Riese unter den schlichten und niedrigen Häusern seiner Umgebung hervor, ohne doch fremdartig zu wirken, da jene Motive bei deutschen – insbesondere auch bei thüringischen und fränkischen – Häusern von jeher häufig waren. Zur Erläuterung der Darstellungen ist wenig zu bemerken. Die Abtreppung des Grundrisses an der linken Ecke der Hinterseite beruht auf örtlichen Verhältnissen und hat wesentlich den Zweck, die Zufahrt zum Hofe, an welchem noch Stallgebäude und Niederlage sich befinden, zu erleichtern. Im Erdgeschoss sind ausser dem grossen, von 2 Seiten beleuchteten Verkaufsraum des Besitzers noch 2 Miethsläden gewonnen; die Obergeschosse, zu denen der Eintritt von der (aus der Seitenstrasse unmittelbar zugänglichen) Hinterseite erfolgt, enthalten je 2 Wohnungen von 5 Zimmern; im Dachboden liegen Dienstboten- und Lager-Räume. Die Anordnung eines durchgehenden Kellers war wegen des hohen Grundwasserstandes an der Baustelle, der auch eine Isolirung der Grundmauern erforderlich machte, nicht möglich. Im Aeusseren ist für die Architekturtheile Kronacher Sandstein verwendet worden: die Verblendung der Flächen ist mit gelbrothen Verblendern aus Themar erfolgt, die Dächer sind nach deutscher Art in Schiefer gedeckt. Die Ausstattung des Inneren geht nicht über bescheidene Grenzen hinaus; doch haben alle Räume Parkett- oder Fliesenböden sowie Decken mit Stucktheilung erhalten. Das Erkerzimmer in der im I. Obergeschoss gelegenen Wohnung des Besitzers ist durch eine echte Holzdecke sowie Wandtäfelungen ausgezeichnet.

Als der hervor ragendste unter den Sonneberger Bauten Schmidts ist das gleichfalls in einer photographischen Aufnahme des Aeusseren, einem Querschnitt und 3 Grundrissen dargestellte Wohnhaus des Kaufmanns Hrn. Carl Crämer anzusehen, das, trotz seiner verhältnissmässig geringen Ausdehnung, zufolge seiner günstigen Lage und der sehr gelungenen Gruppirung seines malerischen Aufbaues fast den Eindruck eines kleines Schlosses macht. Der Bauplatz zu demselben ist an der südlichen Lehne der sogen. „Kappel“, des Berges, welcher das Sonneberger Thal im Westen abschliesst, dadurch geschaffen worden, dass hier durch entsprechende Abgrabung des demnächst durch eine Futtermauer gestützten Bergabhanges eine ausreichende Ebene hergestellt, das gewonnene Erdreich aber zur Terrassirung des vor und neben dem Hause angelegten Gartens verwendet worden ist. Die Zufahrtstrasse führt zwischen dem Gebäude und der Futtermauer beiderseits vom Thale empor. Es kann diese Lage, welche überdies den Vorzug hat, nicht allzuweit vom Bahnhof entfernt zu sein, kaum von einer anderen in Sonneberg übertroffen werden. Das Haus hat den ganzen Tag über Sonne und erfreut sieh nicht nur nach Süden, sondern auch nach Westen und Osten, wo die Veste Koburg bezw. der Frankenwald den Blick begrenzen, der herrlichsten Aussicht.

Wohnhausbauten zu Sonneberg i. Thüringen

Für die Gestaltung des Grundrisses, der durch die Verschmelzung der rechteckigen Kernanlage mit einem Diagonal-Motiv eine eigenartige Entwickelung gewonnen hat, ist neben den für die Lage des Haupteinganges usw. vorliegenden Voraussetzungen, namentlich der Wunsch maassgebend gewesen, diese Aussicht nach Möglichkeit auszunutzen. An die, im Rundthurm der nordwestlichen Ecke liegende Treppe, neben welcher auf der Hinterseite der durch eine Vorhalle geschützte Eingang sich befindet, schliefst sich in sämmtlichen Geschossen ein schön beleuchteter Vorplatz mit 2 Nebenräumen an, dessen stattliche Grösse dem Hause ein vormehmes Gepräge giebt. – Das Untergeschoss, welches an die im Süden breit vorgelagerte, in 2 geschwungenen Freitreppen endende und durch eine Balustrade bekrönte Terrasse sich anlehnt und hier als Sockelgeschoss erscheint, enthält ausser den Vorraths- und Wirthschafts-Räumen neben der grossen Küche noch ein Speisezimmer für den täglichen Gebrauch der Familie und ein Rauchzimmer mit kleiner Vorhalle; es ist in allen Theilen gewölbt. Das Erdgeschoss, in welchem der Vorplatz sowie einige kleinere Räume gleichfalls gewölbt sind, enthält an der Ostseite das Schlafzimmer des Besitzer-Paars mit Garderobe und Bad, sowie das an der südöstlichen Ecke durch einen geräumigen Erker erweiterte Wohnzimmer. Eine Thür in der Südwand führt zu einer, inmitten der Terrasse dreieckig vorspringenden Vorhalle und aus dieser auf die Terrasse bezw. zum Garten. Der südwestliche Theil des Hauses wird durch ein grosses, saalartiges Familien-Zimmer eingenommen, das mit einer Abside nach Osten vorspringt. – Im I. Obergeschoss, wo an der östlichen Hälfte der Südfront, eine zum Sitzen im Freien geeignete, offene Halle gewonnen ist, sowie in den höher geführten Theilen des Hauses bezw. dem ausgebauten Dachgeschoss liegen die Schlafzimmer der Kinder, Fremdenzimmer, Dienstboten-Räume usw. Da dem Saal des Erdgeschosses in seinem östlichen Haupttheile eine grössere Höhe gegeben worden ist, als den übrigen Räumen dieses Geschosses, so haben natürlich auch die über ihm befindlichen Zimmer eine entsprechend höhere Fussboden-Lage erhalten und mussten daher durch besondere kleine Treppen zugänglich gemacht werden.

Von dem überaus reizvollen Aufbau, der sich aus dieser Grundriss-Anlage ergeben hat und auf welchen jene Erhöhung des Familienzimmers von ganz besonderem Einflusse gewesen ist, liefert unsere Ansicht ein Bild, das kaum noch der Erläuterung bedarf. Es passt nicht nur trefflich in die Landschaft, sondern entbehrt – zufolge seines hohen, unregelmässig abgewalmten Schieferdachs auch nicht eines gewissen Zusammenhangs mit den älteren Häusern der Gegend. Die Haupt-Baustoffe der Fassade – Kronacher Sandstein und Themarer Verblendziegel sind die gleichen wie beim Hutscheureuter’schen Hause; für das Bruchstein – Mauerwerk des Sockelgeschosses ist Grauwacke, für die Freitreppe Granit verwendet. – Die Ausstattung des Inneren hält sich frei von Luxus, ist jedoch durchweg eine höchst behäbige. Auch hier sind die Decken im allgemeinen in Stuck gegliedert, die Fussböden mit Parkett oder Mettlacher-Plattenbelag versehen. Eine etwas reichere Durchbildung und Möblirung in den Formen deutscher Renaissance mit Holzdecke, Täfelung usw. hat allein das grosse Familienzimmer erhalten, für welches die bezgl. Arbeiten in den Münchener Werkstätten Albert Schmidt’s angefertigt worden sind. Die Möblirung der übrigen Räume war der Firma Grasser & Hofmeister in Koburg übertragen.

Die Ausführung des in den Jahren 1884/85 errichteten Baues ist durch Hrn. Architekt Meurer in Sonneberg geleitet worden.

Als ein Gegenstück zu dem zuletzt besprochenen Crämer’schen Wohnhause möge schliesslich noch eine Anlage vorgeführt werden, die demselben nach manchen Beziehungen verwandt ist, die aber gerade in den Unterschieden, welche sie ihm gegenüber aufweist, die Art und Weise äusserst anschaulich macht, in welcher der Küstler an die Gestaltung derartiger Aufgaben heran tritt. Es ist das in den Jahren 1883/84 erbaute Wohnhaus des Fabrikbesitzers Hrn. Günther Schönau in Hüttensteinach bei Sonneberg.

Hüttensteinach, das neben der grossartigen Porzellanfabrik der Gebr. Schönau noch eine zweite Porzellanfabrik umfasst, liegt in dem von der Steinach, einem Nebenflüsschen des Mains, durchflossenen Thale, das östlich von dem Sonneberger Einschnitt nach Süden sich öffnet, ist also von letzterem nur durch einen hohen Bergsattel getrennt. Die Eisenbahn von Sonneberg nach Lauscha, die dem Laufe der Steinach folgt, führt mitten durch den Ort und hat hier einen Bahnhof. Letzterem gegenüber zweigt östlich, nahezu rechtwinklig vom Steinach-Thal, ein schmaleres Seitenthal, der „Judenbacher Grund“, sich ab, durch den die uralte, jetzt, verlassene Nürnberg-Leipziger Landstrasse nach dem schon früher genannten Dorfe Judenbach und weiterhin, durch den Sattelpass, zur Höhe des Thüringer Waldes ansteigt,

Haus Schönau in Hüttensteinbach bei Sonneberg i. Th. – Ansicht von der Südwest-Seite

Für den in Rede stehenden Bau, der sich unmittelbar der Fabrik-Anlage anschliesst und daher nach altem. Thüringer Brauch als ein „Herrenhaus“ bezeichnet wird, ist eine Stelle auf dem nördlichen Hügelvorsprung an der Ausmündung des Judenbacher Grundes gewählt worden.

In beherrschender, sonniger Lage, hoch über dem Qualm und Staub des Thals und ausreichend entfernt von dem Geräusch des in demselben sich bewegenden Verkehrs und Betriebes, wird es durch die seitlichen, höher aufragenden Berge gegen die Ost- und Westwinde geschützt. Der Ausblick nach diesen Seiten, welchen die mitgetheilten beiden Ansichten wieder geben, fällt auf die herrlichen Wälder, mit; denen die Lehnen des Steinbach-Thals bestanden sind, Nördlich zeigt er zunächst die tiefer liegenden, von dem Hause durch einen Garten getrennten Betriebs-Gebäude der Fabrik und darüber hinaus das nach dem Gebirge zu ansteigende Thal, während nach Süden eine entzückende Fernsicht nach dem Mainthal und der fränkischen Ebene sich öffnet. Die Längenaxe des Bauplatzes, der zur Hauptsache durch Absprengen des Grauwacke-Felsens gewonnen worden ist, läuft parallel mit dem Steinach-Thale; durch Anschüttung des abgesprengten Bodens ist er nach Süden zu um ein beträchtliches Stück verlängert worden, das mit seinen, von einer Brustwehr bekrönten Stützmauern wie eine Bastion nach dem Judenbacher Grunde vorspringt.

Die betreffende, mit einem Blumen-Parkett und. einem Springbrunnen geschmückte Terrasse dient zugleich als Wendeplatz für die, von Parkanlagen begleitete Fahrstrasse, die mit bequemer Steigung vom Thale, bezw. der Fabrik zum Herrenhause emporleitet.

Haus Schönau in Hüttensteinbach – Querschnitt

Letzteres baut, den Bedingungen der Baustelle sich anschmiegend, sich in 3 Geschossen auf. Von der Anlage eines vertieften Kellergeschosses musste des felsigen Untergrundes wegen Abstand genommen werden; Ersatz für dasselbe bieten einige sogen. Felsenkeller, die der Hinterseite des Hauses gegenüber stollenartig in die Bergwand getrieben sind. – Das um etwa 4 Stufen über das Gelände erhöhte, 4 m hohe Erdgeschoss, das auch bei diesem Baue in sämmtlichen Räumen überwölbt ist, enthält in seinem nördlichen, durch die Haupttreppe des Hauses unterbrochenen Theile Vorraths-Räume, in seinem südlichen Theile die grosse Küche mit der Speisekammer und das für den täglichen Gebrauch der Familie dienende Speisezimmer; ein an letzteres angeschlossener, in der Axe der Südfront vorspringender Erker ist als Rauch- bezw. Gartenzimmer gedacht, da aus ihm ein Ausgang nach der grossen Südterrasse sich öffnet. Der Eingang zu den Wirthschaftsräumen des Erdgeschosses liegt auf der Ostseite, verbunden mit der dort angeordneten, bis ins Dachgeschoss führenden Nebentreppe. – Das 4,30 m hohe Hauptgeschoss ist von Aussen her unmittelbar zugänglich gemacht durch eine stattliche steinerne Freitreppe, die – mit einem höheren Vordach versehen und mit einer offenen Laube in zierlicher Holzkonstruktion überdeckt – von der Südterrasse aus an der Ostseite des Hauses empor führt; es knüpft diese Anordnung, welche allein schon hinreichen würde, um dem Bau das Gepräge des Herrenhauses zu verleihen, in glücklichster Weise an ein Motiv an, das bei Gebirgshäusern bekanntlich nicht selten, hier aber so zu sagen ins Monumentale gesteigert ist. Nach Norden zu liegen in diesem Geschoss, dessen Vorräume überwölbt sind, eine kleine Gastwohnung sowie das Arbeitszimmer des Herrn, der von seinem Schreibtisch aus die Fabrik übersehen kann; an letzteres schliessen auf der nach dem Thal sehenden Westseite das mit einem überdeckten Balkon verbundene Wohnzimmer sowie das Zimmer der Dame sich an, das mit dem grossen Aussichts-Erker auf der Südseite in Verbindung steht. Oestlich hängt dieser überwölbte Erker mit dem Festraume des Hauses, dem grossen Familienzimmer zusammen, dem durch eine in das Dach dieses Bautheils reichende Satteldecke eine etwas grössere Höhe gegeben worden ist. – Das Obergeschoss, in welchem der mehr erwähnte, hier als Frühstückszimmer benutzte Erker zu einer luftigen Halle in Fachwerk-Konstruktion (zwischen den äusseren Steinsäulen) gestaltet ist, enthält im übrigen die Schlafzimmer der Eltern und Kinder, sowie das Badezimmer; es hat 4 m Höhe erhalten. In dem ausgebauten Dachgeschoss liegen noch einige Dienstboten-Räume usw.

Haus Schönau in Hüttensteinbach bei Sonneberg i. Th. – Ansicht von der Südost-Seite

Wenn das Haus bei vollster Behaglichkeit zugleich einen unleugbar vornehmen Eindruck macht, so verdankt es dies nicht allein einzelnen, glücklichen Anordnungen, wie dem äusseren Treppenhause, dem Erkerthurme, den ansehnlichen Abmessungen der einzelnen Zimmer, sowie der schön beleuchteten Vorräume, sondern auch dem Umstande, dass beim inneren Ausbau desselben, der im wesentlichen dem des Crämer’schen Hauses entspricht, jeder aufdringliche Luxus vermieden ist. Auch hier sind die Decken der Obergeschosse mit Ausnahme der in reicher und sichtbarer Holzkonstruktion hergestellten Decken über dem Familien-Zimmer, dem Treppenhause und der oberen Erkerhalle als einfache Stuckdecken gestaltet. Das Familienzimmer sowie das Speisezimmer im Erdgeschoss sind mit Täfelungen und jenes überdies mit reicheren Thüren, Möbeln usw. aus Eichenholz ausgestattet. Das Erkergewölbe im Hauptgeschoss ist durch einen Münchener Maler nach Entwürfen von Prof. Gebhard mit Malereien geschmückt worden. Sämmtliche Fussböden haben Eichenparkett oder Fliesenbeläge erhalten. Die Ausstattung des Familien- u. des Speisezimmers, die aus Eichenholz gefertigte Haupttreppe, sowie sämmtliche besseren Tischler-Arbeiten des Hauses, sind in den Münchener Werkstätten Albert Schmidt’s hergestellt worden, der auf besonderen Wunsch des Bauherrn diesen Bau nicht nur als Architekt, sondern zugleich als Gesammt-Unternehmer ausgeführt hat. Die Leitung desselben lag in den Händen von Hrn. Architekt Schmidt, welcher dem Sonneberger Zweiggeschäfte seines Namens-Verwandten vorsteht.

Haus Schönau in Hüttensteinbach – Grundriss

Jenem Eindrucke des Inneren schliefst die äussere Erscheinung des Hauses, zu welchem gleichfalls Grauwacken-Bruchsteine, Kronacher Sandstein, Themarer Verblender und thüringische Dachschiefer verwendet sind, vollkommen ebenbürtig sich an. In ungesuchtem, aber trotzdem malerisch wirkendem Aufbau gestaltet und nicht nur durch jene Treppen – Anordnung, und die abgewalmten Schieferdächer, sondern auch durch die Fachwerk-Konstruktion der sichtbaren halben Dachgiebel an die landesübliche Bauweise sich anschliessend, bildet das weithin sichtbare, durch das Glockenthürmchen auf dem Dach ausdrücklich als „Herrenhaus“ hervor gehobene Gebäude einen Schmuck der Landschaft, der von keinem diese Strasse ziehenden Reisenden übersehen werden dürfte.

Nach seinem vollen Werthe lernt das Besitzthum und die Leistung des Architekten allerdings nur derjenige würdigen, dem es beschieden gewesen ist, selbst in diesem gastfreien Hause zu weilen und seine Reize unmittelbar auf sich wirken zu lassen. Die dort verbrachten Stunden werden ihm unvergesslich sein.

Dieser Artikel erschien zuerst 190 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit ” -F.-“.