Aus dem Bühnenalmanach in den „Gotha“

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Man hat das Thema der „Prinzessinnenliebe“ so unendlich oft variiert und damit die Neigung bezeichnet, die Damen von fürstlicher Abstammung veranlaßte, ihr Leben mit dem eines Gatten zu vereinen, dessen Rang dem ihrigen nicht ebenbürtig war.

Dieses Thema fand neue Nahrung, als vor drei Jahren Kronprinzessinwitwe Stephanie sich mit dem Grafen Elemer Lonyay vermählte und dadurch den Vorrechten ihrer Stellung entsagte, wie es vor ihr eine Enkelin des Kaisers von Oesterreich getan, indem sie dem Freiherrn Otto von Seefried ihre Hand reichte.

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Die Zahl der fürstlichen Damen, die derartige Heiraten geschlossen, ist nicht gering. Fast nicht minder groß als die Anzahl dieser Ehen ist die Zahl der Liebesheiraten seitens männlicher Träger fürstlicher Namen mit Damen, deren gesellschaftliche Stellung nicht jener des Gatten ebenbürtig war, und zumeist waren es Künstlerinnen, deren Talent oder Schönheit, oder beides vereint, zur Veranlassung wurden, daß sie die Bretter, die ihre Welt bedeuteten, verließen, um an der Seite des Gemahls fortan das Leben einer Schloßfrau zu führen. Wenn wir von den Schauspielerinnen und Sängerinnen absehen, die durch ihre Vermählung mit Herzögen, Fürsten und Prinzen zu einer Stellung gelangten, die ihnen einen Titel und Namen à part schuf, bleibt noch immer eine erstaunlich große Zahl jener übrig, die als Gräfinnen und Freifrauen ihren Platz im chamoisfarbenen großen Bühnenalmanach mit dem im olivgrünen und violetten des Gothaer gräflichen und freiherrlichen Taschenbuchs vertauschten. Und man muß gestehen, daß sie bei diesem Farbenwechsel nichts von ihrer einstigen Grazie einbüßten.

Die einzige unter allen, die auch nach ihrer Eheschließung insofern in aktiver Fühlung mit ihrem einstigen Beruf blieb, als sie die Beraterin ihres kunstsinnigen Gemahls wurde, ist Ellen Franz, die zur Freifrau von Heldburg erhobene Gemahlin Herzogs Georg II. von Sachsen-Meiningen, mit dem die an Geistes und Herzensgabe reiche Frau in dreißigjähriger glücklicher Ehe lebt.

Zu jenen, die, wie vorhin erwähnt, infolge ihrer Vermählung einen Namen und Titel à part erhielten, muß in erster Reihe Amalie Wollrabe genannt werden, bei deren Nennung den ältesten unter den alten Berlinern die Erinnerung an Stunden ungebundenster Fröhlichkeit erwacht, da die einstige treffliche Soubrette an der Seite Helmerdings und Reusches in der „Grünen Neune“, dem gegenwärtigen Wallner- oder vielmehr Schillertheater, stürmische Erfolge errang. Erst 24 Jahre alt, entsagte sie der Bühnenlaufbahn, um die Gemahlin des Prinzen Leopold zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg zu werden – fürs erste noch namenlos, da ihr der Titel einer Freiin Wollrabe von Wollrab erst acht Jahre nach erfolgter Eheschließung zuteil wurde, der nach weiteren sechs Jahren, ebenfalls durch bayrisches Diplom, durch jenen einer Gräfin von Löwenstein Scharffeneck bereichert wurde. Diesen Titel führen auch ihre drei, dieser Ehe entsprossenen Kinder, von denen eine Tochter als Nonne dem Kloster Saeré Coeur in Prag angehört, während die älteste und der an die Tochter Lord Pirbrights vermählte Sohn in München, dem Domizil der verwitweten Gemahlin des Prinzen Leopold, leben.

Amalie Wollrabe (Gräf. v. Löwenstein-Scharffeneck)
Amalie Wollrabe (Gräf. v. Löwenstein-Scharffeneck)
Natalie Frassini (von Grünhof). (Gemahlin des Herzogs Ernst von Württemberg)
Natalie Frassini (von Grünhof). (Gemahlin des Herzogs Ernst von Württemberg)

Eine Künstlerin, die einst das Interesse Verdis und Rossinis erregte und den Sohn Mozarts durch die vollendete Wiedergabe der Kompositionen seines Vaters begeisterte, Natalie Frassini, mit ihrem eigentlichen Namen Eschborn, entflammte das Herz des Herzogs Ernst von Württemberg, eines Onkels des zur Thronfolge berufenen württembergischen Herzogs Philipp. Im Jahr 1854 in London tätig, gewann sie das Interesse der Königin Victoria und deren Mutter, der Herzogin von Kent, die als Schwester des Herzogs Ernst I. von Sachsen-Koburg-Gotha das Engagement der jungen Sängerin in Koburg veranlaßte. Dort lernte sie Herzog Ernst von Württemberg kennen, der, nachdem er die Einwilligung des Königs erhalten, sich mit der Künstlerin 1860 in Hamburg morganatisch vermählte.

Wenige Tage nach erfolgter Eheschließung verlieh ihr der letzte Landgraf von Hessen den einem russischen Gut des Herzogs entlehnten Namen von Grünhof. Nur acht Jahre währte diese Ehe, deren Harmonie der Tod des Herzogs 1868 löste. Das einzige diesem Bund entsprossene Kind wurde später die Gemahlin des deutschen Botschafters am Hof von Italien, Herrn von Keudell.

Nicht unerwähnt bleibe bei dieser Gelegenheit, daß die gegenwärtig in Berlin lebende 67jährige Frau von Grünhof die Verfasserin der deutschen Tertübersetzung der „Traviata“ ist, die nun schon seit vierundzwanzig Jahren auf deutschen Bühnen gesungen wird.

Ebenfalls die Gemahlin eines Herzogs wurde Antonie Barth, die als blutjunge Elevin dem Ballettkorps der Münchner Hofoper angehörte und als solche den um 40 Jahre älteren Herzog Ludwig in Bayern, den Bruder der verewigten Kaiserin Elisabeth, durch ihren Liebreiz derart bezauberte, daß er ihr mit Bewilligung des Prinzregenten, der ihr den Namen von Bartolf verlieh, seine Hand zum Bund fürs Leben reichte. –

Antonie Barth (Gemahlin Herzog Ludwigs in Bayern)
Antonie Barth (Gemahlin Herzog Ludwigs in Bayern)
Johanna Loisinger (Gräfin Hartenau)
Johanna Loisinger (Gräfin Hartenau)

Zu den meistgenannten Liebesheiraten gehörte auch jene des Prinzen Alexander von Battenberg, der sich drei Jahre nach Beendigung seiner bulgarischen Episode im Jahr 1889 mit der ausgezeichneten Sängerin Johanna Loisinger vermählte, nachdem er kurz vor seiner Eheschließung durch großherzoglich hessische Verfügung für sich und seine Nachkommen den Grafenstand unter dem Namen von Hartenau erhalten hatte. –

Einer bekannten Künstlerfamilie, deren Mitglieder seit nahezu einem Jahrhundert zu den Zierden der Dresdner Bühne zählen, gehört Gertrud Porth an, die nach kurzer Bühnentätigkeit die Gemahlin des Prinzen Georg zu Bentheim und Steinfurt, einstigen Flügeladjutanten Herzogs Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha, wurde. Sie wurde zur Freifrau von Althaus erhoben.

Magda Irschick (Freifrau von Persall), Pauline Lucca (Baronin v. Wallhoven), Marie Renard (Gräfin Rudolf Kinski), Ilka von Palmay (Gräfin Eugen Kinsky), Marie Schwarz (Baronin Rivalier v. Meysenbug), Gertrud Porth (Gemahlin des Prinzen Georg zu Bentheim)
Magda Irschick (Freifrau von Persall), Pauline Lucca (Baronin v. Wallhoven), Marie Renard (Gräfin Rudolf Kinski), Ilka von Palmay (Gräfin Eugen Kinsky), Marie Schwarz (Baronin Rivalier v. Meysenbug), Gertrud Porth (Gemahlin des Prinzen Georg zu Bentheim)

Der Name Pauline Lucca bedarf keiner weiteren Charakteristik. Was diese Künstlerin der Oper gewesen, das lebt noch in der Erinnerung der Theaterhabitués zweier Welten, und noch ganz besonders jener, die Gelegenheit hatten, diesen Stern am Opernhimmel Berlins in den siebziger Jahren zu bewundern. In erster, später geschiedener Ehe mit dem Leutnant Baron von Rhaden vermählt schloß Pauline Lucca 1874 einen zweiten Ehebund mit dem Major Freiherrn von Wallhofen und lebt gegenwärtig in Wien, ihr großes künstlerisches Können ausschließlich der Ausbildung junger Talente widmend. –

Die erste und berühmteste Darstellerin der „Grille“, Friederike Goßmann, der die Birch-Pfeiffer kurz vor ihrem Tod wehmütig schrieb: „Es kommt keine wieder wie du! Für wen soll man denn schreiben, seit du unter die Diplomaten gingst?!“ leuchtete glänzend an den Bühnen Wiens und Hamburgs auf. Nur wenige Jahre, dann wurde aus der vielgefeierten „Naiven“, die noch heute mit ihrer ganzen Seele an dem Märchenland hängt, als das ihr damals die Bühne erschienen, die sie im Vollglanz ihres jungen Ruhmes verließ, die Gemahlin des Grafen Anton Probesch von Osten, eines Sohnes des ausgezeichneten Diplomaten, der als Gesandter am Hof Friedrich Wilhelms IV. nicht einflußlos auf dessen Ablehnung der deutschen Kaiserkrone blieb. An der Seite ihres Gatten, der sich nicht nur durch die Herausgabe des wertvollen literarischen Nachlasses seines Vaters betätigte, sondern sich auch selbst als feinsinniger Schriftsteller in seinen Werken über Aegypten und Nubien erwies, lebt Friederike Goßmann ein sonnenumstrahltes Märchendasein in ihrem Grillenschlößchen am Gmundner See. –

Friederike Gotzmann (Gräfin Prokesch von Osten)
Friederike Gotzmann (Gräfin Prokesch von Osten)
Luise Erhartt (Gräfin v. d. Goltz)
Luise Erhartt (Gräfin v. d. Goltz)

Gleich ihr eine Künstlerin von hervorragender Bedeutung, wenn auch in dem der Goßmann heterogenen Fach einer Heroine, war Luise Erhartt, die bis zu ihrem 1878 erfolgten Scheiden vom Berliner Königlichen Schauspielhaus zu den bevorzugtesten Lieblingen des Publikums gehörte. Zehn Jahre vorher war sie die Gemahlin des gegenwärtigen Generalleutnants z. D. Grafen Karl v. d. Goltz geworden, an dessen Seite sie in Wiesbaden lebt. –

Zu den Künstlerinnen, die sich an aktive Offiziere vermählten, gehört auch Friederike Kronau eine der ersten Darstellerinnen der „Frou-Frou“, die sich mit dem General der Kavallerie und Landes kommandierenden in Ungarn, Freiherrn von Edelsheim-Gyulay, vermählte und nach seinem Tod, vor drei Jahren, eine zweite Ehe mit dem Kommandeur des 4. Armeekorps, Feldzeugmeister Prinzen Rudolf von Lobkowitz, schloß. –

Frederike Kronau (Prinzessin Rudolf von Lobkowitz)
Friederike Kronau (Prinzessin Rudolf von Lobkowitz)

In die österreichisch-ungarische Aristokratie traten durch Heiraten ferner ein Marie Renard und Ilka v. Palmay als Gräfinnen Rudolf und Eugen Kinsky die einstige Prima Ballerina Berta Linda als Gräfin Strachwitz, dann die ausgezeichnete Tänzerin Katharina Abel als Gräfin Orssich. Das langjährige Mitglied des Hofburgtheaters, Ernestine Negro, wurde die Gattin des ältesten Sohnes des bekannten Schriftstellers und Dichters Freiherrn von Dingelstedt, die Opernsängerin Regina Klein eine Freifrau von Heine Geldern und die einstige Soubrette Marie Schwarz eine Baronin Rivalier von Meysenbug. Die berühmte Tragödin Magda Irschick blieb auch als Gemahlin des Freiherrn Anton von Perfall eine Zeitlang der Bühne treu, während die an den Fürsten Josef Sulkowski vermählte Soubrette Ida Jäger sowie die Operettensägerin Hermine Meyerhoff, die eine russische Fürstin Tatitscheff geworden sein soll, sowie Margarete Formes die Naive des Hofburgtheaters und jetzige Baronin von Königswarter, ihrer künstlerischen Laufbahn völlig entsagten.

Nach dem hohen Norden, auf sein Rittergut, führte der russische Kammerherr und Staatsrat Baron von Wolff-Stomersee, der ehemalige Privatsekretär der verewigten Königin Olga von Württemberg, seine Gattin, die Sängerin Alice Barbi, während die Wagnersängerin Ilona Scherenberg, die Tochter des bekannten Theaterdirektors, die Bühne verließ, um auf dem ihrem Gemahl, dem Grafen Gustav von Sweerts und Sporck, gehörigen Rittergut Kukus in Böhmen sich der Fürsorge der großen Sweerts-Sporckschen, aus dem Jahr 1711 stammenden Stiftung für 100 Invaliden zu widmen.

Alice Barbi (Baronin von Wolff-Stomersee)
Alice Barbi (Baronin von Wolff-Stomersee)
Sophie Stehle (Freifrau von Knigge)
Sophie Stehle (Freifrau von Knigge)

Wenn wir noch der an den preußischen Kammerherrn und Rittmeister z. D. Freiherrn von Knigge vermählten ausgezeichneten dramatischen Sängerin Sophie Stehle Erwähnung tun, ist mit dieser Nennung die Reihe der an Aristokraten vermählten Bühnenkünstlerinnen keineswegs erschöpft.

Man könnte noch der berühmten, vor zwei Jahren verstorbenen Prima Ballerina Marie Taglioni gedenken, die der österreichische General Prinz Josef zu Windischgrätz zum Altar führte, der Tänzerin Camilla Stephanska, die sich mit dem Prinzen Emil zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg vermählte, der bekannten Schauspielerin Karoline Bauer, die als Gräfin Montgomery die Gemahlin des Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg wurde, des nachmaligen Königs Leopold I. von Belgien und Vaters des gegenwärtigen belgischen Monarchen. Nach erfolgter Trennung dieser Ehe wurde die Künstlerin die Gemahlin des Grafen Ladislaus von den Broele-Plater.

Zu diesen gesellen sich die an den Prinzen Paul von Thurn und Tarxis vermählt gewesene Sängerin Elisabeth Kreuzer, die einstige Tänzerin Toni Kitzing, die als Gattin des russischen Eskadronchefs Fürsten von Tornow diesem in seine nordische Heimat folgte.

Die Sängerin Milena, die vor elf Jahren die Gemahlin des Prinzen Heinrich von Hessen wurde, die Wiener Hofschauspielerin Antonie Janisch, die sich mit dem Grafen Arco-Valley verband, und Hedwig Stein, die als Witwe des Prinzen Rudolf von Liechtenstein in Wiesbaden lebt, die Solotänzerinnen Katharine Friedberg, die als Gemahlin des Grafen Joseph von Westphalen zu Fürstenberg die Mutter der an den berühmten Herrenreiter Oberst von Heyden-Linden vermählten Komteß Elisabeth von Westphalen wurde, und Katharina Vogel, die dem königlich württembergischen Rittmeister Grafen Alfred von Beroldingen ihre Hand reichte. Diese und viele hundert andere, die einst im Dienst Thaliens oder Melpomenes gestanden, tauchen in der Erinnerung auf, wenn man der Bühnenkünstlerinnen gedenkt, die ihren sonstigen Gepflogenheiten entgegen den Uebergang in ein anderes „Fach“ ausnahmslos freudig unternahmen. Und schließlich war es doch die beste Karriere, die sie machen konnten.

Dieser Artikel von J. Lorm erschien zuerst in Die Woche 44/1903.