Fürstliche Aebtissinnen

Das Adlige Damenstift auf dem Hradschin gehört unstreitig zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten Prags.

Unmittelbar an die Königliche Hofburg angrenzend und mit dieser durch einen Korridor verbunden, erschließt sich von der Terrasse der Gemäldegalerie aus ein prächtiges Panorama der ganzen Stadt. Jahrhunderte alte Bäume verleihen dem mächtigen Park des Stiftes ein urwaldähnliches Gepräge.

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Dies idyllische Heim hat die Kaiserin Maria Theresia gegründet und durch Stiftsbrief vom 28. August 1755 zur standesgemäßen Unterkunft für Damen des höheren österreichischen, insbesondere des böhmischen Adels bestimmt. Als wichtigste Vorbedingung zur Aufnahme wird von den Kandidatinnen des Adligen Damenstifts die Ablegung der Ahnenprobe gefordert, das heißt, sie müssen den urkundlichen Beweis erbringen, daß sie ihrer Abstammung nach mit den männlichen Rittern des Malteserordens ebenbürtig sind.

Erzherzogin Maria Annunziata, Aebtissin des Adligen Damenstifts in Prag

Die Insassinnen des Adligen Damenstifts heißen Kapitularinnen. Die höchste Würde bekleidet die Aebtissin, die stets durch ein unvermähltes Mitglied des Habsburger Kaiserhauses vertreten werden muß. Im letzten Jahrhundert standen die Erzherzogin Marie Christine, die jetzige Königinregentin von Spanien, Erzherzogin Marie Antonie, Erzherzogin Margaretha Sophia, jetzt Herzogin von Württemberg, Erzherzogin Karolina Maria und seit dem 16. Juni 1894 Erzherzogin Maria Annunziata dem Adligen Damenstift als Aebtissinnen vor. Die Aebtissin wie auch die Dechantin, gegenwärtig die Fürstin Ernestine Auersperg, die Unterdechantin, jetzt Zdenka Gräfin von Zierotin, sowie zwei Assistentinnen werden vom Kaiser selbst ernannt, während die dritte Assistentin von den Stiftsdamen gewählt wird.

Sämtliche Stiftsdamen haben freie Unterkunft in dem schloßartigen Gebäude und beziehen zu ihrer standesgemäßen Unterhaltung aus dem Millionen beziffernden Stiftsvermögen eine jährliche Apanage, genannt Präbende; die Verpflegung geschieht nach eigenem Gutdünken und nicht gemeinschaftlich. Dem Damenstift stehen fünf Hofequipagen zur freien Verfügung, ebenso je zwei Logen im Deutschen Landes- und im böhmischen Nationaltheater.

Erzherzogin Margareta Sophia, Aebtissin des Adligen Damenstifts in Prag
Erzherzoging Maria Karolina als Aebtissin

Die Aebtissin des Adligen Damenstifts residiert nicht im Stift selbst; weilt sie zur Verrichtung amtlicher Funktionen in Prag, so stehen ihr die Gemächer der angrenzenden Hofburg zur Verfügung. Den Kapitularinnen wird hinsichtlich ihrer Zeiteinteilung, unbeschadet des gemeinsamen Chorgebets von 9 – ½ 11 Uhr morgens, keinerlei Zwang auferlegt. Mit der Vermählung hört die Zugehörigkeit zum Damenstift auf, und die stiftsbriefmäßige Anzahl von 30 wird durch andere Bewerberinnen ergänzt, die inzwischen nur als externe Mitglieder geführt werden.

Gräfin Zdenka Zierotin, Unterdechantin
Fürstin Ernestine Auersperg, Dechantin

Hinsichtlich der Titulatur sei erwähnt, daß jede Kapitularin ihren Rang beibehält, der Dechantin gebührt der Titel Excellenz. Die Leitung der bei dem großen Latifundienbesitz sehr verzweigten Administrationsgeschäfte ruht in den Händen zweier kaiserlicher Kommissare; augenblicklich sind es der Statthalter von Böhmen Graf Loudenhove und das Mitglied des böhmischen Hochadels Graf Karl Buquoi. Die Leitung der Bureaugeschäfte ruht in den Händen eines kaiserlichen Inspektors, der zugleich das für die Genealogie der österreichischen Adelsgeschlechter wichtige Adelsarchiv verwaltet.

Das prächtige Ornat der Aebtissinnen kommt in unsern Abbildungen zur Geltung. Die Stiftsdamen tragen eine Goldemailmedaille mit Initialen der Stifterin, auf der Kehrseite ein Bildnis der heiligen Jungfrau Maria. Bei großen Festlichkeiten wird das Stiftsabzeichen an einem weißen Moirébrustband, im alllgemeinen als Schleife, an der Brust getragen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 13.05.1901 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit “E. F.”