Berliner Neubauten 88 – Das Haus des Vereins Berliner Künstler, Bellevuestrasse 3

Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Ansicht aus dem grossen Festsaal

Architekt: Professor Karl Hoffacker-Charlottenburg. Als am Morgen des 15. Oktbr. ds. J. auf dem neuen Künstlerhause in der Bellevuestrasse die Fahnen in die Höhe stiegen und lustig im Winde flatterten, da verkündeten sie den Schaaren zur Einweihungsfeier zusammenströmender Festgäste, dass nunmehr eine Jahrzehnte lange Periode nomadenartiger Wanderschaft abgeschlossen und die Berliner Künstlerschaft in eine bleibende Stätte eingezogen sei.

Am 9. Mai 1841 wurde der „Verein Berliner Künstler“ gegründet und während der ersten 9 Jahre finden wir ihn bald in der Werderstrasse, bald in der Leipziger-, bald in der Oberwall- und bald in der Breitenstrasse. Im Jahre 1850 glaubte der Verein Unter den Linden Räume zu einem dauernden Aufenthalte gewonnen zu haben und man ging mit Behagen an die künstlerische Ausschmückung derselben. Aber schon im Winter 1852/53 sehen wir ihn wieder auf der Wanderschaft und seinen Einzug in ein Hofgebäude im ehemaligen „Sparwaldshof“ in der Kommandanten-Strasse halten. Hier war es ihm vergönnt, 13 Jahre seiner inneren Entwicklung zu leben und als ein Ergebniss derselben, als ein Zeichen der Erstarkung, den Gedanken an ein eigenes Haus zu zeitigen. Die ersten praktischen Anregungen hierzu gehen bis auf den Anfang der sechziger Jahre zurück. Bei einem Weihnachtsfeste des Jahres 1864 wurde eine Summe von 20 000 Thalern mit der Bestimmung für ein eigenes Haus der Berliner Künstlerschaft zusammengebracht; sie sollte die Grundlage für die Baukosten bilden. Den Bauplatz glaubte man von der Gnade des Königs zu erlangen.

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Diese Hoffnungen aber wurden getäuscht. Der Plan verschwand wieder aus dem Tagesinteresse, wurde jedoch im Stillen ohne Unterbrechung weiter verfolgt. Inzwischen trat wieder ein Lokalwechsel ein, der Verein bezog für die Periode 1866 -1870 das zweite Geschoss des Englischen Hauses in der Mohrenstrasse. In diese Zeit fällt die Verleihung der Korporationsrechte (9. Febr. 1867). Mit diesen ausgestattet, trachtete man durch eine Lotterie die zum Bau noch erforderlichen Mittel zu beschaffen; sie wurde versagt. Um die Jahrzehntwende geht der Verein abermals auf die Wanderschaft, um sich für eine siebzehnjährige Periode, vom Januar 1870 bis März 1887, im Industriegebäude in der Kommandanten-Strasse niederzulassen. In diese Periode fallt die Einrichtung der dauernden Kunstausstellungen, welche für die weitere Entwicklung des Gedankens eines eigenen Vereinshauses ein starkes treibendes Moment wurden. Denn nun entstanden schon materielle Entwürfe für ein eigenes Vereinshaus, ja man trat sogar schon dem Ankauf eines Grundstückes in der Voss-Strasse näher, um jedoch zu erkennen, dass die Kräfte des Vereins noch nicht stark genug seien, die in Aussicht stehende Last zu tragen. Man entschied sich vielmehr zu einem nochmaligen Provisorium und miethete Räume im Architektenhause in der Wilhelmstrasse, welche sich sowohl für Ausstellungszwecke wie auch für die Bedürfnisse der Geselligkeit geeignet erwiesen. Sie waren vom Jahre 1887 bis zum nunmehrigen Einzug in die bleibende Stätte der Zufluchtsort der Berliner Künstlerschaft. Die Hausfrage war fortgesetzt der Gegenstand eifriger Bestrebungen; an die Oeffentlichkeit traten diese, als das Kroll’sche Etablissement am Königsplatz für ein Vereinshaus in Aussicht stand. Man konnte sich mit grösseren Plänen jetzt um so mehr beschäftigen, als es dem Verein nicht nur gelungen war, selbst bedeutendere Mittel zu erwerben, sondern als auch eine von der Jubiläums-Ausstellung des Jahres 1891 herrührende städtische Zuwendung in dem ansehnlichen Betrage von 118 000 M. für den Fall zur Verfügung des Vereins gestellt wurde, als es diesem bis zum Jahre 1900 gelungen sei, ein eigenes Vereinshaus zu schaffen. Das sollte trotz alledem aber noch nicht so schnell gehen, denn die Verhandlungen wegen des Kroll’schen Etablissements führten zu einem Ergebniss nicht und man sah sich gezwungen, weiter zu suchen. Im weiteren Verlauf der Dinge fiel die Aufmerksamkeit auf das zum Verkauf ausgebotene Grundstück Bellevuestrasse 3, welches für die allerdings nicht unerhebliche Summe von 850 000 M. zu erwerben war. Die ausgezeichnete Lage des Grundstückes in unmittelbarer Nähe des Potsdamer Platzes, im Zentrum des kaufkräftigen reichen Westens, in einer der feinsten, einem lebhaften Durchgangsverkehr dienenden Strassen und die damals noch geglaubte Möglichkeit das auf dem Grundstücke stehende Gebäude durch Um- und Erweiterungsbauten in verhältnissmässigen Grenzen den Zwecken des Vereins nutzbar machen zu können, waren Eigenschaften von solchem Gewichte, dass man sich zum Ankauf entschloss. Was nun weiter erfolgte, haben wir bereits S. 163 Jahrg. 1898 geschildert. In der Folge wurde Hr. Architekt Karl Haffacker in Charlottenburg mit der endgiltigen Bearbeitung der Pläne betraut und wie vortrefflich er seine Aufgabe löste, möge aus unseren dem neuen Hause gewidmeten Illustrationen ersehen werden.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Ansicht aus dem grossen Festsaal
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Ansicht aus dem grossen Festsaal

Wer nach denselben den Organismus des Baues studirt, wird bald erkennen, wie überraschend einfach derselbe und wie gross und reichlich bemessen die Anzahl der Räume ist, die durch ihn gewonnen werden konnten. Freilich, wer sich die Mühe nimmt, den nunmehr fertig gestellten Neubau mit dem zu vergleichen, was früher an der gleichen Stelle stand, er wird mit der gleichen Ueberraschung erkennen, dass es nur wenige Theile des Baues sind, an welchen ein Stein auf dem anderen blieb, dass nur einige Fundamente, die eine oder andere Zwischenmauer und ein Theil der Fassade noch Zeugniss ablegen von verschwundener Pracht. Und wenn sich Stimmen erhoben haben, welche der Meinung waren, dass es vielleicht besser gewesen sei, lieber ganze Arbeit zu machen und unbekümmert um die Beengungen durch das Bestehende gleich ein neues Gebäude in voller Unabhängigkeit zu errichten, was vielleicht auch dem Architekten sympathischer gewesen wäre, so ist diesen Stimmen kein bautechnischer, sondern nur der diplomatische Einwand entgegen zu halten, dass es nur durch die gewählte Art eines anscheinend vorsichtigeren Vorgehens gelang, auch die ängstlichen Stimmen des Vereines für das Unternehmen zu gewinnen.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Ansicht vom Garten
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Ansicht vom Garten

Das Gebäude zerfällt in zwei Raumgruppen, in eine vordere und in eine rückwärtige. Beide werden durch das zentral gelegene Treppenhaus – ein sehr glücklicher Gedanke – verbunden. Das Grundstück hat eine Breite von 25,8 und einschliesslich des Vorgartens eine Tiefe von 75 m, mithin eine Gesammtfläche von 1885 qm. Das an der Strasse gelegene Wohnhaus hatte bei einer Tiefe von etwa 24 m eine bebaute Grundfläche von 575 qm, hierzu traten nach dem Neubau das Treppenhaus und der rückwärtige Bau mit zusammen 615,5 qm, sodass die nunmehr bebaute Fläche 1635 qm beträgt. Dass diese weitgehende Bebauung, aus welcher sich Nachtheile irgend welcher Art u. W. in keiner Weise ergeben haben, möglich war, ist dem besonderen und verständnissvollen Entgegenkommen der Berliner Baupolizeiehörde zu verdanken, welcher nicht nur für diesen einzelnen Fall, sondern auch im allgemeinen die dankbare Anerkennung nicht versagt werden kann, dass sie mit entgegenkommendster Bereitwilligkeit bestrebt ist, etwaige Härten der baupolizeilichen Vorschriften zu mildern und besonderen Fällen Rechnung zu tragen.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin

Wir haben den Grundrissen und Schnitten des Hauses, welche die Raumfolge, die Raumabmessungen und die Raumverhältnisse klar erkennen lassen, nur wenig hinzuzufügen. Der Haupteingang des Hauses wurde in die Mitte desselben gelegt. Dadurch ergab sich einmal die Möglichkeit der Durchführung einer stattlichen Hauptaxe, und durch die Anlage von zwei seitlichen Höfen und einem rückwärtigen Garten eine reichliche Beleuchtung sämmtlicher Innenräume. Programmgemäss sollten Räume geschaffen werden für eine dauernde Kunstausstellung, Räume für die geselligen Zwecke des Vereins, Festräume für ausserordentliche Veranlassungen,die unter Umständen als Ausstellungsräume mit benutzt werden sollten und Räume für die Verwaltung und den Wirthschafts-Betrieb des Oekonomen. Dieses Programm wurde in der Weise erfüllt, dass rechts und links von dem in seiner stattlichen Ausbildung als Wandelhalle zu betrachtenden Haupteingang gegen die Strasse gelegene kleinere Ausstellungsräume geschaffen wurden, welche Werken der Kleinplastik und des Kunstgewerbes Aufnahme gewähren sollen. Links schliesst sich ein etwa 120 qm grosser Erfrischungsraum für die Besucher der Ausstellung und für die Familien-Mitglieder der Künstler und Gäste an, während rechts die Garderobe, die Nebentreppe, Verwaltungsräume und Toiletten ihre Stelle gefunden haben. Die mit reichem Geländer geschmückte Marmortreppe am Ende des Eingangsflurs verbindet Vorder- und Hinterhaus miteinander und führt auf halber Höhe des Erdgeschosses zu den rückwärts gelegenen eigentlichen Ausstellungsräumen, die aus 3 Oberlichtsälen, 2 Seitenlichtsälen und dem Verkaufsbüreau bestehen Im Obergeschoss des Vorderhauses liegen der Festsaal mit Bühne, ein Speisesaal und Buffet- und andere Nebenräume. An der Rückseite des Vorderhauses liegen ferner, ein Geschoss höher, 4 grössere Klubzimmer mit Nebenräumen, ein weiteres Geschoss höher die Küchenräume für den ganzen Wirthschaftsbetrieb. Sie haben hier ihre Stelle gefunden, weil das Kellereschoss des Vorderhauses die Packräume für die Versendung der Kunstwerke und die Wirthschaftskeller aufzunehmen hatte. Im tiefen Kellergeschoss des finden sich die Kistenlager, Räume für die Zentralheizung, welche im allgemeinen eine Niederdruck-Heizung, für die Ausstellungsräuime eine sinnvoll konstruirte Warmwasser-Heizung ist, und die Betriebsräume für die künstliche Ventilation. Die eigentlichen Gesellschaftsräume des Vereins, die Kneipe, das Billardzimmer, die Bibliothek, die Kegelbahnen usw. liegen im tiefen Erdgeschoss des Hinterhauses, unter den Ausstellungsräumen. Der rechte Seitenflügel des Hinterhauses enthält in 4 Geschossen die Geschäftsräume des Vereins, ein Vorstands- und Sitzungszimmer, die Kostümkammer und die Wohnung des Hauswartes. Soviel über die Anlage der, wie man sieht, ungewöhnlich zahlreichen Räume auf so verhältnissmässig bescheidenem Raum. Mit einer bewundernswürdigen Findigkeit ist der gegebene Raum sowohl in der Flächen- wie in der Höhenentwicklung ausgenützt, in bewundernswerther Weise ist die gesammte Bauanlage klar und übersichtlich und dem natürlichen Gefühle entsprechend angelegt. Und wie sich mit diesen hervorragenden technischen und organischen Eigenschaften das künstlerische Element verbindet, darüber in unserem Schlussaufsatz.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin

Schluss

Die künstlerische Haltung des neuen Gebäudes ist die einer frischen Eigenart; allerorten ist das Bestreben zu erkennen, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue zu suchen. Dass dabei die nordische Kunst als der neubelebende Jungbrunnen aufgesucht wurde, ist in einer alten Neigung des Künstlers für die phantasiereiche Formenwelt dieses in sich abgeschlossenen charaktervollen Kunstgebietes zu suchen. Was unter seinem Einfluss und in der glücklichen Verschmelzung seiner mannichfaltigen Bildungen mit einem maassvollen Naturalismus erreicht wurde, zeigen unsere Wiedergaben ornamentaler Einzelheiten. Wie dankbar diese Kunst ist, wenn Motive aus ihrem Ideenkreise für den monumentalen Schmuck gewählt werden, zeigen die Darstellungen von Max Koch.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Querschnitt durch den Hinterbau
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Querschnitt durch den Hinterbau
Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Längsschnitt
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Längsschnitt

Doch wir wollen nicht eilen, jedoch jetzt schon andeuten, dass das Innere des Künstlerhauses heute, wo noch eine Reihe von Flächen der ihnen zugedachten malerischen Ausschmückung harren, eine abschliessende Beurtheilung des dekorativen Gesammteindruckes nicht wohl zulässt. Diese ist einem späteren Zeitpunkte vorzubehalten.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Grundrisse des Unter-, Erd- und Oberbau

Wer sich aus dem Getriebe der Bellevue-Strasse in den Vorgarten des Künstlerhauses gerettet hat, den begrüsst aus einer reichen plastischen Umrahmung die allegorische Darstellung der drei Schwesterkünste Bildhauerei, Malerei und Architektur als musivisches Gemälde nach Kartons des Malers Koberstein aus der Glasmosaik-Anstalt von Wilhelm Wiegmann in Berlin. Ueber den schöngezeichneten Figuren ruht ein Hauch romanischer Strenge; das Bildniss Albrecht Dürers nach seinem Selbstporträt überragt sie als die symbolische Darstellung der Vereinigung deutschen Wesens in der Kunstbewegung unserer Tage mit maassvollem Naturalismus. Die plastische Umrahmung zu dieser Darstellung wurde durch den Bildhauer Prof. Otto Lessing-Berlin modellirt und durch den Bildhauer Volcke in Stein übertragen. Hat das untere Geschoss der Fassade seinen alten Charakter im wesentlichen beibehalten müssen, so deutet das fensterlose Mitteltheil des Obergeschosses an, dass hier Ausstellungsräume mit Oberlicht-Beleuchtung sich befinden. Man darf wohl sagen, dass der Künstler in dem Bestreben, der Aussenseite seines Werkes ein bestimmtes und individuelles Gepräge zu verleihen, einen schweren Kampf mit den Ueberresten der alten Wohnhaus-Fassade zu bestehen hatte, aus diesem Kampfe aber so siegreich hervorging, wie es ein leidiges Kompromiss nur immer gestattet.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Ansicht der Eingangshalle
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Ansicht der Eingangshalle

Durch einen breiten, im Korbbogen geschlossenen Zugang gelangt der Besucher in die foyerartige Halle, über deren strahlenden, rothleuchtenden Marmarpfeilern geflügelte Vogel-Köpfe die Leuchtkörper halten. Der Eindruck dieser Halle mit ihrem weichen Teppich und mit ihrem abwechselungsreichen Schmuck hier aufgestellter plastischen Kunstwerke ist ein warm einladender. Den zur Linken liegenden Erfrischungsraum zieren eine reiche ornamentale Thürumrahmung, deren Bekrönung eine Sopraporte von Meyerheim einzurahmen bestimmt ist, ein landschaftliches Gemälde von Kameke, ein orientalisches Genrebild grossen Maasstabes und die lebensgrossen Vollbildnisse Holbeins, Schlüters und Peter Vischers von Menzel, Steffeck und von Heyden. Ein feiner blaugrauer Ton mit gelbem Ornament überzieht das gut profilirte Getäfel.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin

Aus der langgestreckten Eingangshalle tritt der Gast des Künstlerhauses in das geräumige, lichtdurchfluthete Treppenhaus. Seine Decke ist nach den Entwürfen von Prof. Max Koch mit Darstellungen aus der deutschen Mythologie geschmückt. Die Wände, sowie die Stirnseite des Treppenhauses mit dem Eingang zu den Ausstellungssälen sind der späteren Bemalung vorbehalten. Rechts und links dieses mit ornamentaler Holzschnitzerei (von G. Riegelmann) umrahmten Einganges schmücken die Wandflächen in halber Höhe zwei Flachreliefs des Bildhauers H. Hidding mit der idealen Darstellung der Erdenwanderung des Künstlers. Die eine Darstellung zeigt in einem grösseren Mittelfeld den Künstler, welcher, den Wanderstab in der Hand, vom Genius zur Erde geleitet und auf sein hohes Ziel hingewiesen wird. Dieses ist durch den Zeus von Otricoli nach der Phidias’schen Auffassung angedeutet. Schlange und Dornenkrone deuten auf den Leidensweg des Künstlers und auf die Versuchungen hin, welchen er ausgesetzt ist. Die zweite plastische Darstellung zeigt den ruhmvollen Meister am Ziele seines Strebens; er wird von der Idealgestalt der Kunst mit leuchtender Fackel zur Unsterblichkeit geführt. Sein Wanderstab ist mit Eichenlaub umwunden, zum Himmel schwebt der Adler mit dem Lorbeerzweig des Ruhmes, durchstochen ist die Schlange, aber gleich der in das Meer hinab tauchenden Sonne steht der ruhmvolle Künstler meistens am Abend des Lebens. Wenn wir recht unterrichtet sind, sollen diese vorläufig in vergänglichem Material gegebenen sinnreichen Darstellungen später in Bronce gegossen werden. Auch die holzgeschnitztee Umrahmung enthält beziehungsvolle ornamentale Bildungen. Das schöne Geländer der Haupttreppe schmiedeten nach Hoffackers Entwurf Methling & Gleichauf, welchen auch die Herstellung des Frontgitters übertragen war.

Ein eleganter Vorraum führt im Obergeschoss zum Festsaal, aus welchem unsere Bildbeilage eine Gesammtansicht der Rückwand und eine Theilansicht der Bühnenwand brachte. Der Saal hat ohne Bühne eine Grundfläche von etwa 300 qm und eine Empore von etwa 50 qm. Die Bühne hat ein Flächenausmaass von 35 qm und rechts und links übereinander liegend je 3 Ankleideräume; sie ist im übrigen für richtigen Bühnenbetrieb eingerichtet. Die architektonisch wirkungsvolle Gestaltung des Festsaales ist aus unserer Abbildung erkennbar. Die Programmbestimmung, dass auch die Festräume und das Treppenhaus für Ausstellungszwecke brauchbar sein mussten, liess eine nur bescheidene, zurücktretende dekorative Ausstattung dieser Räume, insbesondere auch hinsichtlich des malerischen Schmuckes zu. So kamen durch Prof. Max Koch nur zwei grössere Darstellungen des Saales zur Ausführung: eine Darstellung in der Bogenöffnung der Bühne, die wir am Kopfe unserer Nummer wiedergeben, und ein grösseres Wandgemälde an der Rückseite des Saales, welches auf unserer Saalansicht angedautet ist.

Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Kneipe
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Kneipe

In dem Halbrund über der Bühnenöffnung ist der spätgrichische siegbringende Ritter des Mythos St. Georg in nordisch-germanischer Umbildung und mit romanisirenden Stilanklängen als siegreicher Zerstörer der das Gelingen des Werkes bedrohenden Zwietracht dargestellt. Das zweite Werk des Künstlers ist das grosse, kleeblattförmig begrenzte Gemälde der Rückwand mit einem frei behandelten Motiv aus der nordischen Mythologie. Der nordische Apoll Baldur steigt in einer Lichtwolke, die von dem strahlenden Sonnenaufgang beleuchtet wird, zur Erde nieder, den Erdenwesen Kunst und Dichtung, Licht und Feuer bringend. Die Phantasiegestalten der reichen Märchenwelt sind zur Bevölkerung des lichtdurchflutheten Aethers und der gross gedachten Waldlandschaft aufgeboten. Die im Holzcharakter durchgebildete Decke, deren mittlerer Theil als Oberlicht ausgebildet ist, weist im wesentlichen nur den Schmuck des Adlers auf, welcher von den Worten begleitet ist:

Halte schirmend, Kaiseraar,
Ueber deutsche Kunst den Schild,
Dass sie schaffe treu und wahr
Deutschen Wesens Werk und Bild.

Neben diesem malerischen hat der geräumige Saal einen weiteren werthvollen Schmuck erhalten durch die ausgezeichneten Schnitzereien von G. Riegelmann und die schönen Beleuchtungskörper von P. Stotz in Stuttgart.

In dem Grad der künstlerischen Durchbildung, wie er für den Festsaal bestimmt wurde, ist annähernd auch der Kneipraum gehalten, von welchem wir eine Wiedergabe nach einer leider nicht sehr günstigen Aufnahme geben. Das Bild über dem Eingang zur Vereinskneipe, St. Lukas, rührt von Prof. E. Doepler d. J. her, die ornamentale Bemalung des Kneipraumes selbst von dem Maler Böhland. Auch auf die Fassade nach dem „Garten“ erstreckt sich die künstlerische Auschmückung. Hier malte G. Barlösius sowohl das frische Künstlerwappen wie die Wappen der Stadt Berlin und des Reiches. „Ohn’ Gunst – alle Kunst – umsunst“, verkündet als das Produkt einer künstlerischen Lebensanschauung, welche mehr von der Philosophie einer praktischen Auffassung des Daseins, als von dem vielbesungenen Künstlerstolze beherrscht wird, ein weiser Spruch. Ein behagliches Billardzimmer und zwei stimmungsvolle Kegelbahnen vervollständigen den dem täglichen geselligen Verkehr gewidmeten Theil des Hauses.

An seiner Ausführung waren eine stattliche Reihe von Bauhandwerkern und Künstlern betheiligt, welche letzteren zum grössten Theile schon genannt wurden. Die Maurerarbeiten führten Held & Francke, die Zimmerarbeiten H. Görisch, die Klempnerarbeiten Thorn und die Dachdeckerarbeiten Neumeister aus, Die Tischlerarbeiten der Kneipe, des Billard-Zimmers, der Bibliothek, der Empore und der Bühne des grossen Festsaales waren dem Tischlermeister Stiehl übertragen; die Arbeiten der Decke des Festsaales waren den Meistern Heideklang und Bilecki anvertraut. In die übrigen Holzarbeiten theilten sich die Firmen Stiebitz & Köpchen und J. C. Pfaff. Die Bildhauerarbeiten in Stein führten Ph. Holzmann & Cie, die Bildhauerarbeiten in Holz G. Riegelmann aus. Die Schlosserarbeiten lieferte Rott, die Bronze-Thürbeschläge S. Löwy, die Malerarbeiten Gebr. Eilers, die sämmtlichen Glaserarbeiten einschliesslich der Kunstverglasungen J. Schmidt. Die Drahtputz- und Zugarbeiten waren an Boswau & Knauer, die Stuckverzierungen an Bildhauer Schirmer übertragen. Die Marmorarbeiten lieferte Kiefersfelde. Die Gas- und Wasseranlagen besorgte David Grove, die Heizungs- und Ventilations-Anlagen Rietschel & Henneberg. Es wurden 3 Niederdruck-Dampfkessel aufgestellt; einer derselben liefert das heisse Masser für die sinnreiche Warmwasserheizung mit Plattenheizkörpern in den Ausstellungsräumen, eine Anlage, welche die hässlichen selbständigen Heizkörper entbehrlich macht. Soweit sie nicht von Paul Stotz geliefert wurden, stammen die Beleuchtungskörper der elektrischen Lichtanlage von C. Kramme. Die Treibarbeit der Bronzekapitelle der Marmorpfeiler des Festsaales übernahm Lind. Die gesammten Zeichnungen auch für die dekorativen Einzelheiten des Inneren lieferte der Architekt des Hauses. Dieses hat zu seiner Herstellung nur der kurzen Frist von wenig mehr als einem Jahr bedurft. –

Das neue Künstlerhaus zu Berlin - Mitteltheil der Hauptfassade, nach einer photogr. Aufnahme von Franz Kullrich in Berlin
Das neue Künstlerhaus zu Berlin – Mitteltheil der Hauptfassade, nach einer photogr. Aufnahme von Franz Kullrich in Berlin

Es war ein mühevolles Werk, welches nun glücklich und zu aller Zufriedenheit vollendet ist. Und wenn der Künstler aus den vielfältigen widerstrebenden Gewalten, welche ihm aus dem alten Hause und aus der Mitte seiner Auftraggeber entgegen traten, dennoch eine ausgezeichnete Arbeit persönlicher Eigenart hat ausreifen lassen können, so ist das nicht zum geringsten seiner lebhaften künstlerischen Phantasie zu verdanken, die, auf realem Boden gewachsen, den Bedürfnissen des Lebens nicht fremd ist, diese aber mit dem Glanze künstlerischer Veredelung zu umgeben weiss. Ein Künstlerheim hätte nun die Berliner Künstlerschaft; es möge ihr ein Wegezeichen sein für unbetretene Pfade mit neuen Offenbarungen. Das thut noth. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 26.11. & 3.12.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.