Das Bismarck-Denkmal am Starnberger See

Nachdem vor einem Jahre der Münchener Bismarck-Verein den ersten Wettbewerb unter den bayerischen Künstlern ausgeschrieben hatte, ist jetzt endlich aus dem zweiten Wettbewerb ein Entwurf des Architekten Theodor Fischer in München zur Ausführung gewählt worden.

Acht Entwürfe lagen dem Vorstande und den Wettbewerbern zur Entscheidung vor, darunter sechs Aussichtsthürme, eine Baugruppe nach Art eines alten Palas mit Treppen-, Hallen- und Terrassen-Anlage (von Bauamtmann Hocheder) und das besondere Denkmal, das die Palme sich errang. Nach Lage der Dinge – bei dem knappen Geldstande des Vereins und der bekannten Voreingenommenheit eines Theils des bayerischen Volkes gegen alles „Grossdeutsche“, namentlich auch bei der nichtsweniger wie wohlwollenden Stimmung vieler Bewohner des Berglandes! – mussten die Preisrichter zur Ueberzeugung kommen, dass die Idee eines trutzigen Luginsland, eines grossen Aussichtsthurmes, fallen zu lassen sei, zugunsten eines kleinen Bauwerkes, das die Form eines Denkmals trüge. Diese Form vereinigt der gewählte Entwurf mit einer Aussichtshalle auf das Glücklichste, indem er sich an römische Muster anlehnt, ohne des anheimelnden, vaterländischen Zuges zu entbehren. Ein Hinweis auf die Abbildung macht jede weitere Erläuterung entbehrlich. Die Seite des Hallen-Unterbaues wird 18 m, die ganze Höhe des Denkmals 27 m betragen. Der Kern soll in Beton, die kräftige Bekleidung des Unterbaues aus Nagelfluh, die am Starnberger See zutage liegt, diejenige des Denkmalaufbaues aus Sandstein oder Kalkstein ausgeführt werden. Imganzen werden 150 000 M. zur Verfügung stehen, die vermuthlich zur würdigen Herstellung reichen dürften.

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Dem Künstler, der – man darf sagen, unter erschwerenden Umständen – mit den einfachsten Mitteln ein charaktervolles und doch reich und monumental wirkendes Denkmal entworfen hat, sowie dem Bismarckverein können wir zu der Wahl nur Glück wünschen, die allen und nicht am wenigsten dem grossen Manne zur Ehre gereichen wird, mit dessen Namen es der Nachwelt überkommen soll. Möge es den Deutschen noch in den fernsten Jahrhunderten ein weihevoller, erinnerungsreicher, erhabener Punkt sein als Irminsul des 19. Jahrhunderts!

Das Bismarck-Denkmal am Starnberger See

Nach dem unzweifelhaften Erfolge dieses Wettbewerbes darf die vollkommene Neuerung, dass jeder Wettbewerber eine Richterstimme erhielt, für unser Fach entschieden beachtenswerth genannt werden, umsomehr, als der Bismarckverein die übrigen sieben Entwürfe käuflich erworben hat.

Anmerkung der Redaktion. Ganz neu ist dieses Verfahren allerdings nicht, da es schon i. J. 1848 bei dem Wettbewerb um die Altlerchenfelder Kirche in Wien Anwendung gefunden hat. Dass die Möglichkeit eines solchen Verfahrens an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, bedarf keiner besonderen Darlegung.

Bei den anhaltenden Missergebnissen der allgemeinen Preisausschreiben, – nicht in Hinsicht der Güte der Arbeiten, aber der späteren Ausführung des Werkes – rathen wir den Fachgenossen dringend, beschränkte Wettbewerbe mit Sitz und Stimme der Theilnehmer bei der Beurtheilung in den Kreis des Anzustrebenden hineinzuziehen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.04.1896 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „R.“.