Nach einem Vortrage des kgl. Bauamtmanns Frhr. v, Schaky im Münchener Arch.- u. Ing.-Verein. Die grossartige Vermehrung ihrer Heeresmacht, welche die verbündeten Staaten Deutschlands seit dem letzten Feldzuge vorzunehmen gezwungen sind, hat auch in Bayern eine durchgreifende Veränderung in jenen Einrichtungen nothwendig gemacht, welche dazu dienen, den gewaltigen Heeresmassen unserer Zeit die belebende Seele zu geben; wir meinen jene Anstalten, welche die Offiziere heranziehen und sie für ihren Beruf aus- und weiterbilden sollen.
Die kgl. bayer. Militäranstalten stehen unter der Oberleitung des Chefs des bayer. Generalstabes und theilen sich in:
1. das Kadettenkorps als Vorbereitungsschule,
2. die Kriegsschule, in welcher die Fähnriche speziell militärische Ausbildung erhalten,
3. die Artillerie- und Ingenieurschule als Fachschule für die technischen Waffengattungen,
4. die Kriegsakademie für höhere Ausbildung der Offiziere.
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Bisher waren die für diese Anstalten vorhandenen Gebäude nicht vereinigt; als nun ihr seitheriger Bestand nicht mehr ausreichte, beschloss man, sie sämmtlich auf einen gemeinschaftlichen Komplex und zwar so zu verlegen, dass jede Anstalt für sich ein abgeschlossenes Ganzes bildet, jedoch ohne zu weit gehende räumliche Entfernung der einzelnen Gebäude von einander.
Als Bauplatz stand das bereits im Eigenthum des Militärärars befindliche Marsfeld im Westen der Stadt, nördlich vom Zentralbahnhof mit einer Fläche von 5,5 ha zur Verfügung, das sich bei kiesigem Untergrund und einem Grundwasserstand von 7 m unter der fast vollkommen ebenen Oberfläche als äusserst günstig gelegen und gesund erwies.
Die Bearbeitung der Entwürfe und die spätere Ausführung der erforderlichen Bauten wurde dem zu diesem Zwecke von der kgl. Staats-Bauverwaltung beurlaubten kgl. Bauamtmann Gustay Freiherrn von Schacky übertragen, der nunmehr wieder in den inneren Staatsbaudienst (als Vorstand des kgl. Landbauamts Bayreuth) zurückgekehrt ist, nachdem seine vorzüglichen Leistungen durch Ordensverleihung allerhöchste Anerkennung gefunden haben.
Der Entwurfs-Bearbeitung gingen Studienreisen des Architekten in die Kadettenhäuser zu Oranienstein, Potsdam, Lichterfelde und Dresden voraus. Die etwas in die Länge gezogene, trapezförmige Gestalt des Bauplatzes ergab die Entwicklung nach zwei Hauptfronten, an deren südlicher das Kadettenkorps-Gebäude mit 223,4 m Länge, und an deren nördlicher das Kriegsschul-Gebäude mit 141,3 m Länge entstanden. An den Schrägseiten des Trapezes schliessen sich zu beiden Seiten des Kadettenhauses Östlich das zu letzterem gehörige Kommandeur-, westlich das Dienst-Wohngebäude und weiterhin die Aufwärter-Kaserne an, während an der nordöstl. Ecke des Bauplatzes, der Stadt zugekehrt, das Haus der Artillerien, Ingenieurschule und der Kriegsakademie steht. Im Innern des Raumes befinden sich Exerzir- und Spielplätze und ein Turngarten, während die Zwischenräume längs der Strassen mit Baumpflanzungen und Rasenanlagen ausgefüllt wurden. Anschluss sämmtlicher Gebäude an die städt. Wasserleitung und das Kanalnetz sowie Abschwemmung der Fäces aus den Aborten, Bade-Einrichtungen usw. sorgen für Erfüllung hygienischer Anforderungen.
Was die einzelnen Gebäude anlangt, so dient das Kadettenkorps-Gebäude für 210 Zöglinge, welche in 2 Kompagnien zu je 6 Inspektionen abgetheilt sind. Jede Inspektion steht unter einem Offizier, jede Kompagnie unter einem Chef, das Ganze unter der Leitung des Kommandeurs. Die Hörsäle sind im Mittelpavillon untergebracht, zu dessen Seiten je eine Kompagnie sich anschliesst. Jede Inspektion ist derart für sich abgeschlossen, dass in der Mitte das Zimmer des Offiziers sich befindet, während zu beiden Seiten je eine Wohn- und eine Schlafstube für die 9 Kadetten angelegt sind. Ausserdem hat jede Kompagnie einen Versammlungssaal, während Speisesaal und Turnhalle für sämmtliche Zöglinge gemeinschaftlich sind. Im Erdgeschoss befinden sich Lehr- und Sammlungsräume, im 1. und 2. Obergeschoss die Wohnräume der Kadetten und ihrer Erzieher. Das 3. Obergeschoss des Mittelpavillons dient als Lazareth, jenes der Eckpavillons zu Montirungskammern und Magazinen. Für die Grösse der einzelnen Räume können folgende Angaben mitgetheilt werden:
1. Schlafzimmer 63 qm Grundfläche, 4 m Höhe; daher bei 9 Kadetten für einen je 7 qm Grundfläche und 28 cbm Luftraum;
2. Wohnzimmer 45 qm Grundfläche, 4 m Höhe; daher für den Kopf 5 qm Grundfläche und 20 cbm Luftraum;
3. Hörsäle 63 qm Grundfläche, 4 m Höhe; daher bei 36 Schülern auf jeden 1,80 qm Fläche und 7,2 cbm Luftraum;
4. Speisesaal 312 qm Grundfläche, 6,5 m Höhe; bei 210 Kadetten für jeden einzelnen 1,50 qm Grundfläche und 9,75 cbm Luftraum.
Es ist eine Niederdruck-Dampfheizung mit 4 Zentralstellen durch die Firma Küuffer & Co. in Mainz eingerichtet, welche eine entsprechende Erwärmung der Wohnräume, Hörsäle, Schlafräume, Aborte, Gänge und Treppenhäuser und der Turnhalle ermöglicht und ferner gestattet, die dem Freien entnommene frische Luft der auf stündlich zweimaligen Luftwechsel berechneten Lüftungsanlage, nachdem sie vorher durch Wollfilter gereinigt ist, im Keller in besonderen Kammern vorzuwärmen. Die verbrauchte Luft wird durch senkrechte und mit Deflektoren gegen Windrückstösse gesicherte Kamine über Dach hinaus geführt. Zur künstlichen Beleuchtung dient eine von Schuckert & Co. in Nürnberg erstellte Dampf- und Dynamomaschinen-Anlage für rd. 800 Glühlampen zu je 16 Normalkerzen und auf eine 10%, Erhöhung bemessen, während durch Akkumulatoren auch ausser der Betriebszeit der Maschinen für Licht gesorgt ist. Durch Granit-Treppen, Einwölbung des Vestibüls und der Treppenhäuser, sowie der Gänge des Erdgeschosses und Anlage einer Hydranten-Löschleitung ist für möglichste Feuersicherheit gesorgt.
Im Kommandeur- und Dienstgebäude sind die Büreaus der kgl. Inspektion und Administration der Militär-Bildungsanstalten, die Wohnungen des Kommandeurs, der beiden Kompagnie-Chefs, eines Adjutanten, dann einer Anzahl verheiratheter und unverheiratheter Beamten und Bediensteten zweckentsprechend vertheilt, während in der Aufwärterkaserne in 3 Geschossen 24 dieser Bediensteten untergebracht werden können.
Das Kriegsakademie-Gebäude hat eine Frontlänge von 80 m und enthält in den beiden unteren Geschossen die Räume der Artillerie- und Ingenieur-Schule, im 2. Obergeschoss aber jene der Kriegsakademie; in allen Geschossen sind behufs möglichster Lichtflächen-Ausnützung die Räume beiderseits eines Mittelkorridors angeordnet; der Hörsaal für Physik ist in einen Ausbau verlegt und mit aufsteigenden Sitzreihen versehen; im Hofe ist eine Unterstands-Stallung für 18 Pferde erbaut.
Das Kriegsschul-Gebäude ist für 130 Schüler eingerichtet, deren Wohnräume nach dem Hofe, während die Gänge gegen die Strasse hin liegen. Im Mittelbau befinden sich die Hörsäle und die Zimmer von 7 Inspektions-Offizieren; seitwärts liegen die Wohnräume der Kriegsschüler, von denen im allgemeinen je zwei über ein Zimmer von 23 qm Grundfläche und 4 m Höhe verfügen, sodass auf den Kopf 46 cbm Luftraum treffen. Die Hörsäle enthalten 82 qm Grundfläche, wobei für jeden von 33 Schülern 10,3 cbm Luftraum entfallen. Im östlichen Eckpavillon sind zwei Säle von je rund 200 qm Grundfläche angeordnet, deren einer als Speisesaal der Kriegsschüler, der andere als Speisesaal für die unverheiratheten Offiziere sämmtlicher Militär-Bildungsanstalten, bei festlichen Anlässen aber als allgemeiner Versammlungsraum dient. Heizung, Lüftung und Beleuchtung sind ähnlich wie im Kadettenhause. – Ringsum und zwischen den Gebäuden sind der Exerzierplatz für die Kadetten, ein Spielplatz der Kriegsschüler, Gärten für den Kommandeur und die Offiziere angeordnet. Die grosse Turn- und Fechthalle östlich vom Kriegs-Schulgebäude ist durch einen gedeckten Gang mit letzterem verbunden.
Die äussere Architektur der Gebäude ist in den Formen der Renaissance durchgeführt; die Flächen sind mit Feinziegeln verblendet, Fenstereinfassungen, Gesimse und Gliederungen in Haustein ausgeführt. Die innere Ausstattung ist dem militärischen Zweck entsprechend einfach; nur die Speisesäle und die Repräsentations-Räume sind durch Holztäfelungen und Stuckverzierungen etwas reicher gehalten. Die Fussböden der Geschosse sind meist aus diagonal verlegten Eichenholzriemen auf Blindboden, die Decken durch Holzbalken mit Fehlboden aus Gipsdielen und Sandauffüllung gebildet. Bei Spannweiten, die 6 m überschreiten, wurden eiserne Unterzüge, Hängewerke oder Eisenkonstruktionen angewendet.
Da von 55 0004m des ganzen Areals nur 11698 qm überbaut sind, so ist für späteren Bedarf genügend Raum zu Erweiterungsbauten vorhanden. Die gesammte Baumasse beträgt 202 492 cbm; die Gesammtkosten für sämmtliche Gebäude einschl. Heizung, Beleuchtung, Geländeregulirung, Kanalisation, Wasserleitung, Gartenanlagen, Umfriedungen und sonstigen Nebenanlagen, sowie für Planbearbeitung, Bauaufsicht, Büreaukosten und Tantièmen der Kasernenverwaltung berechnen sich zu 4 Mill. M., wovon 3 315 0000 M. auf die Gebäude und 685 000 M. auf die Nebenanlagen fallen. Die Gebäude des Kadettenkorps und der Kriegsakademie wurden vom April 1888 bis August 1890, an der Kriegsschule vom August 1891 bis Januar 1894 errichtet.
München, im August 1894. C. Wbr.
Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.