Das Bismarck-Denkmal in Magdeburg

Beitragsbild

Am 1. April ist das Bismarck-Denkmal in Magdeburg feierlich enthüllt worden, das zu den bedeutsameren bisherigen Kunstleistungen zu Ehren des grossen Kanzlers unbedingt wird gezählt werden dürfen.

Dasselbe verdankt seine Entstehung der begeisterten Anregung aus dem Kreise der Magdeburger Bürgerschaft nach dem unvergesslichen 1. April 1895, an welchem Fürst Bismarck sein 80. Lebensjahr vollendet hatte. Nachdem in überraschend kurzer Zeit zur Errichtung eines würdigen Denkmales für den grössten Ehrenbürger der Stadt die ansehnliche Summe von 65 000 M. zusammengeflossen war, beschloss der Denkmals-Ausschuss, unter Absehung von dem üblichen Verfahren des öffentlichen Wettbewerbes, sich nur an einen beschränkten Kreis von Künstlern zu wenden, denen für die Einsendung von Modellen eine Entschädigung zugebilligt wurde.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Das Verfahren hat sich durchaus bewährt. Als künstlerischer Beirath diente dem Ausschuss Prof. Maison in München; es wurde die gemeinsame Arbeit der beiden Professoren Carl Echtermeier und Hermann Pfeifer in Braunschweig für die Ausführung ausgewählt. Das Werk der beiden Künstler, das der erstere als Bildhauer schuf und wobei er von dem letzteren als Architekten unterstützt wurde, ist rechtzeitig nach etwa zweijähriger Arbeit fertig gestellt worden zum Geburtstage des Alt-Reichskanzlers, zu dessen Lebzeiten die Enthüllung, wie man noch gehofft hatte, nicht mehr erfolgen sollte! – Als Denkmalplatz ist der in der südl. Stadterweiterung Magdeburgs belegene Scharnhorstlatz, selbstverständich in Bismarckplatz umgetauft, bestimmt worden. Mitten im Grosstadt-Verkehre sollte das Erzbild des gewaltigen Gründers der deutschen Einheit stehen, nicht etwa an einer abgeschiedeneren ruhigeren Stelle, etwa mitten auf dem mit gärtnerischen Anlagen geschmückten Platze. Darum wurde von den städtischen Behörden bei Bewilligung desselben, gleichzeitig unter Uebernahme der Kosten für die Fundamentirung und gartenkünstlerische Umgestaltung der Umgebung, der Wunsch geäussert, das Denkmal möglichst nahe herangerückt zu sehen an den Bürgersteig der belebtesten Strasse Magdeburgs, des Breiten Wegs. Das ist denn auch geschehen und so ragt das Standbild bis zur Höhe von 9 m empor in einer ähnlichen Aufstellung am Bürgersteig, dahinter der grüne Platz mit seinen umrahmenden Baumgruppen, wie das Stein-Denkmal am Dönhoffsplatz in Berlin, gegenüber dem alten Abgeordnetenhause.

Nach einer Photographie von Wilh. Müller in Magdeburg
Nach einer Photographie von Wilh. Müller in Magdeburg

Das in doppelter Lebensgrösse ausgeführte Standbild des Alt-Reichskanzlers zeigt ihn in der Vollkraft seines Schaffens, auf der Höhe seiner weltgeschichtlichen Mission; ein gewaltiger Recke, wie ihn das deutsche Volk sich vorzustellen gewohnt ist, so steht er auf einfachem granitenen Quaderunterbau, der sich über einem breiteren, friesgeschmückten Sockel erhebt, letzterer wieder durch einige Stufen aus der Fläche des Geländes herausgehoben. Auf dem kräftigen Sockelvorsprung ist ein mächtiger, naturalistisch gestalteter Adler, zwischen den ausgestreckten Fittichen fast 3 m messend, angebracht, der mit scharfen Krallen die deutsche Kaiserkrone, das Reichsschwert und das Buch der Reichsverfassung schirmt; darunter das Reichswappen. welches dagegen streng heraldisch behandelt ist. Der Fries des unteren Sockelabsatzes zeigt in leicht verständlicher Ornamentik auf der einen Seite der Wappen-Tafel den deutschen Eichen-, auf der anderen Seite den märkischen Kiefernzweig. Damit aber ist auch die Aufzählung der schmückenden Zuthaten des im übrigen fast herb erscheinenden massigen Unterbaues erschöpft, abgesehen von einem stilisirten Lorbeerbande, welches das obere eigentliche Postament als Halsglied umwindet.

Eine Einfriedung von ganz schlicht behandelten Granitpfosten zwischen welchen wuchtige Bronzeketten ausgespannt sind, trägt wesentlich zur wirkungsvollen Gesammterscheinung des Denkmales bei, das sich von breit gelagerter Grundfläche bis zum Fussockel des Erzstandbildes in drei Absätzen aufstaffelt. Wenn auch die architektonische Seite des Magdeburger Bismarck-Denkmals gegen die Leistung des Bildhauers naturgemäss bescheiden in den Hintergrund tritt, so ist doch die äusserst wohlgelungene Abstimmung der Verhältnisse des Unterbaues in allen seinen Theilen unter sich und zum hochragenden Erzgebilde als besonderes Verdienst dem beim gemeinsamen Werke betheiligten feinfühligen Architekten zuzusprechen.

Mit Rücksicht auf den grossen Maasstab der Figur und des übrigen künstlerischen Zubehörs, insbesondere aber auf die Erwägung, dass unsere Bronze-Denkmäler erfahrungsmässig schon nach Jahresfrist ihren goldenen Ton zu verlieren anfangen und dafür eine traurige, grauschwarze Eisen- oder Bleifärbung anzunehmen pflegen, ohne dass die ersehnte Patina sich jemals von selbst einstellt, mit Rücksicht auf diese Gründe wurde der Vorschlag der Künstler angenommen, anstelle des ursprünglich in Aussicht genommenen Bronzegusses das sonst nur für Bildhauerwerke allergrössten Maasstabes übliche Kupfertreib-Verfahren anzuwenden. Gegenüber den von mancher Seite gegen das letztere geäusserten künstlerischen Bedenken kann hier freudig anerkannt werden, dass die Ausführung diesmal den zu stellenden Anforderungen in jeder Beziehung voll entsprochen hat; namentlich ist die Oberflächen-Behandlung in allen Theilen, z.B. der Lederstiefel, des Stoffes der Kleider so charakteristisch gerade durch die Bearbeitung des mit dem Hammer getriebenen Kupfers ausgefallen, wie es bei einer Ausführung in Bronzeguss in solchen, selbst dem erfahrensten Künstlerauge doch ungewohnten Riesenverhältnissen kaum möglich geworden wäre.

Dass bei in Kupfer getriebenen Standbildern die wundervollste Patina sich schon nach verhältnissmässig kurzer Zeit einstellt, das lehren die Beispiele der neuen Quadriga auf dem Braunschweiger Schlosse und der beiden Reiterstandbilder vor demselben. Dagegen muss leider bestätigt werden, dass das erst Ende August 1897 enthüllte Bronze-Denkmal Kaiser Wilhelms I. in Magdeburg, auf ganz freiem Platze belegen, also unbeeinflusst von irgend welchen in der näheren oder weiteren Umgebung befindlichen Fabrik- oder sonstigen Rauchniederschlägen, sich schon in den nächsten Monaten zu schwärzen anfing derart, dass eine erste Abwaschung unter persönlicher Leitung Siemerings in der Mitte vergangenen Jahres stattfand und eine alljährlich sich wiederholende Reinigung städtischerseits in Aussicht genommen ist. Da die Kupfertreib-Arbeit in Braunschweig von der rühmlichst bekannten Howaldt`-schen Erzgiesserei unter Leitung ihres jetzigen vielfach bewährten Meisters Rinckleben ausgeführt ist, so war damit die Gewährleistung für eine künstlerische Herstellung unter der steten persönlichen Einwirkung des dort ansässigen Künstlers Prof. Echtermeier geboten – ein Umstand, der bei der Anwendung von Kupfertreibung für Denkmäler zweifellos erheblich inbetracht kommen muss!

Die Granitarbeiten für den gesammten Unterbau sind an die Firma Kessel & Röhl in Berlin übertragen worden und in bekannter mustergiltiger Weise unter Verwendung von polirtem schwedischem Wirbo-Granit für den Sockel und das eigentliche Postamt durchgeführt.

Die Gesammtkosten des Denkmals stellen sich einschliesslich der von der Stadt Magdeburg übernommenen Kosten für die Fundamentirung und gärtnerische Platzgestaltung auf etwa 70 000 M.

Dieser Artikel erschien zuerst am 19.04.1899 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Peters“.