Am 23. Mai 1889 fand die feierliche Enthüllung des Grillparzer-Denkmals statt, das man dem hervorragendsten Dramatiker Deutsch-Oesterreichs im Wiener Volksgarten errichtet hat. Dieses herrliche Denkmal, dessen künstlerische Anlage und Ausgestaltung ganz von der gewöhnlichen Schablone abweicht, ist das gemeinsame Werk zweier Wiener Künstler ersten Ranges: der Bildhauer Karl Kundmann und Rudolph Weyr.
Während der Erstgenannte das sitzende Marmorbild Grillparzer’s schuf, ward dem Zweiten die schwierige Aufgabe zu Theil, die Innenwand der antiken Exedra, jenes oben und vorn offenen, flachbogigen Freibaues, dessen Mitte die Statue einnimmt, mit Hochreliefdarstellungen zu schmücken. Die lebensgroße Marmorstatue des Dichters selbst thront unter einem aus der Wand ausladenden Portikus auf erhöhtem Sockel. Das Haupt ist sinnend vorgeneigt, die rechte Hand liegt leicht auf dem rechten Knie, die linke, welche ein Manuskript hält, ist herabgesunken. Es ist dem Künstler gelungen, mit gewohnter Feinfühligkeit die schwierige Aufgabe zu lösen, der schwer darstellbaren Persönlichkeit Grillparzer’s einen entsprechend durchgeistigten und zugleich monumental wirksamen Ausdruck zu verleihen.
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Nicht minder erfolgreich ist Weyr gewesen; er hat in den sechs großen Marmorreliefs, welche die Wandfelder der Exedra schmücken, Scenen aus den Hauptdramen des verstorbenen Dichters in so plastisch wirksamer und unmittelbar ergreifender Weise zur Darstellung gebracht, wie es selten dem Meißel des Bildhauers gelingt. Diese Reliefkompositionen führen uns vor: Aus: „Die Ahnfrau“ die Grabgewölbscene des Schlußaktes; aus: „Des Meeres und der Liebe Wellen“ die erste Scene des fünften Aktes; aus: „Medea“ den Schluß des dritten Aktes; aus: „König Ottokar’s Glück und Ende“ die Zeltscene; aus: „Sappho“ die Schlußscene; aus: „Der Traum ein Leben“ den Anfang des zweiten Aktes.
Eine unter diesen Reliefs umlaufende Marmorbank ladet zum Eintritt und zum Verweilen in der Exedra ein, welche in glücklichster Weise den Charakter feierlicher Abgeschlossenheit mit jenem freier Zugänglichkeit verbindet, und, in das Grün des Volksgartens gebettet, eines der sinnigsten und stimmungsvollsten Denkmale abgibt, welche in den Ländern deutscher Zunge zu finden sind. )
Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 9/1890 des Das Buch für Alle.