Das Kaiserdenkmal an der Porta westphalica

Die feierliche Einweihung des Kaiser Wilhelm-Denkmals auf dem Wittekindsberge an der Porta westphalica hat in Gegenwart der Majestäten am 18. Oktober 1896 stattgefunden.

Die grosse Anzahl der öffentlichen Denkmäler Deutschlands, welche in der letzten Zeit errichtet wurden und welche durch ihre künstlerische Gestaltung zu einer Besprechung oder bildlichen Wiedergabe in unserer Zeitschrift aufforderten, ist die Ursache, dass das nachfolgend beschriebene, bereits am 18. Okt. 1896 eingeweihte Denkmal erst jetzt zur Veröffentlichung gelangt. Wir glauben dazu einem in der Nähe des Denkmals wohnenden Kritiker, welcher dasselbe täglich vor Augen hat und sich so darüber ein abgeschlossenes Urtheil bilden konnte, das Wort nicht vorenthalten zu sollen. Die Redaktion der „Deutschen Bauzeitung“.

Seit längerer Zeit steht das Denkmal im Wesentlichen fertig und Allen zugänglich da und wird von Einheimischen und Fremden viel besucht, auch viel besprochen und beurtheilt. Allgemeinen Beifall finden die schönen Verhältnisse des das Kaiserbild überbauenden Baldachins, die malerische Treppenanlage, welche den natürlichen Felsen als Unterbau benutzt, das Schwungvolle der ganzen Anlage bei verhältnissmässiger Einfachheit, auch die warme Farbenwirkung des lichtbraunen Portasandsteins. Allgemein ist aber auch andererseits das Bedauern, dass die Ausführung des Denkmals nicht vollständig so geschehen ist, wie sie das in der Porta aufgestellte Gipsmodell versprach; dass Theile weggelassen wurden, die für die landschaftliche-malerische Erscheinung, welche gerade das Hauptverdienst des preisgekrönten Entwurfes ausmachte, unentbehrlich waren. Einigermaassen erklärt wird dies durch die Vorgeschichte der Denkmals-Angelegenheit.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Der Provinzial-Landtag hatte zu Münster in der Sitzung vom 15. März 1889 die für den Denkmalbau grundlegenden Beschlüsse gefasst, und zwar auf Antrag des Freiherrn von Schorlemer-Alst in folgender Reihenfolge:

1. Das Kaiser Wilhelm-Denkmal wird von der Provinz Westfalen allein gesetzt ohne Verbindung mit Hannover oder anderen benachbarten Ländertheilen.

2. Das Denkmal wird nicht in einer Stadt, sondern auf freier Bergeshöhe errichtet.

3. Der Provinzial-Landtag bewilligt für die Ausführung des Denkmals die Summe von 500 000 M.

4. Das Denkmal soll auf einem Berge an der Porta westphalica errichtet werden.

Den ersten Beschluss fasste man wohl, um der Platzfrage nicht vorzugreifen, da Hannover, Bremen und Oldenburg wohl nur in dem Falle beizusteuern gesonnen waren, dass das Denkmal an der Porta errichtet wurde; denn dieser Standpunkt allein, an der Grenze des norddeutschen Tieflandes und doch auf westfälischem Boden, war geeignet für ein Denkmal, welches die niedersächsischen Volksstämme im Verein mit der Provinz Westfalen ihrem Kaiser aufrichten wollten. Da nun aber schliesslich doch die Porta als Standort gewählt worden ist, so muss man den ersten Beschluss, die freundlich dargebotene Hand der Nachbarländer nicht zu ergreifen, umsomehr bedauern, als sich die von der Provinz Westfalen allein zur Verfügung gestellten Mittel als unzureichend erwiesen haben. 500 000 M. hatte der Provinzial-Landtag bewilligt, von den Kreisen der Provinz und durch Sammlungen wurden noch etwa 310 000 M. aufgebracht, Ueber die somit bereit stehenden Mittel von (mit Zinsen) etwa 830 000 M. wurde nun in der Weise verfügt, dass 600 000 M. auf das Denkmal selbst verwendet werden sollten; mit dem Uebrigen sollte gedeckt werden: der Ankauf der Grundstücke, die Anlage eines befestigten Weges vom Thale zur Berghöhe, Abfindung eines die Baustelle unterhöhlenden Steinbruchbetriebes, der Wettbewerb der Künstler, technische Vorarbeiten, Bauleitung und sonstige allgemeine Ausgaben.

Im Januar 1890 wurde nun vom Landeshauptmann ein Wettbewerb unter den deutschen Künstlern ausgeschrieben, dessen Programm u. a. die Bedingung aussprach, dass die Baukosten einschliesslich des Kaiserbildes und sonstigen Schmuckes die Summe von 600 000 M. nicht übersteigen dürften, worüber in einem beigefügten Kostenüberschlage der Nachweis zu führen sei. Das Ergebniss da Wettbewerbes war im Juni 1890 die Einsendung von einigen zwanzig Entwürfen der verschiedensten Art, aus welchen die Preisrichter den Entwurf des Architekten Prof. Bruno Schmitz in Berlin als den geeignetsten mit dem ersten Preise auszeichneten und zur Ausführung empfahlen. Demselben war auch ein allerdings etwas genial gehaltener Kostenüberschlag beigefügt, welcher mit 600 000 M. abschloss. Dem Ausspruche des Preisgerichts gemäss beschloss der Provinzial-Landtag in der Plenarsitzung vom 28. Okt. 1890, den Entwurf des Architekten Schmitz zur Ausführung zu bringen „unter Voraussetzung der Einhaltung des dafür veranschlagten Geldbetrages von 600 000 M.“ und beauftragte den Reg.-Bmstr. Sümmermann zu Münster mit Aufstellung eines Kostenvoranschlages unter Zugrundelegung einer genauen Berechnung der Baumassen. Dieser Kosten-Voranschlag ergab aber nun leider, dass die für den Wettbewerb programmmässig aufgestellte Kostengrenze nicht inne gehalten war, indem die genaue Berechnung einen Baukostenbetrag von 1 262 000 M., also mehr als das Doppelte, ergab. Hierauf beschloss der Provinzial-Landtag, an der Ausführung des Schmitz’schen Entwurfes dennoch festzuhalten und dieselbe dadurch möglich zu machen, dass der Maasstab des Bauwerkes um etwa ein Drittel eingeschränkt werde. Dieser Beschluss war ganz sachgemäss, wenn jene Einschränkung auf die Baumasse bezogen wurde; der lineare Maasstab brauchte dann nur um ein Achtel verkleinert zu werden. Auf solche Weise verminderten sich die Baumassen im Verhältniss der dritten Potenzen der Zahlen 8 und 7, also wie 512 zu 343, annähernd wie 3 zu 2, während die zu bearbeitenden Flächen im Verhältniss der Quadrate jener Zahlen, das ist von 64 zu 49, also etwa um ein Viertel, geringer wurden. Die ganze Höhe des Denkmals, die jetzt etwa 88 m beträgt, würde dann auf 77 m bestimmt sein und damit immer noch die halbe Höhe des Berges bedeutend überschritten haben, welche bis zum Fusse der Futtermauer etwa 130 m beträgt. Der Verfasser des Entwurfes war jedoch der Meinung, dass die Einhaltung des grossen Maasstabes für die Wirkung des Denkmals an seinem Standorte wesentlich und unvermeidlich sei und erbot sich, um den Maasstab zu retten, zu Aenderungen, durch welche die Kosten wesentlich ermässigt werden sollten. In der Hauptsache bestanden diese Aenderungen in Folgendem:

Das Kaiserdenkmal an der Porta westphalica – Grundriss

1. das Denkmal wird um 10 m nach Westen gerückt und 4 m tiefer gelegt, bez. in den Berg eingeschnitten; dadurch rückt der Fusspunkt der unteren Futtermauer am Berge höher hinauf, die Mauer erhält also eine geringere absolute Höhe, auch die Erdarbeiten am Planum der Terrassen werden geringer;

2. diese Futtermauer wird aus durch Bogen verbundenen Pfeilern konstruirt, zwischen welchen eine mit Steinpackung befestigte Erdschüttung angebracht wird;

3. der Baldachin über dem Kaiserstandbilde wird nicht von Obernkirchener Sandstein, sondern wie alles übrige von dem braunen Dogger (Portasandstein) des Wittekindberges erbaut;

4. die Pergola der oberen Terrasse wird durch eine niedrige Zinnenmauer ersetzt.

Diese Aenderungen wurden vom Provinzial-Landtage genehmigt und danach die Ausführung begonnen.

Die drei ersten Aenderungen haben der Erscheinung des Denkmals nicht geschadet, die dritte, die Wahl des Portasandsteins, demselben eher zum Vortheil gereicht; die Weglassung der Pergola und der Eckthürme an der oberen Terrasse indessen verkümmert in hohem Grade die malerische Wirkung des Ganzen. Bei der grossen Ausdehnung der unteren Ringterrasse vermisst das Auge ein Mittelglied der Gruppirung. Als im Jahre 1893 das Modell in der Porta zur Ansicht ausgestellt wurde, welches die Pergola mit 4 prächtigen, etwa 14 m hohen Eckthürmen und einem hübschen Portalbau an der Westseite enthielt, setzte jeder Beschauer die genaue Ausführung nach diesem Modell voraus und alle waren enttäuscht, als nachher der schönste Schmuck des Denkmals weggelassen wurde.

Eine weitere Aenderung, welche man während der Ausführung vornahm, war gleichfalls der Sache nicht günstig. Nachdem nämlich von der unteren Ringterrasse schon etwa 10 Pfeiler aufgemauert waren, entschloss man sich, diese Terrasse in der Mittelaxe nach Osten zu um noch 16 m zu verbreitern, so dass ihr Grundkreis um ebenso viel vom Denkmal excentrisch zu liegen kam und die mittlere Breite jetzt 33 m beträgt. Der Fuss der Terrassenpfeiler rückte dadurch wieder an dem steilen Bergabhange soweit herunter, dass dieselben theilweise eine Höhe von über 20 m bekamen.

Für die Erscheinung des Denkmals, welches doch hauptsächlich vom Thale aus gesehen wird, ist die grosse Breite der Ringterrasse, wie gesagt, nicht günstig. Selbst von dem anderen Ufer der Weser gesehen, verdeckt sie beinahe ganz die Treppenanlagen und die Stirnseite der oberen Terrasse. Hat man die Brücken überschritten, so ragen nur die beiden unbedeutenden Zinnenerker an den Ecken noch ein wenig über die Ringterrasse hervor; und steht man auf der Strasse am Fusse des Wittekindsberges, so verbirgt die grosse runde Linie derselben auch das Kaiserbild zur Hälfte und lässt nur den oberen Theil des Baldachins noch sichtbar.

Das Kaiserdenkmal an der Porta westphalica. Arch. Bruno Schmitz-Berlin

Unvorhergesehene Ausgaben sind dann wohl der Grund gewesen, dass so mancher am Denkmal noch beabsichtigte Schmuck weggelassen wurde: so die beiden Löwen an den Treppenwangen, das grosse Relief mit den Städtewappen an der Stirnseite der oberen Terrasse, die Bemalung des Gewölbes im Baldachin und anderes; auch der Plattenbelag der Terrasse ist durch eine Kiesschüttung ersetzt. Dass die letztgenannten, nicht sehr erheblichen Zuthaten später noch einmal nachgeholt werden können, ist wohl möglich; die Bekrönung der oberen Terrasse durch die malerischen Eckthürme und die verbindende Pergola wird aber wohl unerfüllter Wunsch bleiben. Es wäre dazu erforderlich, dass die seitlichen Futtermauern dieser Terrasse wieder abgerissen und stärker aufgeführt, für die Thürme auch noch besondere Grundmauern hergerichtet würden. Daran zu glauben, wagen wir nicht, denn: „Enthusiasmus ist keine Heringswaare, die sich einpökeln lässt auf viele Jahre“

Und dieser westfälische Denkmal-Enthusiasmus hat zudem sein überschiessendes Feuer noch zu einem anderen ähnlichen Werke verbraucht, das Kaiserdenkmal auf der hohen Syburg. Wie schade! Welch ein Werk hätte geschaffen werden können, wenn die Kräfte der Provinz Westfalen sich auf einen Punkt vereinigt hätten, oder wenn die angebotene Beisteuer der Nachbarländer zu einem grossartigen Kaiserdenkmal der niedersächsischen Volksstämme wäre benutzt worden!

W. Moelle, Baumeister

Dieser Artikel erschien zuerst am 01.01.1898 in der Deutsche Bauzeitung.