Während die Pariser Weltausstellung im Jahre 1889 auf dem Gebiete des Ingenieurwesens nur Zeichnungen, Pläne und Modelle der eigenen Staatsbauverwaltung und der Stadt Paris brachte, hatte man schon auf der Ausstellung in Chicago den theilweise erfolgreichen Versuch gemacht, auch die fremden Staaten und die Privatindustrie heranzuziehen. Frankreich, die Niederlande und namentlich Deutschland waren diesem Rufe gefolgt, so dass hier schon eine stattliche, wenn auch nicht einheitlich geordnete Sammlung zusammen gekommen war, welche dem Ingenieur ein reiches Studienmaterial bot.
An der diesjährigen Ausstellung in Paris haben sich neben Frankreich 22 selbständige Staaten betheiligt. Abgesehen von einzelnen Gegenständen, die in den eigenen Gebäuden der betreffenden Staaten oder in anderen Gruppen aufgenommen waren und mit Ausnahme namentlich der Ausstellung der Stadt Paris, die im eigenen Pavillon das umfangreiche Gebiet des städtischen Bauwesens, namentlich Wasserversorgung, Kanalisation und sonstige hygienische Einrichtungen in trefflicher Weise zur Darstellung gebracht hatte, war die gesammte Ausstellung des Ingenieurwesens, an welcher sich 1080 Aussteller betheiligt hatten, am Marsfelde in einem Gebäude zusammengefasst.
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Die Betheiligung der Einzelstaaten an dieser Ausstellung war natürlich sowohl nach der Zahl der Aussteller als nach der Darstellung des Gebotenen sehr ungleich. Der Löwenantheil entfiel auf Frankreich mit 730 Ausstellern, dann folgten der Zahl nach Ungarn mit 86, die Vereinigten Staaten mit 68, Deutschland mit 38 Russland mit 20, Oesterreich mit 15, England mit 13, Schweiz und Portugal mit je 10 Ausstellern. Unter letzterer Zahl blieben Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Dänemark, Norwegen, Spanien, Italien, ferner Rumänien, Bulgarien, Serbien, schliesslich Peru, Mexico, Ecuador und die südafrikanischen Republiken. Schon aus dieser kurzen Anführung der betheiligten Staaten geht hervor, dass die Ausstellung ein sehr mannichfaltiges Bild und dem Ingenieur eine treffliche Gelegenheit zu Vergleichen bot, die sonst nur nach mühsamem Studium der überreichen Fachlitteratur angestellt werden können. Freilich war das Bild auch hier noch zu lückenhaft, um etwa daraus ein abschliessendes Urtheil über die derzeitige Leistungsfähigkeit der verschiedenen Länder auf dem Gebiete des Ingenieurwesens zu gewinnen.
Im nachstehenden seien kurz einige beachtenswerthe Momente der Ausstellung hervorgehoben, wobei wir uns jedoch jedes Eingehen auf Einzelheiten versagen müssen.
Neben Frankreich, auf dessen Ausstellung wir am Schlusse zurückkommen, dürfen wir wohl unbedenklich Deutschland an erster Stelle anführen. Die Zahl seiner Aussteller war zwar keineswegs gross und es hatten sich von den Einzelstaaten neben Preussen bedauerlicher Weise nur Baden mit Plänen des Kehler und des Mannheimer Rheinhafens, Württemberg mit einer Auswahl seiner interessanten modernen Brücken, namentlich der flach und weit gespannten Steinbrücken mit Gelenken, ferner die freien Hansestädte Bremen, Hamburg, Lübeck, schliesslich die Städte Berlin, Charlottenburg, Chemnitz, Köln und Mannheim, sowie eine grössere Zahl von Firmen und Ingenieuren betheiligt; aber durch die Art des Gebotenen, durch die einheitliche Zusammenfassung desselben, hat Deutschland auch auf diesem Gebiete einen unbestrittenen Erfolg erzielt, der auch in der Preisvertheilung zum beredten Ausdruck kommt. Nächst Frankreich hat bekanntlich Deutschland hier die grösste Zahl von Auszeichnungen davongetragen, nämlich für die Aussteller selbst 17 grosse Preise, 10 goldene, 6 silberne, 1 bronzene Medaille, sodass also, da 2 Aussteller, nämlich Zivilingenieur Oscar von Miller, München, sowie die Vereinigte Masch.-Fabr. Augsburg und Masch.-B.-Ges. Nürnberg ausser Wettbewerb standen, nur ein einziger Aussteller ohne Auszeichnung geblieben ist. An Mitarbeiter wurden nicht weniger als 9 grosse Preise, 51 goldene, 58 silberne und 25 bronzene Medaillen verliehen. Es entfielen die grossen Preise für Aussteller auf das Kgl. Preuss. Minist. d. öffentl. Arbeiten, die Kais. Kanalkommission Kiel, die Senate der Freien und Hansestädte Bremen und Hamburg, auf den Magistrat von Berlin, auf die Elektrizitätsgesellschaften Siemens und Halske, Helios, Allg. Elektr.-Ges., Lahmeyer & Co., Schuckert, ferner auf die Maschinenfabriken und sonstigen Unternehmungen, Berlin-Anhalt. Masch.-B.A.-G., Gutehoffnungshütte, Haniel & Lueg, Harkort, Stettiner Chamotte-Fabr. vorm. Didier, Philipp Holzmann & Cie., ferner schliesslich auf Hr. Geh. Reg.Rath Prof. Intze. Die grossen Preise für Mitarbeiter wurden verliehen an die Herren J. Fülscher, Geh. Ob.Brth., v. Doemming und H. Keller, Geh. Brthe., Dr. W. Seibt, Geh. Reg.-Rth., sämmtlich im Minist. d. öff. Arbeiten, A. Herrmann, Reg. u. Brth. Münster, L. Oppermann, Geh. Brth. Berlin, Oberbaudirektor Franzius, Bremen, Wasserbaudirektor Buchheister, Hamburg, Oberingenieur B. Gerdau der Firma Haniel & Lueg, Düsseldorf.
In der deutschen Abtheilung stand ihrer Bedeutung und ihrem Umfange nach an erster Stelle die vom preussischen Ministerium der öffentl. Arbeiten veranstaltete Sammelausstellung aus dem Gebiete des Wasserbaues, zu welcher auch die von der Kais. Kanal-Kommission in Kiel herrührenden Pläne des Nord-Ostsee-Kanals, die von Lübeck zur Verfügung gestellten Pläne des Elbe-Trave-Kanals und die das Eisbrechwesen im deutschen Reich zur Darstellung bringende schöne Sammlung von Modellen, Zeichnungen, Photographien zu rechnen sind, zu welcher Bremen und die Kaufmannschaft von Stettin beigetragen haben. Da der Wasserbau Preussens schon auf dem internationalen Schiffahrts-Kongresse in Frankfurt a. M. 1890, in Paris 1892 und auf der Weltausstellung in Chicago 1893 in umfassender Weise vorgeführt worden ist, so hatte man sich jetzt, wie der Katalog besagt, darauf beschränkt, „lediglich die Fortentwicklung einer Reihe von bedeutenderen Bauunternehmungen, die inzwischen vollendet oder neu begonnen sind, zu zeigen, zugleich aber auch die stattgehabte planmässige Ausbildung einzelner Gebiete des Wasserbaues in geeigneter Weise zur Kenntniss zu bringen“. Ausser den schon genannten Ausführungen sind an Bauten und bauwissenschaftlichen Arbeiten herangezogen worden: die Verbesserung der oberen Oder (unter Betheiligung der Stadt Breslau), der Dortmund-Ems-Kanal (unter Betheiligung der Stadt Dortmund) und die Ermittelung der Schiffswiderstände durch Schleppversuche, die bekanntlich auf diesem Kanale in grossem Maasstabe durchgeführt worden sind, der Binnenschiffahrts-Verkehr in Deutschland, das Pegelwesen, die Verhütung von Ueberschwemmungen und die Erforschung der Gewässer in Preussen, der Königsberger Seekanal und der Dünenbau an den deutschen Küsten. Durch vorzüglich dargestellte Zeichnungen, Pläne, Photographien, Modelle und Druckwerke wurden diese Gegenstände in eingehender Weise erläutert. Ein kurz gefasster Sonderkatalog gab das Wesentliche über die einzelnen Ausführungen an und diente als werthvoller Führer durch diese überaus lehrreiche Ausstellung.
Nächst dieser Veranstaltung zog die vereinigte Ausstellung der sechs grössten Brückenbau-Anstalten Deutschlands, der Firmen Vereinigt. Masch.-Fabrik Augsburg und Masch.-B.-G. Nürnberg, Masch.-Fabr. Esslingen, Dortmunder Union, Harkort, Gute Hoffnungshütte und Philipp Holzmann & Cie, die durch Zeichnungen und Modelle ihrer bedeutendsten Brückenbauten vertreten waren, welche ein rühmliches Zeugniss von dem hohen Stande des deutschen Eisenbrückenbaues ablegten, die Aufmerksamkeit auf sich. Nähere Erläuterung dieser Sammlung gab noch das Werk „Der deutsche Brückenbau im 19. Jahrhundert“ von G. Mehrtens, über das wir schon in No. 101 der „Dtschn. Bauztg.“ berichtet haben.
Berlin war gut vertreten durch z. Th. allerdings schon bekannte Zeichnungen, Photographien und Modelle seiner neueren Brücken der Wasserwerks- und Kanalisations-Anlagen, Hamburg durch seine Hafenbauten, Bremen ebenfalls durch seine Hafenbauten und die Korrektion der Unterweser, Köln, Mannheim desgl. durch Hafenanlagen, Charlottenburg durch eine Gasanstalt, Chemnitz durch sein Wasserwerk. Die Elektrizitäts-Gesellschaften hatten sich zwar nicht in ausgedehnter Weise, aber durch gute Auswahl grosser Ausführungen betheiligt, welche die Bedeutung der deutschen Industrie auf diesem Gebiete erkennen liessen. Hervorzuheben ist noch die reichhaltige Ausstellung der Thalsperren-Anlagen des Hrn. Prof. Intze; auf die übrigen, keineswegs unbedeutenden Ausstellungsgegenstände einzugehen, verbietet uns der Raum.
Sehr gefällig in allgemeiner Anordnung, Ausstattung und Darstellung der Zeichnungen war die österreichische Ausstellung, in welcher namentlich die Modelle der Donaukanalsperre, die Entwürfe für den Moldau-Donau-Kanal, die Ausführungen der Stadt Wien auffielen. Reichhaltig und lehrreich war die ungarische Abtheilung, die sich natürlich von der österreichischen scharf abgetrennt hatte. Die Regulirungsarbeiten am eisernen Thor nebst Modellen der verwendeten Bohrschiffe usw., die Brückenbauten in Budapest, ein Diorama des Hafens von Fiume zogen hier die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf sich. Italien hatte in der Abtheilung des Minist. der öffentl.
Arbeiten schöne Pläne und Modelle von Hafenanlagen und Flusskorrektionen ausgestellt, Belgien eine hübsche Sammlung von Reliefplänen seiner Häfen und Entwürfe geplanter bezw. im Bau begriffener Kanäle; die Schweiz interessirte durch die Pläne der Jungfraubahn und durch die Pläne, Modelle, Maschinen vom Bau des Simplontunnels, Rumänien durch den Hafen von Constanza und ein Modell der Donau-Brücke von Czernavoda. Holland war, abgesehen von den wasserbaulichen Arbeiten des Staates, nur schwach vertreten, während die Zurückhaltung Englands jedem Besucher der Ausstellung sofort auffallen musste. Abgesehen von einigen Modellen bestand die ganze Ausstellung, die den zur Verfügung gestellten Raum nicht einmal füllte, eigentlich nur aus Photographien der von den verschiedenen Eisenbahnen durchschnittenen, landschaftlich schönen Gegenden nebst den Kunstbauten der Bahnlinie ohne Zeichnungen und Erläuterungen, sodass man hier eigentlich von einer Ingenieur-Ausstellung kaum sprechen konnte. Auch die Ausstellung der Vereinigten Staaten entsprach nicht der Bedeutung seines Ingenieurwesens trotz der hohen Zahl der Aussteller und war z. Th. nicht gerade sehr glücklich in der allgemeinen Anordnung. Am interessantesten waren die Darstellungen der hygienischen Einrichtungen der verschiedenen grossen Städte. Hierher gehörte namentlich die Ausführung des grossen Kanales von Chicago nach Lockport, der gleichzeitig der Abführung der städtischen Abwässer und als Schiffahrtskanal dient, sowie die Ausstellung der Stadt New-York, in welcher namentlich der riesige Reliefplan der Stadt, den man von einer kleinen Gallerie aus besichtigte, die Aufmerksamkeit auf sich zog. Charakteristisch war die von der Stadt New-York diesem Plane beigegebene Erläuterung in französischer und englischer Sprache, die an Selbstberäucherung nichts zu wünschen übrig liess.
Sehr belehrend war übrigens auch das bis in alle Einzelheiten getreue Modell eines amerikanischen Riesenhauses, dem ausserdem Probestücke der Knotenpunkte der Eisenkonstruktion beigegeben waren.
An Zahl der Aussteller verhältnissmässig klein, aber sehr reichlich und werthvoll in dem gebotenen Stoffe war die russische Abtheilung, die ein um so grösseres Interesse bot, als die Ausführungen dieses Landes, das nur wenig bereist wird, und auch seine Fachlitteratur, soweit sie nicht etwa in französischer Sprache erscheint, verhältnissmässig wenig bekannt sind. Es ist wohl auch das erste Mal gewesen, dass Russland in dieser Weise im Auslande hervor getreten ist. An der Ausstellung nahmen in erster Linie das Ministerium der Verkehrswege und die Direktion der Schiffahrtswege, Landstrassen und Handelshäfen theil. Besondere Aufmerksamkeit erregten die überaus klar und wirkungsvoll dargestellten Pläne der wichtigsten russischen Wasserstrassen, mit ihren charakteristischen Aenderungen in bestimmten Zeitabschnitten und mit Eintragung der ausgeführten Regulirungsbauten. Die Gesammtlänge der Binnenschifffahrts-Strassen des europäischen und asiatischen Russland beläuft sich auf nicht weniger als 107 300 km, dazu kommen noch 64 300 km flössbare Wasserläufe. Durch ein ausführliches statistisches Material, durch Pläne der hauptsächlichsten Handelshäfen, durch schöne Modelle der auf den Flussläufen und in den Häfen angewendeten Bagger und Eisbrecher, ferner der Ausrüstung der Häfen mit Kaianlagen, Molen, Wellenbrechern usw. wurde dieser Theil der Ausstellung vervollständigt, der eine weitere Ergänzung übrigens noch in den im Gebäude für Handelsschiffahrt am Quai d’Orsay ausgestellten Schiffstypen für die Binnenschiffahrt fand. Erwähnt sei hier gleich im Anschlusse an die staatliche Wasserbau-Ausstellung diejenige des bekannten Ingenieurs de Timonoff, die sich hauptsächlich auf die Baggerung mit Saugebaggern, auf die Regulirung der grossen russischen Flüsse durch Baggerung usw. bezog, Ausführungen, die schon gelegentlich der Berichte über den internationalen Binnenschiffahrts-Kongress in Paris in der Dtschn. Bztg. geschildert und gewürdigt worden sind. Eingehend und übersichtlich war auch die Ausstellung des russischen Eisenbahnwesens, von welchem übrigens wesentliche Theile z. B. betreffs der transsibirischen Bahn im russischen Hause am Trocadéro Platz gefunden hatte. Erwähnt sei, dass die russischen Eisenbahnen anfangs 1900 einen Gesammtumfang von rd. 60 000 km besassen, von denen 37 600 km vom Staate selbst betrieben wurden. Interessant waren die Modelle der Vorkehrungen gegen Schneeverwehungen, von Holzbrücken verschiedener Art, Baracken, kleinen Stations-Gebäuden usw. In jeder Hinsicht gehörte die russische Ausstellung zu denjenigen, welche die Leistung des Landes auf dem Gebiete des Ingenieurwesens am klarsten und übersichtlichsten zum Ausdruck brachten.
Es erübrigt nur noch, auf die umfangreichste aller Abtheilungen, nämlich die französische, mit wenigen Worten einzugehen, die ebenfalls in der Auswahl des Materials und der übersichtlichen Anordnung musterhaft war, wobei sich Zivilingenieure, industrielle Werke, Verwaltungen der Städte und Eisenbahn-Gesellschaften, schliesslich die staatlichen Behörden, namentlich das Ministerium der öffentlichen Arbeiten, mit gleichem Eifer betheiligt haben, sodass inbezug auf Vollständigkeit die französische Abtheilung allen anderen überlegen war. Man hatte dabei das ausdrückliche Bestreben, nur solche Gegenstände in Zeichnung, Photographie und Modell zuzulassen, die noch auf keiner Ausstellung vertreten waren, sodass sich daher dem Studium manches darbot, was als werthvolle Ergänzung der vorhandenen Fachlitteratur dienen konnte. Ein besonderes Verdienst hatte sich das Ministerium der öffentlichen Arbeiten durch die Herausgabe eines rd. 700 Seiten umfassenden, reich illustrirten Werkes erworben, das in ausführlicher Weise Erläuterungen zu den staatlicherseits ausgestellten Modellen und Plänen gab und an die Ausstellung besuchende Ingenieure gern abgegeben wurde. Diese erhielten damit ein schätzenswerthes Material über die neueren und neuesten Ausführungen, zu dessen Studium an Ort und Stelle freilich bei einem kurzen Besuche der Ausstellung keine Zeit verblieb, wie denn überhaupt bei der Fülle des Gebotenen ein tieferes Eingehen auf Einzelheiten nur für denjenigen möglich war, der sich auf ein enges Sondergebiet beschränkte. –
Dieser Artikel erschien zuerst am 23..12.1900 in der deutsche Bauzeitung.
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Die Artikelserie “Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900” besteht aus 5 Teilen: