Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – III. Die Anlagen für den Verkehr innerhalb des Ausstellungs-Gebietes

Abbildg. 1. Fussgängersteg oberhalb der Alma-Brücke

Die Trennung des Ausstellungs-Gebietes in zwei Theile durch die Seine, an deren Ufern sich dasselbe beiderseits in 2,5 km Länge hinziehtt, und die weitere Zerschneidung durch eingeschobene, bebaute Stadtviertel in je zwei Hauptgruppen – am rechten Ufer Elyseische Felder und Trocadero, am linken Invaliden-Esplanade und Marsfeld -, die nur durch schmale Uferstreifen zusammenhängen, haben eine ganze Reihe baulicher Anlagen erforderlich gemacht, um den Verkehr zwischen den getrennten Theilen aufrecht zu erhalten, ohne dass die Besucher gezwungen sind, die Einzäunung des weiten Ausstellungs-Gebietes zu verlassen (vergl. den Lageplan in No. 42).

Von den vorhandenen Seine-Brücken zwischen der oberen und unteren Ausstellungs-Grenze mussten die im Zuge der beiden Hauptverkehrsadern gelegenen, nämlich die Invaliden- und die Alma-Brücke, für den öffentlichen Strassenverkehr freigehalten werden, der ohnehin durch die Ausstellung in einer Ausdehnung beeinträchtigt ist, wie dies wohl schwerlich in einer anderen Stadt als Paris zugelassen worden wäre. Neben diesen beiden Brücken sind daher zur Verbindung des beiderseitigen Ausstellungs-Geländes besondere Fussgängerstege errichtet worden, die nach Schluss der Ausstellung wieder beseitigt werden. Im Interesse der ungestörten Aufrechterhaltung der Schifffahrt entspricht die Theilung dieser Stege genau der Pfeilerstellung der benachbarten Brücken, sodass die Anwendung von Eisen erforderlich wurde. Die Hauptträger sind Auslegerträger in Fachwerk, deren obere Gurte gerade und entsprechend der Brückensteigung geneigt sind, während die unteren Gurtungen des besseren Aussehens wegen bogenförmig gestaltet sind und die untere Laibung der dahinter liegenden Brückengewölbe verdecken. Die Hauptträger stützen sich auf eingerammte Pfahljoche; die Fahrbahntafel besteht aus Bohlenbelag. Das Kopfbild, Abbildg. 1, zeigt den Fussgängersteg unmittelbar oberhalb der Alma-Brücke. Derselbe hat 138 m Gesammtlänge in 3 Oeffnungen, von denen die mittlere 48 m Spannweite besitzt, während je 45 m auf die beiden seitlichen entfallen. Die Eisenkonstruktion der Seitenöffnungen wurde von festen Rüstungen aus montirt, die der Mittelöffnung ohne solche. Wie die Abbildung erkennen lässt, ist die Konstruktion durch eine etwas eigenthümliche Holzarchitektur, Ruderschiffe darstellend, verkleidet, während die Pfeiler mit künstlichen Felsen umhüllt sind.

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Der Steg dicht unterhalb der Invaliden-Brücke hat entsprechend dem massiven Bauwerke zwei Schifffahrts-Oeffnungen von je 36,22 m, während die nach dem Ufer zu anschliessenden Spannungen ungleich, nämlich links 38,18 m, rechts 18,11 m lang sind, sodass sich eine Gesammtlänge von 128,73 m ergiebt. Die Eisenkonstruktion ist hier unverdeckt geblieben. Auf den Strompfeilern erheben sich Flaggenmaste, zwischen denen je ein mächtiger vergoldeter gallischer Hahn, umgeben von einem Strahlenkranze, Platz gefunden hat.

Abbildg. 1. Fussgängersteg oberhalb der Alma-Brücke
Abbildg. 1. Fussgängersteg oberhalb der Alma-Brücke

Zwischen Invaliden-Esplanade und den Champs Elysees verbindet die neue Alexander-Brücke die beiderseitigen Ausstellungsplätze, zwischen dem Marsfelde und dem Trocadéro die Jena-Brücke, die dem öffentlichen Verkehr während der Ausstellungsdauer entzogen ist. Letzterer ist also in dieser Zeit über die Alma-Brücke bezw. die 1,5 km unterhalb liegende Brücke von Passy abgelenkt.

Die schmale Jena-Brücke, die nur 7,5 m Dammbreite besitzt, ist durch beiderseits ausgekragte Bürgersteige auf 24 m Gesammtbreite gebracht, hauptsächlich jedenfalls aus Verkehrsrücksichten, andererseits aber wohl auch, um ihr ein stattlicheres Ansehen zu geben. Die Verbreiterung ist durch eiserne Konsolen bewirkt, die sich auf die Strompfeiler-Vorköpfe stützen, durch Anker, die quer durch die ganze Brücke reichen, mit einander fest verbunden sind und auf ihren Enden je einen eisernen Gitterträger aufnehmen. Die Spannweite dieser Hauptträger schwankt zwischen 27 und 39,5 m. Querträger liegen einerseits auf diesen Längsträgern, andererseits auf der Brückenstirn auf, deren altes Geländer nebst Hauptgesims vorher beseitigt wurde. Ueber den Querträgern liegen Längsbohlen. Die Hauptträger wurden auf der alten Brücke montirt und dann auf die Konsolen übergeschoben.

Abbildg. 3. Mittlerer Querschnitt - Fussgängersteg zwischen Alma- und Jena-Brücke
Abbildg. 3. Mittlerer Querschnitt – Fussgängersteg zwischen Alma- und Jena-Brücke
Abbildg. 2. Ansicht - Fussgängersteg zwischen Alma- und Jena-Brücke
Abbildg. 2. Ansicht – Fussgängersteg zwischen Alma- und Jena-Brücke

Zwischen Jena- und Alma-Brücke besassen die beiden Seineufer auf etwa 900 m Länge bisher keine Brücken-Verbindung. Ein Bedürfniss nach einer Fahr-Brücke liegt auch nicht vor, da auf dieser Strecke keine durchgehenden Strassenzüge einmünden. Man benutzte jedoch die Gelegenheit der Ausstellung, um wenigstens für den Fussgänger-Verkehr zur Ersparung weiterer Umwege eine dauernde Verbindung zu schaffen. Man hat hier ein sehr interessantes, eigenartiges Bauwerk ausgeführt, das im Kopfbild, Abbildg. 1, im Hintergrunde noch in schwachen Umrissen erscheint, in Abbildg. 2 in der Gesammtansicht, in Abbildg. 3 im mittleren Querschnitt dargestellt ist.

Der Steg verbindet das hohe Ufer in Alt-Paris mit dem Hauptportal im Obergeschoss des Ausstellungs-Palastes für Heer und Marine. Er hat eine Gesammtlänge von 120 m und im Hinblick auf möglichst ungehinderte Schiffahrt eine Mittelöffnung von 75 m Spannweite erhalten, sodass für die beiden Seitenöffnungen noch je 22,5 m verbleiben. Die Breite der Brücke zwischen den Geländern beträgt 8 m. Die mittlere Oeffnung ist mit zwei parabolisch geformten, als Zweigelenkbogen – Fachwerkbogen in Sichelform – ausgebildeten Hauptträgern von 15 m Pfeil überspannt. Die Oberkante der angehängten Fahrbahn liegt in Brückenmitte etwa 7 m über den Gelenken, Fahrbahnunterkante 8 m über dem gewöhnlichen Wasserstande. Die Gelenkauflager ruhen auf kleinen, für jeden Hauptträger gesondert ausgeführten Strompfeilern, die trotz des grossen Mittelbogens infolge der eigenartigen Ausbildung des eisernen Ueberbaues nur nahezu lothrechte Belastungen erhalten. Auf die Gelenkbolzen der Auflager des grossen Bogens stützen sich nämlich auch die Kämpfer der unter der Fahrbahn liegenden, also sehr flach gespannten seitlichen Halbbögen – im Querschnitt kastenförmige Blechträger – während sie sich mit ihrem Scheitel gegen schwere, mit den Fahrbahnenden verbundene Querträger stemmen. Auf diese Weise wird einerseits die Schubwirkung des grossen Bogens aufgehoben und andererseits die Schubwirkung der Seitenbögen auf die als Zugband wirkende, an den Kreuzungsstellen nicht mit den Hauptträgern verbundene Fahrbahn übertragen, sodass also auch keine Endwiderlager erforderlich werden. Um die freischwebenden Enden der Seitenbögen in ihrer Höhenlage zu sichern, sind sie auf Pendelstützen gelagert, die ausserdem mit Betonfundamenten verankert sind, um ein Anheben der Enden bei Belastung des mittleren Bogens zu verhindern. Der Gedanke dieser Anordnung rührt von dem Ingenieur Maurice Lévy her, der sie für die Alexander-Brücke vorschlug, und ist dann von den Konstrukteuren der Ausstellungs-Brücken Résal und Alby hier zum ersten Male praktisch durchgeführt. Die Vortheile der Konstruktion bedürfen keiner weiteren Erläuterung. Wie Abbildg. 3 zeigt, sind die Hauptträger in der Mittelöffnung an den 10 mittleren Vertikalen portalartig ausgesteift. Zwischen diesen Querversteifungen liegen am Obergurte Windkreuze aus Winkeleisen.

Ueber dem Auflager und an der ersten Vertikale sind weitere Querversteifungen in Form von 0,80 m hohen Gitterträgern angeordnet. Ebenso sind die Seitenbögen mit Querversteifungen versehen und zwischen diesen, sowie der Fahrbahntafel Andreaskreuze eingelegt. Die Fahrbahntafel selbst besteht aus den beiden, als Blechträger ausgebildeten Hauptträgern, den an den Vertikalen, also in 4 m Entfernung aufgehängten Hauptquerträgern und den in je 1 m Entfernung angeordneten Zwischenquerträgern, welche den Bohlenbelag auf Längsbalken aufnehmen. Unter der Fahrbahn liegt ein durchgehender Windverband; sie wirkt also als ein 75 m weit gespannter Windträger mit überstehenden Enden von je 22,5 m Länge.

Die Montage erfolgte für die Seitenöffnungen mit festen Rüstungen. Dann wurde der Hauptbogen nebst Fahrbahn bis über den Kreuzungspunkt vorgestreckt, nach hinten verankert und nunmehr zunächst der ganze Mittelbogen mittels Laufkrahnen montirt, die auf dem fertigen Bogenstück vorgeschoben wurden.

Ausser diesen, die beiden Seine-Ufer verbindenden Stegen sind noch eine ganze Reihe kleinerer Bauten ähnlicher Art dadurch erforderlich geworden, dass einerseits die beiden, dem öffentlichen Verkehr erhaltenen Strassenzüge an der Invaliden- und Alma-Brücke die Ausstellung in 3 Streifen zerschneiden, die wieder mit einander in Verbindung gesetzt werden mussten, dass andererseits am Marsfeld und Trocadéro ein Streifen der tiefliegenden Uferstrassen für den Verkehr längs der Seine offen zu halten, also ebenfalls mehrfach zu überbrücken war, und dass schliesslich noch eine Reihe von Sonder-Veranstaltungen, die mit der Ausstellung zusammenhängen, von derselben aber durch öffentliche Strassenzüge getrennt sind, wie das Schweizerdorf, der Himmelsglobus und die Madagaskar-Ausstellung, durch Stege an das eigentliche Ausstellungs-Gebiet angeschlossen werden mussten.

Die Konstruktionen der erstgenannten Art sind durchweg in Holz ausgeführt in Verbindung mit Rampen, wo hierzu, wie am linken Seine-Ufer, Platz vorhanden war, oder im Zusammenhang mit ausgedehnten Treppenanlagen. Im einzelnen auf diese vielfach sehr geschickt und gefällig ausgebildeten Holzkonstruktionen einzugehen, bei denen oft die aussergewöhnlich starken, prächtigen Hölzer auffallen, verbietet der Mangel an Raum. Die Stege am linken Ufer haben einschl. der Rampen z. Th. eine Länge bis zu fast 200 m.

Ein Theil der Verbindungsstege, namentlich der zuletzt genannten Art, ist in Stampfbeton mit Eiseneinlage ausgeführt. Für die Brücke vom Trocadéro zur Madagaskar-Ausstellung ist hierbei das System Hennebique gewählt, das überhaupt im Ausstellungs-Gebiete in ausgedehntem Maasse zur Anwendung gekommen ist, namentlich zur Herstellung der Plattform, welche im Zuge der Völkerstrasse am linken Ufer die tiefliegende Eisenbahn zwischen Invaliden- und Marsfeldbahnhof überspannt, zu Decken im kleinen Kunstpalast und an vielen anderen Stellen. Wir behalten uns vor, auf dieses in Frankreich sehr beliebte, jetzt auch nach der Schweiz und Deutschland verpflanzte System demnächst etwas näher einzugehen. Ebenfalls in Betoneisenbau in etwas merkwürdiger Anordnung war der zum Himmelsglobus führende Steg hergestellt, der bekanntlich bald nach der Ausrüstung einstürzte und eine Anzahl Personen tödtete, die sich gerade unter ihm auf der Strasse befanden. Der Unfall, mit dem die Ausstellungs-Ingenieure übrigens nichts zu thun hatten, wird dem Nachgeben der Fundamente bezw. der Stützen zugeschrieben.
(Schluss folgt)

Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – III. Die Anlagen für den Verkehr innerhalb des Ausstellungs-Gebietes.

Die aussergewöhnliche räumliche Ausdehnung des Ausstellungsgebietes stellt an die körperliche Leistungsfähigkeit der Besucher ungewöhnliche Anforderungen. Beträgt doch der kürzeste Weg zwischen dem Haupteingang am Eintrachtsplatz und dem untersten Ausstellungsende am Seine-Ufer beiderseits 2,5 km und ebenso gross ist die Entfernung von der Madagaskar-Ausstellung am Trocadéro bis zum hinteren Ausgange gegenüber dem Invalidenhause. 3 km hat man von den Kunstpalästen auf den elyseeischen Feldern bis zum Eingange des Schweizerdorfes am Marsfelde zu durchmessen, 10 km aber, wenn man etwa der Einfriedigung folgend das ganze Ausstellungsfeld umschreitet. Einen nicht viel geringeren Weg wird man bei einem ersten flüchtigen Rundgange durch die ganze Ausstellung zurücklegen müssen. Diese Wege durch Schaffung von Verkehrsanlagen innerhalb des Ausstellungs-Gebietes in angemessener Weise abzukürzen, war daher eine der wichtigsten Aufgaben, welche der Ausstellungsleitung gestellt waren; ihre Lösung bot bei der räumlichen Zersplitterung des Ausstellungs-Geländes allerdings auch ungewöhnliche Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten hat man nun aber nicht überwunden, sondern man hat sie in bequemer Weise umgangen.

Abbildg. 1. Einmündung der Stufenbahn und der Eletktr. Bahn in die Avenue de la Motte Picquet
Abbildg. 1. Einmündung der Stufenbahn und der Eletktr. Bahn in die Avenue de la Motte Picquet

Zunächst hat man das rechte Seine-Ufer ganz ohne Verkehrsmittel gelassen. Wer sich also nicht eines Rollstuhles bedienen will, die in grösserer Zahl an der Alexander-Brücke und am Trocadéro, ausserdem am linken Ufer am Fusse des Eiffel-Thurmes ihren Standplatz haben und für die Viertelstunde 65 Centimes kosten, der ist ganz auf seine eigenen Beine angewiesen. Nur wenn man die Umfriedigung verlassen, also beim Wiedereintritt aufs neue bezahlen will, kann man sich der am Seine-Ufer ausserhalb der Ausstellung entlang geführten Strassenbahnen bedienen.

Trotz des niedrigen Kurses der Eintrittskarten, der im Juli mehre Tage bis auf 25 Centimes gesunken war, wird hiervon jedoch nur wenig Gebrauch gemacht worden sein. Auch die Seinedampfer, bisher jedenfalls das angenehmste und am besten arbeitende Verkehrsmittel in Paris, kommen für das rechte Ufer als Verkehrsmittel innerhalb des Ausstellungsgebietes nicht inbetracht, da sie nur unterhalb der Concordia-Brücke und dicht oberhalb der Brücke von Passy Anlegestellen haben, die ausserdem ebenfalls ausserhalb der Umzäunung liegen.

Abbildg. 2. Einmündung in die Avenue de la Bourdonnais mit Blick auf die alte Maschinenhalle
Abbildg. 2. Einmündung in die Avenue de la Bourdonnais mit Blick auf die alte Maschinenhalle

Etwas günstiger steht es mit der Benutzbarkeit der Seinedampfer am linken Ufer, an welchem an 2 Stellen, neben Invaliden-, Alma- und Jena-Brücke, Anlegestellen vorhanden sind, sodass man sich hier also einen bequemen Ausgangspunkt für den Besuch bestimmter Ausstellungstheile wählen kann. Auffällig ist es allerdings, dass man nicht den sehr nahe liegenden Gedanken verwerthet hat, einen regelmässigen, nur für den Verkehr innerhalb der Ausstellung bestimmten Pendelverkehr mit kleinen Booten einzurichten, der eine ausserordentliche Verkehrserleichterung geboten haben würde. Vermuthlich hat dem das Monopol der beiden Dampfschiffahrts-Gesellschaften entgegen gestanden, die sich darauf beschränkt haben, die Zahl der Anlegestellen am linken Ufer etwas zu vermehren und zu bestimmten Tageszeiten vielleicht einige Dampfer mehr in Dienst zu stellen.

Zwischen der Invaliden-Esplanade und dem Marsfelde kann man sich ausserdem der Eisenbahn bedienen, die vom Invaliden-Bahnhof unter dem Quai d’Orsay mit Haltestelle an der Alma-Brücke zum Marsfelde geführt ist, weiterhin nach Ueberschreitung der Seine parallel zur Gürtelbahn verläuft und schliesslich den Anschluss an den Bahnhof St. Lazare erreicht. Auf der erstgenannten Strecke verkehren 4-6 elektrisch betriebene Züge in der Stunde, die man allerdings ebenfalls nur dann benutzen kann, wenn man die Umzäunung der Ausstellung verlässt, also aufs neue bezahlt. Diese Eisenbahnstrecke, die für die Hereinführung des Ausstellungs-Verkehrs von den Vorort- und Fernbahnen von grosser Bedeutung ist, kommt also für den inneren Verkehr ebenfalls nur in sehr beschränktem Maasse inbetracht.

Als einzige, ausschliesslich zum Zwecke der Erleichterung des Verkehrs innerhalb der Ausstellung geschaffene und diesen Zweck wenigstens in gewissem Maasse erfüllende Anlagen bleiben dann schliesslich nur die Stufenbahn und die elektrische Bahn übrig, welche den zwischen Marsfeld und Invaliden-Esplanade eingeschobenen Häuserblock umziehen. Wie aus dem Lageplan auf S. 261 ersichtlich ist, haben diese, denselben Weg zurücklegenden Linien die Gestalt eines unregelmässigen Vierecks. Sie folgen an 3 Seiten der äusseren Umgrenzung der Ausstellung, nämlich in der Rue Fabert, am Quai d’Orsay und in der Avenue de la Bourdonnais, und an der 4. Seite dem Zuge der Avenue de la Motte-Picquet. Die Gesammtlänge beträgt 3,4 km. Die Bewegungsrichtung der beiden Bahnen ist eine entgegengesetzte, die der Stufenbahn dabei im Sinne des Uhrzeigers. Die Stufenbahn ist durchweg als Hochbahn ausgeführt, und zwar liegt die von plumpen Holzjochen und eisernen Parallelträgern gestützte Plattform in Höhe der Gallerien der Ausstellungs-Gebäude und ist durch Rampen und Treppen, an einigen Stellen auch durch bewegliche, schiefe Ebenen (Chemins élévateurs oder rampes mobiles) zugänglich.

Die elektrische Bahn, die im übrigen nichts besonders Bemerkenswerthes bietet, verläuft, wo angängig, in Höhe des Ausstellungsgeländes und ist dann unter dem Viadukt der Stufenbahn untergebracht. Ueber Strassenkreuzungen ist sie jedoch ebenfalls hoch hinweggeführt und verläuft in der ganzen Länge der Avenue de la Motte-Picquet neben der Stufenbahn und in gleicher Höhe auf leichten, eisernen Pfeilerstellungen über den seitlichen Promenaden der Strasse. Abb. 1 zeigt die Einmündung der beiden Bahnen von der Avenue de la Bourdonnais in diesen Strassenzug, während Abbildg. 2 dieselbe Kurve, jedoch in der entgegengesetzten Richtung, mit dem Blick auf die alte Maschinenhalle wiedergiebt.

Die elektrische Bahn ist von den beiden Transportmitteln die weit brauchbarere, denn sie durchläuft den ganzen Weg in Zeit von etwa 15 Minuten einschl. Aufenthalt. Die Züge sollen sich in Abständen von 2 Minuten folgen. Sie bestehen einschl. des z. Th. zur Personen-Beförderung mit benutzten Motorwagens aus 3 Wagen, die zusammen etwa 200 Personen fassen. Die Stromzuleitung ist oberirdisch, die Zuleitung erfolgt mittels einer 3. Schiene, die neben dem Gleise liegt, eine Anordnung, die bei den französischen elektrischen Eisenbahnen üblich zu sein scheint: Ein Mangel der Anlage ist die zu geringe Zahl der Haltestellen, die nur da angeordnet sind, wo die Bahn das Niveau des Ausstellungs-Geländes erreicht. Es sind 5 Stationen vorhanden, die z. Th. etwas versteckt liegen und zwar je 2 am Marsfelde und am Seine Ufer, 1 an der Invaliden-Esplanade. Der Fahrpreis beträgt 25 Cent. für die ganze Strecke.

Eine interessante Anlage ist die ebenfalls elektrisch betriebene Stufenbahn (Plate-forme mobile oder im Volksmunde trottoir roulant genannt), die zwar nichts absolut Neues ist – denn schon die Ausstellung in Chicago und die Gewerbe-Ausstellung in Berlin wiesen derartige Ausführungen auf -, aber an Ausdehnung allen bisherigen weit voran steht. Ein Fehler der Anlage ist jedoch die zu geringe Geschwindigkeit, die 7-8 km bei der am raschesten bewegten Plattform beträgt, sodass man zur Durchfahrung des ganzen Ringes über eine halbe Stunde braucht. Dieser Umstand und der Preis von 50 Cts. für die Fahrt ist auch jedenfalls der Grund, dass die Stufenbahn lange nicht den Anklang findet, den man erwartete und daher finanziell nicht günstig abschliessen dürfte. Ein weiterer Grund für die verhältnissmässig geringe Benutzung ist auch der, dass man von der Stufenbahn aus, die sich nur an der Grenze der Ausstellung hält, von dieser selbst wenig sieht und dass der längere Aufenthalt auf der stark vibrirenden Plattform, die keinerlei Sitzgelegenheit bietet und mit starkem Geräusch dahin rollt, auf die Dauer nicht sehr angenehm ist. Die Stufenbahn besitzt 11 Haltestellen, von denen 2 an der Invalidenesplanade, 6 am Quai d’Orsay und 3 am Marsfeld liegen.

Abbildg. 3. Querschnitt der Stufenbahn mit Elektromotor
Abbildg. 3. Querschnitt der Stufenbahn mit Elektromotor
Abbildg. 4. Seitenansicht des Elektromotors
Abbildg. 4. Seitenansicht des Elektromotors
Abbildg. 5. Aufsicht auf die bewegliche Platform mit 4 km Geschw.
Abbildg. 5. Aufsicht auf die bewegliche Platform mit 4 km Geschw.

Die Idee der Stufenbahn hat einen Vorläufer in der einfachen, beweglichen Plattform, wie sie der französische Ingenieur Dalifol zuerst 1880 vorschlug. Dieselbe bestand in einer in sich geschlossenen, auf Wagengestellen ruhenden Plattform, die mittels endlosem Seil von einem feststehenden Motor ihren Antrieb erhalten sollte. Für die Weltausstellung von 1889 waren zwei ähnliche Vorschläge gemacht. Der des Ingenieurs Henard ging dahin, eine rollende Plattform vorbeschriebener Art wie eine elektrische Strassenbahn mit besonderen Motorwagen in Bewegung zu setzen, während Blot die Plattform nicht auf Rädern rollen, sondern mittels auf ihrer Unterseite befestigter Schienen auf Friktionsrollen gleiten lassen wollte, eine Anordnung, die bei der jetzt ausgeführten Stufenbahn praktische Verwerthung gefunden hat. Diese sämmtlich im Entwurf stehen gebliebenen Konstruktionen hatten mit der Stufenbahn die Möglichkeit der Massen-Beförderung gemein, konnten aber, wenn man sie an jeder Stelle betretbar machen wollte, nur eine sehr geringe Geschwindigkeit erhalten. Wenn man sie aber mit einer grösseren Geschwindigkeit betreiben wollte, so musste man auf einen ihrer hauptsächlichsten Vortheile gegenüber anderen Beförderungsmitteln verzichten und sie an festen Punkten zum Ein- und Aussteigen anhalten lassen.

Den Uebergang zu der Stufenbahn in ihrer heutigen Gestalt bildet der 1887 in Amerika patentirte Vorschlag des Ingenieurs Pearsons. Dieser wollte sich zwar ebenfalls nur einer, in sich geschlossenen Plattform, aber einer mit grosser Geschwindigkeit sich bewegenden bedienen. Den Uebergang auf dieselbe sollte man aus dem Mittelpunkte einer Anzahl konzentrischer, nach aussen immer schneller rotirender Ringe erreichen, deren letzter dieselbe Geschwindigkeit (natürlich auch Fahrtrichtung) wie die Plattform selbst haben musste, welche er tangirte. Nach derselben Idee wollte Thevenet de Boul für 1900 eine Plattform konstruiren. Die konzentrischen Ringe sollten dabei jedoch durch eine einfache Kreisscheibe ersetzt werden, auf welcher man vom Mittelpunkt nach dem Umfange schreitend allmählich die Geschwindigkeit der Plattform selbst erhalten hätte.

Abgesehen von der komplizirten Konstruktion litten auch diese Vorschläge an dem Hauptfehler, dass sie den Zutritt zu der beweglichen Plattform nur an einer oder doch nur wenigen bestimmten Stellen zuliessen, Ausserdem würde der theoretisch an sich sehr hübsche Gedanke praktisch wohl schon deshalb nicht durchzuführen gewesen sein, weil der Uebergang über die rotirenden Ringe bezw. die Scheibe (die doch nur einen verhältnissmässig kleinen Durchmesser erhalten könnten) zur Plattform einen Grad von Geschicklichkeit bei den Fahrgästen verlangt, wie man ihn unmöglich bei dem grossen Publikum voraussetzen darf. Namentlich würden sich bei einem Massenandrang hieraus grosse Gefahren ergeben haben. Deutschen Erfindern, den Gebrüdern Rettig, war es vorbehalten, mit ihrem 1889 veröffentlichten Entwurf zu einer „Stufenbahn“, unabhängig von der ihnen unbekannten amerikanischen Idee eine wirklich praktisch verwerthbare Konstruktion zu finden, welche die Grundlage für alle seitdem auf Ausstellungen vorgeführten Stufenbahnen geblieben ist. Der Kern dieser Erfindung besteht in der Nebeneinanderlegung mehrer, in derselben Richtung parallel geführter beweglicher Plattformen, deren verschieden grosse Geschwindigkeiten gegeneinander derart abgemessen sind, dass man, ohne besondere Geschicklichkeit anwenden zu müssen, gefahrlos von dem festen Boden auf die erste, nur langsam bewegte Plattform und von dieser weiter auf die nächste, rascher bewegte usw. treten kann. Hiermit ist die Möglichkeit geboten, an jeder beliebigen Zugangsstelle ohne weiteres auf die Stufenbahn überzugehen, sie an jeder beliebigen Stelle auch wieder zu verlassen. Die auf der Weltausstellung in Chicago 1893 zum erstenmale und dann auf der Gewerbe-Ausstellung in Berlin 1896 vorgeführten Stufenbahnen beruhten beide auf diesem Prinzipe. Dasselbe gilt von der für die diesjährige Ausstellung von den Ingenieuren Blot, Guyenet und Mocomble hergestellten Stufenbahn, die im übrigen durch die sinnreiche Art.der Ausbildung im Einzelnen, den Antrieb usw. ein besonderes Interesse verdient. In den Abbildungen 3, 4 und 5, welche dem „Génie civil“ nachgebildet sind, dem auch einige Angaben entnommen wurden, sind die Einzelheiten der Konstruktion dargestellt.

Die Stufenbahn besteht hiernach aus 3 Plattformen, von denen die erste von 1 m Breite feststeht, während die nächste 0,9 m breite mit 4 km, die dritte 2 m breite mit 8 km Maximalgeschwindigkeit bewegt wird. Die Plattformen überdecken sich mit etwa 5 cm, um ein Einklemmen der Füsse unmöglich zu machen und haben je 10 cm Auftritt. Jede Plattform besteht aus abwechselnd längeren und kürzeren Wagen, die wie die Glieder einer Kette drehbar mit einander verbunden sind und deren obere Bohlenflächen mit halbkreisförmigen Abrundungen bezw. Ausschnitten derart dicht ineinandergreifen, dass es unmöglich gemacht ist, etwa mit dem Absatz zwischen 2 Wagen stecken zu bleiben, während sich dieselben doch den bis auf 40 m Halbmesser herabgehenden Kurven entsprechend in verschiedener Richtung einstellen können; die längeren Wagen laufen auf Rädern, während die kürzeren dazwischen angehängt sind. Die feste Plattform und die äussere, rascher bewegliche sind mit Geländern nach aussen abgeschlossen. Am inneren Rande beider beweglicher Plattformen sind zur Erleichterung des Ueberganges und zum Halt in bestimmten Abständen kleine Pfosten aufgestellt. Im übrigen hat man zur Verringerung des zu bewegenden Gewichtes jede Ueberdachung sowie auch die Aufstellung von Bänken unterlassen im Gegensatze zu den Ausführungen in Chicago und Berlin. Zum Ausgleich der unvermeidlichen Längenänderungen ist in jeder Plattform ein Ausgleichwagen mit veränderlicher Länge eingeschaltet.

Der Unterbau der Plattformen besteht aus drei untereinander versteiften, parallelen Fachwerksträgern, die je 10,5 m weit gespannt sind und auf den schon erwähnten Holzjochen ruhen. Diese Träger tragen in je 1,5 m Abstand hölzerne Querschwellen, welche hauptsächlich zur Verminderung des Geräusches eingeschaltet sind. Auf ihnen ruhen unmittelbar die feste Plattform und die hölzernen Längsschwellen, welche die Laufschienen der beiden beweglichen Plattformen in ganzer Länge unterstützen. Das Gleisgestänge ist also ein sehr steifes und widerstandsfähiges. Die beiden beweglichen Plattformen tragen an ihrer Unterseite Schienen s und S (vergl. Abbildg. 3 u. 4), die mit den Friktionsrollen r und R, die auf der gemeinsamen Welle W sitzen, angetrieben werden. Die Durchmesser der Rollen r und R verhalten sich wie 1:2 und dementsprechend auch die Geschwindigkeiten der beiden Plattformen. Die Axe W wird durch einen Elektromotor angetrieben, der um D drehbar, federnd an der Stange H aufgehängt, deren Länge derart regulirbar ist, dass der erforderliche Adhäsionsdruck für die Friktionsrolle R stets hergestellt werden kann Die Axe W musste dann mit einem cardanischen Gelenk versehen werden, um für die Rolle r eine Hebung unabhängig von R zu ermöglichen. Die in leerem Zustande etwa 1200 t schwere Plattform wird durch 172 Gleichstrom-Elektromotoren bewegt, die paarweise hintereinander geschaltet sind und aus der Umformer-Station an der Avenue de la Bourdonnais ihren Strom entnehmen. Dort wird der von den Dynamos in der Kraftzentrale erzeugte Dreiphasenstrom von 5000 Volt in Gleichstrom von 500-550 Volt Spannung verwandelt. Bei unbelasteter Plattform sind dann etwa 220, bei mit 14-15 000 Personen belasteter etwa 330 Kilowatt aufzuwenden; der Kraftverbrauch hält sich also in verhältnissmässig niedrigen Grenzen.

Die Ausführung und der Betrieb der Stufenbahn, vor deren Zulassung in der Ausstellung zunächst auf einer etwa 4000 m langen Versuchsstrecke in Saint-Quent die Betriebsmöglichkeit nachgewiesen werden musste, ist der „Compagnie des transports électriques de l’exposition universelle de 1900“ übertragen. Die Anlagekosten sollen sich auf etwa 3 Mill. M. belaufen, sind also sehr hoch gewesen gegenüber der doch nur recht rohen Ausführung. Trotzdem in der ersten Zeit an einzelnen Tagen bis zu 100 000 Personen befördert worden sein sollen (unsere Abbildungen sind jedenfalls in dieser Zeit aufgenommen), dürfte dieses Kapital schwerlich durch die Einnahmen gedeckt werden. Schon aus diesem Grunde, abgesehen von den sonstigen Mängeln, die dem System noch anhaften (namentlich der zu geringen Geschwindigkeit), erscheint es fraglich, ob sich dasselbe zu einem öffentlichen Verkehrsmittel wird ausbilden lassen, wie man dies bei Erscheinen des Rettig’schen Projektes hoffte. Zur Massenbeförderung innerhalb ausgedehnter Ausstellungs-Gebiete wird aber die Stufenbahn vermuthlich auch auf künftigen Weltausstellungen nicht fehlen.

Zum Schlusse muss noch kurz eines Verkehrsmittels gedacht werden, das die Ersteigung der zu den Gallerien führenden Treppen ersparen soll. Es sind dies die beweglichen Rampen, chemins élévateurs, rampes mobiles, tapis roulants, oder wie sie sonst genannt werden. Sie bestehen aus einem in geneigter Lage über 2 Rollen geführten biegsamen Band ohne Ende. Die eine der Rollen wird mittels Elektromotors angetrieben. Für die Ausführung dieser Rampen war eine Konkurrenz unter französischen Ingenieuren ausgeschrieben. Bedingung war eine Hubhöhe von 7- 8 m, Steigung von 0,33 m auf 1 m Breite der begehbaren Bahn 0,50 m, Breite zwischen den Geländern, deren Handleisten sich mit der gleichen Geschwindigkeit bewegen wie der Fussboden, 0,90 m, Belastung in max. 2 Personen auf 1 m Länge, Geschwindigkeit in 1 Sekunde 0,5-0,6 m. Diese Aufzüge können 3-3500 Personen in der Stunde befördern.

Es sind gegen 30 derartige Rampen nach vier Systemen ausgeführt, auf deren Einzelheiten einzugehen der Raum verbietet. Am häufigsten ist das System Halle zur Anwendung gekommen, das sich. bereits im Magasin du Louvre bewährt hat. Für die Benutzüng der Rampen sind jedesmal 10 Cent zu entrichten. Auch von ihnen ist kein grosser Gebrauch gemacht worden.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15. & 22.09.1900 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Fr. F.“.

Inhaltsübersicht

Die Artikelserie “Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900” besteht aus 5 Teilen:

I. Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – I. Die Brücke Alexander’s III.

II. Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – II. Die Versorgung der Ausstellung mit Betriebs-Kraft und Licht

III. Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – III. Die Anlagen für den Verkehr innerhalb des Ausstellungs-Gebietes

IV. Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – IV. Die Ausstellung von Ingenieurwerken

V. Das Ingenieurwesen auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 – V. Die Ausstellung in Vincennes und des Verkehrswesens