Von Professor Paul Schultze-Naumburg. – Hierzu 5 Zeichnungen und 5 Aufnahmen von Krause.
Das alte lateinische Wort hat einen üblen Klang Aus seiner ursprünglichen Bedeutung der allzu üppigen Fruchtbarkeit der Erde ist es schon im Altertum herausgewachsen und bedeutete damals schon Schlemmerei, überflüssigen Aufwand, ja Liederlichkeit und Ausschweifung. Aber der Unterton der Worte ändert sich, und wir verstehen heute unter Luxus etwas Harmloseres, eigentlich nur noch die Mittel zum Auskosten der berechtigten Genüsse des Lebens oder umgekehrt die Mittel, die uns über die Unannehmlichkeiten des Lebens hinweghelfen.
Auch dem hängt noch das Odium der Genußsucht und der Verweichlichung ein wenig an. Ich möchte daher hier das Wort Luxus mehr im Sinn des Worts „Komfort“ verstanden wissen, das leider auch ein Fremdwort ist. Denn unsere Nation hat, scheint es, für diesen Begriff noch kein Wort geprägt.
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Das, was wir unter dem Begriff des modernen Komforts verstehen, ist nur dem Grade der Verbreitung nach, nicht der Erfindung nach ganz modernen Ursprungs. Denn der Luxus oder Komfort, den sich vor uns Fürsten und Große in Altertum und Neuzeit geleistet haben, findet doch wohl in der modernen Zeit kein Beispiel. So sehr diese Dinge damals der Allgemeinheit fehlten, so sehr häuften sie sich in den Zeiten der Tyrannis um den Herrschenden. Man staunt, wenn man immer wieder entdecken muß, bis zu welchem Grad die älteren Zeiten Dinge geleistet haben, die wir immer als unsere Errungenschaft zu sehen gewohnt sind. Da gibt es fast keine Bequemlichkeit, keine Annehmlichkeit, kein Phantasiegebilde üppigen Luxus, die nicht schon vor Urzeiten ihre Gestaltung gefunden hätten, die die unserer Zeit an Güte der Arbeit meist erheblich übertraf. Denn die goldenen Seiten des Handwerkers, der mit der Liebe des Künstlers schaffte, sind vorbei. Wir sind in die Zeit des Massenbetriebs gekommen, die den Luxus zwar demokratisiert, ihn aber auch deswegen an Qualität erheblich minderwertiger macht. Aber vorhanden war alles schon, und wir können beinah Schritt für Schritt verfolgen, wie all unser heut beinah alltäglich gewordener Lebenskomfort sein fernstes Vorbild in viel bewunderten Anlagen einstiger Großen findet. Natürlich ohne unsere modernen, durch die Wissenschaft gefundenen Hilfsmittel. Aber gerade weil diese fehlen und alles durch ein erstaunliches Aufgebot qualitativer und quantitativer Menschenkräfte geschah, wirken die Erscheinungen um so gigantischer. Kommt dazu das sichere Stilgefühl, das den einzelnen Epochen der Vergangenheit eigen war, so ist es verständlich, daß unser modernes Selbstbewußtsein manchmal Ursache hat, etwas kleinlaut zu werden. Man denke an die mächtigen Wasserleitungen der Alten, an ihre Bäder mit Warmwassereinrichtungen und Heizungen aller Art.
Oder man denke an die wundervolle Feinarbeit der Toilettengeräte und Einrichtungen in der Blütezeit des Rokoko, ihrer Möbel, Betten, Reisewagen, an die wundervoll feine und überlegene Durchbildung ihrer Grundrisse bei der Anlage der Schlösser und der Lusthäuser.
Im schroffen Gegensatz dazu stand allerdings die Bedürfnislosigkeit der übrigen Menschheit. Nicht als ob ihre Häuser und Geräte schlecht gewesen wären; im Gegenteil, wir wissen, daß die Baukunst der Vergangenheit an Klarheit und Schönheit unserer gesamten modernen weit überlegen war und ein wunderbar geschultes Handwerk für alles, selbst in der größten Einfachheit, eine vollendete Form fand. Aber der sozusagen technisch-maschinelle Teil fehlte. Man gehe einmal in das Goethehaus in Weimar. Von außen und von innen empfängt uns eine selbstsichere Würde, eine edle Schönheit der einzelnen Bauglieder, neben denen unsere „Villen“-Bauten meist bedauerlich parvenhaft wirken. Aber dieses Goethehaus ist ja in nichts eine Ausnahme von den damals allgemein üblichen Häusern eines wohlhabenden Mannes; an allen andern Bauten entdecken wir die gleiche Kunst des Gestaltens. Nun aber betreten wir das Schlafgemach des Großen. Nur mit Rührung kann man das irdene Becken und den Krug auf dem schlichten Holztischchen betrachten, der als Waschtisch in dem kaum heizbaren Gemach diente.
Um sich die ungeheure Veränderung klar zu machen, die die Demokratisierung des Komforts bei uns hervorgerufen hat, lasse man die an sich ja bekannte Gestaltung und Einrichtung eines Hauses an sich vorüberziehen, wie man es heute als kleineres oder größeres Einfamilienhaus überall baut.
Zunächst ein paar Grundrisse (Abb. 1). Die Anordnung des Windfangs, der sich zwischen Haustür und Diele lagert, ist nicht neu. Neu aber ist, daß heut auch in dem bescheidensten Einfamilienhaus die Garderobe, ein Klosett und Waschgelegenheit gleich daneben gelegt werden, so daß der Gast zuerst in diese eintreten kann und erst nach Ablegung der Ueberkleider und nach Benutzung der Toilette das eigentliche Innere des Hauses betritt. Neu ist auch in kleineren Haushaltungen, daß man die Küche in das Souterrain legt und die Verbindung zwischen Küche und Speisezimmer durch einen Speiseaufzug herstellt. Diese jetzt häufig zu findende Anordnung zeigt Grundriß 1 eines kleinen Einfamilienhauses, das in Großlichterfelde gebaut ist. Von der Freitreppe gelangt man in den Windfang, rechts ist die Kleiderablage, links das Klosett mit Waschgelegenheit. Das Speisezimmer ist durch einen flachen Bogen in zwei Zimmer geteilt und wird nur bei größerer Geselligkeit als ein Raum mit durchgedeckter Tafel benutzt. Durch diese Anordnung ist Gelegenheit gegeben, den Speiseaufzug (und entsprechend gegenüber einen Wandschrank) ganz unauffällig unterzubringen. Die Küche und der Anrichteraum befinden sich natürlich genau darunter.
Grundriß 2 ist ein kleineres Haus für Sebnitz i. S. Hier fehlt der eigene Raum für die Kleiderablage, und die Küche liegt auf der gleichen Etage wie die Wohnräume. Aber auch hier sind das Klosett und die Waschvorrichtung gleich neben den Windfang gelegt, und die Speisen brauchen von der Küche nicht über einen Korridor getragen zu werden, sondern die Küche ist so gelagert, daß die Speisen durch ein Schiebefenster in das Speisezimmer hineingeschoben werden. Um zu vermeiden, daß Küchengeruch in das Speisezimmer oder in das Treppenhaus dringt, ist die Küche bei ihren Zugängen durch kleine vorgelagerte Räume mit Doppeltüren vom Haus getrennt. Der Eingang für das Personal ist bei beiden Häusern vom Eingang für die Herrschaft vollkommen getrennt.
Fast kein Einfamilienhaus wird heute ohne Badezimmer und, wenn möglich, auch ohne Ankleidezimmer gebaut, so daß das Schlafzimmer nur zum Schlafen dient und weder zur Aufbewahrung von Kleidern usw. benutzt wird, noch überhaupt Waschwasser in dieses kommt, was beides ja in hygienischer und ästhetischer Beziehung dem Schlafzimmer zugute kommt. Auch ein für andere nicht zugängiges Wasserklosett wird gewöhnlich in dem Bad oder besser in einem eigenen kleinen Raum dicht daneben angebracht. Zur Aufbewahrung der Garderobe dient ein eigenes Schrankzimmer. Wie sich diese fünf Räume in bequeme Gestaltung zusammenlegen lassen, möchte ich am Grundriß meines eigenen Hauses hier zeigen. Das Schlafzimmer ist durch Wandschränke und eine verglaste Flügeltür vom Ankleidezimmer getrennt. Die Waschtischeinrichtung ist mit Kalt- und Warmwasserleitung, Kopfdusche usw. versehen und in die Nische eingebaut, das Klosett ist vom Ankleidezimmer aus zu betreten. Das Bad mit dem eingebauten Bassin in der Nische liegt zwar dicht neben den beiden andern Räumen, kann aber ohne deren Betreten direkt von der Diele aus durch den kleinen Durchgang erreicht werden.
Besonders die Gestaltung von Bad und Klosett ist es, in dem der Wohnhausbau unserer Zeit wirkliche Fortschritte zu verzeichnen hat. Wo man irgend kann, erbaut man auch für die Gäste neben die Fremdenzimmer ein kleines Bad mit Klosett, ebenso beides in einfacherer Ausstattung unten im Wirtschaftsgeschoß für das Dienstpersonal.
Erleichtert, ja eigentlich erst ermöglicht wird das alles durch die zentrale Wasserversorgung, die heute in jeder Stadt und beinah auch jedem Dorf zu finden ist. Dadurch, daß Wasser unter Druck in jedes Stockwerk bis unter das Dach geführt wird, ist ja auch eine wesentliche Hilfe bei Brandgefahr geschaffen.
Ein weiterer wirklicher Fortschritt ist die zentrale Erwärmung der Gebäude, die ja ebenfalls heute schon ganz allgemein geworden ist. Auch diese ist an sich nichts Neues, aber man brauchte doch beinah hundert Jahre, um Formen für sie zu finden, die ihre sichere Anwendung im kleinen Maßstab möglich machen. Den älteren Systemen des 19. Jahrhunderts hingen noch alle möglichen Unvollkommenheiten an; die Heizkörper wurden zu heiß, verschwelten den Staub und trockneten die Luft aus usw. Diese Uebelstände sind jetzt wohl so gut wie weggefallen; die Heizkörper unserer neuen Warmwasserheizungen und Niederdruckdampfheizungen nehmen jetzt gleichmäßigere und gemäßigtere Temperaturen an, so daß eine angenehm erwärmte und den Atmungsorganen zuträgliche Luft entsteht. Von schlechter trockener Luft bei Zentralheizungen kann man eigentlich nur noch bei minderwertigen älteren Systemen sprechen. Dafür fällt der Umstand sehr ins Gewicht, daß bei Zentralheizung eine Verunreinigung der Zimmerluft durch Heizgase oder Aschenstaub, wie es bei Oefen beinah unvermeidlich ist, ganz wegfällt. Auch daß die kleinen Heizkörper einen nur geringen Raum in Anspruch nehmen, ist für unsere sparende Zeit wichtig; während der glühende Ofen immer eine ganze Ecke, der nichts nahekommen durfte, in Anspruch nahm, bringt man heute die nur warm werdenden Elemente unter den Fensterbrettern unter, wo sie keinem Ding Platz wegnehmen. Der große Kachelofen hatte ja seine großen, besonders gemütlichen Vorzüge. Aber schließlich hat auch der behaglich erwärmte Fenstersitz seine eigene Stimmung.
Sehr wichtig ist, daß sich mit der zentralen Heizung sehr leicht eine zentrale Warmwasserversorgung verbinden läßt. Die Annehmilichkeit ist groß, in jedem Teil des Hauses, bei allen Becken und Badewannen sofort mit einem Hebelgriff warmes Wasser zur Verfügung zu haben.
Auch die Elektrizität muß jetzt an den verschiedensten Stellen dazu dienen, das Lebensbehagen des auch nur einigermaßen Wohlhabenden zu erhöhen. Seitdem große und kleine Gemeinden ihre elektrischen Lichtzentralen eingerichtet haben, ist das elektrische Licht oft billiger als andere Beleuchtungsarten. Aber unsere moderne Industrie hat auch für die gesorgt, denen solche öffentliche Zentralen fehlen, denn sie baut jetzt auch kleine Beleuchtungsanlagen für Privathäuser, deren Kosten sich in erreichbaren Grenzen halten, und deren Verzinsung und Amortisation Beleuchtungskosten ergibt, die meist unter den Abonnementspreisen der öffentlichen Zentralen bleiben. Auch der Anschluß an das öffentliche Fernsprechnetz muß ja wohl zu den Annehmlichkeiten des Lebens gerechnet werden, wenn es auch Leute gibt, die ihn mehr zu den notwendigen Uebeln zählen. Besonders gedacht werden muß aber bei unserm Thema der kleinen Zimmertelephone, die an jede elektrische Klingelleitung angesteckt werden können und so zu einer vortrefflichen Sprechverbindung mit dem Dienstpersonal usw. dienen. (Siehe obenst. Abb., das Haustelephon am Bett und am Speiseaufzug). Wie einfach und geräuchlos angenehm ist es schon, die Dienstboten durch einen einfachen Druck auf den Knopf auf das Zimmer zitieren zu können; aber welche humane Erleichterung nun daneben, dieses Heraufrufen zu ersparen und die Orders direkt vom Schreibstuhl, Bett, Bad usw. geben zu können.
Ich wollte ein kurzes Bild geben von den Bequemlichkeiten und den hygienischen Einrichtungen, die sich heute auch der nur einigermaßen Begüterte gönnen kann. Ganz sicher sind diese Einrichtungen, die in unserm heutigen Deutschland schon sehr vielen zu Gebote stehen, der sozialen Allgemeinentwicklung nur von Vorteil, denn sie laufen her aus auf Körperpflege, gesunde Wohnbedingungen und Humanität gegen die dienende Klasse. Aber die Leichtigkeit, mit der wir uns heute alle gewisse Erleichterungen des Lebens verschaffen können, hat auch ihre Gefahren, die sich nur durch klares Erkennen der dem Menschenleben notwendigen Bedingungen vermeiden lassen. Wer immer fährt, wird ein lahmer Mensch, dessen Beine keine elastische Beweglichkeit mehr haben. Wer sich immer in erwärmter Luft aufhält, dessen Haut paßt sich dieser einen Temperatur zu sehr an und verliert die Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Kälte deren Fehlen dann leicht zu Erkältungen und Krankheit führt. Hunderte von solchen Beispielen könnte man bringen. Lebensführung will gelernt sein, und Besitz von hygienischen Einrichtungen bedeutet noch lange nicht Hygiene des Lebens. Es ist zu wünschen, daß immer mehr Schichten des Volks des Komforts des Lebens teilhaftig werden, aber auch zugleich dafür zu sorgen, daß sie ihn zu gebrauchen lernen.
Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 16/1904.