Der Bau des neuen Rathhauses für Leipzig

Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau - Ansicht der Hauptfront

Nachdem die Stadtverordneten von Leipzig schon vor Jahresfrist beschlossen hatten, ihr neues Rathhaus nach den von Hrn. Stdtbrth. Prof. Licht vorgelegten Skizzen auszuführen und diesem unter zeitweiliger Beurlaubung von seinem Amte die Bearbeitung der endgiltigen Pläne und demnächst die obere Leitung des Baues zu übertragen (m. vergl. S. 367 Jhrg. 98 d. Bl.), haben sie am 11. Juli d. J. die mittlerweile fertig gestellten Ausführungs-Pläne und den Kostenanschlag sowie den mit Hrn. Licht vereinbarten Vertrag genehmigt.

Die Kosten des Baues, der am 1. April 1902 im Rohbau und bis zum 1. April 1904 vollständig vollendet sein muss, sind von der Stadtverordneten- ersammlung auf 6 778 064,71 M. festgestellt worden. Hierin einbegriffen ist das auf 4,6 % der Bausumme bemessene Honorar des Architekten, während die bisher verausgabten Kosten der Vorarbeiten mit 63 029,69 M. sowie die mit 2 020 500 M. bewertheten Kosten der Baustelle noch hinzu treten.

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Der Beschluss der Stadtverordneten erfolgte mit Einstimmigkeit und stellte sich demnach als eine erneute, grossartige Vertrauens-Kundgebung sowohl für den Architekten, wie für das bisherige Haupt der Stadt, Hrn. Oberbürgermeister Dr. Georgi dar, dem es nunmehr vor dem im Oktober d. J. bevorstehenden Austritt aus seinem Amte noch beschieden sein dürfte, wenigstens den Grundstein zu diesem Bau zu legen, dessen glückliches Zustandekommen in erster Linie ihm zu danken ist. Eifrige Förderer der Angelegenheit sind auch diesmal, wie schon im vorigen Jahre, die dem Leipziger Stadtverordneten-Kollegium angehörigen Architekten gewesen.

Möge das so schön begonnene Werk, das unter den um die Wende des Jahrhunderts entstandenen deutschen Bauten dereinst sicher mit in erster Reihe stehen wird, einen günstigen Fortgang nehmen und glücklich bis zu Ende geführt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.07.1899 in der Deutsche Bauzeitung.

Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau.

Architekt: Stadtbaurath Prof. Hugo Licht. Nachdem die Frage des Leipziger RathhausNeubaues durch den Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung vom 11. Juli d. J. endgiltig entschieden worden ist, wird es unsere Leser, die mit uns seit 17 Jahren alle Stadien der Vorgeschichte dieses Baues verfolgt haben, sicherlich auf das lebhafteste interessiren, von dem nunmehr zur Ausführung angenommenen Entwurfe nähere Kenntniss zu erhalten. Durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Architekten, Hrn. Stadtbaurathes Professor Hugo Licht, sind wir in der Lage, ihnen denselben schon jetzt in dem Grundrisse des Hauptgeschosses und zwei perspektivischen Ansichten vorführen zu können.

Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau - Ansicht der Hauptfront
Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau – Ansicht der Hauptfront

Bekanntlich hat sich Hr. Licht das Anrecht auf diese grösste bauliche Aufgabe einer Stadt, der er seit mehr als 20 Jahren seine Kraft gewidmet und die er mit einer Reihe hervorragender, unter den deutschen Gemeinde-Bauten unserer Zeit kaum ihres gleichen findender Werke geschmückt hatte, erst durch den glänzenden Sieg sichern müssen, den er vor 2 Jahren in dem für den Rathhaus-Neubau veranstalteten allgemeinen und öffentlichen Wettbewerb errang. Grundlage des auszuführenden Baues ist jedoch nicht der damals von den Preisrichtern gekrönte Plan, sondern eine aus etwas veränderten Programm-Bedingungen entwickelte Variante, die jenem beigefügt war und in ihren Vorzügen so überzeugend wirkte, dass mit ihr eine gleichsam natürliche Lösung aller bisher vorhandenen Schwierigkeiten sich ergab. Wir haben in unserer Besprechung des Wettbewerbes (Jahrg. 1897 No. 5357 d. Bl.) s. Z. beide Entwürfe veröffentlicht und weisen diejenigen, welche mit der Angelegenheit eingehender sich beschäftigen wollen, auf unsere damaligen Ausführungen zurück. Um jedoch einen leichteren Vergleich jenes ersten, nur als Skizze zu betrachtenden Planes mit seiner nunmehr vorliegenden Ausarbeitung zu ermöglichen, haben wir Grundriss und Ansicht jener Skizze nochmals zum Abdruck gebracht und den entsprechenden Abbildungen des endgiltigen Entwurfes gegenüber gestellt.

Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes auf beide, um zu erkennen, mit welchem Ernst und Eifer der Architekt die Ausgestaltung seines ursprünglichen Planes sich hat angelegen sein lassen – möge es auch dahingestellt bleiben, ob die Abänderungen desselben sämmtlich aus seiner eigenen Erwägung hervorgegangen oder zumtheil durch bestimmte Wünsche der städtischen Körperschaften veranlasst worden sind. Thatsächlich ist von jener ersten Skizze nicht viel mehr übrig geblieben, als die durch die Grenzen des Bauplatzes, die Erhaltung des alten Festungsthurmes der Pleissenburg und durch bestimmte Forderungen des Bauprogrammes bedingte allgemeine Anordnung.

Variante des preisgekrönten Konkurrenz-Entwurfes zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1897 - Architekt Stadtbaurath Prof. Hugo Licht
Variante des preisgekrönten Konkurrenz-Entwurfes zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1897 – Architekt Stadtbaurath Prof. Hugo Licht
Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1899
Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1899

Auf alle diese Abänderungen im einzelnen einzugehen, dürfte hier um so weniger angezeigt sein, als wir auch auf eine eigentliche Beschreibung des neuen Entwurfs verzichten müssen. So sei, was den Grundriss betrifft, lediglich auf die entscheidenden Hauptunkte hingewiesen. Als der wichtigste erscheint die Lage der grossen, im Zusammenhange als Festlokal zu benutzenden Säle des neuen Hauses. Der Plenar-Sitzungssaal des Rathes ist von der südwestlichen Front nach der Mitte der südlichen Hauptfront verlegt, dem eigentlichen Festsaale und dem Sitzungssaale der Stadtverordneten ist die Ostfront angewiesen worden.

Als festlicher Vorraum für diese Säle dient nunmehr eine mächtige, auf der Hofseite des Südflügels liegende Halle, die durch Hauptgeschoss und 2. Obergeschoss reicht und unter welcher eine entsprechende, durch Erd- und Zwischengeschoss reichende Halle sich befindet. Die Gestaltung der an dieser Halle liegenden Treppen wird übrigens noch etwas abgeändert werden, da die Stadtverordneten – unter einer entsprechenden Mehrbewilligung an Kosten – den Wunsch geäussert haben, dass die Festtreppe in einem Zuge bis zum Hauptgeschoss geführt werden möge. – Selbstverständlich hat jene Verlegung der Säle auch eine andere Anordnung der Eingänge bedingt. Der Haupteingang führt nunmehr in dem Risalit der Südseite durch einen mächtigen Vorraum mit breiter Freitreppe in jene untere Halle bezw. zu den mit ihr verbundenen Treppen.

Ein zweiter monumental ausgebildeter Eingang führt an der einspringenden Nordostecke des Hauses zu der grossen, hauptsächlich für den Verkehr nach den Räumen der Stadtverordneten bestimmten Treppe und ihrer Vorhalle. Dagegen ist auf einen monumentalen Eingang an der abgeschrägten Südwestseite, deren Mittelraum im Hauptgeschoss dem Oberbürgermeister zugedacht ist, verzichtet worden; es sind hier, sowie an der Nordwestseite nur schlichte, im Sockelgeschoss liegende Eingänge bezw. Einfahrten vorgesehen. Die veränderte Tiefe der einzelnen Flügel hat natürlich auch eine andere Gestaltung der Höfe bedingt. Am meisten gewonnen hat dabei (durch den Verzicht auf das früher geplante besondere „Rathsgehege“) der grosse Südwesthof.

Die äussere Erscheinung des Hauses ist auf’s wesentlichste dadurch gesteigert, dass den Dächern eine steilere Neigung gegeben wurde und dass statt der früheren horizontalen Abschlüsse nunmehr ein reicher Schmuck von Giebeln und Dacherkern zur Anwendung gekommen ist. Der grundsätzliche Anschluss des Werkes an die für Leipzig ja besonders charakteristischen Bauten der deutschen Spätrenaissance wird dadurch noch augenfälliger, während eine Betrachtung der Einzelheiten allerdings zeigt, dass der Künstler gewillt ist, dabei durchaus seinen eigenen Pfaden zu folgen und insbesondere – wie schon früher beim Bau der Polizei-Direktion und der Zentral-Markthalle – die Anregungen zu verwerthen, die er aus dem Studium englischer und amerikanischer Vorbilder geschöpft hat. Aufs feinste abgewogen sind die Verhältnisse des Baues.

Variante des preisgekrönten Konkurrenz-Entwurfes zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1897 - Grundriss
Variante des preisgekrönten Konkurrenz-Entwurfes zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1897 – Grundriss
Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1899 - Grundriss
Der Entwurf zum Leipziger Rathhaus-Neubau 1899 – Grundriss

Was die Ausführung betrifft, so wird beabsichtigt, die Ausseren Fassaden bis einschliesslich des in Rustica zu haltenden Erdgeschosses in Granit, in den oberen Theilen in Sandstein herzustellen. Die beiden grösseren Höfe sollen Architekturtheile von Rochlitzer Porhyr mit Putzflächen erhalten, der kleinere Lichthof soll mit weissen Ziegeln verblendet werden. Die in Eisen, mit hölzernen Sparren und Latten zu konstruirenden Dächer sollen mit glasirten Biberschwänzen, die Thürme theils mit farbig glasirten Ziegeln, theils mit Kupfer gedeckt werden. Im Inneren soll in den Hallen und Treppenhäusern in bescheidener Weise Rochlitzer Porphyr, in den Repräsentations-Räumen Marmor (für Kamine Thürgewände, Balluster usw.) zur Anwendung kommen.

Alle Decken werden feuersicher konstruirt; als Fussböden kommen Steinbeläge ‚und Holzparquets verschiedener Art, für alle Bureuräume jedoch Gipsestrich mit Linoleum-Belag zur Anwendung. Sitzungssaal der Stadtverordneten soll ganz in Eichenholz, derjenige des Rathes und der Festsaal sollen in Nussbaum oder Mahagony-Holz mit Stuckdecken ausgestattet werden. Ueber die genehmigten Kostensummen und über die für Vollendung des Baues festgesetzten Fristen haben wir schon auf S. 359 die erforderlichen Angaben gemacht. Es sind diese Fristen anscheinend etwas knapp bemessen, so dass es für den Architekten grosser Anstrengungen bedürfen wird, sie einzuhalten. Dass die künstlerische Schöpferkraft, die er zur Ausgestaltung der Einzelheitem seines Werkes noch aufzuwenden hat, darunter nicht leiden wird, dessen können wir sicher sein.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.07.1899 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „F.“.