(Fortsetzung vom 06.07.1895) Nach dem Vorangeschickten kann die Besprechung einiger hervorragender Entwürfe, zu der wir nunmehr uns wenden wollen, verhältnissmässig kurz gehalten werden.
Dass der in den Bedingungen des Wettbewerbs ausgesetzte erste Preis nicht zur Vertheilung gelangt, sondern in 2 weitere zweite Preise zerlegt worden ist, hat sicherlich nicht nur unter den deutschen Architekten, sondern auch in der Bürgerschaft Stuttgarts eine gewisse Enttäuschung erregt. Die Gründe, welche einen solchen Ausgang an sich unerwünscht machen, liegen ja offen genug zutage und sind an dieser Stelle wiederholt erörtert worden. Demgegenüber wollen wir jedoch nicht unterlassen, unserer Ueberzeugung nachdrücklich dahin Ausdruck zu geben, dass die Preisrichter im vorliegenden Falle eine andere Entscheidung thatsächlich nicht fällen konnten. Die Versagung des ersten Preises musste hier – wie vermuthlich auch bei manchen anderen Wettbewerben der Neuzeit erfolgen, nicht weil keine Arbeit vorlag, die an sich einer solchen Auszeichnung würdig gewesen wäre, sondern weil eine zu grosse Zahl guter, annähernd gleichwerthiger Entwürfe eingegangen war, als dass die Bevorzugung eines einzigen unter ihnen nicht ein Unrecht gegen die Verfasser der übrigen gewesen wäre und das Verfahren des Preisgerichts im Lichte einer vom blinden Zufall abhängigen Lotterie hätte erscheinen lassen.
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Unter den mit einem zweiten Preise ausgezeichneten Arbeiten verdankt der an die erste Stelle gerückte Entwurf der Architekten Neher und v. Kauffmann in Frankfurt a. M. (No. 100 „Der gepriesnen Stadt“) seinen Erfolg wohl hauptsächlich der reifen, von allen Ueberschwänglichkeiten sich frei haltenden und doch durchaus würdigen, künstlerisch wirkenden Gestaltung der Gesammt-Anlage. Er gehört zu denjenigen, welche die zu Festzwecken bestimmten Räume ins erste Obergeschoss verlegt und allein dem Hauptsaale eine grössere, durch 2 Geschosse reichende Höhe gegeben haben. Hierdurch ist es gelungen, die Hauptmasse des Gebäudes durchgehends auf eine Höhe von 3 Geschossen über dem Keller einzuschränken; nur der auf der rechten Gebäudeecke (über dem Arbeitszimmer des Ober-Bürgermeisters) errichtete Thurm, der grosse, den Hauptsaal und den Haupteingang bezeichnende Mittelgiebel der Marktfront, sowie die Giebelaufbauten an den Ecken ragen darüber hinaus. Ein weiterer glücklicher Gedanke ist die Vereinigung der Diele mit der nur bis ins erste Obergeschoss führenden Haupttreppe, durch welche mit den sparsamsten Mitteln ein bedeutender räumlicher Eindruck erzielt wird; dass die Diele hierbei in 2 selbständige, nur durch einen Korridor zusammenhängende Abtheilungen zerlegt ist, auf welche zugleich die beiden Nebentreppen münden, kann als ein Fehler gewiss nicht angesehen werden.
Die Richtungs-Pfeile im Grundriss entsprechen nicht der üblichen Bezeichnungsweise; selbstverständlich tritt man im Erdgeschoss auf dem mittleren Laufe an und im 1. Obergeschoss auf den beiden seitlichen Läufen aus.
Inbezug auf die Anordnung der zum Hauptsaale gehörigen, mit diesem und unter sich je durch 3 breite Oeffnungen verbundenen und daher mit besonderer Rücksicht auf festliche Zwecke gestalteten Nebensäle bemängeln die Preisrichter die „Raumfolge“ als sehr wenig zweckmässig, während sie für den weiter zu besprechenden Entwurf der Hrn. Kuder und Müller, der die gleiche Raumfolge zeigt, nur Worte höchster Anerkennung haben. Es ist dies ein sehr bezeichnendes Beispiel für die Schnellarbeit, mit der die offenbar von verschiedenen Preisrichtern verfassten Beurtheilungen der einzelnen Entwürfe zu einem Ganzen zusammengeschweisst worden sind. – An dem in den Formen der Frührenissance gestalteten Fassadenbilde der Hrn. Neher und v. Kauffmann, das anscheinend etwas von englischen Vorbildern beeinflusst ist, will uns der Thurm als zu unbedeutend und die Spitze desselben als zu kleinlich erscheinen. Die Verhältnisse des Ganzen, insbesondere auch die Vertheilung von Masse und Oeffnungen sowie von Schmuckformen und schlichteren Bildungen sind treffliich abgewogen, der Detail-Maasstab auf’s glücklichste getroffen.
In einer eigenartigen Lage befinden wir uns gegenüber dem von den Preisrichtern an die zweite Stelle verwiesenen Entwurfe der Architekten Kuder & Müller in Strassburg i. E. (No. 137: „Moi’m Stuagert“). Dem, was das Gutachten zum Lobe des Grundrisses sagt, wird man sich im allgemeinen nur anschliessen können. Die Beziehung der Haupttreppe zu dem über dem Haupteingange und dem Zimmer des Oberbürgermeisters befindlichen, durch den Thurm bezeichneten Vorsaale des grossen Sitzungssaales, die Anordnung der grossräumigen Diele, in deren Längsaxe der (eines Vorzimmers entbehrende) Trausaal und ein anderer grösserer Geschäftsraum liegen und in welche von der Eichstrasse aus auch der Nebeneingang führt, sind als sehr gelungen zu bezeichnen. Nicht zu billigen ist dagegen die Anlage der Laube im Erdgeschoss der Marktfront, die bei einer Tiefe von 1,5 m nur einen dekorativen Zweck haben könnte, dabei aber die Grundriss-Entwicklung stört; denn wenn auch das Aktendepot und die Rathswache, welche hinter der Laube liegen, nicht so lichtbedürftig sind, dass ihre Beleuchtung durch jene hindurch unzureichend zu nennen wäre, so gehören diese Räume doch keinesfalls an die Hauptfront des Hauses. – Der Fassade, an welcher die Preisrichter nur tadeln, dass der beabsichtigte farbige Gegensatz zwischen dem in rothem Werkstein auszuführenden architektonischen Gerüst und den geputzten Wandflächen in Wirklichkeit nicht zu erzielen sei, weil Putzbau für den vorliegenden Fall sich nicht rechtfertigen lasse, möchten wir unsererseits die zu starke Auflösung der Massen und das unschöne Verhältniss zum Vorwurf machen, in welchem die unteren Geschosse der Marktfront zu dem oberen Hauptgeschosse stehen. Für die Entwicklung der Seitenfassaden an der Eich- und Hirschstrasse hat sich aus der Ausbildung jener durch die Diele bezeichneten Queraxe des Baues ein organisches Motiv ergeben. – Alle diese Erwägungen treten jedoch zurück vor der Thatsache, dass die Fassade der Hrn. Kuder & Müller überhaupt keine originale Schöpfung, sondern im wesentlichen eine nur in Einzelheiten veränderte Kopie des Fassaden-Entwurfs ist, mit dem Architekt Heinrich Reinhardt in Berlin bei der vorjährigen Wettbewerbung um das Elberfelder Rathhaus einen zweiten Preis sich errang und aufgrund dessen er schliesslich den Auftrag zur Bearbeitung des endgiltigen Planes für den dort auszuführenden Bau erhalten hat. (Jhrg. 94, S. 125.)
Wir können – sowohl aus mündlichen Aeusserungen zahlreicher Fachgenossen, wie aus einer Reihe von Zuschriften, die nach der Veröffentlichung des betreffenden Entwurfs in No. 50 u. Bl. an uns ergangen sind – feststellen, dass diese Thatsache in der deutschen Architektenschaft einen Sturm des Unwillens und der Entrüstung erregt hat. Und leider sind diese Empfindungen nur allzu sehr gerechtfertigt. Zunächst richten sich dieselben gegen das Verfahren der Verfasser, die es mit ihrer künstlerischen Ehre vereinbaren zu können glaubten, sich bei einem solchen Anlass mit erborgten Federn zu schmücken und das Werk eines Fachgenossen für ihre Zwecke in so unverfrorener Weise auszuschlachten; es wird geraumer Zeit und ungewöhnlicher Leistungen bedürfen, wenn es ihnen jemals gelingen sollte, den Makel, mit dem sie dadurch ihren künstlerischen Ruf belastet haben, wieder vergessen zu machen.
Aber auch den Preisrichtern wird es als ein Vorwurf anhaften, dass sie eine derartige Arbeit der höchsten, von ihnen vergebenen Auszeichnung für würdig erachten konnten. Selbstverständlich ist ihnen die Herkunft derselben verborgen geblieben und man würde vielleicht zu weit gehen, wenn man von ihnen verlangen wollte, dass sie grundsätzlich alle in jüngster Zeit entstandenen Lösungen einer ähnlichen Aufgabe ihrem Gedächtnisse hätten einprägen sollen; selbst von demjenigen Mitgliede des Preisgerichts, das auch an der Entscheidung des Elberfelder Wettbewerbs betheiligt war, konnte man dies nicht mit unbedingter Nothwendigkeit voraussetzen. Dagegen durfte man bei dem ohne weiteres für Jeden sich aufdrängenden engen Zusammenhange des Stuttgarter mit dem Elberfelder Wettbewerb allerdings fordern, dass das Preisgericht die kleine Mühe sich nicht hätte verdriessen lassen, die über den letzten vorliegenden Veröffentlichungen einer nochmaligen Durchsicht zu unterwerfen; dabei wäre jede Ausnutzung des Reinhard’schen Entwurfs sofort zutage getraten. So ist es denn in letzter Linie wiederum die Hast, mit welcher das Preisgericht gearbeitet hat, der die Schuld an jenem beklagenswerthem Vorkommnisse zufällt.
Der dritte, mit einem zweiten Preis bedachte Entwurf der Architekten Vollmer u. Jassory in Berlin (No. 171 „l. V. 95“ in blauem Kreise) gehört zu denjenigen Arbeiten des Wettbewerbs, die am meisten im Rahmen einer „akademischen Lösung“ sich halten. Aus akademischer Empfindung ist es entsprungen, dass sie – zugunsten einer Verbreiterung der Metzgerstrasse, aber leider auf Kosten der Grösse des Hofes – den Bauplatz auf die Form eines dem Quadrate nahe stehenden Rechtecks einschränkten. Akademisch ist die strenge Symmetrie der Treppen und die Vertheilung der Säle zurseite des in der Axe liegen den Vorsaals, unter welchem im 1. Obergeschoss der zweite Kommissions-Sitzungssaal, eingeschlossen von den Zimmern des Oberbürgermeisters und des besoldeten Gemeinderaths, sich befindet, akademisch die Anlage der beiden Nebeneingänge in der Längsaxe der grossen Diele, die auch hier hinter die Flucht der Säle und grösseren Zimmer sich legt. Alles ist trefflich durchdacht und aufs geschickteste gelöst; der einzige Vorwurf, den die Preisrichter dem Grundrisse machen – die zu steile Anordnung der Haupttreppe liesse sich, allerdings nur auf dem Wege einer weiteren Einschränkung des Hofes, leicht beseitigen. Auch die Fassadenbildung, welcher die in einzelnen Motiven an die Renaissance anklingenden Formen der Spätgothik zugrunde liegen, ist in der Marktfront streng symmetrisch; zu bemerkenswerther Geltung kommen namentlich die einfachen, aber sehr ansprechenden Nebenfronten. – Unzweifelhaft war der Entwurf einer hohen Auszeichnung werth. Dass er unser persönliches Empfinden imganzen etwas kühl anmuthet, können wir ihm nicht zum Vorwurf machen. Da gegen glauben wir, dass seine Baumassen im Verhältnisse zu der Umgebung doch wohl zu bedeutend erscheinen; insbesondere der Thurm geht über die richtigen Abmessungen eben so viel hinaus, als derjenige des Entwurfs von Neher & v. Kauffmann hinter ihnen zurück bleibt.
Der uns zur Verfügung stehende Raum verbietet es leider, von allen 4 mit dritten und vierten Preisen ausgezeichneten Arbeiten gleichfalls Grundriss und Ansicht mitzutheilen. Wir geben von ihnen neben den 4 Grundrissen daher nur die Ansichten derjenigen beiden Entwürfe wieder, in denen ein eigenartiger Fassaden-Typus vertreten ist.
An dem Grundrisse des Entwurfs der Architekten Semper & Krutisch in Hamburg (No. 29: „Neckarthal“), dem der erste der beiden dritten Preise zugesprochen worden ist, ist als ein neuer und glücklicher Gedanke die Anordnung des Nebeneinganges an der Ecke der Metzger- und Hirschstr. in die Augen fallend. Die Säle, unter denen der an der Ecke des Marktes und der Hirschstr. liegende Hauptsaal der Marktfront nur seine Schmalseite zukehrt, haben ihre Stelle im 2. Obergeschoss erhalten, während die Zimmer des Oberbürgermeisters usw. ins 1. Obergeschoss verlegt sind. Der in den Formen der deutschen Renaissance gehaltenen Fassade wird von den Preisrichtern neben nicht sehr günstigen Gesammt-Verhältnissen eine gewisse Trockenheit zum Vorwurf gemacht, die uns jedoch als eine beabsichtigte bürgerliche Schlichtheit erscheint. Ein echtes Rathhaus-Gepräge trägt der trotzige Thurm.
Der dem vorigen zunächst gestellte Entwurf des Arch. Theodor Kösser in Leipzig (No. 63: „Fahr wohl!“) zeigt im Grundrisse den Versuch, durch entsprechende Gestaltung des hinteren Flügels dem Hofe eine regelmässige Gestalt zu geben. Hauptmotiv der Anlage ist hier wiederum die grosse Diele, in welche rechts von der Hirschstr. her ein Nebeneingang mündet und an welcher im 2. Obergeschoss die sämmtlich durch 2 Geschosse reichenden Säle bezw. nach hinten die Treppen liegen. Die Zimmer des Oberbürgermeisters usw. befinden sich im 1. Obergeschoss. Das Aeussere des in Frührenaissance-Formen durchgebildeten Baues entbehrt eines eigentlichen Haupt-Thurmes; seine Stelle vertritt ein Dachreiter über dem durch einen mächtigen Giebel hervorgehobenen Mittelbau der symmetrisch angeordneten, an den Ecken mit kleineren Thürmen versehenen Marktfront.
Den ersten der beiden vierten Preise hat der Entwurf des Stadtbauinspektors Paul Peters in Charlottenburg (No. 25: „Einst und jetzt“) errungen. Der in den Schnittpunkt der Sehlinie aus der Münz- und Kirchstrasse verlegte Thurm enthält im Erdgeschoss die Eingangshalle; im 2. Obergeschosse bildet er den mittleren Theil des Vorsaals, auf den die mit einem geräumigen Vorplatze ausgestattete, sehr stattliche Haupttreppe mündet und an welchen in guter Raumfolge die übrigen Säle sich anreihen. Oberbürgermeister-Zimmer usw. liegen wiederum im 1. Obergeschoss, Auch hier, sowie in dem Kösser’schen Entwurf findet sich ein diagonal gerichteter Nebeneingang an der Ecke der Metzger- und Hirschstrasse. Die Fassade in Frührenaissance-Formen ist sehr gefällig gruppirt und von guten Verhältnissen; auch entbehrt sie nicht der nöthigen Massenwirkung.
Eine solche Massenwirkung durch verschiedene Mittel angestrebt zu haben, ist das Verdienst des mit dem letzten Preise bedachten Entwurfs des Arch. Hermann Billing in Karlruhe (No. 73: Schwarzrothes Wappen mit „1895“), von dem wir nicht die in der Darstellung etwas verunglückte Perspektive, sondern den Aufriss der Marktfront mittheilen. Die Stellung der Haupttreppe und ihre Beziehung zu den Sälen, deren Aufeinanderfolge das Gutachten als sehr geschickt rühmt, erinnert an den vorbesprochenen Entwurf, von dem der inrede stehende jedoch darin abweicht, dass er den Repräsentationsräumen die Zimmer des Oberbürgermeisters anreiht. Das Fassadenbild ist ein ganz anderes dadurch geworden, dass der Thurm nicht über dem Vorsaale, sondern über dem Treppenhause, also an der Hinterseite des Marktflügels errichtet worden ist, dessen Fassade infolge dessen annähernd symmetrisch werden konnte und in ihrer Massenwirkung nicht geschwächt wird. Um dieselbe noch weiter zu steigern, sind die in einer eigenartigen Frührenaissance gestalteten Architektur-Formen in äusserster Schlichtheit gehalten; den Hauptschmuck der Fassade bildet ein in 3 Wappengiebeln auslaufendes Risalit vor dem in der Mitte liegenden Hauptsaale und ein Dachreiter über dem diesen Hauptsaal mit seinen 2 Nebensälen zusammenfassenden Baukörper. (Schluss folgt.)
(Hier beginnt die Fortsetzung, bzw. der Schluss vom 10.07.1895)
Unter den 6 angekauften Arbeiten interessiren uns besonders 2 Lösungen, die in der Grundrissbildung von der Anlage zweier Höfe ausgegangen sind.
Dem Entwurf der Architekten Spalding & Grenander in Berlin (No. 30: „Im Mai“) liegt die schon früher von uns erwähnte Anordnung zweier Höfe von wesentlich verschiedener Grösse zugrunde. Die für den auf der linken Seite befindlichen Haupthof erzielte Grundfläche ist noch etwas bedeutender, als die des einzigen Hofes in den Entwürfen von Neher & v. Kauffmann und Vollmer & Jassoy. Auch der rechts liegende kleinere Hof hat noch Abmessungen erhalten, die zur Erleuchtung der ihn umgebenden Verbindungsräume völlig genügen. Indem die Verfasser an seine Hinterseite die Haupt-Nebentreppe, an seine Vorderseite aber den in seinem mittleren Theile durch 2 Geschosse reichenden Vorraum verlegten, auf welchen die Haupttreppe ausmündet, ist es ihnen gelungen, ohne übermässigen Aufwand eines der architektonisch reizvollsten Motive für den Innenbau zu schaffen, welche der Wettbewerb überhaupt darbietet. Dass dem Vorraume nach der Marktfront zu der Thurm sich vorlegt, in welchem der Haupteingang, die Zimmer des Oberbürgermeisters und der Vorsaal der Festräume ihren Platz gefunden haben, bringt jenes Motiv auch zu der Fassadenbildung in organische Beziehung. Die Lage und der Zusammenhang der einzelnen Räume geben zu Ausstellungen keine Veranlassung; dass die Tiefe der Säle verhältnissmässig gering ist, kann mit Rücksicht auf die unter ihnen liegenden Räume wohl gleichfalls nicht als Fehler gelten. – Gegenüber solchen Vorzügen scheint uns der Einwand des Preisgerichts, dass der Entwurf eine durchweg viergeschossige Anlage zeigt, dass aber die Anordnung eines Hofeinbaues nur dann infrage kommen könne, wenn es gelingt, dabei wenigstens an einzelnen Gebäudeflügeln mit 3 Geschossen auszukommen, etwas nach Theorie zu schmecken; es unterliegt aber wohl keinem Zweifel, dass es bei nochmaliger Durcharbeitung des Entwurfs möglich sein würde, auch dieser Forderung Rechnung zu tragen. – Weniger als der Grundriss hat uns die Fassade angesprochen, die in Einzelheiten etwas gesucht wirkt.
Bei dem Entwurfe der Architekten Eisenlohr & Weigle in Stuttgart (No. 56: „Vierblättriges Kleeblatt, gezeichnet“) liegt der Mittelflügel, in welchen die Rathswache, das Aktendepot und die Bibliothek verlegt sind und dem in der Marktfront der Thurm sich vorlegt, nicht ganz so günstig; die beiden Höfe stehen sich in der Grösse näher und ein wirklicher Haupthof ist daher nicht vorhanden. Im übrigen ist die Grundriss-Anordnung, bei welcher die von dem rechten Hofe aus beleuchtete Treppe gleichfalls seitlich auf den hinter dem Thurm liegenden Vorraum führt, eine sehr geschickte und durchaus zweckmässige. Noch höheres Lob verdient die auch von den Preisrichtern gebührend gewürdigten Fassade, die in ihrer mal mentalen Haltung nach unserem Empfinden zu den besten und beachtenwerthesten Leistungen des Wettbewerbs gehört. Allerdings ist ihr Gepräge mehr englisch als deutsch.
Zwei andere der angekauften Arbeiten gehören zu denjenigen, welche eine von den Preisrichtern bevorzugte symmetrische Gestaltung der Hauptfassade aufweisen.
Die eine derselben, von den Architekten Beisbarth und Früh in Stuttgart (No. 105: „Nach 440 Jahren“), ist mit einer offenen Vorhalle ausgestattet, in der eine Treppe zur Höhe des Erdgeschosses empor führt. Ueber dem in der Mitte liegenden grossen Saal, der durch einen mächtigen Giebel hervorgehoben wird, ist anstelle des Thurms ein Dachreiter angeordnet; die Ecken sind mit Erkern versehen. Die Architekturformen gehören der Spätgothik an. Der einheitlich und ruhig wirkenden Fassade ist der Grundriss, in welchem dem Hofe durch die Ausbildung der in der hinteren rechten Ecke liegenden Nebentreppe eine regelmässige Form gegeben worden ist, nicht ganz ebenbürtig. Die in der Axe liegende Haupttreppe mündet unmittelbar auf den grossen Saal, während der Vorsaal zur Seite verschoben ist.
Auch der zweite, von dem Architekten J. Kröger in Berlin herrührende Entwurf (No. 185: „Monument“) hat gothische Formen, jedoch in Verbindung mit Motiven der Frührenaissance verwendet. In der Axe liegt der mächtige, in einer hohen, vielleicht etwas zu zierlichen Spitze abschliessende Thurm, der im Erdgeschoss den Haupteingang, im 2. Obergeschoss den Vorsaal der Festräume enthält: der Korridor des Hauptflügels ist, wie in mehren des preisgekrönten Arbeiten, zu einer hallenartigen Diele erweitert.
Von den beiden letzten angekauften Arbeiten, die dieses Vorzuges theilhaftig geworden sind, trotzdem sie nicht auf die engste Wahl gelangt waren, gehört derjenige von Prof. G. Frentzen in Aachen (No. 157: „Urbi“) unzweifelhaft zu den hervorragenderen Leistungen des Wettbewerbs. Der Thurm, in dem sich wiederum der Haupteingang, das Zimmer des Oberbürgermeisters und der Vorsaal befinden, liegt etwa im Schnittpunkte der Sehlinien aus der Münz- und der Kirchstrasse, die Haupttreppe also in der linken vorderen Ecke des Hofes. Der an die Eichstrasse verwiesene, aus dem Vorraum der Treppe zugängliche Trausaal hängt mit den übrigen Festräumen nur durch einige Nebenzimmer zusammen, welche nicht die volle Höhe der Säle erhalten haben. Für die Fassade, in welcher der Hauptsaal durch einen mit dem Thurm sehr glücklich zusammengefassten grossen Giebel bezeichnet wird, hat sich daraus ein malerisch wirkendes Motiv ergeben.
Dass der zweite angekaufie Entwurf der Architekten Eisenlohr & Weigle in Stuttgart (No.41: „Deutchem Bürgerthum zur Ehr“) schon bei der dritten Lesung ausgeschieden war, erklärt sich unschwer aus einigen Schwächen des Grundrisses; die stattliche Haupttreppe mündet im 2. Obergeschoss in der Axe des Hauptsaals auf einen nur 3,60 breiten Korridor, der Vorsaal kann lediglich als Nebensaal gelten. Ansprechend ist dagegen die Architektur der Fassade, für welche ein Giebel über dem grossen Saal und der an der rechten Ecke (über dem Trausaal) errichtete T’hurm die Hauptmotive abgeben. Da zur engsten Wahl 19 Arbeiten gestanden haben, von denen 7 durch Preise und 4 durch Ankauf ausgezeichnet worden sind, so beläuft sich die Zahl der bei der Entscheidung zurückgestellten Entwürfe auf 8. Drei derselben ist indessen noch ein kleiner Vorzug. insofern gegeben worden, als sie das Preisgericht gleichfalls einer besonderen schriftlichen Beurtheilung für werth erachtet hat.
Unter denselben erscheint uns der Entwurf No. 120: „In der Mitte“ als der werthvollste, weil er den Sälen ihre Lage im 1. Obergeschosse angewiesen und nur den Hauptsaal durch 2 Geschosse hat reichen lassen. Die Stellung des Thurms, bezw. des in ihm enthaltenen Vorsaals und der Haupttreppe sind durch das Kennwort angedeutet; zwischen ihnen erstreckt sich in der ganzen Breite des Hofes auch hier wieder eine breite Diele. Die in den Formen deutscher Renaissance gehaltene Fassade mit je einem Giebel über den Eckräumen ist gefällig. Die Minderwerthung seiner Arbeit hat der Verfasser wohl hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben, dass die Zimmer des Oberbürgermeisters an einer Nebenstrasse liegen. – Dem vorigen in manchen Grundriss-Anordnungen verwandt ist der Entwurf No. 126: „Zur Bauschau“ von Reg.-Bmstr. A. Menken in Berlin, welcher jedoch die Säle im 2. Obergeschoss und im Erdgeschoss eine grössere zweischiffige Halle zeigt. Der Hof ist regelmässig gestaltet. In der Fassade ist dem Thurm seine Stellung an der linken Ecke angewiesen, während an der rechten Ecke ein kleinerer und über dem mittleren Hauptsaale ein grösserer Giebel aufragt. – Nicht ganz auf gleicher Höhe steht der in sehr reicher deutscher Renaissance gehaltene, in akademischer Regelmässigkeit entwickelte Entwurf No. 84: „Frühlingstraum“, dessen Grundriss ähnliche Schwächen zeigt, wie sie bei No. 41 hervorgehoben wurden. Die Stelle eines Thurms vertritt hier wiederum ein Dachreiter über dem mit einem mächtigen Giebel geschmückten Mittelbau. Von den anderen 5 Entwürfen mögen No. 23: „Rothes Dreieck im Kreise“ (symmetrische, sehr grossartig gestaltete und daher die Baumittel weit überschreitende Anlage mit einem Thurm über dem Vorplatze des Haupt-Treppenhauses), No. 40: „Stuttgarten“ (symmetrische Anlage mit mittlerem Hauptthurm und 2 dekorativen Giebelaufsätzen in der Axe der Seitentheile) und No. 124: „Württemberg“ (stattliche Anlage mit grosser Diele, einem den grossen Saal enthaltenden vorspringenden Bau auf der linken und dem Thurm auf der rechten Seite der Marktfront) hier lediglich erwähnt werden, während wir bei den beiden letzten ihrer Eigenart wegen kurz verweilen müssen.
Der Entwurf No. 93: „Sinceriter citra pompam“ von Arch. Lambert in Stuttgart theilt mit demjenigen von Neher & v. Kauffmann das Verdienst des Nachweises, dass bei sorgfältig überlegter und geschickter Anordnung die im Programm verlangten Räume auch in einer dreigeschossigen Anlage mit nur einem Hofe sich unterbringen lassen. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass hier einige Uebelstände, wie die Anordnung von Vorzimmern mit nur mittelbarer Beleuchtung usw., mit untergelaufen sind. Dem Hofe ist eine regelmässige Grundform gegeben die Hinterfront aber nicht in gerader Linie geführt, sondern durch Annahme verschiedener Tiefen für einzelne Raumgruppen in einer Art Abtreppung gestaltet worden. Thurm und Haupttreppe liegen in der Axe; von den im 1. Obergeschoss untergebrachten Festräumen reichen nur der Hauptsaal und der Vorsaal durch 2 Geschosse. – Die in breiten Verhältnissen entwickelte Architektur in Frührenaissance-Formen erinnert an schweizerische Vorbilder.
Zu den aufwändigsten Anlagen des Wettbewerbs gehört die in dem Entwurf No. 103: „Bürgerstolz“ geplante. Hinter den Räumen der Marktfront erstrecken sich in ganzer Breite des Hofes 2 grossartige, je durch Erdgeschoss und 1. Obergeschoss bezw. durch 2. und 3. Obergeschoss reichende Hallen, die nach dem Hofe zu von 2 Haupttreppen begleitet werden. Das hat zu sehr reizvollen, durch perspektivische Skizzen anschaulich gemachten Architekturbildern geführt, ist aber für den Maasstab der ganzen Anlage ein entschiedenes „Zuviel“ und hat manche Unzuträglichkeiten, gebrochene Korridore usw. imgefolge gehabt; der Marktflügel hat dabei eine Tiefe von 23,5 m erhalten. Weitere Schwächen des Grundrisses sind, dass der Vorsaal nicht in Beziehung zu der Haupttreppe steht und dass die Zimmer des Oberbürgermeisters an eine Nebenstrasse verwiesen sind. – In der Fassade, deren schwere deutsche Renaissanceform durch die häufige Verwendung des Flachbogens etwas fremdartig wirken, bilden der auf der linken Seite vorspringende, mit Giebeln und einem Dachreiter geschmückte Bautheil, in welchem der grosse Saal liegt, sowie der an der rechten Ecke (über dem Trausaal) stehende, hohe mächtige Thurm die Hauptmotive. Auf weitere Arbeiten, als auf diese von den Preisrichtern in erste Reihe gestellten 21 Entwürfe näher einzugehen, müssen wir uns versagen, obgleich noch eine Fülle architektonischer Leistungen vorliegt, die den vorbesprochenen an Rang kaum oder doch nur wenig nachstehen und im Grundriss wie im Aufbau sehr Beachtenswerthes bieten.
Wir begnügen uns, die Kennworte derjenigen Entwürfe anzuführen, die theils nach ihrem Gesammtwerthe, theils durch einzelne Züge unser persönliches Interesse erregt haben. Es sind dies: No. 3: „Thurm in der Strassenkreuzung“. No. 11: „Bürgerhaus“ (von Arch. L. Hirsch in Jena), No. 12: „Eberhard der Greiner.“ No. 16: „Salus publica“ (bemerkenswerth durch die Stellung des Thurmes im Schnittpunkte der Axen des Hauptflügels). No. 30: „Eberhard“ (von Arch. E. Vollstädt in München). No. 38: „Stuttgart 555“, No. 45: „B-V“, No. 54 „Heimisch“ (von den Arch. Pantle, Böklen und Feil in Stuttgart, bemerkenswerth durch die Verwendung einzelner Architektur-Motive vom alten Stuttgarter Lusthause). No. 121: „Wahrzeichen“. No. 128: „Maiglöckchen“. No. 131: „Ruhe“. No. 136: „Lichtenstein“. No. 141: „Eberhard“. No. 161: „Mit Gunst und Verlaub“. No. 162: „Uhland“. No. 163: „Württembergs Hauptstadt“. No. 170: „Götz v. Berlichingen“ (von Arch. Ludwig Engel in Berlin). No. 180: „Stuttgart 1895“. No. 181: „Goldenes Kreuz im blauen Hirschgeweih“. No. 183: „Am Neckar“ (von Arch. Heinr. Seeling in Berlin). No. 191: „Lang bedacht, kurz gemacht“. No. 192: „Pro futuro“. No. 198: „Oeterum censeo“ (von Prof. H. Stier in Hannover). No. 196: „In Eile“. – Wenn wir daneben noch die Arbeiten No. 49: „C. M.“, No. 149: „Ostara“, No. 159: „Res publica“ und No. 199: „Pareifal“ anführen, so wollen wir dieselben jenen anderen zwar nicht gleichstellen, sie aber doch vor der Masse künstlerisch bedeutungsloser Entwürfe, die gleich ihnen in den Formen der italienischen Renaissance und des Barock auftreten, etwas herausheben.
Unser Bericht wäre damit zu Ende und es erübrigt nur noch, in kurzen Worten das Ergebniss des Wettbewerbes zu ziehen. Dass dieses Ergebniss nicht so dürftig und unerfreulich ausgefallen ist, wie es nach der ersten Kunde: 202 Entwürfe und kein erster Preis! erscheinen konnte, dürfte ein Eindruck sein, der sich unseren Lesern schon von selbst aufgedrängt hat.
Was zunächst die Stadt Stuttgart betrifft, so hat sie zwar keinen zur unmittelbaren Ausführung geeigneten, völlig überzeugenden Rathhaus-Entwurf erlangt. Aber auf einen solchen Erfolg eines Wettbewerbs kann ja überhaupt nur in seltenen Ausnahmefällen gerechnet werden: man darf sich mit Recht zufrieden geben, wenn einerseits jene, durch theoretische Erwägungen oder durch Versuche eines Einzelnen niemals mit gleicher Sicherheit zu gewinnende „Klärung der Aufgabe“ erzielt worden ist, die es dem Bauherrn möglich macht, die Vorzüge und Nachtheile verschiedener Lösungen gegen einander abzuwägen, und wenn andererseits Pläne vorliegen, die dem erstrebten Ziele so nahe gekommen sind, dass es nur noch einer geringen Umarbeitung derselben bedarf, um jenes Ziel in Wirklichkeit zu erreichen. Beides trifft hier in vollstem Maasse zu Die grundsätzlichen Gesichtspunkte, welche der Wettbewerb für die Auffassung der einzelnen Hauptmomente der Aufgabe geliefert hat und welche wir in unseren voran geschickten Ausführungen zusammen zu stellen bemüht waren, eröffnen den Mitgliedern der zur Entscheidung über die Wahl des Bauplanes berufenen Körperschaften eine Einsicht in das Wesen der Sache, wie sie ihnen auf keinem anderen Wege besser hätte vermittelt werden können. Und nicht nur einer, sondern 13 Entwürfe sind in den Besitz der Stadt gelangt, die nach verhältnissmässig geringen Veränderungen zur Ausführung sich eignen würden und deren Verfasser als einem solchen Auftrage durchaus gewachsen gelten können. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass auf dem Wege zur Lösung der Stuttgarter Rathhausbau-Frage durch diesen Wettbewerb ein bedeutsamer Schritt nach vorwärts geschehen ist – eine Thatsache, die seitens der leitenden Persönlichkeiten in der Gemeinde auch mit Genugthuung anerkannt wird. Bestimmte Entschliessungen darüber, wie dieses Ergebniss weiter verwerthet werden soll, liegen u. W. bis jetzt noch nicht vor. Die Wünsche der Fachgenossenschaft dürften jedenfalls dahin gehen, dass zur Bearbeitung der weiteren Pläne einer der bei dem Wettbewerb betheiligten Architekten berufen werde – sei es in freier Auswahl, sei es vielleicht aufgrund eines nochmaligen engeren Wettkampfes nach noch fester begrenztem Programm unter den Verfassern der hervorragendsten Entwürfe.
Aber auch die Architektenwelt hat – abgesehen von jenen unliebsamen, durch uns besprochenen Vorgängen keine Ursache, mit dem Erfolge des Wettbewerbs unzufrieden zu sein. Lässt man jene, durch aussergewöhnliche Umstände herbeigelockten Arbeiten untergeordnetster Art ausser acht, so hat der architektonische Durchschnittswerth der mit einander ringenden Entwürfe bei keinem jemals zu unserer Kenntniss gelangten Wettbewerb höher sich gestellt als bei diesem. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass nicht weniger als 30-40 Entwürfe vorlagen, von denen die Preisrichter jedem einzelnen anstandslos den ersten Preis zugesprochen haben würden, wenn demselben nicht die betreffenden anderen, sondern nur die grosse Masse der übrigen Arbeiten entgegen gestanden hätten. Ein Zeichen für die wachsende Ausbreitung architektonischen Könnens, wie es überzeugender wohl kaum gedacht werden kann. Freilich darf nicht verschwiegen werden, dass mit dieser Verbreitung eine entsprechende künstlerische Vertiefung nicht verbunden ist, und dass eine unverhältnissmässig grosse Zahl von Fachgenossen es liebt, sich durch bequem zurhand liegende Vorbilder „anregen“ zu lassen, während originale Schöpferkraft seltener wird. Jedenfalls erschien der Elberfelder Wettbewerb, trotzdem die Anzahl tüchtiger Entwürfe bei ihm ungleich kleiner, das Geschick der Grundrisslösung im allgemeinen geringer war, in künstlerischer Beziehung interessanter als der Stuttgarter, den man im wesentlichen als ein Nachspiel von jenem bezeichnen muss.
Die grösste Enttäuschung scheint der Ausgang des Wettbewerbs unter den Fachgenossen Oesterreichs .hervorgerufen zu haben, von denen nach den Angaben eines Wiener Fachblattes mehr als 50 an ihm theilgenommen haben, ohne dass einem einzigen eine Auszeichnung zutheil geworden wäre. Wenn ein aus Wien an uns ergangenes Schreiben hieraus eine Ursache zum Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der deutschen Fachgenossen ableiten will, so müssen wir eine solche Annahme jedoch entschieden zurückweisen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass unter jenen 30-40 Arbeiten, von denen wir oben gesprochen haben, auch einige Entwürfe hervorragender österreichischer Fachgenossen sich befinden; die letzteren müssen über ihren Misserfolg mit zahlreichen deutschen Architekten von anerkanntem Rufe sich trösten. Vermuthlich haben jedoch gerade aus Oesterreich, wo die Uebung des Konkurrirens bei weitem nicht so entwickelt ist wie in Deutschland, zahlreiche Kräfte an dem Wettbewerb theilgenommen, die demselben in keiner Weise gewachsen waren. Wenigstens gehören die Arbeiten, die sich durch gewisse Aeusserlichkeiten als österreichischen Ursprungs zu erkennen geben, durchweg zu denjenigen, denen die Preisrichter – selbst wenn sie aus Höflichkeit geneigt gewesen wären, die äusserste Rücksicht walten zu lassen – unmöglich eine Auszeichnung ertheilen konnten.
Diese Artikelserie erschien zuerst am 06.07.1895, bzw. am 10.07.1895 in der Deutsche Bauzeitung. Sie war gekennzeichnet mit „-F.-„. Ein oder mehrere Teile, die von dem 06.07.1895 erschienen sein müssen, liegen leider derzeit noch nicht vor und können deshalb hier nicht wiedergegeben werden.