Der Wettbewerb um Entwürfe für eine neue Synagoge für Dortmund

Der Wettbewerb um Entwürfe für eine neue Synagoge für Dortmund, dessen Ausgang wir bereits erwähnten, war mit 59 Entwürfen beschickt, die den Versuch unternommen hatten, auf der Grundlage einer Bausumme von 350 000 M. einschl. der inneren Ausstattung und der Arbeiten für die Umgebung des neuen Gebäudes ein zweckentsprechendes Gotteshaus zu entwerfen. Die Aufgabe, mit einer verhältnissmässig so niederen Summe allen Ansprüchen für die Ausübung des Kultus zu genügen, ohne der nothwendigen Würde und Monumentalität des Bauwerkes Eintrag zu thun, war eine keineswegs leichte. Sie wurde aber gelöst.

Das Preisgericht beobachtete bei der Beurtheilung der Entwürfe den zweckmässigen Vorgang, von der Gesammt-Bausumme von 350 000 M. eine Summe von 65 000 M. für Heizung, Beleuchtung, Gestühl, für die heilige Lade und die Estrade, die Orgel, Garderoben, Klosets, Maschinen-Einrichtung und Entwässerung, Einfriedigung und gärtnerische Anlage des Bauplatzes abzuziehen, auf der Grundlage eines Mindest-Einheitssatzes von 16-17 M. für das cbm umbauten Raumes ein erlaubtes Raumausmaass von rd. 18 000 cbm festzustellen und hiernach die einzelnen Entwürfe zu beurtheilen. Infolgedessen wurden zuerst 16, dann weitere 22 Entwürfe und endlich noch 11 Entwürfe ausgeschieden, sodass 10 auf der engeren Wahl blieben. Für die Ausscheidung der letzteren 11 Entwürfe waren ausser dem Rauminhalt noch die Stellung des Gebäudes auf dem Bauplatze und die geforderte Orientirung maassgebend. Den Vorzug gab das Preisgericht einer Stellung einer Front parallel zum Hiltrop-Wall, bei welcher zugleich der Haupteingang des Innenraumes dem Allerheiligsten gegenüber gelegen ist. Bei Zentralanlagen wurde die sechseckige Grundform als wenig glücklich befunden. Die Formbildung war bei dem Wettbewerb in zweckmässiger Weise meist der mittelalterlichen oder byzantinischen Formenwelt angeschlossen, sodass das Preisgericht eine bestimmte Stellungnahme hierzu nicht auszusprechen brauchte. Die 10 auf der engeren Wahl befindlichen Entwürfe haben eine eingehende Beurtheilung erfahren, nach welcher sich die Verleihung des ersten Preises an den Entwurf des Hrn. Reg.-Bmstr. Fürstenau-Charlottenburg, des zweiten an die Hrn. Höniger & Sedelmeier-Berlin und des dritten an Hrn. Georg Neff in Magdeburg ergab. Der erstgenannte Entwurf überwindet nach dem Urtheil des Preisgerichts in zwei Varianten „bei äusserst geringem kubischen Inhalt die Schwierigkeiten des Programms in natürlicher und ungezwungener Weise. Als Zentralbau aus dem Achteck entwickelt, zeigt er die eine der Fronten mit dem Haupteingang parallel dem Hiltrop-Wall und erreicht dabei gleichzeitig eine Orientirung des Allerheiligsten genau nach Osten.“

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Die Variante B verdiene ihrer grösseren Einfachheit und Klarheit halber den Vorzug. Der Eintritt in den Innenraum gegenüber dem Allerheiligsten sei erreicht. Die in freier Behandlung spätgothischer Formen sich bewegende Architektur des Aeussern und des Innern wird als überaus anziehend und wohlgelungen bezeichnet. Getadelt werden die zu winkligen Nebenräume und die zu engen Emporentreppen, die jedoch leicht verbreitert werden können. Da der Verfasser dieses Entwurfes mit einer entsprechenden Bearbeitung desselben betraut ist, die sich zugleich auf eine etwas veränderte Lage bezieht und da ihm ferner bei befriedigendem Ausfall dieser Ausarbeitung die Ausführung in Aussicht gestellt ist, so legen wir den interessanten Entwurf zu eigener Beurtheilung vor. Der Verfasser berechnet das kubische Raumausmaass der Variante B, die vom Preisgerichte bevorzugt ist, und die versucht, den Innenraum dadurch klarer und grossartiger zu gestalten, dass sie die Kuppel auf nur 4 statt 8 Granitsäulen der ersten Annahme stützt, auf 14 150 cbm zu 17,5 M. = 247 635 M. Bausumme. Für das Innere bemerkenswerth ist die mit geringen Mitteln erreichte Durchsichtigkeit und Weiträumigkeit und die erzielte vorzügliche Beleuchtung.

Lageplan

Die mit dem zweiten Preise ausgezeichnete Arbeit ist nach dem Gutachten der Preisrichter ein in Bruch- und Werkstein gedachter Zentralbau mit Kuppel und kurzem Langschiff, der den praktischen Bedürfnissen in überaus klarer und verständiger Weise genügt, nicht aber den Anforderungen der Lage. – Die spätromanischen Architekturformen des Innern und Aeussern werden als sehr geschickt und gefällig durchgebildet bezeichnet und der Entwurf als Ganzes bei mässigem Rauminhalt als wohlgelungen und bei veränderter Orientirung als unter Umständen für die Ausführung unmittelbar verwerthbar erklärt.

Den mit dem dritten Preis ausgezeichneten Entwurf hält das Gutachten im Grundriss und Gestaltung des Innern für vortrefflich gelungen, die äussere Erscheinung bezeichnet es als eine besonders schöne und künstlerisch ausgereifte. Nicht zu billigen sei jedoch die zu starke Abweichung der Lage des Allerheiligsten von der östlichen Richtung. Bei mässigem Rauminhalt wäre auch dieser Plan u. U. zur Ausführung unmittelbar verwendbar.

Synagoge für Dortmund

Auf der Grundlage des Studiums der Entwürfe und der Verhältnisse des Bauplatzes sah sich das Preisgericht veranlasst, für das zu errichtende Gebäude eine Lage der Längsaxe „normal zum Hiltropwall“ wie in dem mit dem dritten Preise ausgezeichneten Entwurf angenommen war, vorzuschlagen. Auf der Grundlage dieses Vorschlages bewegt sich die Umarbeitung des mit dem ersten Preise bedachten Entwurfes.

Dieser Artikel erschien zuerst am 25.07.1896 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-H.-“.