Der Kanal von Dortmund nach den Emshäfen

Die Bauarbeiten am Dortmund-Ems-Kanal sind im wesentlichen beendet, sodass im Laufe dieses Sommers auf einzelnen Strecken der Betrieb aufgenommen werden kann. Zum 1. April 1899 soll dann der Kanal in voller Ausdehnung dem Verkehr übergeben werden. Es ist damit ein in wirthschaftlicher und technischer Beziehung gleich bedeutendes Werk zu einem glücklichen Ende geführt, das eine lange, wechselvolle Vorgeschichte besitzt.

Da bisher in der Dtschn. Bztg. nur kürzere Mittheilungen und zwar vor längerer Zeit (Vergl. Dtsch. Bzte. 1882. 1883 u. 1886.) gebracht worden sind, so ist der Versuch wohl angezeigt, eine zusammenhängende, die Hauptpunkte berührende Darstellung dieses grossen Unternehmens zu geben. Als Unterlagen für die Bearbeitung sind neben den vorhandenen Veröffentlichungen (Centralblatt der Bauvwltg. von 1883 bis zur neuesten Zeit.) namentlich die den Gesetzesvorlagen beigegebenen Denkschriften und die Verhandlungen im Landtage benutzt. Ergänzt wurde dieses Material durch eigene Anschauung gelegentlich einer in diesem Sommer ausgeführten Studienreise.

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Der Gedanke der Herstellung einer Wasserstrasse von Westfalen zur deutschen Küste reicht ziemlich weit zurück. Schon Friedrich der Grosse soll sich nach urkundlichen Feststellungen aus dem Jahre 1744 damit beschäftigt haben. Bereits in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts beginnen dann die Erwägungen der preussischen Regierung, welche auf die Schaffung einer grossen, den Rhein mit Weser und Elbe verbindenden und durch die weiteren Anschlüsse bis zum Osten Deutschlands reichenden zusammenhängenden Schiffahrtsstrasse hinausliefen. In mittelbarer Weise würde durch diese Wasserstrasse auch die Verbindung Westfalens zur Nord- bezw. Ostsee hergestellt werden. In einer Denkschrift vom Jahre 1877 nehmen diese Pläne dann greifbarere Gestalt an. Es wird die Ausführung eines Kanales von Ruhrort über Henrichenburg nach Dortmund und von Henrichenburg über Münster nach Bevergern, von da zur Weser bei Minden und von da weiter über Hannover zur Elbe bei Magdeburg vorgeschlagen. 1878 werden wirthschaftliche und technische Vorarbeiten für diese Kanallinie eingeleitet. Man kam dabei bald zu dem Ergebniss, dass durch einen derartigen Kanal nur eine sehr mangelhafte Verbindung des rheinisch-westfälischen Kohlen- und Industriegebietes mit der deutschen Nordseeküste hergestellt werden könne und dass diese Linie als Verbindung zur Ostsee für Westfalen überhaupt ganz bedeutungslos sei, Die wichtige wirthschaftliche Aufgabe, einen Theil des jetzt über holländische Häfen gehenden Exportes und Importes den deutschen Häfen zuzuwenden und namentlich die rheinisch-westfälische Kohle gegenüber der englischen Kohle im deutschen Küstengebiete konkurrenzfähig zu machen und letztere vom Markte zu verdrängen, würde man auf diese Weise nicht gelöst haben. In der „Denkschrift über die geschäftliche Lage der preussischen Kanalprojekte“ vom 30. Januar 1882 wurde daher ausser dem Mittellandkanal nach den Vorschlägen von 1877 eine Verbindung von Dortmund nach der unteren Ems bei Papenburg, von da nach der unteren Weser bei Elsfleth über Oldenburg und sodann von Vegesack über Bremervörde nach Stade an der unteren Elbe in Erwägung gezogen. Auf diese Weise würde man das Industriegebiet einerseits mit dem Rhein, durch den erwähnten Kanal andererseits mit den Emshäfen, durch den Ems-Jade-Kanal mit Wilhelmshaven, durch die Elbe und ihre schiffbaren Anschlüsse mit Magdeburg und Berlin, sowie durch den geplanten Elbe-Trave-Kanal und den Nord-Ostsee-Kanal ausserdem mit der Ostsee in Verbindung gebracht haben. Die Gesammtkosten dieser 420,7 km langen Wasserstrasse waren auf 112 Mill. M. geschätzt. Hiervon entfielen auf die 55,4 km lange Strecke Ruhrort-Dortmund 28,2 Mill., Henrichenburg-Münster-Bevergern mit 96,8 km Länge 25 Mill. und Bevergern-Neudörpen an der Ems mit 99,3 km 19,65 Mill. M.

Am 29. März 1882 wurde dem Landtage eine Vorlage gemacht, welche das Schwergewicht auf die Herstellung einer leistungsfähigen Wasserstrasse von Dortmund nach der unteren Ems legt, um „der rheinisch-westfälischen Montanindustrie die dringend erforderliche Vergrösserung ihres Absatzgebietes schnell und mit möglichst geringen Kosten zu verschaffen“. Es wurde in der Begründung noch besonders hervorgehoben, dass die Ausführung dieses Kanales keineswegs die Herstellung des grossen Rhein-Weser-Elbe-Kanals behindere, von dem er vielmehr ein wichtiges Stück bilde. Betont wurde auch, dass die Verbindung mit dem Rhein auch den Gebieten am Oberrhein und in Süddeutschland den Anschluss an eine vom Auslande unabhängige Verbindung mit dem Meere schaffe.

Der Kanal sollte in der Nähe von Dortmund, also im Herzen des westfälischen Kohlen- und Industriegebietes beginnend, auf 11,1 km Länge das Emscherthal bis Henrichenbung benutzen und das Gefälle von 10,86 m mit 4 Schleusen überwinden. Von Henrichenburg bis hinter Münster folgte eine 68,9 km lange Haltung mit einem bis an die Stadt Münster herangeführten Stichkanal. Die anschliessende Strecke Münster-Bevergern sollte 27,9 km Länge und bei 15,24 m Gefälle 5 Schleusen erhalten. Von Bevergern war der Abstieg bis zur kanalisirten Ems bei Hanekenfähr mit 7 Schleusen und 19,53 m Gefälle auf 22,9 km Länge vorgesehen.

Von Hanekenfähr war beabsichtigt, auf 24 km nach Meppen den Ems-Seitenkanal zu benutzen, mit entsprechender Erweiterung desselben, und nach Ueberschreitung der Haase dann den Kanal am rechten Emsufer bis Neudörpen auf 45,6 km und von da noch “weitere 6,8 km bis zum Anschluss am die untere Ems bei Aschendorf zu führen. Das Gesammtgefälle Hanekenfähr-Aschendorf von 18,67 m sollte mit 10 Schleusen überwunden werden. Imganzen war also eine Höhe von 64,3 m mit 26 Schleusen zu ersteigen bei einer mittleren Schleusenentfernung von rd. 8km. Die Wassertiefe war zu 2, die Sohlenbreite zu 16, die Wasserspiegelbreite zu 24 m angenommen. Die Schleusen waren auf 67 m nutzbare Kammerlänge, 8,6 m lichte Weite in den Thorkammern, 2,5 m Wassertiefe über den Drempeln bemessen. Schiffe von 500 t Ladefähigkeit wurden hiernach als zulässig für den Verkehr auf dem Kanal angesehen. Die Gesammtkosten waren auf 50 300 000 M. veranschlagt, wovon 5 Mill. auf Grunderwerbskosten entfielen. Letztere sollten jedoch durch die Interessenten aufgebracht werden, sodass für die Ausführung des Kanals nur die Bewilligung von 46 Mill. M. gefordert wurde. Die reinen Baukosten beliefen sich nach diesem Kostenvoranschlage auf rd. 218 600 M. für 1 km im Durchschnitt, auf 243 000 M. für 1 km einschl. Grunderwerb.

Aus der Begründung für die wirthschaftliche Bedeutung des Kanales ist abgesehen von den schon angeführten Vortheilen für die Montanindustrie noch hervorzuheben, dass man sich von demselben einen wirthschaftlichen Aufschwung des Münsterlandes und Ostfrieslands, die Aufschliessung von Hochmooren, die bessere Verwerthung landwirthschaftlicher Erzeugnisse, die Hebung der Landeskultur im unteren Kanalgebiete durch bessere Be- und Entwässerung, durch billige Einführung von Düngemitteln usw. versprach. Die Grösse der zu meliorirenden Flächen wurde auf etwa 1000 ha geschätzt.

Die jährlichen Unterhaltungskosten des Kanals einschl. der Speisung der oberen Strecken, sowie einschl. der Beamtengehälter giebt die Vorlage zu 640 000 M. an. Aus den beigegebenen Berechnungen über den zu erwartenden Verkehr, auf die wir hier nicht mehr eingehen wollen, da sich ja in den nächsten Jahren zeigen wird, wie weit der Kanal in dieser Hinsicht den an ihn gestellten Erwartungen entspricht, wird gefolgert, dass diese Kosten mindestens aus den Einnahmen gedeckt werden. Eine geringe Verzinsung des Anlagekapitals wurde zwar als erreichbar angenommen, jedoch nicht ohne Schädigung der aus dem Kanal erwarteten allgemeinen wirthschaftlichen Vortheile, sodass darauf mindestens zunächst Verzicht geleistet werden müsse.

Diese Vorlage kam erst im Jahre 1883 zur Berathung. Sie wurde vom Hause der Abgeordneten angenommen, vom Herrenhause dagegen am 30. Juni abgelehnt. Die Gründe für diesen Beschluss sind in der Presse seiner Zeit so eingehend erörtert worden, dass hierauf an dieser Stelle nicht weiter eingegangen zu werden braucht (Vergl. übrigens Dtsch. Bztg. 1883, S. 278 und 325.).

Die Regierung liess sich jedoch hierdurch nicht abhalten, sondern setzte ihre Arbeiten fort. Im Jahre 1886 wurde der Entwurf in erweiterter Form wiederum vorgelegt. Es wurden nunmehr ausser der Verbindung des westfälischen Kohlengebietes von Dortmund zur unteren Ems bei Papenburg ähnlich der Vorlage von 1883 auch noch Anlagen einbezogen, die zum unmittelbaren Anschluss der Binnenschiffahrt an die grosse Seeschiffahrt bei Emden erforderlich sind.

Nach diesem zweiten Entwurfe sollte der Kanal unmittelbar bei Dortmund in einem grösseren, für die benachbarten Zechen und sonstigen Betriebe günstigen Hafen seinen Ausgang nehmen und Henrichenburg nach 15 km dem Emscherthale folgend, zumtheil im Flussbett selbst geführt, erreichen. Henrichenburg wurde wieder als Abzweigung der zukünftigen Verbindung zum Rhein festgehalten. Der weitere Verlauf bis Bevergern bezw. bis Neudörpen ist ein ähnlicher wie früher, nur ist die lange Mittelhaltung näher an die Stadt Münster herangeschoben, sodass hier der Stichkanal fortfallen konnte. Statt der Endigung bei Aschendorf war jedoch die Fortsetzung des Kanales unter Benutzung der Ems selbst bis Papenburg geplant. Von Bevergern bis hierhin waren dann 17 Schleusen mit zus. 38,89 m Gefälle anzuordnen. Die gesammte Kanallänge wurde hierdurch von 207,2 km auf 220,3 km vergrössert, das Gefälle von Dortmund bis Papenburg auf 68,94 m, gegenüber 64,30 m bis Aschendorf. Die Schleusenzahl 26 blieb bestehen. Neu hinzu kam ein Zweigkanal von Hentichenburg bis Herne, einem bedeutenden Mittelpunkt für Kohlenzechen, mit 7,8 km Länge und 1 Schleuse. Von Papenburg abwärts ist der Emslauf ohne besondere Arbeiten für jede Schiffahrt ausreichend. Von Oldersum an ist der Fluss jedoch so breit, dass der Wellengang bei unruhigem Wetter für die Kanalschiffe gefährlich würde. Es wurde daher von Oldersum aus ein Seitenkanal geplant, der mittels Seeschleuse gegen die hohen Emswasserstände abzuschliessen war. Der Kanal sollte 9,2 km Länge und nur eine Haltung bekommen und in einem südlich von Emden auf dem Königspolder anzulegenden neuen Hafen endigen. Kanal und Hafen sollen konstant auf Emdener Fluth Null (+ 1,138 A.P.) gehalten werden. Der Hafen war so gedacht, dass 8 der grössten Seeschiffe gleichzeitig laden und löschen könnten. Es war ferner ein besonderes Petroleumbecken, sowie die Ausrüstung des Hafens mit Schuppen, Krahnen usw. vorgesehen. Die Kanal- und Schleusen-Abmessungen blieben unverändert. Zur Speisung der oberen Haltungen war ein Pumpwerk am Lippe-Uebergang geplant. Für die spätere Fortsetzung des Kanals zum Rhein war die Anlage eines zweiten Pumpwerkes an der Werse gedacht. Die Gesammtkosten des Kanales waren wie folgt veranschlagt.

Bezeichnung der StreckeLänge (km)Reine Baukosten (M.)Grunderwerb (M.)Gesammtkosten (M.)Kosten für 1 km – Reine Baukosten (M.)Kosten für 1 km – einschl. Grunderwerb (M.)
Dortmund-Henrichenburg154 860 0001 550 0006 410 000324 000427 000
Zweigkanal Herne7,81 690 000400 0002 090 000217 000268 000
Henrichenburg-Bevergern96,021 850 0002 720 00024 570 000228 000250 000
Speisingsanlage750 000750 000
Bevergern-Papenburg109,320 930 0001 270 00021 660 000186 000198 000
Dortmund-Ems (Summa)228,1049 540 0005 940 00055 480 000217 000243 000
Oldersum-Emden9,22 940 000340 0003 280 000320 000357 000
Hafen in Emden1,25 900 0005 900 000
Summa10,48 840 000340 0009 180 000
Gesammt-Summe238,558 380 0006 280 00064 660 000
Freie Ems Papenburg-Oldersum31,5
Gesammt-Länge der Schiffahrtsstrasse270,00

Diesen Entwurf nahm der Landtag nunmehr an.

Abbildg. 1 – Lageplan

Im Gesetz vom 9. Juli 1886 wurde dabei auf Veranlassung des Abgeordnetenhauses der ausdrückliche Zusatz gemacht, dass dieser Kanal als ein solcher zu betrachten sei, „welcher bestimmt ist, den Rhein mit der Ems und in einer den Interessen der mittleren und unteren Weser und Elbe entsprechenden Weise mit diesen Strömen zu verbinden.“ Bezüglich der auf 6 280 000 M. veranschlagten Grunderwerbskosten enthält das Gesetz, dieselben Bestimmungen wie die Vorlage von 1883 „Der gesammte zur Erbauung des Kanales, einschliesslich aller Nebenanlagen, erforderliche Grund und Boden ist der Staatsregierung unentgeltlich und lastenfrei zum Eigenhtum zu überweisen, oder die Erstattung der sämmtlichen staatsseitig für dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder der Enteignung aufzuwendenden Kosten, einschl. aller Nebenentschädigungen für Wirthschaftserschwernisse und sonstiger Nachtheile in rechtsgiltiger Form zu übernehmen und sicher zu stellen. Erst nach Erfüllung dieser Verpflichutng durch die Interessenten solle mit der Ausführung des Kanales vorgegangen werden. Es ergab sich jedoch bei den nun eingeleiteten Verhandlungen, dass dieser Betrag nicht zu erreichen, vielmehr nur eine Summe von 4 854 967 M. zu erzielen war. Der Rest wurde daher durch Gesetz vom 6. Juni 1888 zu den vom Staate aufzubringenden Baukosten zugeschlagen, welche infolgedessen auf 59 825 033 M. anwuchsen. Im Frühjahr 1889 war der von den Interessenten übernommene Betrag sicher gestellt. Daraufhin wurde durch kgl. Verordnung vom 23. Mai 1889 eine besondere Behörde für die Herstellung des Kanales eingesetzt, die „Königliche Kanalkommission“ mit dem Sitz in Münster, welche am 1. Juli 1889 ihre Thätigkeit aufnahm und zunächst mit der Bearbeitung der besonderen Entwürfe begann. Hierbei zeigte es sich, dass der erste Entwurf in verschiedener Hinsicht verbesserungsfähig sei, sowohl hinsichtlich der Linienführung als auch hinsichtlich der Ausnutzbarkeit des Kanales. Die Mehrkosten für diese Verbesserungen wurden auf 4 770 000 M. geschätzt. In einer besonderen Denkschrift wurden die Veränderungs-Vorschläge zusammengefasst Am 7. März 1892 wurden sie vom Landtage durch Kenntnissnahme gebilligt. Die Bewilligung der Mehrkosten blieb einer besonderen Vorlage nach Aufstellung der genauen Entwürfe und Anschläge vorbehalten.

Abbildg. 2 – Längsprofil

In dem Lageplan und Längsprofil Abbildg. 1 u. 2 ist der endgiltige Entwurf, wie er im Jahre 1892 festgestellt wurde und zur Ausführung gekommen ist, zur Darstellung gebracht. Die Kanallinie nimmt ihren Ausgang in einem grösseren, unmittelbar bei Dortmund gelegenen Hafen. Statt jedoch wie im Vorentwurfe bis Henrichenburg auf 15 km das Emscherthal bezw. das Bett dieses Flusses selbst zu verfolgen, erreicht sie auf einem mehr östlichen Wege am rechten Thalabhange der Emscher nach 15,74 km den genannten Ort. Grund für diese Verschiebung war die zunehmende Verunreinigung des Emscherwassers namentlich infolge des Anwachsens der Stadt Dortmund und ihrer gewerblichen Thätigkeit. Die Benutzung des Emscherwassers zur Kanalspeisung erschien danach nicht mehr angängig. Die neue Linie gestattete die Konzentrirung des Gefälles der auf + 70,0 N.N. liegenden Haltung nach der 14 m tiefer liegenden grossen Strecke Henrichenburg-Münster bei erstgenanntem Orte. Anstelle der früher geplanten 4 Schleusen ist ein Hebewerk getreten und so die schwierige Frage der Kanalspeisung am günstigsten gelöst. Die neue Strecke zeigt, abgesehen von dem bis 9 m hohen Dammanschluss am Hebewerk nur geringen Auf- und Abtrag. Die Gesammtkosten wurden um 200 000 M. niedriger geschätzt als früher.

Der Kanal zieht sich sich sodann in einer einzigen auf + 56,0 NN. liegenden Haltung über Olfen, Lüdinghausen, Senden, Hiltrup bis hinter Münster. Einschliesslich des Zweigkanals nach Herne, der ohne Schleuse an diese Haltung anschliesst, hat die Strecke 67,34 km Länge. Sie bildet nach Herstellung der Verbindung zum Rhein die Hauptscheitelhaltung. Da auf dieser Strecke die Wasserscheide zwischen Lippe und Ems durchbrochen wird, finden sich hier tiefe Einschnitte und bei der Ueberschreitung der Lippe und Stever hohe Dammschüttungen und unfangreiche Bauwerke. Gegenüber der früheren Linienführung ist eine Abkürzung um 2,3 km erzielt, ferner eine Verringerung der Erdbewegung durch rechtwinklige Kreuzung der Thäler, also Abkürzung der hohen Dammschüttungen, eine günstigere Durchschneidung werthvoller Grundstücke und Wege, sowie eine Ersparniss an Bauwerken. Die Minderkosten wurden auf 250 000 M. geschätzt. Demgegenüber stehen allerdings 500 000 M. Mehrkosten für eine Verlegung der Strecke bei Münster, welche infolge einer durch die Vermehrung der Tragweite der modernen Gewehre bedingten weiteren Umgehung des Militär-Schiessplatzes in der Loddenheide nöthig wurde. Hinter Münster wird mit einer einzigen Schleuse – Sparschleuse – von 6,2 m Gefälle die auf + 49 N.N. liegende, sogenannte Mittellandhaltung erreicht, die sich auf 37,07 km Länge bis Bevergern erstreckt. Der Kanal ist zwischen Greven und Bevergern mit Rücksicht auf den günstigen Anschluss des von hier ausgehenden geplanten Mittellandkanales zur Weser und Elbe östlich verschoben und hat hierdurch eine Verlängerung von 3 km und eine Verschiebung in das Vorland des Teutoburger Waldes erfahren, das bei Riesenbeck mit einem bis zu 10 m Tiefe in das Kalksteingebirge geführten Einschnitt durchbrochen werden muss. Hieraus ergaben sich Mehrkosten im Betrage von 1 750 000 M., die jedoch später in vollem Umfange dem Mittellandkanal zugute kommen, also eigentlich zu den Kosten dieses Kanales gehören. Die Linie ist im übrigen für die durchzogenen Landestheile, namentlich auch für die Aufschliessung des Teutoburger Waldes günstiger.

Von Bevergern beginnt der Abstieg zur Ems, die mit 7 Schleusen bei Gleesen erreicht wird. Diese überwinden auf 29,25 km Länge ein Gefälle von 28,70 m. Die Schleuse bei Gleesen, ebenfalls eine Sparschleuse, nimmt hieran mit 6,1 m theil. Das Gesammtgefälle von der Scheitelhaltung bis zum Anschluss an die Ems beträgt somit 35,45 m, bis Dortmund 49,45 m. Das Emsbett selbst wird nur auf die kurze Strecke von 2,37 km benutzt bis hinter der Einmündung des Ems-Vechte-Kanals. Bei Hanekenfähr erfolgt der Eintritt in den 1824 vollendeten Seitenkanal zur Ems, der auf 25,06 km bis vor Meppen benutzt wird. In dem entsprechend erweiterten und vertieften Kanal ist bei Hanekenfähr eine Sperrschleuse angeordnet, welche die höheren Emswasserstände abhält, zwei weitere Schleusen vermitteln den Anschluss an die kanalisirte Ems, die unterhalb Meppen wieder erreicht wird. Das Gesammtgefälle der Strecke beläuft sich auf 10,7 m. Die Verbesserungen gegenüber dem ersten Entwurfe bestehen in Abkürzung einer scharfen Krümmung des Hanekenkanals durch einen 1 km langen Durchstich bei Lingen – der alte Arm wird nunmehr als Hafen benutzt – und in einer günstigeren Führung durch Meppen im Bette der begradigten Haase statt in einem besonderen Bette. Es wird hierdurch die Kreuzung der Haase mit Brückenkanal, die Herstellung einer zweiten beweglichen Brücke und die Ausführung theurer Futtermauern in Meppen gespart.

Die Zahl der Schleusen von der Scheitelhaltung bis zum Anschluss an die Ems bei Meppen ist nach dem ausgeführten Entwurfe von 16 auf 12 vermindert, hierdurch also ein wesentlicher Vortheil erzielt.

Von Meppen bis Papenburg ist der Kanal im Emsbett selbst geführt. Die starken Krümmungen sind abgeschnitten, 5 Wehre und Schleusen eingelegt. Nach dem ursprünglichen Entwurfe sollte am rechtsseitigen Emsufer ein Seitenkanal hergestellt werden, der in dem durch die westlichen Ausläufer des Hümmlings stark verengten Thale die landwirthschaftlichen Interessen durch Zerschneidung und Vernichtung werthvoller Wiesen, Abhaltung der fruchtbaren Ueberschwemmungen von den hinter dem Kanal liegenden Ländereien usw. stark geschädigt hätte. Die Benutzung des Emsbettes selbst begegnet diesem Uebelstande und ermöglicht ausserdem eine günstigere Bewässerung. Für die Schiffahrt ist andererseits die Erhaltung des Verkehrs auf dem alten Schiffahrtswege, der grössere Querschnitt des freien Emslaufes und die Ermöglichung der Ausführung von Schleppzugsschleusen auf der mit genügendem Wasserzufluss versehenen Strecke von Hanekenfähr bis Emden von ausserordentlichem Vortheil. Die Ems ist von Meppen bis Herbrum auf 48,67 km kanalisirt, von da bis Papenburg, also bereits im Fluthgebiete, in einfacher Weise auf 12,56 km korrigirt. Das Gefälle bis zum Emsunterlauf bei Herbrum beträgt bei niedrigstem N.W. 10,25, bei H.W. 8,40 m. Die Kosten der Strecke Meppen-Papenburg einschl. des Anschlusses des Hafens bei letzterem Orte durch eine Seeschleuse werden durch die weniger kostspielige Ausführung der Kanalisirung der Ems gegenüber dem alten Entwurfe um 1 200 000 M. herabgesetzt.

Von Papenburg bis Oldersum wird die freie Ems benutzt, die hier der See- und Kanalschiffahrt zugleich dient. Bis Leerort sind planmässige Baggerungen im Gange, unterhalb genügt das Fahrwasser allen Ansprüchen. Der von Oldersum nach Emden geführte Seitenkanal ist nach dem ersten Entwurfe beibehalten, jedoch statt als Hochwasserkanal als Niedrigwasserkanal ausgeführt. Es werden hierdurch die Schwierigkeiten behoben, welche aus der Kreuzung mit den Binnentiefen sonst erwachsen wären und es wird die Bewegungsfreiheit der auf letzteren verkehrenden kleinen Schiffahrt nicht behindert. Gleichzeitig werden die Entwässerungs-Verhältnisse nicht unwesentlich günstiger gestaltet.

Auch der Anschluss an das Emder Binnenfahrwasser hat eine Aenderung und Verbesserung erfahren. Während ursprünglich die geplanten neuen Hafenanlagen im Königspolder durch eine Dockschleuse angeschlossen werden sollten, die zu sehr theuren Gründungsarbeiten geführt hätte, ist die auch im Verkehrsinteresse günstigere Anordnung des freien Anschlusses gewählt. Das Emder Binnenfahrwasser wird dadurch zum Haupthafen für die grosse Schifffahrt und den Umschlagsverkehr zwischen Seeschifffahrt, Kanalschiffahrt und Eisenbahn. Die Ueberladung vom Kanalschiff zum Seeschiff soll auf Seiten des Königspolders erfolgen, während sich der übrige Verkehr in den Hafenanlagen auf Seiten des Kaiser Wilhelm-Polders abwickeln wird, die mit Kaimauern, Krahnen, Gleisen usw. auszurüsten sind. Nach dem Ems-Jade-Kanal ist oberhalb der letzten Schleuse des Dortmund-Ems-Kanals bei Borssum eine besondere Verbindung hergestellt. Ausserdem ist zur Abführung des Hochwassers des Ems-Jade-Kanals ein Vorfluthkanal ausgeführt, der als Dücker unter dem Aussenhaupt der Borssumer Schleuse durchgeführt ist und mit 2 Spülschleusen neben den alten Emder Seeschleusen in das Emder Aussenfahrwasser mündet.

Die Kosten des alten und neuen Entwurfes sollen sich hier die Wage halten.

Nach der vorstehend gegebenen Beschreibung hat die neue Wasserstrasse von Dortmund bis zur Emder Seeschleuse eine Gesammtlänge von 282,26 km, wozu noch 10,96 km für den Stichkanal nach Herne kommen. Davon entfallen auf die freie Ems 33,79 km, auf die kanalisirte und korrigirte Ems 61,23 km, auf den neu hergestellten Kanal also 185,18 km ausschl. des Zweigkanals Herne. Die Länge bis Oldersum beträgt 271,30 km, das Gesammtgefälle von Dortmund bis zum Dollart bei N.W. 71,45 m. Es wird durch 20 Schleusen und 1 Hebewerk überwunden.

Abbildg. 3 – Kanalquerschnitt

Nach dem Plane von 1886 war das Kanalprofil auf 16 m Sohlenbreite, 24 m Wasserspiegelbreite und 2 m Wassertiefe festgesetzt. Die Brückenkanäle und Schleusendrempel sollten 2,5 m tief gelegt werden, um eine spätere Vertiefung des Kanales bis zu diesem Maasse ausführen zu können. Die Schleusen waren auf 67 m Kammerlänge und 8,6 m Breite bemessen. Es sollten Schiffe von 1,6 m Tiefgang und 500 t Ladefähigkeit auf dem Kanal verkehren können. Diese Abmessungen wurden seitens der Interessenten aber als zu klein bekämpft, welche eine solche Erweiterung anstrebten, dass Schiffen von 800 bis 1000 t der Durchgang ermöglicht würde. Diesen zu weit gehenden Anforderungen, die die Kosten ins Ungemessene erhöht hätten, mit Rücksicht auf die Wasserversorgung auch praktisch nicht durchführbar und schliesslich für den Verkehr auf Weser und Elbe auch nicht angemessen wären, konnte nun allerdings nicht stattgegeben werden. Dagegen wurde im Interesse der Vermehrung der Ladefähigkeit auf 600 t und der Einrichtung eines rationellen Betriebes auf dem Kanale mit ausreichender Geschwindigkeit die Wassertiefe sofort auf 2,5 m erhöht und der Abstand der Schiffe von der Böschung behufs leichteren Kreuzens, Ermöglichung einer rascheren Fahrt ohne Schädigung für die Böschungen soweit erhöht, dass die Sohle nunmehr 18 m, der Wasserspiegel 30 m besitzt. In 2 m Tiefe ist noch eine Breite von 20 m vorhanden. Das gewählte Querprofil ist in Abbildg. 3 dargestellt. Das Verhältniss des eingetauchten Schiffsquerschnittes wird hierdurch von 1:3,5 auf 1:4 erhöht, ein Maass, das auf dem Binnenschiffahrts-Kongress von 1886 als zweckmässig und erstrebenswerth allseitig anerkannt wurde. Es können nunmehr Schiffe von 1,75 m Tiefgang, 65 m Länge, 8 m Breite und 600 t Ladefähigkeit zugelassen werden. Im übrigen sind zurzeit Versuche bei Lingen im Gange, um den zulässigen Tiefgang, die Fahrgeschwindigkeit usw. festzustellen, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Die Drempel der Schleusen und die Sohle unter den Bauwerken sind nun ebenfalls um 0,5 m tiefer gelegt. In den Dammschüttungen liegt die Sohle sogar 3,5 m unter Wasserspiegel, um an Schüttung zu sparen. Die Kosten der Tieferlegung der Kanalsohle waren auf 1,29 Mill. M., die der Vergrösserung der Kanalabmessungen imganzen auf 3,27 Mill. M. veranschlagt.

Wie schon erwähnt, wurde eine weitere wesentliche Verbesserung der Ausnutzbarkeit des Kanales aus der Erleichterung des Betriebes durch Ausführung von Schleppzugsschleusen auf der ganzen Strecke, wo die Wasserzuführung keine Schwierigkeit macht, also von Hanekenfähr bis nach Emden, erzielt. Es ist also möglich, auf rd. 120 km einen einheitlichen, leistungsfähigen Betrieb einzuführen. Die Schleusen sollen Raum bieten für 2 Kanalschiffe und 1 Dampfschlepper, haben daher bei 10 m lichter Weite 165 m Länge zwischen den Häuptern erhalten. Die Mehrkosten für die Ausführung dieser Schleusen wurden auf 900 000 M. veranschlagt.

Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass sich eine Transport-Gesellschaft gebildet hat, welche den einheitlichen Betrieb auf dem Kanale in die Hand nehmen und mit dem Bau geeigneter Kanalschiffe vorgehen will. Im übrigen ist durch einen den ganzen Kanal auf beiden Seiten begleitenden 3,5 m breiten Treidelweg auch jeder andere Betrieb ermöglicht.

Wie schon erwähnt, waren die nach der Denkschrift vom 3. März 1892 aus der wesentlichen Abänderung des ursprünglichen Entwurfes zu erwartenden Mehrkosten vorläufig auf 4 770 000 M. angenommen, während die Bewilligung der thatsächlichen Mehrkosten späterem Antrage vorbehalten blieb. Nachdem im Jahre 1892 die Arbeiten in Angriff genommen, dann zumtheil beendet bezw. entsprechend gefördert, alle Einzelheiten aber festgestellt-und alle wesentlichen Bauten vergeben waren, wurde im Jahre 1897 dem Landtage eine erneute Vorlage gemacht, in welcher die Gesammtkosten, welche vom Staate selbst aufzuwenden sind, zu 74 575 053 M. angegeben wurden, sodass also gegenüber dem Anschlage von 1886 ein Mehr von 14 770 000 M., gegenüber den Angaben von 1892 immer noch ein solches von 9 980 000 M., verbleibt. Die Gesammtkosten des Kanals einschl. des von den Interessenten aufgebrachten Beitrages von 4 854 967 M., belaufen sich demnach auf 79 430 000 M., also bei 251,60 km Gesammtlänge der eigentlichen Kanalstrecke auf 315 700 M. einschl., auf 283 000 M. ausschl. Grunderwerb für 1 km, Nachstehend sind die Beträge der Veranschlagungen von 1886 und 1897 in den einzelnen Titeln einander gegenüber gestellt.

Bezeichnung des Titels1896 (M.)1897 (M.)MinderkostenMehrkostenBemerkungen
I. Grunderwerb6 280 0008 216 0001 936 0001886 – 1889 ha
1897 – 1748 ha
II. Erd- und Böschungsrabeiten16 055 00023 440 0007 385 0001886 – 15 746 000 cbm
1897 23 322 300 cbm
III. Unterhaltung während der Bauzeit1 101 0001 271 000170 000
IV. Bauwerke22 823 00022 823 000Die Kosten für die Bauwerke wurden trotz wesentlicher Umgestaltungen nicht höher.
V. Nebenanlagen7 765 0005 270 0002 495 000Hier ist der Hafen in Emden einbegriffen-
VI. Speisung des Kanals1 112 0001 087 00025 000
VII. Bauleitung3 320 0006 775 0003 455 000
VIII. Insgemein6 204 00010 548 0004 344 000Hier sind die Dichtungsarbeiten und Böschungsbefestigungen einbegriffen.
Summa6 466 0007 943 00014 770 000

In der dem Landtage vorgelegten Denkschrift werden diese erheblichen Ueberschreitungen einerseits mit der Unsicherheit der Veranschlagung im Wasserbauwesen überhaupt, namentlich aber damit motivirt, dass zurzeit der ersten Veranschlagung noch keine genaueren Entwürfe vorlagen und dass seitdem zumtheil auch eine erhebliche Preissteigerung eingetreten sei. Dies gilt namentlich vom Werthe der vom Kanal durchschnittenen Grundstücke, der gegenüber den Taxen landwirthschaftlicher Sachverständiger, welche dem Voranschlage zugrunde lagen, stellenweise auf das Doppelte gestiegen ist.

Die Hauptmehrkosten ergaben sich aus Tit. II. Sie sind einerseits eine Folge der 1892 vergrösserten Kanalabmessungen, wodurch sich die Erdbewegung um 7 756 300 cbm vermehrte, andererseits aber auch des um 6,8 Pf. gegenüber dem Anschlage höheren Einheitspreises für 1 cbm. Immerhin ist der Durchschnittspreis von 0,83 M. für 1 cbm noch ein niedriger zu nennen, namentlich wenn man berücksichtigt, dass zumtheil sehr feste Bodenarten zu lösen waren, die sich ausserdem zum Einbau in den Dämmen wenig eigneten und daher mit grosser Vorsicht verbaut werden mussten. Als Vergleich wird angeführt, dass die Kosten für 1 cbm am Nord-Ostsee-Kanal durchschnittl. 0,90 M., bei der Kanalisirung der oberen Oder 0,95 M. betragen haben. Die Mehrkosten für Bauleitung ergeben sich aus den erheblichen Wandlungen die der Entwurf durchgemacht hat und dem damit verbundenen Zeitaufwand für Planbearbeitung und Bauausführung. Im Titel Insgemein spielen besonders die erforderlichen Dichtungsarbeiten aus den zumtheil aus durchlässigem Material hergestellten hohen Dämmen eine grosse Rolle. Es war eine vollständige Abdichtung mit Thonkern und mit Lehmdecke auf den Dammböschungen erforderlich. Die Kosten hierfür haben allein 2 557 000 M. betragen. Ebenso war eine ganz besonders solide und sorgfältige Abdeckung der Böschungen mit Steinwurf, Pflaster und Plattenbelag zum Schutz gegen Wellenschlag, Durchbruch der hohen Dämme usw. nothwendig. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 5 849 000 M. –

Der Kanal bedarf in seinen oberen Haltungen von Dortmund bis zur Ems einer künstlichen Speisung. Ursprünglich sollte in die oberste Haltung Emscher Wasser eingeleitet werden, man hat jedoch hiervon, wie schon früher erwähnt, wegen der zunehmenden Verunreinigung dieses Flusses absehen müssen. Ebenso hat man die Einführung anderer natürlicher Zubringer mit Rücksicht auf die hohen Entschädigungen, welche für Mühlen- und andere Gerechtigkeiten zu zahlen gewesen wären, auf wenige Bäche beschränken müssen, die im Jahresmittel höchstens 0,40 cbm in 1 Sek. zuführen. Erforderlich sind aber, trotzdem durch 0,50-1 m starke Thon- und Lehmsicherungen auf den Dammschüttungen einer Versickerung nach Möglichkeit entgegengetreten ist, durch diese Verluste und das für die Schleusungen erforderliche Wasser ein sekundlicher Zuschuss von 2,5-3 cbm während der Zeit des stärksten Bedarfes. Es ist unter diesen Umständen das schon nach dem Entwurfe von 1886 an der Kreuzung des Kanales mit der Lippe vorgesehene Pumpwerk wesentlich vergrössert worden. Statt dreier Dampfmaschinen zu je 200 P.S. hat es deren 3 zu je 450 ind. P.S. erhalten. Es sind stehende Tandem-Compound-Maschinen, die in der Minute 120-130 Umdrehungen machen und mit den Zentrifugen von je 5 m Durchmesser unmittelbar gekuppelt sind. Ihre Maximalleistung beträgt 3,5 cbm in 1 Sek. Sie heben das Wasser aus der Lippe nach der Scheitelhaltung bis zu 17,5 m je nach dem Lippe-Wasserstande. Zu den Maschinen, die von Haniel & Lueg, Düsseldorf, geliefert sind, gehören 5 Röhrenkessel von je 200 qm Heizfläche und von 9 at zulässiger Dampfspannung. Die Zentrifugen pressen das Wasser durch eine gemeinsame Leitung in eine in der Dammböschung gelegene Kammer, aus der es, ohne stärkere Seitenströmungen zu erzeugen, in den Kanal eintritt. Zur Versorgung der Maschinenanlage mit Kohle ist am Kanal ein kleiner Lagerplatz geschaffen, der zur Entladung der Kohlenschiffe mit einem elektrisch betriebenen Krahne ausgestattet ist.

Die Gesammtkosten des Pumpwerkes an der Lippe stellen sich auf 1 062 000 M. gegenüber 670 000 M. nach dem Anschlage von 1886. Dafür sind jedoch die Kosten für die natürlichen Zubringer einschl. der Entschädigungen von 442 000 M. auf 25 000 M. herabgesunken.

Zur Speisung der obersten Haltung Dortmund-Henrichenburg, die etwa 0,47 cbm in 1 Sek. bedarf, sind in dem Maschinenhause am Hebewerk elektrisch angetriebene Zentrifugen aufgestellt, die das Wasser aus der Scheitelhaltung des Hauptkanals entnehmen. Im übrigen werden die Wasserstände der oberen Kanalhaltungen für die Zeit des starken Bedarfes um 0,5 m angespannt. Es würde das so aufgespeicherte Wasser für den Betrieb etwa 10 Tage ausreichen.

Der Befestigung der Böschungen ist besondere Aufmerksamkeit zugewendet und es ist auf längere Strecken ausser der Bepflanzung noch eine besondere Deckung durch Steinpflaster, bezw. wo Steine schwer zu erhalten waren, durch 8 cm starke Betonplatten bewirkt worden. Streckenweise sind diese Platten nach Möller’schem Vorschlage mit Betonankern versehen (Vergl. D. Bauztg. 1894, S. 607 ff. und Centralbl. d. Bauverwltg. 1896.). Die etwa 1 m unter und über Wasser reichende Befestigung stützt sich auf eine Berme. Besonders starke Befestigungen haben die Böschungen an denjenigen Stellen erhalten, wo der Kanal überbrückt wird. Es ist an diesen Stellen die Sohlenbreite von 18 m zwar festgehalten, dagegen die Böschung entsprechend steiler ausgeführt, sodass die Lichtweite zwischen den Widerlagern der gewöhnlichen Wegebrücken nicht mehr als 30 m beträgt. Diese steileren Böschungen sind durch Pflaster auf Beton mit zusammen 0,5 m Stärke geschützt.

Zahlreich und mannichfaltig sind die Bauwerke, welche zu verschiedenen Zwecken am Kanale ausgeführt wurden. Dem interessantesten derselben, dem Hebewerke bei Henrichenburg sowie den Schleusen soll eine besondere Besprechung gewidmet werden. Erwähnt seien hier nur die Chaussee-, Wege- und Eisenbahnbrücken, die Düker und Durchlässe für die gekreuzten kleineren, die Brückenkanäle für die Ueberschreitung der grösseren Wasserläufe usw., sowie die Sicherheitsthore. Der endgiltige Kostenananschlag führt 3 Brückenkanäle, 175 Eisenbahn-, Chaussee- und Wegebrücken, 273 Durchlässe und Düker auf. Dazu kommen noch in grösserer Zahl Seitendurchlässe, Leinpfadbrücken, Ein- und Auslass-Schleusen. In dem Längsprofil, Abbildg. 2, sind die wesentlichen Ueberbrückungen, namentlich die 8 Kreuzungen des Kanales durch Eisenbahnen kenntlich gemacht.

Die Brücken haben sämmtlich eine lichte Durchfahrtshöhe von 4 m über dem Kanalwasserspiegel erhalten. Nur bei Lingen und Meppen wurde die Anlage fester Brücken wegen zu theurer Anrampungen durch Herstellung von Drehbrücken mit Handbetrieb ersetzt. Ueber die Schleuse bei Meppen führt ausserdem eine Hubbrücke. Die Brücken haben durchweg die gleiche Spannweite von 31 m. Die Strassenbrücken sind meist als Halbparabelträger ausgeführt ohne bemerkenswerthe Einzelheiten. Die Wegebrücken haben eine lichte Weite von 4,5 m zwischen den Hauptträgern Davon entfallen 3,5 m auf den Fahrdamm. Wege höherer Bedeutung haben vielfach auch 5,5 m Gesammtbreite erhalten. Die Fahrbahntafel ist aus doppeltem Bohlenbelag hergestellt. Die Chausseebrücken besitzen besondere, seitlich auf Konsolen ausgekragte Fusswege. Die Fahrbahntafel ist aus Buckelplatten hergestellt, über welche die Chaussirung bezw. Pflaster fortgeführt ist. Der kastenförmige Untergurt der Hauptträger ist durchweg mit Blechen überdeckt, sodass man unter den Diagonalen hindurch bequem vom Bürgersteig aus den Fahrdamm erreichen kann. Die Dammbreite ist auf 7 bezw. 8 m je nach der Bedeutung bemessen. Ausnahmen von dieser Anordnung bilden einige Brücken bei Münster. Dort findet sich eine Auslegerbrücke inform einer Hängebrücke, ferner im Zuge des Prozessionsweges eine Brücke mit versteiften Bogenträgern über der Fahrbahn. Die Ueberschreitung des Kanals an der Schleuse daselbst ist durch gewöhnliche Parallelträger bewirkt. Elegant in der äusseren Erscheinung wirkt die Emsbrücke am Durchstich bei Tunxdorf, die ebenfalls als Auslegerbrücke konstruirt ist und 67 m Spannweite im mittleren Theile über der Ems besitzt (vergl. Abbild. 3).

Das Flussbett der Lippe, Stever und Ems wird auf massiv gewölbten Brückenkanälen überschritten.

Die beiden ersteren besitzen jede 3 Oeffnungen von je 21 bezw. 12,5 m Lichtweite, der dritte 4 Oeffnungen von je 12,6 m. Zwischen Olfen und Lüdinghausen werden ausserdem zwei Chausseen unter dem Kanal hindurchgeführt mit massiv gewölbten Unterführungen von 8 m Lichtweite, desgleichen eine bei Senden. Ueberhaupt häufen sich die Bauwerke naturgemäss bei der Ueberschreitung der tief eingeschnittenen Flussthäler. Die Brückenkanäle zeigen kräftig wirkende Fassaden mit einer Verkleidung von Ruhrkohlen-Sandstein. Die Abdichtung wurde anfangs mit Asphalt versucht, der sich jedoch an den senkrechten Seitenwänden als nicht haltbar erwies. Bleieinlagen von 3 mm Stärke an den Seitenwänden, 2 mm auf der Sohle bewirken jedoch vollständige Dichtigkeit. Die Sohle, der Rücken der Widerlager und die Seitenflächen der weit in die Dammschüttung eingreifenden Flügel sind ausserdem noch durch einen starken Thonschlag abgedichtet. Im Anschluss an die Brückenkanäle sind Entlastungsvorrichtungen angeordnet. Der wasserhaltende Querschnitt der Brückenkanäle hat 18 m Breite und 3 m Tiefe. Die Gesammtbreite der Bauwerke einschl. der eingeschränkten Leinpfade beträgt 21 m.

Abbildg. 4 – Brücke über die Ems bei Tunxdorf

Die unter dem Kanal durchgeführten Wasserläufe sind meist mit Rohrdurchlässen oder Dükern gefasst, es finden sich aber auch eine ganze Reihe massiv hergestellter Bauwerke. Unter den grösseren gemauerten Dükern sind namentlich der Emscher und der Stever Düker zu nennen, die einen Kostenaufwand von 200 000 bezw. 180 000 M. erforderten. Erster hat 3 Oeffnungen von je 6,3 m Lichtweite und zusammen 58,9 qm Querschnitt, die von 0,90 m starken, korbbogenförmigen Gewölben überspannt werden. Seine Sohle liegt 6,8 m unter dem gewöhnlichen Kanalwasserspiegel. Die Gründung besteht aus einer 1,5 m starken Betonschicht zwischen Spundwänden. Der Stever-Düker hat ebenfalls 3 Oeffnungen von 5,40 bezw. 5,04 m Lichtweite und zusammen 35,8 qm Querschnitt. Die Stichbogengewölbe der Decken sind 0,51 m stark, die Sohlengewölbe 0,25 m. Das Bauwerk ist auf Pfahlrost gegründet, der bis zu dem über 4 m unter Sohle liegenden festen Mergelfelsen hinabreicht. Die Gewölbe sind mit einer doppelten Flachschicht abgedeckt, darauf ruht eine starke Thonschlagschicht und schliesslich das in Trassmörtel versetzte Sohlenpflaster des Kanals. Beide Düker sind mit Entlastungs-Vorrichtungen versehen, die durch Zylinderschützen abgeschlossen sind.

Abbildg. 6 – Schleppzugs-(Sperr-) Schleuse bei Hanekenfähr

Bei der Unterdükerung des Vorfluthkanals unter der Borssumer Schleuse fehlte es zur Herstellung einer gewölbten Decke an Höhe. Die beiden Oeffnungen sind daher mit Basaltlavaplatten zwischen I-Trägern abgedeckt. Unter den massiven Durchlässen ist der Glane-Durchlass mit 52 qm Querschnitt hervorzuheben

Sehr interessante Konstruktionen zeigen die 6 Sicherheitsthore, von denen 2 in der Haltung Dortmund-Henrichenburg, 2 in der Scheitelhaltung vor und hinter den beiden Brückenkanälen und 2 in der Mittellandhaltung angeordnet sind (vergl. das Längsprofil Abbildg. 2). Richtiger wäre wohl übrigens die Bezeichnung Sperrthore, da sie bei einem Dammbruch nicht etwa selbstthätig wirken, sondern von Hand eingestellt werden müssen. Da die Bedienung zumtheil ausserdem in benachbarten Gehöften wohnenden telephonisch angeschlossenen Privatpersonen übertragen ist, so dürfte einem Ablaufen der anschliessenden Kanalstrecke durch diese Thore kaum wirksam begegnet werden können, Dagegen werden sie im Falle nothwendiger Reparaturen die Trockenlegung. der betreffenden Strecke ohne Ablauf der ganzen Haltung ermöglichen. Leider können von diesen ganz neuen-Konstruktionen keine Zeichnungen beigebracht werden. Es sei jedoch das Prinzip kurz erläutert.

Die Thore bestehen aus einem umlegbaren eisernen Rahmen, der von 2 am unteren Ende um wagrechte Achsen drehbaren Armen und einer oberen Verbindung aus 3 bezw. bei den zuletzt ausgeführten Thoren aus 2 Gitterträgern gebildet wird, die von einer kreissegmentförmigen Wellblechhaut überspannt sind. Im Ruhezustand steht der Rahmen portalartig über dem Kanal mit. gleicher Lichthöhe wie die Brücken. Wird der Rahmen niedergelegt, so legen sich die Arme in eine gemauerte Nische am Ufer während die Wellblechhaut das ganze Kanalprofil abschliesst und sich mit hölzerner Schwelle gegen eine erhöhte Granitschlagschwelle auf der Kanalsohle stützt. Die mit Trägern verstärkten Ränder der Blechhaut werden in einem entsprechend gekrümmten gusseisernen Rahmen der Ufernische geführt und nach Umlegung des Thores durch feine Rolle abgedichtet. Die ersten Thore sind am freien Ende derart überlastet, dass sie nach Lösung der Verriegelung selbstthätig unter Regulirung der Geschwindigkeit durch Bremsen umsinken während sie durch einen sehr komplizirten Winde-Mechanismus wieder aufgerichtet werden. Diese Anordnung ist für den Betrieb auf dem Kanale aber gefährlich, da das Herablassen des Thores besondere Aufmerksamkeit erfordert, deren Ausserachtlassung zu Beschädigungen des Thores, u. Umst. zu längerer Sperrung der Kanalstrecke führen könnte. Die zuletzt ausgeführten Sperrthore sind daher so ausbalanzirt, dass sie in jeder Lage im Gleichgewicht ruhen, dann aber sowohl beim Umlegen wie beim Aufrichten durch einen wesentlich vereinfachten Windemechanismus bewegt werden müssen.

Längs des Kanales sind Lagerstellen und Häfen in grösserer Zahl geschaffen, von denen naturgemäss diejenigen am Anfangs- und Endpunkt die bedeutendsten sind. Der Hafen von Emden ist der Hauptumschlagshafen des Kanals, der einerseits in dem entsprechend verbreiterten Emder Binnenfahrwasser 15 grossen Seeschiffen Raum gewährt, um aus den Kanalschiffen Ladung zu entnehmen oder solche an diese abzugeben und in den neuen, mit der Eisenbahn in Verbindung gesetzten Hafenbecken im Kaiser Wilhelms-Polder den eigentlichen Binnenschiffahrts-Verkehr vermittelt. Es kann bezüglich dieser Anlagen auf den ausführlichen, mit Plan ausgestatteten Artikel von Stübben (Dtsche. Bztg. 1896, S. 273) verwiesen werden. Die Arbeiten sind bisher nur zumtheil ausgeführt. Dagegen seien noch einige kurze Angaben über den Hafen in Dortmund gemacht, dessen Plan nebenstehend nach einer Broschüre des Reg.u. Brths. Matthies, des Erbauers der Hafenanlage, dargestellt ist. Das dem Plane beigegebene Uebersichtskärtchen zeigt die Lage des Hafens zur Stadt Dortmund.

Der Hafen ist in dem Umfange, wie er zunächst fertig gestellt worden ist, mit einem Kostenaufwande von 5 500 000 M. von der Stadt Dortmund erbaut. Hiervon trägt der Staat 1 325 000 M. bei, d. h. die Summe, welche er für den Kanal und seine Nebenanlagen innerhalb der Stadtgemeinde Dortmund ohne Ausführung des Hafens hätte ausgeben müssen. Ausserdem hat die Stadt noch 1 250 000 M. aufgewendet, um das Gelände für den späteren vollen Hafenausbau gleich jetzt zu erwerben, um sich jederzeit die Erweiterungsmöglichkeit zu sichern. Bau und Betrieb ist Sache der Stadt, der Staat nimmt jedoch im Verhältniss 1:3,15 so lange an den Gesammteinnahmen theil, bis der Zuschuss zurückgezahlt ist.

Abbldg. 5- Hafen Dortmund

Das Gesammtgelände des Hafens umfasst 157 ha, wovon zunächst etwa die Hälfte ausgenutzt ist. Auf dem Plane sind die erst später auszuführenden Theile heller dargestellt. Das gesammte Hafengelände entspricht also etwa demjenigen von Ruhrort, dem grössten Binnenhafen auf dem europäischen Festlande. Ausgeführt sind bisher der Stadthafen, der Süd- und der Kohlenhafen mit zusammen rd. 15 ha Wasserfläche bei 60 m Breite der Hafenbecken, deren Tiefe gleich dem Kanal auf 2,5 m bemessen ist. Der Stadthafen, in welchem sich der Umschlag der werthvolleren Stückgüter vollziehen soll, besitzt eine Ufermauer von über 400 m Länge. Die übrigen Ufer mit zusammen 4,5 km Länge sind geböscht und im oberen Theile durch Steinpflasterung geschützt, die sich gegen eine Pfahlwand stützt.

Am Stadthafen ist ein erweiterungsfähiges massives Lagerhaus errichtet worden, das namentlich auch die unter Zollverschluss zu haltenden Güter aufnimmt. Abgesehen von der in Stampfbeton zwischen I-Trägern ausgeführten Kellerdecke sind alle Decken in Holz hergestellt, die Stützen werden durch gusseiserne Säulen gebildet. Das Lagerhaus ist mit elektrischen Aufzügen, Winden usw. ausgestattet. Am Kai läuft ein elektrisch betriebener Portalkrahn. Die maschinellen Anlagen sind von der Firma Nagel & Kaemp, Hamburg, geliefert. Strom zu Kraft- und Lichtzwecken liefert das von der Stadt mit einem Aufwand von 2 Mill. M. errichtete Elektrizitätswerk. Der Kohlenhafen ist mit einem sog. selbstthätigen hydraulischen Kohlenkipper ausgerüstet. Der kippende beladene Wagen drückt auf einen mit einem Akkumulator in Verbindung stehenden Kolben. Durch das so erzeugte Presswasser wird die Aufwärtsbewegung des leeren Wagens bewirkt. Am Südhafen hat die Dortmunder Union das ganze nach der Stadt zu gelegene Gelände einschliessl. des Kais gepachtet und errichtet dort einen Helling zum Bau von Kanalschiffen. Dahinter sind ausgedehnte Erweiterungen der alten Werkstätten im Bau. An verschiedenen anderen Stellen des Hafens haben sich ebenfalls schon gewerbliche Betriebe angesiedelt. Der Hafen ist an allen Kais mit Gleisen versehen, die mit einem ausgedehnten Hafen-Bahnhof in Verbindung stehen, der seitens der Stadt neben der Köln-Mindener Bahn ausgeführt worden ist. Die Güterzüge werden diesem Hafen-Bahnhof unmittelbar aus den Hauptgleisen der Linie Dortmund-Köln zugeführt. Zur Sicherung des Betriebes auf diesen Hauptgleisen ist in die Verbindung zum Hafen eine für gewöhnlich offene Sicherheitsweiche eingelegt. Die Güterzüge werden aus einem Uebergabe-Gleise zunächst in die Aufstellungs-Gleise gebracht, von denen zurzeit 2 ausgeführt sind. Die Rangiring erfolgt mit Hilfe der Ausziehgleise über einen mit stärkerer Steigung versehenen Rücken zunächst nach den Becken, dann nach den einzelnen Entladestellen. Nach 12 Stunden müssen die Wagen wieder zurückgegeben werden.

Insgesammt sind etwa 20 km Gleis auszuführen, Der Oberbau besteht aus 34 kg schweren, auf Holzschwellen gelagerten Schienen. Nur an den Weichen sind Eisenschwellen angeordnet. Die sonst aus Schlacke bestehende Unterbettung ist an diesen Stellen durch Steinschlag ersetzt, da die Zersetzungsprodukte der Schlacke das Eisen angreifen sollen.

Die Hauptverbindung des Hafens mit der Stadt bildet der Sunder Weg, der mit einer eisernen Brücke über den Stadthafen geführt ist. Dahinter erhebt sich das Hafenamt. Mitten in die Hafenanlagen eingeschlossen liegt die Arbeiterkolonie des Eisenwerkes Union. Die Hafenbecken wurden anfangs Juni mit Wasser gefüllt, nachdem am 9. Oktober 1895 der erste Spatenstich gethan war. Es ist der Stadt Dortmund zu wünschen, dass sie aus dieser mit so erheblichen Mitteln ausgeführten Anlage auch den erwünschten Erfolg erzielen möge. –

Unter den mannichfaltigen, vielseitiges Interesse bietenden Bauwerken des Dortmund-Ems-Kanales ist an erster Stelle das Schiffshebewerk bei Henrichenburg zu nennen, das erste Bauwerk dieser Art in Deutschland überhaupt, und den bisher ausgeführten ähnlichen Anlagen in England und Frankreich sowohl nach der Grösse der zu hebenden Schiffsgefässe wie namentlich hinsichtlich der konstruktiven Durchbildung und Betriebssicherheit weit überlegen. Es bedeutet die Ausführung dieses Hebewerkes einen wichtigen Fortschritt im Kanalbau.

Abbildg. 7 – Lageplan des Schiffshebewerkes bei Henrichenburg

Wie schon bei der Beschreibung der Kanallinie hervorgehoben wurde, ist der Stichkanal von Dortmund so geführt, dass er nach etwa 15 km den Anschluss an die Hauptscheitelhaltung des Rhein-Ems-Kanales, also an die Strecke Münster-Herne, an einer Stelle erreicht, wo es möglich war, das Gesammtgefälle von 14 m bei normalem Wasserstande in beide Haltungen statt, wie ursprünglich geplant, durch 4 Schleusen mittels eines senkrechten Schiffshebewerkes in einem Hube, der sich bei ungünstigsten Wasserstands-Verhältnissen bis auf rd. 16 m steigern kann, zu überwinden. Die Bodenverhältnisse sind hier ausserordentlich günstige, da sich schon in geringer Tiefe fester blauer, fast wagrecht gelagerter Mergel mit geringer Wasserführung findet der zumtheil so fest ist, dass seine Lösung nur durch Sprengung mit Ruborit bewirkt werden konnte.

In Abbildg. 7 ist der Lageplan des Hebewerkes an der Abzweigungsstelle der beiden Kanalstrecken zur Darstellung gebracht. Abbildg. 8 giebt ein Bild des fertigen Bauwerkes.

Abbildg. 8 – Schiffshebewerk bei Henrichenburg (Nach einem Aquarell d. Hrn. Th. Rogge)

Um bei der Lösung der in vieler Hinsicht ganz neuen Aufgabe – handelte es sich doch um Hebung von Schiffen von 600 t Gewicht, während die ausgeführten Anlagen von Anderton, Les Fontinettes, La Louviére nur 100, 300 bezw. 360 t-Schiffe aufnehmen können – möglichst alle Gesichtspunkte inbetracht zu ziehen, wurde zur Gewinnung von Plänen ein engerer Wettbewerb unter 5 bedeutenden Firmen ausgeschrieben. Von den eingegangenen Bearbeitungen wurde derjenigen der Firma Haniel & Lueg in Düsseldorf, welche das Schiffshebewerk als Schwimmerschleuse mit Jebensscher Schraubenführung konstruirte, nach Anhörung der Akademie des Bauwesens der Vorzug gegeben, als der in erster Linie den weitgehendsten Anforderungen an Sicherheit und Einfachheit des Betriebes genügenden Anordnung. Wir müssen es uns leider versagen, an dieser Stelle einen Vergleich der verschiedenen damals vorgeschlagenen und z. Th. in grossen Modellen ausgeführten Systeme zu ziehen und uns vielmehr im wesentlichen auf eine Beschreibung der nunmehr vollendeten Anlage in Henrichenburg beschränken.

Vergl. übrigens: Dtsche, Bztg. 1893 S. 590 ff. Das Schiffshebewerk von Fr. Krupp-Grusonwerk mit Abbildg; ferner 1896 S. 63: Das Schiffshebewerk mit Schraubenführung. Insbesondere sei auf den Artikel des Ob.-Ing. Gerdau der Firma Haniel & Lueg im Centralbl. der Bauverwaltg. 1895. S. 509 ff. verwiesen, dem verschiedene Angaben entnommen sind. Der erste Entwurf der Firma ist auch im Hdbch. der Ing.-Wiss, Bd. III, Abth. II 1895 veröffentlicht.

Abbildg. 9 stellt das Hebewerk im Längsschnitt, im Querschnitt durch das Führungsgerüst und im Querschnitt dicht vor der oberen Haltung dar.

Abbildg. 9 – Das Schiffshebewerk bei Henrichenburg

Die allgemeine Anordnung zeigt eine grundlegende Verschiedenheit von den bisherigen Ausführungen. Sowohl in Anderton, wie in Les Fontinettes und La Louviére besteht das Hebewerk aus 2 neben einander liegenden Trögen von gleichem Gewicht, deren jeder in der Mitte von einem hydraulischen Presszylinder getragen wird. Letztere kommuniziren mit einander, sodass, wenn das Abschlussventil in der Verbindung geöffnet und der eine Trog mit etwas Wasserballast zum Sinken gebracht wird, der andere aufsteigt. Die Zylinder haben bei La Louviére schon einen Durchmesser von über 2 m, trotzdem im ganzen nur etwa 1000 t zu heben sind.

Mit zunehmendem Gewichte steigen die Schwierigkeiten der Dichthaltung der immer grössere Abmessungen annehmenden, unter hohem Druck stehenden Presszylinder immer mehr, ausserdem wächst die Schwierigkeit der Unterstützung der überstehenden Enden des nur in der Mitte unmittelbar unterstützten Troges bei zunehmenden Abmessungen des letzteren. Die Anordnung eines 2. Troges, der zur Ausbalanzirung erforderlich ist, auch wenn der Verkehr eine Doppelanlage garnicht erfordert, vertheuert die ganze Anlage und kommt dem Verkehr unter Umständen garnicht mal zugute, denn eine Betriebsstörung an einem Trog macht auch den anderen unbrauchbar. Für die Sicherheit des Betriebes ausserordentlich bedenklich ist ferner die Nothwendigkeit, an unzugänglichen Stellen unter Wasser Dichtungen, Ventile und sonstige bewegliche Theile unterbringen zu müssen.

Dem allem wird bei der Ausführung des Schiffshebewerkes bei Henrichenburg begegnet, indem das Gewicht des mit Wasser gefüllten einfachen Troges von 5 wasserdichten, in ebensoviele wasserhaltende Schachte eintauchenden Schwimmern durch deren Auftrieb ausgeglichen wird. Ein geringes Mehr oder Minder an Wasser im Trog bewirkt den Abstieg oder Aufstieg des Systems, das mittels Schraubenspindeln an festen Führungsgerüsten in sicherster Weise mit genau geregelter Geschwindigkeit geführt wird.

Der Trog hat zwischen den Thoren 70 m Länge, 8,6 m freie Breite zwischen den Scheuerleisten und 2,5 m normale Wassertiefe. Das Gewicht der Wasserfüllung beläuft sich auf 1650 t, das Eisengewicht der 5 Schwimmer auf 600 t, das des Troges, der Trogbrücke, der Stützen auf den Schwimmern auf 800 t, zusammen also 3050 t. Der Trog besteht aus einem Gerippe von u-förmigen Trägern, die an den Seiten mit 10-14 mm starken Blechen, am Boden im mittleren Theile von 8 mm starken Buckelplatten, am Rande von 16 mm starken, flachen Blechen überspannt sind. An den Querträgern ist der Trog mit Flachbändern an den Knotenpunkten der sich auf die Schwimmer stützenden Trogbrücke frei aufgehängt. Nur in der Gegend des vorderen Führungsgerüstes ist eine feste Auflagerung des Troges in der Brücke hergestellt. Beide können sich also unabhängig von einander ausdehnen, was namentlich zur Erhaltung der Dichtigkeit der Trognähte nothwendig erschien.

Die Trogbrücke ruht mit Stützen auf der oberen Kuppel der Schwimmer. Die Stützen sind oben viertheilig und senkrecht, nach unten lösen sie sich in je 3 geneigte Streben auf, sodass der Schwimmer an 12 Punkten belastet wird. Die Stützen sind mit der Schwimmerkuppel fest verschraubt und durch Horizontalen und Diagonalen unter sich versteift.

Abb. 10 – Schiffshebewerk bei Henrichenburg, Innenansicht des Troges

Die Schwimmer bestehen aus einem zylindrischen, 10,72 m hohen Mitteltheile und haben 8,3 m äusseren Durchmesser. Sie sind oben und unten durch Kuppeln aus gepressten Blechen von 6 m Halbmesser und 1,32 m Stich abgeschlossen. Die gesammte Schwimmerhöhe beträgt also 12,92 m. Die Schwimmer tauchen während der ganzen Dauer des Hubes vollständig ins Wasser ein, der Auftrieb verändert sich also nur in geringem Maasse durch das theilweise Auftauchen der Trogstützen. Der zylindrische Theil ist an beiden Enden durch einen wagrechten Ring von 0,60 m Höhe und 0,38 m Breite abgeschlossen, zwischen welche sich, entsprechend der Zahl der Trogstützen, 12 aus I-Eisen von 0,38 m Höhe gebildete senkrechte Spanten fest einspannen. Die Blechhaut, welche diese Spanten überdeckt, ist in den 2,17 m breiten Feldern noch durch in 0,70 m Abstand angebrachte wagrechte Ringe aus Z-Eisen gegen Ausknicken versteift. Eine weitere Versteifung des zylindrischen Theiles gegen Formänderung geben 4 in verschiedener Höhe eingelegte Radialversteifungen mit je 12 Speichen ab. Mit denselben sind das Pumpenrohr und die Steigeleiter in einfacher Weise verbunden. In der Kuppel sind ausser den 12 Hauptspanten noch 12 Zwischenspanten eingelegt, von denen sich übrigens die Mehrzahl gegen einen mittleren Ring, der mit einem aus einem Stück gepressten Bleche überdeckt ist, todtlaufen.

Abbildg. 11 – Das Schiffshebewerk von Henrichenburg. – Nach einer Aufnahme von H. Rückwardt in Gross-Lichterfelde

Die flusseisernen Bleche haben in der Bodenkuppel 20 mm Stärke, am Ring daselbst 22 mm, im zylindrischen Theile 20, 19, 18 mm, am Ring oben ebenfalls 18, in der Decke 16 mm Stärke. Sie sind nur mit 500-600 kg/qcm beansprucht. Die Stärke der Bleche, Spanten usw. ist ausser durch Rechnung auch durch eingehende sinnreiche Versuche an grossen Probestücken durch die Firma festgestellt worden.

Vergl. den eingehenden Aufsatz von Offermann im Centralbl; d. Bauverwltg, 1896 über die Schwimmer.

Abbildg. 12 giebt ein Bild von der Konstruktion und den Grössenverhältnissen des Schwimmerbodens. Im Längsschnitt des Hebewerkes ist ausserdem ein Schwimmer durchschnitten gezeichnet, sodass die konstruktive Ausbildung hieraus deutlich ersichtlich ist. Sämmtliche Schwimmer sind mit Saugpumpen versehen, um das Sielwasser auspumpen zu können.

Abbildg. 12 – Einsicht in den Schwimmerboden vor der Umdrehung

Die Schwimmer tauchen in 5 aus gusseisernen Ringen hergestellte zylindrische Schachte von 9,2 m lichtem Durchmesser ein, die unten von einer in Stampfbeton hergestellten Kuppel abgeschlossen werden und rd. 30 m unter die Sohle der Trogkammer reichen oder etwa 42 m unter das ursprüngliche Gelände. Diese Schachte oder Brunnen sind auf die oberen 3 m, die sich entsprechend den schräg gestellten Trogstützen nach oben erweitern müssen, in Stampfbeton, im übrigen aus gusseisernen Ringen von je 1,5 m Höhe hergestellt, die sich aus je 16 Segmenten zusammen setzen. Die einzelnen Segmente und die Ringe sind durch abgearbeitete Flanschen mit Bleieinlage fest und dicht mit einander verbunden. Hinter die Ringe, welche von oben nach unten fortschreitend ohne weitere Auszimmerung in den festen Mergel eingebaut werden konnten, ist Zement eingegossen, sodass vollständige Dichtigkeit erzielt und ein späteres Auspumpen der Brunnen bei Bedarf ermöglicht ist. Die Ringe haben unten 33, oben 30 mm Wandstärke. Am Kopfende und in halber Höhe sind Verstärkungsringe von 0,60 m Breite und 0,30 m Höhe eingelegt. Die Betonsohle ist durch 3 Ringe aus I-Eısen verstärkt. Zwischen den Brunnen ist auf der Sohle durch Bohrung eine 12 cm weite Verbindung hergestellt, sodass sämmtliche Brunnen von einer Stelle ausgepumpt werden können.

Es sind hierzu besondere, sehr kompendiös gebaute Pumpen mit elektrischem Antrieb gebaut, die in die Brunnen in den schmalen Schlitz zwischen Schwimmer ‘und Wandung mit Krahn hinabgelassen werden können, während man anfangs beabsichtigte, die Schwimmerpumpe durch Ventil auch mit dem Brunnenraum in Verbindung zu setzen und so mit derselben Pumpe auch den Brunnen zu leeren.

Die Ausführung der Schachte gestaltete sich verhältnissmässig einfach. Nachdem man im Frühjahr 1894 die Baugrube bis zur Kammersohle ausgeschachtet hatte, wurden zunächst die oberen, in Stampfbeton ausgeführten Theile hergestellt, sodann die Schachte gleichmässig abgeteuft und Ring für Ring fertig eingebaut. Der Boden in den Schachten musste z. Th. unter Sprengung gelöst werden. 2 fahrbare Dampfkrahne besorgten den Aushub des Bodens und beseitigten hierbei gleichzeitig den geringen Wasserzudrang. Es war die Einrichtung so getroffen, dass die Kasten der Kippwagen, welche den gelösten Boden nach der Ablagerungsstelle brachten, abnehmbar waren und unmittelbar mit den Krahnen zur Baugrube hinabgelassen wurden. Die Krahne besassen 45 m Hubhöhe, 11,5 m Ausladung. Sie besorgten auch das Hinablassen und Einsetzen der Ringe. Mitte Februar 1895 waren alle 5 Brunnen fertig abgesenkt. Abzüglich der Winterunterbrechung war die ganze Ausführung demnach in 7 Monaten bewirkt. Es wurden im ganzen etwa 12 000 cbm Aushub in den Brunnen gelöst.

Die Trogbrücke wird an 2 Stellen durch Führungsportale umfasst, die oben in der Quer- und Längsrichtung wieder durch Brücken verbunden sind, welche die maschinellen Einrichtungen zur Bewegung des Troges tragen. Durch Gleitschuhe überträgt die Trogbrücke die seitlichen Kräfte und Wind- und Wasserdruck auf die Führungsportale, die sicher verankert sind. In kräftigen, überstehenden Querträgern, welche die Trogbrücke portalartig überspannen, greifen hier die 4 senkrechten Schraubenspindeln ein, welche die Horizontalführung des Troges bewirken und deren aus Rothguss hergestellte je 1,5 m lange, 2 theilige Muttern in diesen Querträgerenden mit geringer seitlicher Beweglichkeit gelagert sind.

Das andere Ende der Schraubenspindeln ist mit Halslager oben auf dem Führungsgerüste aufgehängt, dessen Oberkante rd. 60 m über der Sohle der Brunnen liegt. Das untere Ende ist durch ein zweites Halslager ebenfalls mit dem Portal verbunden. Die Spindeln, welche in einer Länge von 24,6 m aus einem Stück in Gusstahl hergestellt sind, haben 0,28 m äusseren, 0,245 m inneren Durchmesser, eine Neigung des doppelgängigen Grundes von 1:8, auf 17,5 m Länge eingeschnitten. Die oberen Halslager ruhen, um die Spindeln stets in Spannung erhalten zu können, auf Druckwasserpressen. Zur sicheren Führung sind ferner zwischen dem oberen und unteren festen Halslager noch 2 Gleitlager eingeschoben, die in den Gleitschienen des Führungsportales mit dem Aufsteigen des Troges mitgenommen werden. Die Spindeln sind, um ganz sicher zu gehen, dass sie keine Fehlerstelle enthalten, in ganzer Länge mit einer Durchlochung von 10 cm Weite versehen. Im Winter soll in diese unt. Umst. Dampf eingelassen werden, um ein Einfrieren des Schmiermaterials zu verhindern. Ein Blechmantel, der sich bei Betrieb der Schraube selbstthätig öffnet und bei Stillstand wieder schliesst, schützt die Schrauben auch gegen Staub. Die Spindeln werden von einem 150pferdigen Elektromotor, der in einem Maschinenhäuschen in der Mitte der oberen Eisenkonstruktion aufgestellt ist, durch Kegelräder und Wellen gleichmässig in Bewegung gesetzt, sichern also bei gleicher Einstellung der Schrauben und gleicher Ganghöhe die Geradführung und Regulirung der auf 0,10 m in 1 Sekunde bemessenen Geschwindigkeit mit absoluter Sicherheit. Die bewegende Kraft soll von den Schrauben im allgemeinen nicht abgegeben werden, vielmehr soll das Absteigen des Troges dadurch bewirkt werden, dass der an der oberen Haltung etwas zu tief angefahrene Trog von dieser etwas Uebergewicht an Wasser erhält. Umgekehrt erfolgt das Aufsteigen dadurch, dass der unten zu hoch angefahrene Trog etwas zu viel Wasser in die untere Haltung ablässt. Die Schrauben sind jedoch, um allen Ansprüchen zu genügen, so stark bemessen, dass sie bei etwaigem Defektwerden des Troges und Leerlaufen desselben den gesammten Auftriebsüberschuss aufnehmen können. Die unteren Enden sind dementsprechend in einem bis etwa 11 m unter Kammersohle hinabreichenden mehre Meter im Quadrat starken Betonklotz verankert. Im übrigen ist auch eine Vorkehrung getroffen, dass die Schwimmer in diesem Falle zur Entlastung der Spindeln theilweise mit Wasser gefüllt werden können. Ebenso sind die Spindeln auch stark genug, das Gesammtgewicht allein zu tragen, wenn der wohl kaum jemals mögliche Fall eintreten sollte, dass sich alle Schwimmer mit Wasser füllen. Die Betriebssicherheit ist also in jeder Beziehung gewahrt. –

Die Enden des Troges sowohl wie die der beiden Haltungen sind durch einfache Schützthore abgeschlossen, die durch Ggengewichte soweit abbalanzirt sind, dass das Eigengewicht gerade noch zum sicheren raschen Schluss ausreicht. Die Kammer, in welche der Trog in seiner tiefsten Stellung eintaucht, ist also nicht mit Wasser gefüllt, sodass die ganze Konstruktion des Troges und der Trogbrücke stets frei und sichtbar ist.

Die Thore im Trogende werden einfach zwischen Führungsleisten auf gewöhnlichen Drehzapfenrollen geführt; die Thore in den Haltungen sind dagegen so ausgeführt, dass sie auch gegen Druck geschlossen werden können, um im Nothfalle auch als Sicherheits-Thore zu dienen. Sie laufen daher in ihrem unter Wasser liegenden Theile auf Walzrollen, deren wesentlich geringeren Widerstände die Anwendung geringer Kräfte gestatten. Die Thore der Haltung werden mittels zweier Zahnstangen von einer zwischen den Portalbrücken gelagerten Brücke mit besonderen, bis zu 100 P. St. entwickelnden Elektromotoren auf 8 m angehoben, die Geschwindigkeit soll dabei 0,5 m in 1 Sek. betragen. Die Trogthore werden dabei mit den Haltungsthoren durch einfache Klauenkuppelung verbunden und mitgenommen. Die Haltungsthore werden durch einen starken Schwimmträger, der mit angehoben wird, gegen Anfahren durch Schiffe geschützt. An den Trogthoren sind Balken mit pufferartigen Federn zum gleichen Zwecke vorgelagert.

Zur Dichtung des Spaltes zwischen Haltungs- und Trogthor dient ein konisches, genau abgearbeitetes uförmiges Dichtungsstück mit Gummirand, das sich einerseits vor das sauber abgearbeitete Endschild der oberen Haltung ausserhalb des Thorrahmens anlegt, während sich andererseits das etwas schräg abgeschnittene Trogende fest anpresst. Mittels der Schraubenspindeln ist man in der Lage, ein vollständig genaues Einstellen zu erzielen. Es war daher auch nur nöthig, das Verschlusstück soweit beweglich zu gestalten, als dies ein grösserer Wasserstandswechsel im Kanal erforderlich macht; für gewöhnlich hängt es fest in bestimmter Höhe. Es ist also auch nur eine Handwinde zum gelegentlichen anderen Einstellen vorgesehen. Diese Einrichtung ist wesentlich einfacher als die Abschluss-Vorrichtung in Les Fontinettes mit Kautschukschlauch mit innerem Luftdruck oder in La Louviére, wo das mit Kautschuk besetzte Verschlusstück stets mittels hydraulischer Vorrichtung erst eingeschoben werden muss.

Der zwischen den beiden Thoren nun rings herum geschlossene Spalt muss, ehe die Thore geöffnet werden können, noch mit Wasser gefüllt werden. Es ist dies durch eine Schützvorrichtung im Haltungsthor ermöglicht, die im Moment des Anhebens durch dieselbe Bewegung mit geöffnet wird. Da ausserdem das Haltungsthor zunächst schon gegen den Druck etwas angehoben wird, so füllt sich der Spalt auch rasch von unten.

Vor Herunterlassen des Troges wird das Spaltwasser in einen am vorderen Trogende befindlichen Kasten eingelassen und dient also gleich mit als Uebergewicht für die Abwärtsbewegung. Durch 2 am Trogboden aufgehängte Röhren wird es nach hinten geführt, wo es durch eine selbstthätige Entleerungs-Vorrichtung in der tiefsten Stellung des Troges in eine Kammer am Schleusenende läuft, von wo es wieder mit Pumpen gehoben wird. Das Bild Abb. 10 giebt einen Einblick in den Trog während der Montage und die Bildbeilage als Abbildg. 11 eine Aufnahme des ganzen Hebewerkes während der Montage im Sommer 1897. – Zur Erzeugung der Kraft für die maschinellen Anlagen sind in einem Maschinenhause neben der Trogkammer 2 je 220 pferdige Dampfmaschinen aufgestellt, mit denen je eine Dynamo-Maschine unmittelbar gekuppelt ist. Den Dampf liefern 3 Steinmüllerkessel von je 100 qm Heizfläche. Die Dynamo-Maschinen liefern bei 150 Umdrehungen Gleichstrom von 230 Volt Spannung. Sie speisen die 100pferd. Elektromotoren auf den Brücken zwischen den Thürmen zur Bewegung der Thore, den 150 pfd. Motor der Schraubenspindeln auf der obersten Bühne über den Führungsportalen, 4 elektrisch angetriebene Spills, welche zu je zweien an den Haltungsenden angeordnet sind, die Pumpen zur Trockenhaltung der Trogkammer, die beiden, ebenfalls im Maschinenhaus aufgestellten Zentrifugen, welche die obere Kanalhaltung Henrichenburg-Dortmund mit Speisewasser aus der unteren Haltung versorgen, die Lenzpumpen der Schwimmer, die Pumpen zur Trockenlegung der Brunnen und schliesslich die Arbeitsmaschinen, welche in einer kleinen Werkstatt im Maschinenhause selbst untergebracht sind. Diese Maschinen werden sämmtlich von einem Schaltbrett vom Maschinenhaus mit Strom versorgt. Die Einschaltung der Motoren für die Bewegung des Hebewerkes usw. erfolgt dagegen von der obersten Bühne aus. Die Motoren der Tore und der Schraubenspindeln sind dabei so geschaltet, dass die Bewegung der Thore erst dann vor sich gehen kann, wenn der Hub des Troges beendet ist bezw. dass der Trog erst dann wieder in Bewegung gesetzt werden kann, wenn die Thore wieder genau geschlossen sind. Auch hierin ist also auf grösste Sicherheit des Betriebes Bedacht genommen.

Bezüglich des Motors für die Schraubenspindeln ist noch hervorzuheben, dass an sich für denselben 70-80 P.-St. zur Ueberwindung der Bewegungswiderstände ausreichend gewesen wären. Man hat ihm jedoch die grössere Stärke gegeben, um weniger abhängig von der genauen Einhaltung des Wasserballastes zu sein und um den etwa zu stark gesunkenen belasteten Trog von der unteren Haltung auf Erfordern wieder etwas anheben zu können. Der Motor ist ausserdem so eingerichtet, dass er vorwärts und rückwärts laufen, in jeder Lage angehalten und auch bei voller Belastung angelassen werden kann, so dass das Hebewerk in seiner Bewegung von allen Zufälligkeiten unabhängig ist. Der Motor versetzt die Schraubenspindeln in der Minute 60 mal in Umdrehung und hebt den Trog in 1 Sek. um je 0,10 m. In 2 ½ Minuten ist also der mittlere Hub von 15 m ausgeführt. Verfasser hatte Gelegenheit, bei den im Juni vorgenommenen Probefahrten des Hebewerks sich von der stetigen, ruhigen und fast geräuschlosen Arbeit des mächtigen Mechanismus zu überzeugen.

Seitens der Firma Haniel & Lueg war angestrebt, die Bewegungs-Einrichtungen so zu gestalten, dass Schiffe in Abständen von 15 Min. in derselben Richtung hintereinander geschleust werden könnten. Hiervon entfallen 2 * 2 ½ = 5 Minuten auf die Auf- und Abwärtsbewegung des Troges, 4 * 1 = 4 Min. auf das Schliessen, Oeffnen, Wiederschliessen und unten zum zweiten Male Oeffnen der Thor, 2 * 3 = 6 Minuten auf die Ein- und Ausfahrt des Schiffes. Im regelmässigen Betriebe wird man sich naturgemäss mit einer geringeren Geschwindigkeit begnügen müssen, jedenfalls aber nach den bisherigen Versuchen das Maass von 25-30 Minuten nicht überschreiten.

Zum Schlusse sei noch hervorgehoben, dass alle Mauerkörper des Hebewerks in Stampfbeton ausgeführt sind mit einer Verkleidung von Ruhrkohlenbruchstein, bezw. regelmässig bearbeitetem Haustein. Durch kräftige Betonung der Abschlüsse der beiden Kanalhaltungen, namentlich der oberen durch massive, hoch ansteigende Thürme in Obernkirchener Sandstein, sowie durch entsprechende Gliederung der langen Flügelmauern der oberen Kanalhaltung, die dicht hinter den Thürmen durch eine Chaussee – Unterführung durchbrochen werden, ist das Bauwerk auch zu einem architektonisch wirkungsvollen Ganzen seiner Bedeutung entsprechend ausgestaltet und aus der schwach hügeligen Umgebung weithin sichtbar heraus gehoben.

Die Ausführung des Hebewerkes mit allen zugehörigen Anlagen ist von der Firma Haniel & Lueg, Düsseldorf, für die Pauschsumme von rd. 2 ½ Mill. M. übernommen worden. Die Herstellung der gesammten flusseisernen Konstruktion einschl. der Schwimmer ist für diese Firma von Harkort, Duisburg, bewirkt, während die elektrischen Anlagen von der Elektriz.-Gesellschaft vorm. Lameyer, Frankfurt a.M., ausgeführt worden sind.

Die Pläne zu dem Hebewerk sind in der Gesammtanlage und den maschinellen Einrichtungen von der Firma Haniel & Lueg unter der Leitung des Ob.-Ingenieurs Gerdau entworfen. Bei der erstmaligen Bearbeitung, die nachher als Grundlage für den besonderen Entwurf gedient hat, ist, soweit uns bekannt wurde, auch der Ingenieur Fr. Jebens, der Erfinder des Systems der Schraubenführung bei Schiffshebewerken, betheiligt gewesen. Die besondere Durcharbeitung des Entwurfes, namentlich in allen konstruktiven Einzelheiten, ist unter stetiger eingehender Mitwirkung der Bauverwaltung bewirkt worden. Die Bauleitung des bedeutenden Ingenieurwerkes war dem Wasserbau-Inspektor Offermann übertragen.

Zum Schlusse wird es nicht uninteressant sein, einen Vergleich des Henrichenburger Hebewerkes mit seinen 3 Vorgängern zu geben, wobei z. Th. eine bereits 1890 in der Dtsch. Bztg. S. 623 gegebene Tabelle benutzt worden ist.


AndertonDes FontinettesLa LouviéreHenrichenburg
Bauzeit1875 bez. 821880-881880-881894-98
Hubhöhe in m15,3513,1315,4014-15,60
Gehalt der Schiffe in t100300360600
Gehobenes Gewicht in t24080010503050
Troggrösse im m (L.)22,8540,6043,2070,0
Troggrösse im m (Br.)4,755,605,808,8
Troggrösse im m (Tiefe.)1,352,002,402,5
Trogfüllung in cbm1464555981540
Durchmesser des Presszylinders in mm925206020608300 Schwimm.
9200 Brunnen
Betriebsdruck kg qcm37,42534Höchstens 3 kg Aussenpressung

Die Kanalstrecke von Herne bis zur offenen Emsmündung besitzt, wenn man die alte Emder Seeschleuse mitrechnet, 20 Schleusen imganzen. Allen gemeinsam ist die ausgedehnte Anwendung des Stampfbetons bei Herstellung der Schleusen-Mauern und Häupter, die ausschliessliche Füllung der Kammer durch Umläufe mit Rollschützenverschluss, die Anwendung eiserner Riegelthore mit doppelter Diagonalversteifung des Rahmens und gekrümmter Blechhaut ohne Schützen, die Bedienung der Thore und Umlaufschützen von Hand mit Winde und Zahnstange bezw. Gall’scher Kette bei den Schützen. Eine Ausnahme bilden hinsichtlich der Bewegungs-Vorrichtungen nur die Schleusen bei Münster und Gleesen, die ausserdem als Sparschleusen mit Seitenbecken ausgebildet sind und weiterhin noch des Näheren gewürdigt werden. Die Schleusen 1-8 sind Kammerschleusen von 67 m nutzbarer Kammerlänge, 8,6 m Weite in den Thoren und 3 m Drempeltiefe. Ihr Gefälle liegt im allgemeinen zwischen 3,2 und 4,5 m. Eine Ausnahme bilden wieder die Schleusen 1 bei Münster mit 6,2 m und 8 bei Gleesen (Lingen) mit 6,1 m Gefälle. Die Umläufe der Kammerschleusen besitzen etwa 2 qm Fläche und zertheilen sich in je 9 Ausfluss- Oeffnungen in der Kammer. Die Schleusen 9-17 in der kanalisirten Ems sind als Schleppzugsschleusen von 165 m Länge, 10 m Weite in den Thorkammern und ebenfalls 3 m Drempeltiefe ausgeführt, sodass sie 2 Kähne nebst einem Schlepper gleichzeitig aufnehmen können. Die Schleuse 9 an der Einmündung in den früheren Ems-Seitenkanal oder Haneckenkanal bei Haneckenfähr ist in dem Bild mit dem Blick vom Oberhaupt auf das Unterhaupt zur Darstellung gebracht. Die Schleuse besitzt nur massive Häupter und geböschte mit Stein gepflasterte Wände, an deren Fuss Leitwerke aufgestellt sind.

Diese Schleuse dient, wie aus dem Längenprofil ersichtlich ist, als Sperrschleuse gegen die hohen Wasserstände der Ems. Bei gewöhnlichen Emswasserständen steht sie offen. Das Bauwerk ist noch interessant durch einen Nothverschluss gegen die Ems mit eisernen Nadeln, die bei geleerter unterer Haltung bis zu 5 m Wasserdruck aufzunehmen haben würden. Zur Unterstützung der langen, zur Verringerung des Gewichts in Eisen hergestellten Nadeln dient ein eiserner Schwimmbalken, der in einer solchen Höhe eingelegt wird, dass die auf die Nadeln wirkenden Biegungsmomente nahezu gleich sind. Die Nadeln haben bei 2 mm Wandstärke 102 mm äusseren Durchmesser und wiegen je 27 kg.

Vergl. den Aufsatz von Lieckfeldt, Centralbl. der Bauverwltg. 1896, S. 302

Das in der Ems bei Haneckenfähr gelegene alte, massive Ueberfallwehr ist dadurch bemerkenswerth, dass es 1875 eine Freiarche erhalten hat, die als Schützenwehr nach Art des Pretziener Wehres ausgeführt ist. Die 3 folgenden Schleppzugs-Schleusen im erweiterten Haneckenkanal, bei denen regelmässig geschleust werden muss, haben senkrechte, massive Seitenwände erhalten. Als Schleppzugs-Schleusen mit geböschten Seitenwänden sind dagegen die 5 folgenden Schleusen 13-17 in der kanalisirten Ems ausgeführt. Von den zugehörigen 5 Wehren in den alten Emsarmen sind die 4 oberen als Nadelwehre ausgebildet, das unterste dagegen bei Herbrum, das bereits im Ebbe- und Fluth-Gebiet liegt, ist ein doppelt kehrendes Schützenwehr. Die beiden Schleusen im Umgehungskanal Oldersum-Emden sind als Kammerschleusen von 100 m Kammerlänge und 10 m Weite hergestellt. Die Schleuse bei Oldersum, welche den Kanal an die offene Ems anschliesst, ist eine Seeschleuse mit Doppelthoren und geböschten Wänden mit Abpflasterung mittels Säulenbasalt. Die Wasserstandsdifferenz des Kanals bis zum gewöhnlichen Hochwasser in der Ems beträgt 1,79-2,29 m, bis zur höchsten Sturmfluth 5,79 m. Das niedrigste Aussenwasser liegt 1,59 m unter dem höchsten Binnenwasser. Die rd. 26 bezw. 25 m langen Häupter der Schleuse sind auf Beton zwischen Spundwänden gegründet.

Die Umläufe besitzen bei 1,75 m Breite 2,5 m Höhe. Ueber dem Drempel ist bei niedrigstem Binnenwasserstande noch eine Tiefe von 2,5 m vorhanden. Die letzte Schleuse bei Borssum dicht vor der Einmündung des Kanales in das Emder Binnenfahrwasser hat, da lezteres konstant auf + 1,138 N. N. gehalten wird und der Wasserstand in ersterem höchstens von – 0,91 auf – 0,41 N.N. steigt, nur einfache Thore. Die Häupter sind wieder massiv auf Beton zwischen Spundwänden ausgeführt, z. Th. noch unter Hinzufügung eines Pfahlrostes. Die Seitenwände sind von stehenden Kappen zwischen I-Trägern gebildet, die auf einem durchgehenden, gemauerten, von Pfahlrost getragenen Fundamente ruhen. Hinter diesem Fundamente liegt der Umlauf, der jedoch nur eine massive, aus Steinplatten zwischen I-Trägern hergestellte, mit Beton abgedeckte Decke und eine hintere Abschlussspundwand besitzt, mit welcher der obere Theil der Kammerwand verankert ist, während der unter Wasser liegende Boden aus durchbrochenem Bohlbelag besteht. Das in den Umlauf eintretende Wasser fällt durch die Durchbrechungen im Bohlbelag hindurch und tritt seitlich zwischen den Lücken des die Seitenwand tragenden Pfahlrostes in die Kammer. Es ist hierdurch bei billigster Ausführung ein sehr gleichmässiger, ruhiger Wassereintritt erzielt. Unter dem Unterhaupt dieser Schleuse ist, wie schon früher erwähnt wurde, der Vorfluthkanal vom Ems-Jade-Kanal als Dücker in 2 mit Steinplatten zwischen I-Trägern abgedeckten Oeffnungen hindurch geführt. Er mündet neben der Nesserlander (Emder) Seeschleuse mit zwei Oeffnungen in das Emder Aussenfahrwasser, dieses gleichzeitig spülend. Die Auslässe besitzen Ebbe- und Fluth-Thore, sowie je ein Paar Sturmthore.

Die Emder Schleuse bestand in ihrer ältesten Anlage nur aus 2 mit Ebbe- und Fluththoren versehenen Durchfahrten ohne Kammer. 1881-83 ist dann daneben eine 100 m lange, 10 m weite Kammerschleuse mit geböschten, mit Säulenbasalt abgepflasterten Wänden erbaut worden. Sie besitzt Fluth- und Ebbethore, sodass sie bei Aussenwasserständen welche die gewöhnliche Fluth + 1,138 N. N., welche gleichzeitig dem konstanten Wasserspiegel des Emder Bnnenfahrwassers entspricht, nicht überschreiten, jederzeit passirt werden kann. Nur bei voller Fluth ist eine Unterbrechung der Schleusungen von etwa ½ Stunde erforderlich. Die Schleuse besitzt ausserdem ein Paar Sturmthore am Aussenhaupt. Das Aussenfahrwasser bis zur Emsmündung ist gegen Verschlickung durch kräftige Leitdämme geschützt, die längs des Fahrwassers aus Strauchwerk bestehen, dahinter in je 100 m Breite aus Klaiboden geschüttet sind. Das Aussenfahrwasser wird auf 8 m bei gew. Fluth vertieft. Der gebaggerte Klaiboden wird hierbei auf die Dämme gespült. –

Die beiden interessantesten Schleusenbauweke sind die schon genannten Sparschleusen bei Münster und Gleesen, die als erstes Beispiel im Schleusenbau für alle Bewegungs-Vorrichtungen elektrischen Antrieb benutzen. Es ist das Verdienst des jetzigen Reg.- und Brths. Lieckfeldt, damals Vorsteher der Abtheilung Lingen, den Bau der Sparschleuse bei Gleesen angeregt und durchgeführt zu haben. Die Schleuse bei Münster wurde dann später als Ersatz für 2 Schleusen nach demselben Prinzip ausgeführt. Zweck der Anlage ist die Vermeidung der für den Schiffahrtsbetrieb sehr unbequemen starken Wellenbewegungen, die beim Schleusen in 2 unmittelbar hinter einander liegenden kurzen Haltungen eintreten müssen. Das Gefälle der beiden Schleusen ist daher in einer konzentrirt. Zur Herabminderung des Wasserverbrauchs beim Schleusen ist dann jede Schleuse mit 4 Sparbecken, die paarweise neben der Kammer angeordnet sind, ausgerüstet worden. Um aber die für die Durchschleusung erforderliche Zeit nicht zu vermehren, ist die Schleuse mit besonderen maschinellen Einrichtungen zur raschen Vornahme aller nöthigen Manipulationen versehen. Durch die in verschiedener Höhe liegenden Seitenbecken wird etwa die Hälfte an Schleusenwasser gewonnen, während sich die Ausführungs-Kosten nicht wesentlich höher stellen als bei zwei gewöhnlichen Schleusen. Die Schleuse in Gleesen war auf 660 000 M. veranschlagt. Der Betrieb gestaltet sich ausserdem durch Ersparung an Arbeitskräften billiger als bei 2 getrennten Schleusen.

Die Schleusen besitzen Umläufe von rd. 3,6 qm Querschnitt, die mit je 7 Seitenöffnungen von je 1 qm in die Kammer einmünden. Die Sparbecken entleeren ebenfalls in diese Umläufe. Zur Erzielung einer möglichst raschen Entleerung des Beckens sind die Ablauföffnungen durch Zylinderschütze geschlossen, d.h. durch oben und unten offene, senkrecht stehende Hohlzylinder von 1,8 m Durchm., die durch Gegengewichte abbalanzirt, durch Kettenantrieb zwischen Führungen leicht etwa 0,5 m angehoben werden. In die dann frei werdende, im Boden des Beckens liegende Oeffnung stürzt das Wasser dann rasch ab und gelangt durch Seitenkanäle in den Umlauf und schliesslich in die Kammer. In Münster stehen die eisernen Zylinderstützen ganz frei in den Becken, in Gleesen sind sie, wie Abbildg. 14 zeigt, welche die Schleuse Mitte Juli 1897 im Bau darstellt, mit gemauerten Schachten verdeckt. Das Bild lässt ausserdem die Anordnung der Seitenbecken erkennen. Links am Schleusenhaupt erscheinen die Fundamente des kleinen Maschinenhauses. Der lange Damm, welcher sich am Schleusenhaupt anschliesst, trennt das Flussbett der Ahe, die wegen des Schleusenbaues verlegt werden musste, von der Einfahrt zur Schleuse. Eine Fachwerksbrücke mit überstehenden Enden auf 2 Zwischenpfeilern, für leichtes Fuhrwerk berechnet, überspannt die Ahemündung.

Abbildg. 14 – Sperrschleuse bei Gleesen. In der Ausführung, Juli 1897

Die maschinelle Einrichtung ist bei beiden Sparschleusen die gleiche; sie ist für einen Gesammtbetrag von 147 000 M. für beide Schleusen von der Firma Nagel & Kaemp, Hamburg, ausgeführt. Die zugehörigen elektrischen Anlagen sind dabei von Siemens & Halske geliefert.

Zu bewegen sind 2 Thore, je 2 Rollschützen für die Umläufe in beiden Häuptern, 4 Zylinderschützen für die Entleerung der Sparbecken, je 1 Spill an jedem Haupt. Die Kraft liefert eine kleine Turbine, die das Gefälle zwischen den beiden Haltungen ausnuzt und in einem Schacht unter dem Maschinenhause am Unterhaupt untergebracht ist. Die senkrechte Welle der Turbine treibt mit wagrechtem Kammrad ein senkrechtes Kammrad, auf dessen Achse die Riemscheibe zum Antriebe der im Erdgeschoss des Maschinenhauses aufgestellten Dynamomaschine sitzt. Die Turbine, welche mit wechselnden Wasserständen zu arbeiten hat, ist eine Radial-Vollturbine mit beweglichem innerem Leitrad. Das äussere Laufrad hat 700 mm Durchm. Sie macht 246 Drehungen in 1 Min und entwickelt rd. 11 effekt. P. S. Die Dynamomaschine leistet 7 Kilowatt und erzeugt Gleichstrom von 110-150 Volt Spannung. Sie arbeitet entweder unmittelbar auf die Elektromotoren der verschiedenen Bewegungs-Vorrichtungen bezw. in eine aus Hagener Akkumulatoren bestehende Batterie von 60 Elementen, die im Obergeschoss des Maschinenhauses aufgestellt ist Es kann in dieser Batterie ausreichender Strom für eine volle Schleusung aufgespeichert werden. Für gewöhnlich wird denn auch der Strom aus den Akkumulatoren entnommen, welche von der Turbine dann sofort wieder geladen werden.

Die Elektromotoren zur Bedienung der verschiedenen Bewegungs-Vorrichtungen sind für die beider Schleusenseiten so zusammen geschaltet, dass eine gleichmässige Bewegung gesichert ist. Die Elektromotoren zur Bewegung der Schleusenthore sind die stärksten. Sie entwickeln 5 P. St. und haben eine Zugkraft von 4500 kg auszuüben, da die Thore schon etwas vor dem vollständigen Wasserstandsausgleich geöffnet werden sollen. Um möglichst stossfreies Anziehen zu ermöglichen, greift die Zahnstange, welche zur Oeffnung des Thores dient, am Thorflügel mit Gelenkverbindung an einem starken, zwischen Spiralfedern gelagerten Stehbolzen an. Die Elektromotoren übertragen ihre Drehung mit Schnecke, welche mit der Elektromotorenwelle gekuppelt ist, auf ein Schneckenrad, dann auf ein kleines Kammrad und schliesslich mit entsprechender Uebersetzung auf die Windevorrichtung. Schnecke und Schneckenrad, die etwas über 800 Umdrehungen in 1 Minute machen, sind vollständig umkapselt und laufen in Oel. Die Anlasswiderstände sind tastenförmig neben einander angeordnet und werden durch einen Stift, der sich in einem Schlitz auf einer mit der Motorwelle gekuppelten Scheibe zwangläufig bewegt, nacheinander losgelassen oder niedergedrückt, und hiermit aus- bezw. eingeschaltet. In der Mitte der Bewegung werden alle Widerstände frei, gegen Ende sind alle wieder eingeschaltet. Ausserdem ist eine elektrische Bandbremse angeordnet, deren Bremshebel dadurch allmählich umgelegt wird, dass ein Eisenkern in eine Spule hineingezogen wird.

Es haftet dieser Anordnung noch ein Uebelstand an, dass nämlich die angefangene Bewegung bis zu Ende durchgeführt werden muss, da bei etwaigem Anhalten des Motors in der Mittellage derselbe bei vollständig ausgeschalteten Widerständen unter voller Belastung wieder angelassen werden müsste, was zu seiner Zerstörung führen würde.

Zu den Rollschützen, die durch Gegengewichte ausbalanzirt sind, gehören Motoren von 3,5 P. S., die eine Zugkraft von 3850 kg ausüben. Motoren von gleicher Stärke bedienen die beiden Spills, solche von je 1,5 P.S. schliesslich die Zylinderschützen. Der Kraftverbrauch ist für letztere besonders gering, da sie gut ausbalanzirt sind und hauptsächlich nur die Reibung des in den Schlitz zwischen Zylinderschütz und Beckenboden einströmenden Wassers zu überwinden ist, wozu eine Zugkraft von etwa 720 kg an der Kette erforderlich ist.

Sämmtliche Bewegungs-Vorrichtungen können natürlich auch von Hand betrieben werden, sodass ein Versagen der elektrischen Anlage die Schleuse noch nicht unbrauchbar macht. Die Dauer einer Doppelschleusung wird mit diesen Anlagen ½ Stunde nicht überschreiten. Verfasser hatte Gelegenheit bei der Schleuse in Gleesen zu beobachten, dass die Schliessung des unteren Thorpaares, die Füllung der Schleuse aus den Becken und mittels des Umlaufes am Oberhaupt, Schliessung des unteren und die Oeffnung des oberen Thores zusammen nur 7-10 Min. dauerten.

Es befand sich jedoch kein Schiff in der Schleusenkammer.

Die Bedienung der sämmtlichen Maschinen erfolgt vom Maschinenhaus her, von einem Schalttisch aus. Der Maschinist kann von hier aus die ganze Schleuse übersehen und hat vor sich Wasserstands-Anzeiger, die mittels Druckluft-Uebertragung jeder Zeit den Wasserstand in den einzelnen Becken angeben, sodass er genau weiss, wann das Zylinderschütz des nächsten Beckens zu öffnen ist.

Es ist zu hoffen, dass bald eine eingehende Veröffentlichung dieser interessanten und neuen Anlage erscheint.

Zum Schlusse seien noch einige Mittheilungen über Bodenbeschaffenheit, Ausführung der Erdarbeiten und Organisation der Kanal-Bauverwaltung gemacht.

Die geologische Beschaffenheit des von dem Kanal durchschnittenen Geländes ist eine ziemlich gleichmässige. Abgesehen von einer Hochmoorstrecke bei Senden und einem 500 m langen Einschnitt im Kalksteingebirge bei Riesenbeck, findet sich fast durchweg unter den oberen, sandigen und lehmigen Schichten eine Mergelschicht aus der jüngeren Kreideformation von grosser Mächtigkeit, deren Festigkeit zumtheil eine so grosse war, dass das Material zunächst durch Sprengung gelöst werden musste. Zur Lösung der zu bewegenden rd. 22 Mill. cbm dienten, abgesehen von den in Wasserläufen selbst auszuführenden Baggerarbeiten, Trockenbagger meist nach dem Typus der Lübecker bzw. holländischen Bagger, wie sie schon am Nordostseekanal in Thätigkeit waren. Im Einschnitt bei Riesenbeck kam ein Stielbagger zur Anwendung, der in Abbildg. 13 dargestellt ist.

Abbildg. 13 – Stielbagger im Eischnitt bei Riesenbeck. Juli 1896

Die Arbeiten wurden in grösserem Umfange im Frühjahr 1892 aufgenommen. In der flottesten Bauzeit waren zwischen 5000 und 5500 Arbeiter am Kanal beschäftigt. Zur Bauleitung gehörten am 1. April 1894 nicht weniger als 58 höhere Baubeamte, 4 höhere Verwaltungsbeamte, 236 Ingenieure, mittlere Verwaltungsbeamte, Techniker, Aufseher, Schreiber usw. An der Spitze der Kanalkommission in Münster stand anfangs Reg.- u. Baurath Oppermann, später Reg.- und Baurath Herrmann. Als Verwaltungs-Mitglied gehörte derselben der damalige Reg.-Assessor Consbruch an. Die ganze Kanalstrecke war in 6 Bauabtheilungen getheilt, deren jeder ein Wasserbauinspektor als Abtheilungsbaumeister vorstand. Es waren dies die Abtheilungen Dortmund, Münster i.W., Rheine, Lingen, Meppen, Emden mit 40,95; 45,19; 51,54; 36,10; 36,10; 25,70 km Länge. Jedem Bauinspektor war ein Reg. Baumeister als ständiger Vertreter beigegeben. Die Abtheilungen zerfielen wiederum in Strecken, welchen Reg.-Baumeister vorstanden, denen noch die entsprechenden Hilfskräfte zugetheilt waren. Technischer Dezernent für den Kanal im Ministerium der öffentlichen Arbeiten war Geh. Oberbaurath Dresel.

Für die Beförderung von Gütern auf dem Kanal von Dortmund nach den Emshäfen ist durch Erlass vom 10. Juni 1895 bereits ein vorläufiger Tarif festgesetzt worden.

Entsprechend dem Hauptzwecke des Kanals durch die rheinisch-westfälische Kohle an der deutschen Küste die englische Kohle zu verdrängen und einen Theil des jetzt durch holländische und belgische Häfen gehenden Verkehrs den deutschen Häfen zuzuwenden, sind die Tarife zunächst niedrig bemessen. Sie werden nach 3 Klassen berechnet und betragen für 1 t und die ganze Strecke von Emden bis Dortmund bezw. umgekehrt 20, 50 und 70 Pf. Zu der I. niedrigsten Klasse gehören geringwerthige Massengüter wie Erze, Kohlen, Steine usw., zur II. Klasse die hochwerthigeren Massengüter wie Pech, Grubenholz, Eisen usw., zur III., höchsten Klasse schliesslich Eisenwaaren, Maschinen, Getreide, Kolonialwaaren. Um zunächst einen Verkehr auf der neuen Wasserstrasse heranzuziehen, sind für die ersten 5 Betriebsjahre Ausnahmetarife festgesetzt, die 10, 25 und 50 Pf. für die I., II., III. Klasse betragen. Ein Werk von hoher technischer und weittragender wirthschaftlicher Bedeutung ist mit dem Kanal zu Ende geführt, ein erster Schritt gethan auf dem Wege zur Schaffung eines einheitlichen, die grossen deutschen Ströme unter sich und mit dem Meere in Verbindung setzenden Kanalnetzes. Es steht zu hoffen, dass auf dem einmal betretenen Wege trotz der Hindernisse, die in den letzten Jahren sich dem entgegen stellten, muthig fortgeschritten wird.

Dieser Artikel von Fr. Eiselen erschien zuerst in mehreren Teilen zwischen dem 23.07. & 20.08.1898 in der Deutsche Bauzeitung.