Die Bauten der kantonalen Gewerbe-Ausstellung in Zürich

Nach viermonatlicher Dauer ist in diesen Tagen die kantonale Gewerbe-Ausstellung in Zürich geschlossen worden.

Der beschränkte Raum unseres Blattes, das bisher noch nicht einmal den durch die vorjährige kolumbische Welt-Ausstellung in Chicago gelieferten Stoff vollständig zu bewältigen vermochte, hat uns nicht gestattet, auf eine der in diesem Jahre veranstalteten deutschen und ausserdeutschen Ausstellungen einzugehen. Wir würden auch gegenüber der Züricher Ausstellung keine Ausnahme machen, wenn deren Anlage nicht in manchen Punkten von dem abwiche, was bei ähnlichen Unternehmungen üblich geworden ist und wenn nicht der damit erzielte Erfolg wieder einmal dargethan hätte, dass man wohl thut, bei Lösung einer derartigen Aufgabe in erster Linie nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles sich zu richten, ohne gar zu ängstlich an überlieferte Regeln sich zu binden.

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Wir bringen in den beistehenden Abbildungen (nach der aus Anlass der Ausstellung herausgegebenen „Ilustrirten Ausstellungs-Zeitung“) eine Gesammt-Ansicht vom Aeusseren und den Lageplan der Anlage.

Lageplan

Der Lageplan stimmt in mehren, für unseren Zweck jedoch unwesentlichen Einzelheiten mit der schliesslichen Ausführung nicht überein. Wer die Anlage zum Gegenstande eines eingehenderen Studiums machen will, sei auf No.12 der Schweiz. Bauztg. Vom 22. September d. J. verwiesen, in der neben einem berichtigten Grundriss die Hauptquerschnitte der Ausstellungsbauten mitgetheilt sind.

Zur Stätte derselben ist das an der Wurzel der rechten Uferseite des Züricher Sees, zwischen dem Uto-Quai und der Tonhallen-Strasse gelegene Gelände gewählt worden, auf welchem die alte, demnächst zum Abbruch bestimmte Tonhalle sowie das Theater sich befinden. Die Lage dieses Platzes kann – sowohl inbezug auf landschaftlichen Reiz, wie inbezug auf leichte und bequeme Zugänglichkeit – als unvergleichlich bezeichnet werden, Für die Anordnung der Ausstellungsbauten bot der Platz dagegen – sowohl durch seinen beschränkten Umfang wie durch seine Form – die denkbar grössten Schwierigkeiten dar. Nicht nur, dass der grössere Theil der Gesammtfläche überbaut werden musste, um die erforderlichen Räume zu beschaffen: der übrig bleibende Theil, auf welchem überdies noch eine Gartenbau-Ausstellung untergebracht werden musste, war auch nicht mehr dazu geeignet, um hier jene, für unsere deutschen Provinzial-Ausstellungen fast unentbehrlich gewordene Fülle von Erholungsstätten anzuordnen, in denen man – theils in geschützten Räumen, theils im Freien sitzend – in mannichfaltiger Weise an Trank und Speise sich laben kann. So blieb nichts übrig, als auf diese Beigabe ganz zu verzichten, die Ausstellung im wesentlichen allein ihrem Hauptzwecke gemäss anzuordnen und (von einzelnen Kost-Gelegenheiten abgesehen) für das Erholungs-Bedürfniss der Besucher durch eine einzige Wirthschaft zu sorgen, die lediglich dem Bedürfnisse entgegenkam, nicht aber zu behaglichem Aufenthalt einzuladen bestimmt war. Und man darf sagen, dass dieser Versuch, den man in Deutschland und Oesterreich vermuthlich als einen sehr gewagten betrachten würde, in überraschender Weise gelungen ist – allerdings vielleicht unter Einfluss des rauhen und regnerischen Sommers, der zu einem Aufenthalte im Freien selten genug herausforderte. Die Ausstellung hat durch den Fortfall des üblichen Kneipenlebens an Reiz nichts eingebüsst, an Ernst und nachhaltigem Eindruck im Sinne ihrer eigentlichen Bestimmung aber unstreitig gewonnen. Dass auf einem solchen Platze nicht eine Anzahl getrennter Ausstellungs-Gebäude, sondern nur ein Einheitsbau zweckmässig war, leuchtet von selbst ein. Ebenso erscheint die Anlage des letzten in Form eines das Theater umgebenden Hufeisens, das an einem Ende an das für die Zwecke der Ausstellung mit verwendete Tonhallen-Gebäude sich anschliesst, als die natürliche Lösung. Durch das letzte führte der Haupteingang; der nach dem See zu vorgebaute Pavillon mit einer bis zu der Halle A reichenden Erweiterung diente als Ausstellungs-Wirthschaft. Der zwischen dieser und dem Uto-Quai verbliebene Raum war zu einem kleinen Konzertgarten, das vordere Gelände zur Gartenbau-Ausstellung eingerichtet. Auf dem rückseitig gelegenen Platze hatten lediglich einige Baumaterialien usw. Aufstellung gefunden.

Ein eigenartiges Gepräge trugen auch die im Holzbau errichteten Ausstellungshallen selbst, von denen die Hallen A und B dreischiffig angelegt und mit hohem Seitenlicht beleuchtet wurden, während die schon für einen früheren Zweck benutzte Halle C durch ein viertes Schiff erweitert und mit Zuhilfenahme von Oberlicht beleuchtet war. Der knappe Raum hatte dazu geführt, die Tiefe der Hallen auf verhältnissmässig geringe Abmessungen (12 m Lichtweite des Hauptschiffes, 6 m Lichtweite der niedrigen Seitenschiffe) einzuschränken; auch die Jochweite war dementsprechend nur zu 4,50 m gewählt worden. Mochten die hierdurch bedingten, ziemlich zahlreichen Stützen die Anordnung der Ausstellungs-Gegenstände auch vielfach erschwert haben, so hatte andererseits durch diese Einschränkung der Raumverhältnisse die Uebersichtlichkeit und die Wirkung des Ganzen ausserordentlich gewonnen. Wir haben wenige Ausstellungen dieses Ranges gesehen, deren Eindruck ein gleich günstiger war. Gallerien waren – abgesehen, von dem Mittelraume der Tonhalle – in dem Verbindungsbaue zwischen den Hallen A und B, sowie auf der äusseren Seite der Halle B angebracht und haben sich durchaus bewährt, da man sie im wesentlichen zur Unterbringung derjenigen Gegenstände benutzt hatte, die nur für einen Theil der Besucher Interesse haben, von diesem aber auch ungestört gewürdigt werden wollen.

Die architektonische Ausgestaltung der Bauten war eine überaus schlichte, aber dennoch sehr ansprechende. Das Aeussere schloss sich den Formen des schweizer Holzbaustils an; das Innere, bei dem von „Dekoration“ fast ganz abgesehen war, wirkte hauptsächlich durch die Erscheinung des nach dem Knotensystem konstruirten Dachwerks. Interessant war insbesondere die Erscheinung der im Aeusseren durch einen Giebelthurm bezeichneten Eckhalle, in welcher die Treppen zu den Gallerien empor führten.

Die Bauten der kantonalen Gewerbeausstellung in Zürich

Auf den Inhalt der Ausstellung einzugehen, müssen wir uns versagen, obwohl derselbe des für unsere Leser Interessanten nicht wenig darbot.

Die bedeckte Grundfläche sämmtlicher Ausstellungsbauten einschl. der Annexbauten, Terrassen und Balkone betrug rd. 13 500 qm, wovon 1500 qm auf die alte Tonhalle und 10877 qm auf die neuen Hallen kommen. Die Baukosten haben den ungewöhnlich niedrigen Betrag von 181 708 Fres. erreicht; dabei ist allerdings zu bemerken, dass beim Abbruch der Bauten die Unternehmer das von ihnen gelieferte Material wieder zurück nehmen. Der verdienstvolle Architekt der Ausstellung war Hr. J. Gros aus Basel.

Dieser Artikel erschien zuerst am 17.10.1894 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “K.”