Die Dresdner Hofsilberkammer

Königliche Tafel im Residenzschloß zu Dresden

Von Dr. Ernst Zimmermann.
Die königlich sächsische Hofsilberkammer, wohl eine der reichsten, die sich noch an den deutschen Fürstenhöfen erhalten hat, befindet sich im königlichen Residenzschloß zu Dresden, und zwar im Erdgeschoß des südlichen, am sogenannten kleinen Hof gelegenen Flügels unterhalb der „genuesischen Zimmer“. Sie ist in vier mit Gewölben versehenen Räumen in großen, an den Wänden sich hinziehenden Schränken aufgestellt, die modern, aber wohl nach alten Mustern angefertigt sind, und deren obere Hälfte durch große Glastüren geschlossen wird, zur dauernden Sichtbarmachung der Hauptprachtstücke.

In dieser Silberkammer werden alle zurzeit noch bei Hof verwandten Gebrauchsgegenstände für die königliche Tafel aufbewahrt, in erster Linie natürlich das umfangreiche Silbergeschirr, dann das Porzellan und schließlich die reichen, zum Teil schon 200 Jahre alten Leinwandbestände. Die eigentlichen Prunkstücke aus alter Zeit befinden sich hier nicht: sie birgt vor allem das weltberühmte grüne Gewölbe im königlichen Schloß, das schon unter Kurfürst August I. im Jahr 1560 von der Silberkammer abgetrennt worden ist; sie aber für die großen Hoffestlichkeiten wieder zur Verfügung stellt. Man muß sich diesen ganzen, ungeheuren Bestand hinzudenken sowie auch das, was sich sonst noch in den sächsischen Schlössern an Edelmetall befindet, um ein klares Bild von dem reichen Besitz zu gewinnen, der einst dem sächsischen Hof zur Ausschmückung seiner Tafeln zur Verfügung stand.

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Fast der ganze Bestand des Hofsilbers stammt noch aus den vergangenen Jahrhunderten. Freilich reichen nicht viele Stücke über das 18. Jahrhundert hinaus. Stücke, die noch über diese Zeit hinausgehen, sind überhaupt in Silberkammern sehr selten zu finden. Nur zu leicht kam man in trüben Zeiten, namentlich in Kriegsepochen, in die Notlage, hier größere Bestände zu entnehmen, um sie zu versetzen oder in klingende Münze umzuschmelzen. So hat z. B. Ludwig XIV. fast sein ganzes kunstvoll von hervorragenden Pariser Goldschmieden gearbeitetes Silber bald darauf wieder einschmelzen lassen. Am preußischen Hof ist das Silber und das ganze goldene Service am Ende des 18. Jahrhunderts „zentnerweise“ in die Münze gewandert. In der unruhigen Renaissancezeit gab das unvermeidliche Einschmelzen von Edelmetall gar Veranlassung, als Ersatzmittel die Majolika einzuführen und zur prächtigen Blüte zu bringen. Auch von der sächsischen Hofsilberkammer hat manches Stück daran glauben müssen. Doch scheint man hier meist noch mit dem „Versetzen“ ausgekommen zu sein. Dies gilt auch für die Zeit König Augusts des Starken, trotzdem gerade unter ihm infolge seiner Kriege und seines Aufwands die Gelder oft mehr als knapp waren. Es wäre ihm wohl auch bei seinem ausgesprochenen Kunstsinn schwer genug geworden, wirkliche Kunstwerke auf diese Weise vernichten zu lassen. Dagegen haben häufige Umschmelzungen stattgefunden, das heißt, ein schon vorhandenes Service ward wieder ein geschmolzen, um aus dem Metall neues Geschirr entstehen zu lassen. Die Veränderung des Zeitgeschmacks, die Steigerung des Prunks zwangen hierzu.

Silberne Kesselpauken und Trompeten aus dem 17. Jahrhundert
Silberne Kesselpauken und Trompeten aus dem 17. Jahrhundert
Silberne Dekorationsgegenstände. Erwerbungen und Geschenke aus neuerer Zeit
Silberne Dekorationsgegenstände. Erwerbungen und Geschenke aus neuerer Zeit

Die Anfänge der königlich sächsischen Hofsilberkammer gehen so weit zurück, daß jede urkundliche Nachricht hierüber fehlt. Ihre erste Erwähnung geschieht im Jahr 1469, zu den Zeiten des Kurfürsten Ernst und seines Bruders Herzog Albrecht. Sie enthielt damals schon eine ganze Reihe von Goldschmiedearbeiten, Arbeiten in edlen Steinen, große Mengen Leinwand und dergleichen. Sie ist dann von Jahr zu Jahr vermehrt worden, zunächst namentlich durch den prachtliebenden Kurfürsten Moritz. dann durch den Kurfürsten August I. zu großem Nutzen der heimischen Goldschmiedekunst, die durch die Aufträge des Hofes zu immer neuen Anstrengungen angespornt wurde, wenn man daneben auch vielfach auswärtige Künstler, namentlich aus Nürnberg und Augsburg, beschäftigte. Die größte Vermehrung, ja ihre eigentliche Ausgestaltung jedoch erfuhr die Silberkammer durch den prachtliebenden König August den Starken, durch den überhaupt, wie Winckelmann sich ausdrückt, zuerst die Künste in Sachsen eingeführt wurden.

Seine Regierung bedeutet ja so recht die Entfaltung allgemeinster Pracht und des größten Luxus, wie er sie als Kronprinz am Hof Ludwigs XIV. in Versailles kennen gelernt hatte, und wie er sie dann als erster in Deutschland aufbrachte. Durch ihn ist auch die Hofsilberkammer erst das geworden, als was sie sich heute darstellt. Er ließ für sie umarbeiten, neu schaffen und zusammenkaufen, trotz der Ungunst der Zeiten. Acht Silberdiener, Beigehilfen, Wäscherinnen unter einem Silberkämmerer waren damals für dies Institut angestellt.

Unter König August dem Starken kam dann auch das unter seiner Regierung erfundene Porzellan hinzu, für das dieser König bekanntlich eine ganz beispiellose Leidenschaft besaß: darum verfehlte er auch nicht, es für seine Zwecke möglichst nutzbar zu machen. Wenigstens ist es sehr wahrscheinlich, daß schon für ihn die noch jetzt in der Hofsilberkammer befindlichen älteren Meißner Service angefertigt worden sind. Seine Haupttat jedoch auf diesem Gebiet ist die Zusammenbringung der berühmten, jetzt im Johanneum aufgestellten Porzellansammlung, die bekanntlich ursprünglich zur Ausschmückung seines Palais in Dresden Neustadt bestimmt war, der noch immer größte Porzellanbestand, der je zusammengebracht worden ist.

Königliche Tafel im Residenzschloß zu Dresden
Königliche Tafel im Residenzschloß zu Dresden

Porzellan war es denn auch in erster Linie, das unter den Nachfolgern König Augusts des Starken zur Hofsilberkammer hinzukam. Es war ja überhaupt berufen, dem Gebrauch von Metallen als Stoff für Geschirr, also von Silber und Zinn, mehr und mehr ein Ende zu machen. Silbernes Gerät kam fast gar nicht mehr hinzu, dagegen wurde unter König August II. ein beträchtlicher Teil des alten Silbers zusammengeschmolzen und in Rokokostil erneuert. Den Siebenjährigen Krieg scheint dann die Hofsilberkammer verhältnismäßig gut überstanden zu haben. In unserer Zeit sind in der Hauptsache nur noch Gelegenheitstücke namentlich Geschenke zu Jubiläen, Hochzeiten usw., hinzugekommen (Abb. S. 614). Was König August der Starke an silbernem Geschirr zusammengebracht hat, hat für die ganze Folgezeit ausgereicht.

Der Bestand, wie er sich jetzt in der Hofsilberkammer vorfindet, umfaßt in erster Linie das sogenannte „Goldservice“, aus prächtigem vergoldetem Silber bestehend, die Hauptstücke Augsburger Arbeiten, der Marke nach von einem der Goldschmiede der Familie Billa in den Jahren 1718 und 1719 gefertigt. Es wird heute bei großen Festen, wenn fremde Fürstlichkeiten zu Besuch sind, oder bei großen Galatafeln in Benutzung gezogen. Hauptstücke sind die großen sogenannten Eparguen (Abb. S. 617), eine Art Plat de menage, in Gestalt eines größeren Aufsatzes in der Mitte, um den auf einem breiten Sockel die Behälter für die verschiedenen Ingredienzien stehen. Die Aufsätze sind hier mit Adler und weiblichen Köpfen geschmückt und zeigen den königlichen Namenszug und das sächsisch-polnische Wappen. Dann sind die von dem gleichen Künstler angefertigten prächtigen Terrinen mit den Wappen haltenden Löwen auf dem Deckel zu nennen, interessant auch dadurch, daß sie als Vorbilder für ein für den Grafen Sulkowsky, den Minister König Augusts II. angefertigtes Service gedient haben (Abb. S. 614). Ferner finden sich hier reich getriebene Leuchter, freilich schon im Rokokostil, schöne Gießer mit Becken zum Abspülen der Hände nach den Mahlzeiten in einer Zeit, die noch keine „Fingerkummen“ kannte. Dann zahllose Teller, Schüsselglocken zum Warmhalten bei Speisen, Bestecke usw. Alles in allem ein Bestand, der geeignet ist, einer königlichen Tafel hin reichende Pracht und Glanz zu verleihen.

Schmuckstücke aus Meißner Porzellan
Schmuckstücke aus Meißner Porzellan
Silbervergoldete Tafelservice
Silbervergoldete Tafelservice
Silberservice für den täglichen Gebrauch der königlichen Familie
Silberservice für den täglichen Gebrauch der königlichen Familie

Das zweite Hauptservice ist das sogenannte Familien-oder Silberservice aus unvergoldetem Silber, das jetzt für den täglichen Gebrauch der königlichen Familie verwandt wird (Abb. nebenst.). Hier befindet sich eine ganze Reihe jener Stücke, die König August II. später hat umschmelzen und im Rokokostil erneuern lassen, darunter auch die große Epargue, die 1747 von dem Dresdner Hofsilberarbeiter Christian Gottlob Irminger vollendet wurde, entschieden das bedeutendste Kunstwerk der ganzen Silberkammer (vgl. die selbe Abb.) Sie ist im reichsten Rokokostil gehalten, mit Löwen und Adlern, die die Wappen tragen, und den Blumen und Pflanzen der vier Jahreszeiten geschmückt. Terrinen, Leuchter, Teller usw. schließen sich auch hier an. Einfacher dagegen ist ein silbernes Kaffee- und Teeservice aus alter Zeit. Prächtig ist dagegen wieder ein alter, reich getriebener Ofenschirm mit Venus und Vulkan im Mittelfeld, der früher im königlichen Schloß stand. Dann sind noch die reich verzierten Geschenke des 19. Jahrhunderts zu erwähnen, auf die oben schon hingedeutet wurde (Abb. S. 614.)

Unter den Porzellanen fallen zunächst die großen Speiseservice aus Meißner Porzellan auf, die im 18. Jahrhundert für den sächsischen Hof gemacht worden sind. Ein neues ist seit der Zeit nicht hinzugekommen, dagegen mußten natürlich die alten Bestände oft ergänzt werden. Das prächtigste Service ist entschieden das wohl noch für König August dem Starken geschaffene Prunkservice mit dem sächsisch-polnischen Wappen. Es kommt nur noch bei Hochzeiten in der königlichen Familie zur Verwendung. Am bekanntesten ist das sogenannte rote Drachenservice, so genannt nach dem roten Drachen, mit denen es verziert ist, die in dieser Farbe die Meißner Manufaktur nur für den königlichen Hof anfertigen kann. Sehr reizvoll ist dann das sogenannte Watteaufervice. Das blaue Mosaikrandservice mit seinem lebhaften Blau ist schließlich das letzte, das für den Hof geliefert worden ist. Neben diesen Service fallen dann vor allem die großen Mengen von Bisquitfiguren und -gruppen auf, die wohl einst zur Ausschmückung für die königliche Tafel bestimmt waren (Abbildung S. 616) und noch heute dazu benutzt werden, namentlich in Verbindung mit dem obenerwähnten Goldservice, zu dessen glänzender Farbe diese matten Figuren in der Tat einen äußerst angenehmen Gegensatz bilden.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 14/1904.