Die Haltestelle Wettinerstrasse in Dresden

Von C. F. Richard Müller, kgl. Bauinspektor a. D. Am 1. Okt. d. J. ist in Dresden die Haltestelle Wettinerstrasse der kgl. sächs. Staatseisenbahnen inbetrieb genommen worden (s. No. 79 S. 500).

Um den neuen Rangirbahnhof in Dresden-Friedrichstadt thunlichst vom Personenverkehr zu entlasten und die Personenzüge der ehemaligen Berlin-Dresdener Eisenbahn die ganze Stadt durchlaufen zu lassen, sowie in bequemer Weise in den neuen Personen-Hauptbahnhof Dresden-Altstadt einzuführen, hatte man dieselben bei Coswig auf die alte Leipzig-Dresdener Linie übergeleitet. In Dresden-Friedrichstadt verblieb hiernach auf dem Rangirbahnhof nur eine Personen-Haltestelle für den Lokalverkehr des linken Elbufers von Dresden-Friedrichstadt über Cossebaude nach Nauendorf-Coswig.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Die Wegverlegung des Fernverkehrs vom Friedrichstädter Bahnhof bedeutete für den gleichnamigen Stadttheil und die umliegenden Ortschaften eine empfindliche Benachtheiligung und es wurde daher mit Freuden begrüsst, als die königl. Staatsregierung, mehren an sie gelangten Petitionen Beachtung schenkend, sich entschloss, an der die Friedrichstadt im Osten begrenzenden Verbindungsbahn, ungefähr in der Mitte zwischen dem neuen Hauptbahnhofe Dresden-Altstadt und dem zukünftigen Personenbahnhof Dresden-Neustadt (jetzigem Schlesischen Bahnhof), eine neue Haltestelle zu errichten.

Die i. J. 1852 erbaute Verbindungsbahn zwischen Alt- und Neustadt-Dresden lief in ihrem mittleren Theil auf steinernen Viadukten als eine Art Stadtbahn in etwa 6 m Höhe über den benachbarten Strassen den alten Flusslauf der Weisseritz entlang, Nachdem die Stadtgemeinde Dresden aufgrund eines mit ihr i. J. 1891 geschlossenen Vertrages es übernommen hatte, den Weisseritzfluss von der Flurgrenze mit Löbtau an in einem neuen Bett an dem geplanten Werkstätten-Bahnhof Dresden-Friedrichstadt vorüber beim Dorfe Cotta in die Elbe zu leiten, bot sich die Möglichkeit, auf einem vertragsmässig dem Staatsfiskus zufallenden Theile des alten Weisseritz-Flussbettes der neuen Haltestelle eine bezüglich leichter Zugängigkeit und zweckmässiger Gleisanlage besonders günstige Lage zwischen der Wettiner- und Max-Friedrichstrasse zu geben.

Da die den Dresdener Bahnhofsbauten zugrunde liegende Idee der vollständigen Trennung des Güter- und Personenverkehrs ohnedies einen viergleisigen Ausbau der Verbindungsbahn bedingte, so bedurfte es nur der Hinzufügung zweier weiterer Personenzugsgleise, um innerhalb des Bereiches der Haltestelle den Vorort- vom Fernverkehr zu scheiden. Während jedoch in dem allgemeinen Entwurf der Haltestelle die Vorortzugsgleise zwischen den Fernzugsgleisen liegend, einen inselartigen Bahnsteig umschlossen, erachtete man es bei der Ausführung für zweckmässiger, die letzteren Gleise in der Mitte der Haltestelle geradlinig durchgehen zu lassen, und die Vorortzugsgleise um zwei zu beiden Seiten der Fernzugsgleise liegende Bahnsteige herum zu leiten. Diese Anordnung macht es möglich, bei dem für spätere Zeit geplanten 6gleisigen Ausbau der Verbindungsbahn die Vorortzüge ohne Niveaukreuzung mit den Fernzugsgleisen durch die Stadt Dresden hindurch zu führen, bedingte aber freilich eine erhebliche Verbreiterung der ganzen Haltestelle.

Abbildg. 1 – Lageplan

Wie aus dem Uebersichtsplan, Abbildg. 1, zu ersehen ist, besteht der sehr einfache Gleisplan der Haltestelle Wettinerstrasse sonach aus zwei am Westrande derselben liegenden Güterzugsgleisen I und II in 4 m Axabstand, zwei in der Mitte liegenden, 4,5 m von einander abstehende Fernzugsgleisen IV und V, und zwei Vorortzugsgleisen III und VI, welche gegen die Fernzugsgleise je einen 13 m breiten Bahnsteig einschliessen.

Die Bahnsteige erstrecken sich von der Ueberführung der Jahnstrasse, einer neuen Verbindungsstrasse zwische Wettiner- und Weisseritzstrasse, bis zu derjenigen der Max-Friedrichstrasse in einer Länge von je 250 m. Nördlich der Max-Friedrichstrasse bis zum Beginn des Inundations-Viaduktes der neuen Eisenbahn-Elbbrücke sind 3 Wagen-Abstellgleise vorgesehen, von denen vorerst jedoch nur das östliche Randgleis zum Ausbau gelangt ist.

Das Haltestellen-Gebäude selbst ist ein im Grundriss genau rechteckiges Bauwerk von der ganzen Breite des Bahnkörpers, welches mit seinem südlichen Giebel an die Unterführung der Jahnstrasse anstösst und sich von da in der Richtung nach Dresden-Neustadt zu erstreckt.

Vom Stadtinnern aus gelangt man zu demselben durch die Wettinerstrasse und die von derselben abzweigend Jahnstrasse, oder durch die Ostraallee und die von diese abbiegenden Maxstrasse, unter Benutzung einer kurzer Strecke der entlang der Ostseite der Verbindungsbahn in einer Breite von 27,5 m neu angelegten Könneritzstrasse. Letztere Strasse, welche eine Fortsetzung der Ammonstrasse bildet, erschliesst die entlang der Verbindungsbahn belegenen Grundstückskomplexe und verspricht eine wichtige Verkehrsader zwischen dem Personen-Hauptbahnhof Dresden-Altstadt, der Haltestelle Wettinerstrasse und der nach Neustadt führenden Marienbrücke zu werden. Die bereits begonnene Bebauung der Westseite der Könneritzstrasse mit architektonisch schön ausgestatteten Wohn- und Geschäftshäusern wird dem Bahnreisenden ein wesentlich anmuthigeres Stadtbild eröffnen, als er es seither durch den Blick auf ein Gewirr von Kohlen-Lagerplätzen, Schuppen und die geschwärzten Gebäude der Altstädter Gasanstalt genoss.

Von Dresden-Friedrichstadt aus, welches hauptsächlich an der Errichtung der Haltestelle Wettinerstrasse interessirt ist, erreicht man dieselbe unter Benutzung der Jahnstrasse und des unter der gleichnamigen Unterführung angeordneten Einganges. Das im Strassenniveau an der Westseite der Verbindungsbahn entlang laufende Elbkaigleis und die von demselben abzweigenden Zuführungsgleise zur städtischen Zentralmarkthalle (s. No. 26 Jahrg. 1896) verboten es leider, einen besonderen und unmittelbaren Eingang an der Westseite des Haltestellen-Gebäudes von der Weisseritzstrasse her zu schaffen. Immerhin muss die Lage der Haltestelle Wettinerstrasse auch für die Friedrichstadt als eine sehr günstige bezeichnet werden, ebenso wie dieselbe für die Altstadt von grosser Bedeutung sein wird; liegt sie doch dem Mittelpunkt derselben, dem Schlossplatz, um 300 m näher, als die anderen Dresdener Bahnhöfe, welche durchschnittlich 1400 m entfernt sind.

Das Haltestellen-Gebäude Wettinerstrasse ähnelt in seiner äusseren Erscheinung den grösseren Bahnhöfen der Berliner Stadtbahn; die Eingänge, Verkehrs- und Diensträume liegen in Strassenhöhe unter den Gleisen und Bahnsteigen, die durch eine eiserne Halle überspannt und durch Treppen zugängig gemacht sind. Das Gebäude hat eine Länge von 106 m und eine Breite von 46,6 m. Die östliche Längsfront liegt in der Flucht der Könneritzstrasse, während die westliche dem tiefliegenden Elbkaigleise zugekehrt ist. Der südliche Gebäudegiebel bildet gleichzeitig das eine Widerlager der Jahnstrassen-Unterführung; die nördliche Giebelseite legt sich dagegen z. Th. gegen den alten Verbindungsbahn-Viadukt, z. Th. gegen die den verbreiterten Bahnkörper bildende Dammschüttung.

Das Gelände des Haltestellen-Gebäudes gehörte bis vor wenigen Jahren zum grössten Theil zum ehemaligen Flussbett der Weisseritz, nur der kleinere Theil desselben, über den das Vorortzugsgleis VI. hinführt, wurde früher von dem mehrfach erwähnten steinernen 2gleisigen Viadukt der Verbindungsbahn eingenommen, von welchem im Laufe des Baues 8 Bögen mit den zugehörigen Pfeilern abgebrochen werden mussten. Die umfangreichen Arbeiten zur Freilegung der Baustelle bedingten den Abbruch von ungefähr 2250 cbm Sandsteinmauerwerk und Beton.

Abbildg. 2 – Obergeschoss

Die Grundrissanordnung ist aus Abbildg. 2 und 3 ersichtlich. Der Länge nach zerfällt das ganze Gebäude in ein 13,025 m langes, von der eisernen Halle nicht bedecktes und in 13 gleiche 6,85 m lange, unter der Halle liegende Felder, die der Bindertheilung derselben entsprechen. Im südlichen Theile des Gebäudes liegen die Räume für den Personen- und Gepäckverkehr, einschliesslich Portier- und städtischem Steuerraum, sowie Aborte und Waschräume. Der Ostfront entlang erstrecken sich die Räumlichkeiten der Stationsverwaltung, auf der Westseite liegen Küchen und Vorrathskeller nebst Wohnräumen des Wirthes und seines Personals, und im Innern der nördlichen Gebäudehälfte sind vermiethbare Keller und Niederlagsräume angeordnet worden.

Abbildg. 3 – Erdgeschoss

Der Zugang der Reisenden kann sowohl durch 2 Eingänge von der Könneritzstrasse, als auch durch den erwähnten unter der Unterführung der Jahnstrasse belegenen Eingang erfolgen.

Betritt man die ungefähr 650 qm grosse Eintrittshalle, so kann man sich sofort orientiren, indem Billet- und Gepäckschalter, Warteräume und Aborte in übersichtlicher Anordnung um dieselbe gruppirt sind. Zwei 3 m breite Treppen führen zu beiden Seiten des Gepäckschalters vom Vestibül nach den Bahnsteigen. Zur Beförderung des Reisegepäckes von und nach denselben dienen 2 elektrisch angetriebene Aufzüge. Die Zentralheizstelle liegt im mittleren Gebäudetheil in der Nähe des Nordgiebels.

Die Schauseiten des Haltestellen-Gebäudes (Abbildg. 4) sind, mit Ausnahme der 4 Eckthürme, nur bis zur Höhe des Gleisplanums in Sandstein aufgeführt; zu den etwa 6,6 m hohen senkrechten Theilen der Hallenwände selbst ist anstelle von Steinmaterial ausschliesslich Eisen und Glas verwendet worden, eine Konstruktionsweise, durch welche eine bedeutende Kostenersparniss erzielt worden ist. Das Frontsystem kennzeichnet sich im steinernen Unterbau durch vor die Mauerflucht vorspringende, in den Binderaxen angeordnete Rustikapfeiler, die sich in der senkrechten Hallenwand als einfach dekorirte, zur Verkleidung der Binder dienende eiserne Pylonen fortsetzen. Den Abschluss der eisernen Hallenwand bildet ein kräftiges Hauptgesims, über welchem die Pylonen in Palmetten endigen. In den Zwischenfeldern des Unterbaues sind grosse 4,15 m breite Stichbogenfenster, in den Hallenwänden Rundbogenfenster angeordnet. Für die architektonische Durchbildung der Profile und Gliederungen wurden kräftig wirkende Renaissanceformen gewählt.

Der gelbbraune, grobkörnige Sandstein der Pfeiler, Gesimse, Sohlbänke und der Eckquaderung der Thürme stammt aus den fiskalischen Brüchen bei Schöna a. d. Elbe, für die Zwischenfelder und Füllungen der Thüren kam weisser Postelwitzer und Cottaer Stein zur Verwendung. Der Gebäudesockel, ebenso wie die Sockel in den Vorhallen, der Eintrittshalle, die Treppenstufen und Wangen bestehen aus gestocktem Demitzer Granit. Die Verschiedenfarbigkeit des verwendeten Steinmaterials im Verein mit geschickter Bemalung der Eisenflächen, nicht minder die ganze architektonische Formgebung der Schauseiten, welche namentlich in Hinblick auf die gute Vermittelung zwischen steinernem Unterbau und eisernen Hallenwänden als wohlgelungen zu bezeichnen ist, geben dem Bauwerk ein äusserst gediegenes und gefälliges Ansehen. Ueber die Konstruktionsweise des Gebäudes ist folgendes zu erwähnen:

Die Umfassungs- und Hauptscheidemauern ruhen auf einer 1 m starken Zementkalkbetonschicht (1:3:8:16) und sind bis zu Fussbodenhöhe in Bruchstein (Pläner Sandsteinhorzeln), von da ab, soweit es sich um Pfeiler oder tragende Wände handelt, in Sandsteingrundstücken, im übrigen bei einfachen Zwischenwänden aus Ziegelsteinen ausgeführt. Anstelle der Sandsteingrundstücke wurden vielfach die beim Abbruch des alten Viadukts gewonnenen Quader verwendet. Die Gründungstiefe der Betonsohle (Abbildg. 5) liegt ziemlich gleichmässig ungefähr 4,35 m unter Fussbodenhöhe und reicht etwa 30 cm unter die Sohle des alten Weisseritz-Flussbettes bis auf eine festgelagerte Schicht groben Kieses hinab. Aus Ersparnissrücksichten sind die Längs- und Quermauern zumtheil nur pfeilerartig bis auf diese Tiefe hinabgeführt, im übrigen aber auf zwischen die Pfeiler eingespannte Erdbögen aufgesetzt. Die Widerlagsmauern für die Stampfbetongewölbe erhielten zufolge statischer Untersuchung eine Stärke von 1,8 m. Von einer Unterkellerung des Gebäudes musste abgesehen werden, da der Grundwasserspiegel infolge des Rückstaues der Elbhochwässer bis 0,9 m unter Fussbodenhöhe steigt. Nur die Heizstelle und die Schächte der elektrischen Gepäckaufzüge reichen unter das Niveau des Grundwasserspiegels hinab und es sind daher Wände und Fussböden derselben mit Zementmörtel gemauert und geputzt, sowie mit reichlichen und starken Isolirungen versehen worden.

Die Fussböden der Korridore, Gepäck- und Niederlagsriume, Aborte und Waschräume bestehen aus eine 20 mm starken Asphaltdecke mit Silberkies-Beimischung in den Wartesälen und Damenzimmern hingegen aus in Asphalt verlegten Eichenholzriemen. In den Bureauräumen, Fahrkarten-Schaltern, der Wirthswohnung sowie dem Portier- und Steuerraum kam Linoleum auf Asphalt-Unterlage, in den Küchen kleingetäfelter Steinholz-Fussboden und in den Vorhallen und der grossen Eintrittshalle Mosaikplattenbelag zur Verwendung. Sämmtliche Fussböden ruhen auf einer 25 cm starken Kalk-Zementbetonschicht, die unmittelbar auf die festgerammte und gut eingeschlemmte Erdhinterfüllung der Fundamente aufgebracht wurde.

Die Decken sämmtlicher Räume vom Widerlager der Jahnstrassen-Unterführung ab bis zum Hallenbinder 5, mit Ausnahme derjenigen über den Billetschaltern, dem östlichen Eingang und dem Handgepäck- und Polizeiraum, wo Stampfbeton-Gewölbe angeordnet sind, bestehen aus einem Eisenträgerwerk, zwischen welches, insoweit Gleise darüber liegen, Wannenbleche eingenietet, insoweit sich Bahnsteige über demselben befinden, Moniergewölbe eingespannt sind. Vom Binder 5 ab bis zum Nordgiebel sind die Decken unter den Gleisen aus Stampfbeton-Gewölben, unter den Bahnsteigen aus Monier-Gewölben hergestellt worden.

Die eiserne Decke, von der Königin Marienhütte in Cainsdorf geliefert, zerfällt in 3 Brückensysteme, die die beiden Bahnsteige in sich schliessen, nämlich in jenes für die Gleise I, II und III, in das für die Gleise IV und V und schliesslich in dasjenige des Gleises VI.

Der von der Jahnstrassen-Unterführung bis zum südlichen Schürzenbinder reichende, das Damenzimmer II. Kl. sowie die Haupt-Aborte überdeckende Theil des eisernen Ueberbaues für die Gleise I, II und III ruht auf 5 in der Richtung der parallelen Gleistangenten liegenden Hauptträgern. Bei dem die Wartesäle, das Damenzimmer II. Klasse, die Bierausgabe und den Abort überdeckenden Theil liegen die Hauptträger, nämlich zwei von Säulen gestützte Unterzüge in den Wartesälen und 6 sogenannte Riementräger, senkrecht zur erwähnten Richtung.

Die 2 Hauptträger der Deckenkonstruktion unter. den Gleisen IV und V bestehen jeder aus 3 Theilen: über der Vorhalle sind es einfache Träger über 2 Stützen, über der grossen Eintrittshalle kontinuirliche Träger auf 5 Stützen, wovon die 3 mittleren durch gusseiserne Säulen gebildet werden; über dem Gepäckraum endlich sind sie kontinuirliche Träger auf 3 Stützen. Zwischen den Gleisen IV und V sind 6 begehbare, mit Gussglas abgedeckte Oberlichte angeordnet. Das Trägersystem des Gleises VI über der Vorhalle besteht aus 2 zur Gleisrichtung parallel liegenden Haupt- und 8 dazu senkrechten Querträgern.

Die Fahrbahntafeln aller dieser Trägersysteme werden aus 10 mm starken eingenieteten Wannenblechen gebildet, die zur Schalldämpfung und behufs Erzielung einer rationellen Entwässerung mit Asphaltbeton überzogen und darauf mit doppeltem Asphalt-Filzplattenbelag (Firma Lohse & Rothe in Niederau) abgedeckt sind. Die Oberfläche dieser Beton- und Filzplatten- Abdeckung, welche zum Schutze gegen Beschädigung bei den Gleisunterhaltungs-Arbeiten ausserdem noch mit imprägnirten Holzgittern aus 2,5 x 2,5 cm starken Latten belegt ist, liegt an den höchsten Stellen noch 20 cm unter Schwellenunterkante und führt mit einem Längsgefälle von 1:80 sowie Quergefälle von 1:20-1:40 das wenige in die Bettung eindringende Wasser nach in der Eisenkonstruktion anstelle der Wannen angebrachten Entwässerungsmulden. Die Tiefpunkte dieser Mulden geben das Wasser an Abfallrohre aus Zinkblech ab, welche in die Gebäude-Entwässerung eingebunden sind.

Die eiserne Decke unter den Bahnsteigen, welch’ letztere 35 cm über Schienenoberkante liegen, besteht aus einem System von Querträgern mit gleicher, sich aus dem Binderabstande ergebender Theilung von 1,5-2m Feldlänge. Diese Querträger stützen sich auf die Hauptträger der beiderseits gelegenen Gleisträgersysteme. Zwischen die Querträger sind flache Moniergewölbe eingespannt, die oben zunächst mit magerem Schlacken-Zementbeton in Trägeroberkante, dem Bahnsteig-Quergefälle entsprechend, abgeglichen, darauf mit einem 10 mm starken Zementputz überzogen und schliesslich mit 3 cm starkem komprimirten Asphaltplattenbelag (Firma R. Tagemann, Leipzig) überdeckt sind. Auf jedem Bahnsteig sind 3 begehbare, mit 25 mm starken oben rauhen, unten glatten Gussglastafeln abgedeckte Oberlichte zur Erhellung der darunter befindlichen Räume, die kein unmittelbares Licht erhalten, angeordnet. Behufs Entwässerung erhielten die Bahnsteige von der Mitte aus ein Quergefälle von ungefähr 1:60. Die Bahnsteig-Bordkanten wurden durch Saumwinkeleisen, theilweise auch durch senkrechte Bleche gebildet. In alle Lager der eisernen Decke wurden zur Abminderung der durch den Zugsverkehr verursachten Stosswirkungen und zur Schalldämpfung 18 mm starke imprägnirte Unterlagsfilze (Firma Günther & Co., Berlin) eingelegt. Bei der Auflagerung der Eisenkonstruktion musste auch der Beweglichkeit durch die Temperatur-Einflüsse Rechnung getragen werden, sie liess sich jedoch durch geschickte Anordnung fester, theilweise und ganz beweglicher Lager so gestalten, dass alle Dilatationsfugen innerhalb der Eisendecke vermieden sind und nur an den Umgrenzungen des Ueberbaues bewegliche Anschlüsse anzuordnen waren (Abbildg. 6).

Die eiserne Deckenkonstruktion ist nach unten nirgends durch Verkleidungen oder Verschaalungen dauernd verdeckt worden; zu den in den Mauern liegenden Lagern führen Einsteigschächte und Thüren, sodass der Zustand der Eisenkonstruktion jederzeit untersucht werden kann. Selbst in den Wartesälen und der grossen Eintrittshalle ist die Eisendecke durchweg sichtbar gelassen und die theilweise unsymmetrische Unteransicht derselben durch Hinzufügung von in Stuck nachgebildeten Trägern und Eisentheilen ergänzt, mit Konsolen und Rosetten verziert, sowie endlich durch entsprechende Bemalung dem Auge wohlgefällig gestaltet worden. Hierdurch machten sich nicht nur die anfänglich vorgesehenen, von dem am Eisen sich niederschlagenden Schwitzwasser schnell zerstörbaren Holzdecken entbehrlich, sondern es wurde durch diese hier wohl zur ersten Male gewählte Ausführungsweise auch eine namhafte Kostenersparniss erzielt.

Die Stampfbeton-Gewölbe (Firma Dyekerhoff & Widmann, Cossebaude), welche unter den Gleisen in der nördlichen Gebäudehälfte die Decken bilden, haben bei einer Spannweite von 5,05 m und einem Stich von 1,1 m eine Dicke von 40 cm. Auch sie sind mit Längsgefälle in magerem Beton abgeglichen und mit Asphaltplatten und Lattengittern belegt.

Die die Bahnsteige tragenden Moniergewölbe (Aktien-Gesellschaft für Beton- und Monierbauten in Dresden) sind theils zwischen Mauern, theils zwischen Querträger eingespannt. Im ersteren Falle besitzen sie eine Spannweite von ebenfalls 5,05 m bei 7 cm Scheitelstärke, im letzteren Spannweiten zwischen 1,5 und 2 m mit 6 cm mittlerer Stärke. Der die Gewölbe bedeckende Ueberbeton ist, wie schon gesagt, mit Zementputz überzogen und mit Asphaltplatten abgedeckt.

Der Oberbau der Gleise besteht in der Längsausdehnung des Haltestellen-Gebäudes aus 15 m langen Schienen mit Blattstoss; unter sämmtlichen Unterlagsplatten sind imprägnirte Unterlagsfilze von 20 mm Stärke verlegt worden. Es kamen also nicht allein in der Ausführungsweise der Decken-Konstruktion, sondern auch in derjenigen des Gleiseoberbaues alle der modernen Technik zu Gebote stehenden Mittel zwecks thunlichster Verminderung der Stösse und möglichster Schalldämpfung zur Anwendung, was den Erfolg gehabt hat, dass thatsächlich in den unter den Gleisen liegenden Räumen das von den darüber hinwegrollenden Zügen erzeugte Geräusch wesentlich gemildert erscheint.

Die Kosten der zur Ausführung gelangten verschiedenartigen Deckenkonstruktionen sind in der nachstehenden Tabelle zusammengestellt worden. In den Geldbeträgen sind die Kosten des zweimaligen Anstrichs der Eisenkonstruktion mit Schuppenpanzer-Farbe, des Asphalt-Betonüberzuges, Filzplatten- und Holzgitter-Belags, ferner die Kosten der Oberlichte sammt Verglasung, der Beton- und Moniergewölbe sammt Ueberbeton- und Zementputz sowie des Asphaltplatten-Belags der Bahnsteige inbegriffen, dagegen diejenigen der Ausstattung und Bemalung der Unteransicht der Eisenkonstruktion nicht enthalten. Unter Nutzfläche ist die Summe der Grundflächen der überdeckten Räume im Lichten verstanden.


Eisendecke mit Wanneblech unter den GleisenEisendecke mit Moniergewölben unter den BahnsteigenBetongewölbe unter den GleisenMoniergewölbe unter den Bahnsteigen
1. Wirklich abgedeckte Fläche mit Einschluss der Scheidemauern und eines Theils d. Umfass.-Mauern996,33 qm839,37 qm1450,71 qm1061,08 qm
2. Nutzfläche814,16 qm697,46 qm1074,98 qm861,26 qm
3. Verhältniss der Nutzfläche zur wicklich abgedeckten Fläche82 %83 %74 %77 %
4. Gesammtpreis der Abdeckung97951,1 M.46241,94 M.30870,71 M.19639,59 M.
5. Preis f. 1 qm der wirklich abgedeckten Fläche98,31 M.55,1 M21,28 M.18,51 M.
6. Preis f. 1 qm Nutzfläche120,31 M.66,30 M.28,72 M.23,91 M.

Ueber den Inneren Ausbau ist folgendes zu sagen: Die Kloset- und Pissoiranlagen (Firma Richard Hartwich, Dresden) befinden sich an vier verschiedenen Punkten im Gebäude vertheilt und wurden in solche für das Publikum (2 Stellen), den Bahnhofswirth und die Stationsbeamten getrennt. Sämmtliche Klosets haben Reservoirspülung, die Pissoirs zumtheil selbstthätige Intermittenzspülung. Die Fäkalien werden nach den städtischen Vorschriften sofort an Ort und Stelle desinfizirt und dann der Hauptgrube zugeführt. Die Wasser- und Gasleitungen, von der gleichen Firma geliefert, sind an die städtischen Leitungen angeschlossen. Die Koch-, Kaffee- und Aufwaschküchen erhielten Gas-Kochherde und Heisswasserstrom-Apparate von der Central-Werkstatt in Dessau, die beiden Dienstbuden auf den Bahnsteigen Gasöfen. Alle Räume des Gebäudes wurden mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet, zu welcher ebenso wie zu den beiden Gepäckaufzügen der Strom aus dem Elektrizitätswerke der kgl. Staatseisenbahn in Dresden-Friedrichstadt zugeleitet ist.

Abbildg. 5 – Querschnitt

Die beiden von der Firma Unruh & Liebig in Leipzig-Plagwitz gelieferten Gepäckaufzüge mit elektrischem Antrieb besitzen eine Hubhöhe von 6,33 m. Um eine möglichst grosse Betriebs-Sicherheit zu erreichen und um Seilrollenaufbaue auf den Bahnsteigen zu vermeiden, werden die 2,85 m langen und 1,4 m breiten Fahrbühnen durch Zahnstangenstempel unterstützt. Dabei ist eine unmittelbar von der Zahnstange angetriebene kräftige Geschwindigkeits-Bremse eingeschaltet worden, welche bei einem etwaigen Bruch das Abstürzen der Fahrbühne sammt Zahnstangenstempel verhindert. Als Motor kam ein Drehstrommotor von normal 10 HP bei 1430 Touren in Anwendung. Die Motorwelle ist mit der Schneckenwelle durch eine nachgiebige Kuppelung, welche auch als Bremsscheibe ausgebildet ist, verbunden. Die Aufzüge sind für eine Nutzlast von 1250 kg konstruirt, wovon die Hälfte sowie die Eigenlast der Bühne und des Kolbens ausbalanzirt ist. Die Zahnstangen- sowie die beiden Gegengewichts-Schächte bestehen aus versenkten Zementrohren; alle drei Schächte sind ausserdem wegen des hohen Grund- und Hochwasserstandes durch gusseiserne Flanschenrohre gegen das Eindringen des Wassers abgedichtet. Die Kosten eines Gepäckaufzuges beliefen sich ausschl. Erd- und Maurerarbeiten auf 10 750 M.

Abbildg. 6

Die Heizungsanlage des Haltestellengebäudes wurde von der Firma Centralheizungs-Bauanstalt Martini in Leipzig nach deren konzessionslosem Niederdruck-Dampfheizungssystem mit Selbstregulirung der Feuerung, des Dampfdruckes und der in den Kondensleitungen beim Betriebe innebehaltenen Druckluft ausgeführt. Letzte Eigenschaft besonders gab die Veranlassung zur Wahl des genannten Systems, da infolge der Hochwasserverhältnisse der Baustelle nur eine geringe Tieflage des Heizraumes möglich war.

Zur Unterbringung der 3 liegenden Koksfüllkessel mit je 18 qm feuerberührter Fläche, von denen einer als Reserve dient, kam nämlich ein nur 2 m tief unter dem Fussboden liegender Raum am Nordgiebel des Gebäudes zur Verwendung. Die beiden Hauptdampfleitungen von je ungefähr 115 m Länge, ebenso die Luft- und Kodenswasser-Rücklaufleitungen liegen in gemauerten Kanälen unmittelbar unter dem Fussboden und sind mit abnehmbarem Riffelblech in den beiden Korridoren und mit Mosaikplatten in Eisenumrahmung in der Eintrittshalle abgedeckt. Das Gesummtgefälle der Leitungen von den Kesseln bis zu den entferntest gelegenen Heizkörpern beträgt nur 30 cm.

Die kleineren Räume, Bureaus und Wohnräume werden durch 25 stehende, glatte Platten-Radiatorheizkörper, die grösseren Räume als Wartesäle, Eintrittshalle, Gepäckräume usw. durch Rippenheizkörper erwärmt. Mittels letzter wird die Heiz- und Ventilationsluft zusammen mit einer Temperatur von rd. 40° C. und einer Geschwindigkeit von rd. 1,5 m den Räumen zugeführt, wodurch eine gleichmässige, sehr angenehme Vertheilung der Wärme und Ventilationsluft stattfindet. Bei den Radiatorheizkörpern wird je nach Einstellung der Regulirventile ein Gemisch von Dampf und Luft oder reiner Dampf in Zirkulation gesetzt, sodass dieselben mit intensiver oder milder Wärmeausstrahlung nach Art von Warmwasseröfen betrieben werden können. Eine ununterbrochene, automatisch bewirkte Druckdifferenz ermöglicht ferner trotz schwankenden Dampfdruckes eine stets gleichmässige Dampffüllung der einzelnen Heizkörper, so dass ein öfteres Nachstellen der Regulirventile tagsüber unterbleiben kann. Um der Heizstelle die Brennmaterialien aus den Eisenbahnwagen unmittelbar zuführen zu können, wurden in die Deckengewölbe zwei eiserne Kohlenfülltrichter einbetonirt, die zwischen den Gleisen II. und III. ausmünden.

Die Heizungsanlage, welche während des Ausbaues des Gebäudes zur Austrocknung desselben länger als ¾ Jahr benutzt wurde, funktionirt trotz der obwaltenden ungünstigen Höhenverhältnisse und der grossen wagrechten Ausdehnung sehr gut. Die Herstellungskosten der Heizanlage einschliesslich der Abdeckungen der Rohrkanäle, jedoch ausschliesslich des Heizraumes und der Schornsteinanlage stellten sich auf 17 800 M.

Die innere Ausstattung der dem Verkehr dienenden Räume ist, dem Zweck und Charakter des ganzen Gebäudes entsprechend, im allgemeinen einfach gehalten. Die Wände der Wartesäle und Damenzimmer erhielten 1,4-1,85 m hohe gebeizte und lackirte Holzverkleidungen (Lambris) von Kiefernholz und wurden durch farbig ausstaffirte Stuckgesimse nach oben abgeschlossen; ebenso sind, wie schon erwähnt, die Hauptträger der eisernen Decke mit Stuckkonsolen verziert. Die die Decke stützenden eisernen Säulen in den Wartesälen und der grossen Eintrittshalle sind ebenfalls mit Stuckdekoration und im unteren Theil mit weissem Zementputz versehen worden. Die grosse Eintrittshalle wurde bis zu 1 m Höhe mit Marmor aus den Brüchen von Krebs in Balduinstein a. d. Lahn verkleidet. Decken- und Wandflächen der Büreau- und Wohnräume, Korridore usw. sind in Leimfarbe, die der Wartesäle, Damenzimmer und der Eintrittshalle dagegen in Oelwachsfarbe gestrichen worden.

Sämmtliche äussere Eingangsthüren, sowie diejenigen zu den Wartesälen bestehen aus Eichenholz, alle übrigen inneren Thüren und die Fenster aus Kiefernholz. Dieselben wurden verschiedenfarbig gebeizt, gemalt und lackirt.

Die das Haltestellen-Gebäude flankirenden 4 Eckthürme dienen lediglich dekorativen Zwecken. Sie sind im mittleren Theil, d. i. ungefähr in der Höhenausdehnung der senkrechten Hallenwände, auf den den Gleisen zugekehrten Seiten nischenartig ausgehöhlt und umkleiden dadurch die Untertheile der Schürzenbinder der eisernen Halle. Die Obertheile der Thürme wurden in vollem Mauerwerk hergestellt und äusserlich mit je zwei in Hydrosandstein gegossenen sächsischen Wappen (Firma Schulze & Co. in Leipzig) verziert. Die Thurmhauben bestehen aus Eisenkonstruktionen, die mit gestanzten schuppenförmigen Zinktafeln eingedeckt sind und gleichzeitig zur Befestigung und Verankerung der 10 m hohen eisernen Fahnenstangen dienen.

Die anfänglich beabsichtigte Ausstattung der 4 Eckthürme mit Uhren wurde des Kostenpunktes wegen aufgegeben und dafür eine grössere, elektrisch angetriebene Uhr in der Mitte der Glaswand des südlichen Schürzenbinders eingesetzt. Diese Uhr, von der Firma B. Zachariae in Leizig geliefert, ist mit, doppelten, 2 m im Durchmesser haltenden Zifferblättern, die sowohl von der Aussen- als von der Innenseite der Halle sichtbar sind, und bei Dunkelheit elektrisch beleuchtet werden, ausgestattet.

Abbildg. 4

Auf den Bahnsteigen innerhalb der eisernen Halle kamen auch zwei Dienstbuden zur Ausführung. Dieselben dienen einestheils zur Unterbringung des Telegraphenbüreaus, anderentheils als Aufenthaltsraum für den dienstthuenden Stationsbeamten. Sie sind in Holzfachwerksbau mit Verblendziegeln erbaut und in architektonisch gefälliger Form gehalten. Im Grundriss achteckig, haben die Buden eine Länge von je 7,82 m bei 2,6 m Breite im Lichten. Die Herstellungskosten derselben betragen je 1650 M.

Es sei schliesslich noch kurz der am Bau betheiligten grösseren Unternehmer und Firmen Erwähnung gethan, insoweit dies nicht schon im vorstehenden Texte geschehen ist. Es haben geliefert: Erd- und Mauerarbeiten P.Heinrich, Dresden; Sandsteinarbeiten: Fr. Flügel, Dresden und W. Haupt, Pirna (Eckthürme); Granitarbeiten: C. G. Kunath, Dresden; Eisenkonstruktion der Oberlichter: Jacobiwerk, Meissen; desgl. der Thurmhauben: Kelle & Hildebrandt, Dresden; eiserne Bahnsteig-Geländer: Langer & Methling, Berlin; Klempnerarbeiten: A. Schultze; Oberlicht-Verglasungen: O, Döring; Tischlerarbeiten: Schultheiss & Kirchmeier; G. Gnauck und Th. Zimmer; Schlosserarbeiten; W, Freitag und J. Rublick; Stuckarbeiten: P. Henseler; Malerarbeiten: E. Kiessling und G. Damme; Linoleums-Belagarbeiten: C. Wolf, sämmtlich in Dresden. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 18. & 22.12.1897 in der Deutsche Bauzeitung.