Die neue Rheinbrücke zwischen Bonn und Beuel, Teil 1

I. Geschichte der Brücke.
Ingenieur: Prof. Reinh. Krohn in Sterkrade; Architekt: Bruno Möhring in Berlin.
Unternehmung: R. Schneider in Berlin und Gutehoffnungshütte in Oberhausen.

Tausendfältig sind die Forderungen des machtvoll anschwellenden modernen Verkehrs. Aus Anlass des 50jährigen Jubelfestes des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen ist behauptet worden, dass wenn einst, nach Abschluss unseres Jahrhunderts, das Fazit gezogen werde, man anerkennen müsse, dass auch in kultureller Beziehung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Krone des Erfolges gebühre. Und zwar infolge der gigantischen Umwälzungen des Verkehrs, dessen Wirkungen in alle Beziehungen eines Volkes eindringen und der alle Beziehungen des menschlichen Lebens in seinen Bann nehme. Ein klassisches Beispiel dafür ist das hervorragende Werk deutscher Ingenieur-Wissenschaft und nationaler Baukunst, das am 17. Dezember in feierlicher Weise der Oeffentlichkeit übergeben wird: die Rheinbrücke zwischen Bonn und Beuel.

Wo sonst der Rhein durch gewaltige Brücken-Bauwerke in älterer und neuerer Zeit überspannt worden ist, zwischen Mannheim und Ludwigshafen, Mainz und Kastel, Koblenz und Ehrenbreitstein, Köln und Deutz, Düsseldorf und Oberkassel bezw. Krefeld usw., da galt es, grosse industriereiche Städte mit einem reich entwickelten Hinterlande mit einander zu verbinden. Und wenn nunmehr eine verhältnissmässig bescheidene Provinzial-Stadt mit etwa 45 000 Einwohnern schon seit längerer Zeit den Wunsch hegt, mit einem weit bescheideneren Orte, Beuel, und mit seinem allerdings landschaftlich schönen Hinterlande, jedoch mit einem Hinterlande von einer industriellen Entwicklung, die sich immerhin in engeren Grenzen bewegt, verbunden zu sein, so ist das ein Zeichen dafür, dass die Forderungen des modernen Verkehrs keineswegs mehr ausschliesslich die sind, welche Industrie und Handel stellen, sondern dass man sich mehr und mehr gezwungen sieht, auch anders gearteten Verkehrsbedürfnissen Rechnung zu tragen, Entstanden früher Verkehrsbauwerke fast ausschliesslich aus volkswirthschaftlichen Erwägungen, so sind heute vielfach schon auch die allgemeinen Lebensbedingungen dafür maassgebend.

Diese Artikelserie besteht aus 3 Teilen:

I. Die Geschichte der Brücke
II. Die Konstruktion der Brücke
III. Die Architektur der Brücke

So kam es, dass an die Stelle einer Gierponte und eines Dampfbootes, welche bis dahin den Verkehr zwischen Bonn und Beuel für Menschen, Vieh und Fuhrwerke aufrecht erhielten, nun seit dem 17. Dezember eine grossartige Brücke diese Vermittelung übernimmt. Schon lange hatte man, wenn es ihnen überhaupt möglich war, den Betrieb aufrecht zu erhalten, die bescheidenen bisherigen Verkehrsmittel zwischen den beiden Orten als unbequem und unzuverlässig empfunden. Bei niedrigem Wasserstand aber oder bei Eisgang versagten sie den Dienst gänzlich.

Die neue Rheinbrücke zwischen Bonn und Beuel, aus Deutsche Bauzeitung 1898

Seit langem auch wurde die fliegende Fähre als ein schweres Hinderniss für die Schiffahrt empfunden, da bei der Breite des Stromes ein schwebendes Giertau ausgeschlossen war und nur ein vom Nachen getragenes Tau angewendet werden konnte, welches aber abwechselnd je eine Hälfte des Fahrwassers für den durchgehenden Verkehr sperrte. So wurden die Rufe nach einer festen Rheinbrücke immer dringender.

Da es sich aber um ein Werk von einem Aufwande von mehren Millionen Mark handelte, so war die nächste Frage, einen Bauherrn zu gewinnen, welcher geneigt sei, die grossen Lasten et sich zu nehmen welche sich sowohl aus der Finanzirung des Brückenbaues selbst wie auch aus der Entschädigung der Fährgerechtsame der Gesellschaft ergaben, die den Verkehr zwischen den beiden Rheinseiten vermittelte. Zwischen Köln und Koblenz überspannte bisher keine Brücke den Rhein, obgleich auf dieser gegen 100 km langen Strecke die Industrie- und Verkehrsverhältnisse eine schnelle Entwicklung zeigten. Sowohl Bonn-Beuel wie Remagen-Linz und Andernach-Neuwied waren auf die fliegenden Verkehrsmittel mit allen ihren Zufälligkeiten angewiesen. Da die rechte Rheinseite in gleicher Weise an dem Brückenbau interessirt war wie die linke, aus der Stadt Bonn als grösster Uferstadt der genannten Strecke aber die Anregung zu weiteren Schritten erwartet wurde, so fand auf Anregung eines Bürger-Komites am 20. Mai 1889 in Bonn zunächst eine private Versammlung von Anwohnern der beiden Rheinseiten statt. Bald wählte auch die Stadtverordneten – Versammlung eine städtische Brückenbau-Kommission. Das Ziel war unausgesetzt der Bau einer stehenden Brücke. Es fanden Unterhandlungen mit den Staatsbehörden statt. Da die Eisenbahn-Verwaltung für das Oberkasseler Trajekt jährlich 240 000 M. auszugeben hat, so hoffte man diese Verwaltung für den Brückenbau zu gewinnen, indem man in Aussicht nahm, die Brücke zugleich zur Eisenbahnbrücke zu machen.
Der Antrag wurde abgelehnt.

Kein staatlicher Faktor war zu irgend einem Zuschuss zu bewegen und da lebhafte Zweifel in die Rentabilität des grossen Unternehmens gesetzt wurden, so hatte man, obgleich von Bewohnern der Ufer-Orte für die nächsten 5 Jahre nach Vollendung der Brücke je 40 000 M., zusammen 200 000 M. Deckung gezeichnet wurden, den Plan einer stehenden Brücke eine Zeitlang verlassen und an eine Schiffbrücke, ja an eine Dampffähre gedacht. Man sah jedoch bald die Unmöglichkeit dieser halben Maassregeln ein und die Angelegenheit ruhte, aber nur kurze Zeit. Denn in der Bürgerschaft Bonns lebte fort und fort der Gedanke an eine stehende Brücke und er erstarkte in einer Reihe von Versammlungen so weit, dass die Angelegenheit am 19. Januar 1894 im Stadtrathe zur Erörterung gelangte.

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Die einmüthige Ansicht von der Nothwendigkeit der Erbauung der Brücke, ferner der Umstand, dass man sich in den Bürgerkreisen mit der Möglichkeit der mangelnden Rentabilität für eine Reihe von Jahren vertraut gemacht hatte und deshalb zu Opfern bereit war, erleichterten den städtischen Körperschaften den einstimmig gefassten Beschluss, den Brückenbau als ein städtisches Unternehmen zu betreiben. Man ging dabei von der Voraussetzung aus, dass die Regierungs-Behörde bis zur Tilgung der Bauschuld die Erhebung eines Brückengeldes gestatte und dass das Unternehmen sowohl vom Staate, von den rechtsseitigen Ufer-Gemeinden wie auch von dem interessirten Theil der Bonner Bürgerschaft unterstützt werde, Die in dieser Richtung gehegten Erwartungen scheinen befriedigt geworden zu sein, denn am 22. Juni 1894 fassten die städtischen Körperschaften den Beschluss, zur Erlangung geeigneter Entwürfe für die neue Brücke einen öffentlichen Wettbewerb zu erlassen und hierfür 25 000 M. zu bewilligen. Der Wettbewerb wurde unter dem 10. Juli 1894 erlassen. Wir haben über denselben im Jahrg. 1895 mehrfach berichtet; aus seinen Bedingungen sei in’s Gedächtniss zurückgerufen, dass für die Anlage der neuen Brücke entsprechend den verschiedenen Strömungen in der Bonner Bürgerschaft, welche drei Stellen in Vorschlag brachte, den Theilnehmern des Wettbewerbes freigestellt war, die Brücke an einer ihnen geeignet erscheinenden Stelle auf der Strecke I. – III. (s. Lageplan) anzunehmen, Bedingung war, dass die Ueberbrückung annähernd rechtwinklig zur Stromrichtung liegen und eine gute Strassenbahnverbindung zwischen den Bahnhöfen von Bonn und Beuel möglich sein sollte. Auf weitere Einzelheiten des Preisausschreibens glauben wir nicht eingehen zu brauchen. Es gelangten 16 Entwürfe mit annähernd 400 Blatt Zeichnungen zur Einsendung. Die preisgekrönten Entwürfe und einzelne der übrigen Arbeiten waren hochbedeutsame Leistungen der gemeinschaftlichen Thätigkeit von Ingenieurkunst und Architektur.

Den I. Preis erhielt der von Prof. R. Krohn in Sterkrade ausgearbeitete Entwurf der „Gutehoffnungshütte“ in Verbindung mit dem Baugeschäft R. Schneider und dem Architekten Bruno Möhring in Berlin.

Lageplan

Inzwischen waren die Bonner Bürgerkreise nicht unthätig. Ihre nächste Sorge bestand darin, die Unternehmung der Stadt bei ungenügender Verzinsung des Baukapitals der Brücke sicher zu stellen. So brachte der Bürgerverein „Altstadt“ mit über 500 Garantiezeichnungen zusammen 422 950 M., das „Bürgerkomite‘“ mit 249 Zeichnungen 214 000 M. auf, sodass sich für die ersten fünf Jahre nach der Fertigstellung der Brücke eine Garantiesumme von rd. 650.000 M. ergab. Gewiss ein glänzendes Zeugniss für die Thatkraft und das Solidaritätsgefühl einer Stadt von nur 45 000 Einwohnern. Da nun auch der kgl. Preuss. Finanzminister und der Minister der öffentlichen Arbeiten dem Unternehmen wenigstens insoweit ihr Entgegenkommen bekundeten, als sie der Stadt Bonn die Erhebung eines Brückenzolles entsprechend den Tarifen der Bonner Rheinfähre gestatteten, da war die Entscheidung des 3. Mai 1895 vorbereitet. An diesem Tage beschloss die Bonner Stadtverordneten-Versammlung einstimmig den Bau einer stehenden Rheinbrücke zwischen Bonn und Beuel. Um unter den widerstrebenden Ansichten über die Platzfrage möglichst Einigung zu erzielen, wurde gleichfalls einstimmig der Zug des Vierecksplatzes als Bauplatz für die neue Brücke bestimmt. In den Sitzungen des Bonner Stadtrathes vom 16. Mai und 7. Juni 1895 wurde die Ausführung des beim Wettbewerbe mit dem ersten Preise ausgezeichneten Entwurfes der Gutehoffnungshütte in Verbindung mit Schneider und Möhring beschlossen. Zur Deckung der Baukosten nahm die Stadt Bonn eine 3°/ige Anleihe von 4 Mill. Mark mit ¾%iger Amortisation auf. Mit einem Kostenaufwande von rd. 312 000 M. wurde auf der Bonner Seite das Gelände für die Brückenrampe erworben und mit der Bonn-Beueler Fähr-Aktiengesellschaft eine Vereinbarung getroffen, nach welcher diese gegen eine Summe von 220 000 M. der Stadt Bonn ihre sämmtlichen Rechte übertrug. Für die Wahrung der städtischen Interessen beim Brückenbau war der damalige Regierungsbaumeister, heutige Wasserbauinspektor, Hr. H. Frentzen von der Stadt berufen worden.

Nunmehr begann der Bau und es wurden die Vorarbeiten so schnell gefördert, dass am 6. April 1896 die ersten Messgerüste aufgestellt werden und vom 7. bis 28. September 1896 die Betonirungsarbeiten des Bonner Strompfeilers, vom 7. bis 29. Oktober des gleichen Jahres die Betonirung des Beueler Strompfeilers erfolgen konnte. Am 15. Oktober 1896 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung.

Unausgesetzt nahmen die Bauarbeiten dank der grossen Energie und Leistungsfähigkeit der Unternehmer ihren schnellen Fortgang. Der Zeitraum von 2 Jahren zur Fertigstellung des Bauwerkes, wie er vorher angenommen war, konnte ohne wesentliche Ueberschreitung eingehalten werden, fürwahr eine kurze Spanne Zeit für ein so gewaltiges Unternehmen. Am 25. April 1897 waren die beiden Strompfeiler bis zur Fahrbahnhöhe fertiggestellt; auf den 23. Juni 1897 fällt der Beginn der Montage der Eisenkonstruktion, die am 31. Oktober 1898 beendet wurde. Am 8. Dezember d. J. fand eine Probebelastung statt und am 17. Dezember, am Tage des Erscheinens dieser Nummer wird das Bauwerk in feierlicher Weise dem Verkehr übergeben werden. ‚So sind denn seit kurzer Zeit am Niederrhein zwei grossartige Brückenbauwerke dem Verkehr übergeben worden, welche ihre Entstehung vorwiegend der privaten Thätigkeit verdanken und ein glänzendes Zeugniss ablegen für den industriellen Aufschwung und die wirthschaftliche Stärke der niederrheinischen Industriebezirke.

Dieser Artikel erschien zuerst im Jahr 1998 in der Deutschen Bauzeitung mit dem Autorenkürzel „H.“.

Diese Artikelserie besteht aus 3 Teilen

I. Die Geschichte der Brücke
II. Die Konstruktion der Brücke
III. Die Architektur der Brücke