Der Wettbewerb für eine feste Strassenbrücke über die Süderelbe bei Harburg

Die in den letzten zwei Jahren seitens der Städte Bonn und Worms am Rhein und Harburg an der Elbe ausgeschriebenen Wettbewerbe zu Entwürfen für feste Brücken haben in vielfacher Hinsicht Erspriessliches für die deutsche Brückenbaukunst geleistet.

Einmal veranlassten sie den Bewerber, jeden Fortschritt der Technik zu beachten und selbst auf zweckmässige Neuerungen zu sinnen, sodann durch Abgabe eines Angebotes sich in gewissen Grenzen zu halten, und schliesslich gelangten die Bauherren auf diese Weise schnell und billig in den Besitz einer Reihe trefflich ausgearbeiteter Entwürfe. Auch der erst vor wenigen Tagen abgeschlossene Wettbewerb für eine feste Strassenbrücke über die Süderelbe bei Harburg zeigt die Höhe, welche der deutsche Brückenbau erklommen hat. Wir werden im folgenden einen Gesammtüberblick über diesen Wettbewerb geben und die einzelnen preisgekrönten Entwürfe einer Besprechung unterziehen.

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Die Stadt Harburg war bisher mit den Plätzen Wilhelmsburg und Hamburg auf dem rechtseitigen Elbeufer nur durch eine Eisenbahnbrücke mit schmalem Fussweg und eine Dampf-Fähre verbunden. Seit einigen Jahren bereits genügt die Fähre, die an sich bei starkem Verkehr für die Schiffahrt hemmend ist, nicht mehr dem stetig wachsenden Lokalverkehr. Aus diesem Grunde entschlossen sich die Städte Harburg und Wilhelmsburg mit Unterstützung des preussichen Staates, der durch einen Zuschuss von 1 500 000 M. die Verpflichtung zur Unterhaltung der Fähre ablöst, zum Bau einer festen Strassenbrücke über die Elbe und schrieben zur Erlangung zweckmässiger Entwürfe für dieselbe im Oktober vergangenen Jahres einen öffentlichen Wettbewerb aus.

Bezüglich der Wahl der Hauptträger-Systeme waren den Bewerbern durch folgende Bestimmungen in den erlassenen Vorschriften Schranken gezogen: Die neue Brücke soll den Strom etwa 240 m unterhalb der bestehenden, aus vier Lohseträgern von je rd. 100 m Spannweite gebildeten Eisenbahnbrücke überschreiten und „in ihren Formen und Abmessungen keinen auffallenden Kontrast mit letzterer herbeiführen“; kein Theil des eisernen Ueberbaues darf unter Wahrung genügend flacher Neigungen in den Anschlüssen die Höhe + 5,50 m Harburger Pegel unterschreiten. Mithin kamen nur solche Systeme infrage, deren Hauptlinien sich denen der Eisenbahnbrücke anschliessen und deren tragende Konstruktionen oberhalb der Fahrbahn liegen.

Bezüglich der besonderen Bestimmungen sei bemerkt, dass die Brücke zunächst eine Fahrbahn von 6 m Breite und beiderseits Fussteige von je 1,50 m Breite innerhalb der Hauptträger erhalten soll; für später war die Möglichkeit einer Verbreiterung der Fahrbahn auf 8 m und Verlegung der Fussteige auf Auskragungen der Hauptträger vorzusehen. Für die Fahrbahn selbst war Holzpflaster empfohlen. Die Belastungs-Annahmen waren die üblichen. Die Gesammtkosten durften den Betrag von 2 100 000 M. nicht überschreiten.

In sämmtlichen eingereichten zehn Entwürfen liegt die tragende Konstruktion oberhalb der Fahrbahn und gestattet freien Querverkehr. Neun Entwürfe haben sich durch Anordnung von vier Oeffnungen von je 100 m durchschnittlich hinsichtlich der Strombrücken an die Abmessungen der bestehenden Eisenbahnbrücke angeschlossen. Nur ein Entwurf, ein Auslegerträger, der in der Form einer versteiften Kettenbrücke ähnelt, besitzt eine Mittelöffnung von 203,6 m und zwei Seitenöffnungen von 101,8 m Stützweite. Von den verbleibenden Entwürfen sind fünf Zweigelenkbögen mit wagrechtem Zugbande, zwei solche mit gekrümmtem Zuggurt, einer ein Lohseträger und einer ein Halbparabelträger.

In der Mehrzahl der Entwürfe herrscht das Bestreben vor, Nebenspannungen möglichst zu vermeiden.

Die elastischen Formänderungen der Fahrbahn sind durch Anordnung von Gelenkkonstruktionen und Gleitauflagern unabhängig von denen der Hauptträger gemacht.

Feldweite

Auch die oberen Quer- und Windverstrebungen sind in der Regel gelenkartig mit den Hauptträgern verbunden worden; bisweilen jedoch ist diese meist durch federnde Platten hergestellte Gelenkverbindung durch Einlegen irgend eines Konstruktionstheiles zum Tragen des Eigengewichtes der Versteifung wieder infrage gestellt worden. Von den preisgekrönten Entwürfen ist nur der dritte Preis abweichend hiervon in allen seinen Theilen völlig steif ausgebildet worden; es hat der Verfasser die Mühe nicht gescheut, den Einfluss der hierdurch entstehenden Nebenspannungen genau rechnerisch zu bestimmen. Die Fluthöffnungen, von denen bei der bestehenden Brücke sechs vorhanden sind, sind theils massiv, theils in Eisen ausgeführt. Bezüglich ihrer Anordnung ist in einzelnen Entwürfen der Fehler begangen worden, vier oder acht statt sechs zu wählen, so dass die Pfeiler der neuen Brücke vor die Oeffnungen der bestehenden treten und Eisschiebungen besonders ausgesetzt sind. Die umstehenden Skizzen geben die Linienführung der Strassenbrücken der mit Preisen ausgezeichneten Entwürfe und des seitens des Preisgerichtes zum Ankauf empfohlenen Entwurfs „Neuzeit“.

I. Preis. Kennwort: Süderelbe-Harburg, Variante 1b. Verfasser Aktien-Gesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau, vorm. J. C. Harkort in Duisburg (Ober-Ingenieure: Seifert u. Backhaus). Für die Architektur: G. Thielen in Hamburg. Bauunternehmung; R. Schneider in Berlin.

Abbildg. 1

Die Strombrücke besteht aus vier Zweigelenkbögen mit aufgehobenem Horizontalschub von je 100,49 m Stützweite und 7,73 m Feldtheilung; sie bildet ein harmonisches Ganzes mit der bestehenden Brücke. Die Fahrbahntafel, bestehend aus Quer- und Längsträgern und Buckelblechbelag, der das auf Beton ruhende Holzpflaster trägt, ist mittels der Hängestangen in die Hauptträger „freischwebend“ eingehängt, so dass die elastischer Formänderungen von Hauptträger und Fahrbahn völlig unabhängig von einander erfolgen. Das Prinzip der frei schwebenden Fahrbahn – in grösserem Maasstabe ersten Mal beim Wettbewerb um die Wormser Eisenbahnbrücke angewandt – ist kurz das folgende: Die Querträger jeder Oeffnung sind mit Ausnahme der beiden letzten in den Endfeldern gelenkartig in den Hängegitten aufgehängt; die beiden äussersten Querträger dagegen zur Bildung steifer Endrahmen starr mit den Hängestangen verbunden. Die Längsträger sind in den mittleren Felder mit den Querriegeln vernietet, in den Endfeldern jeder Oeffnung ruhen sie dagegen mittels Gleitlagern auf den Querträgern (Abbildg. 1). Diese Anordnung ermöglicht mithin durch Pendeln der Querträger um die Aufhängepunkte der Hängestangen bezw. Gleiten der Längsträger auf ersteren die Unabhängigkeit der gegenseitigen Bewegungen von Hauptträger und Fahrbahn. Zur Verhinderung eines Wanderns der Fahrbahn, zur Aufnahme von Bremskräften und zur Vertheilung der eigenen Längsausdehnung der Fahrbahn von der Mitte nach den Enden jeder Oeffnung sind die beiden mittleren Querträger mittels Winkel unverschieblich mit den wagrechten Zugbändern verbunden. Zur Ueberdeckung der Spalten zwischen zwei Brückenkörpern über den beweglichen Auflagern sind Rippendilatationen zur Anwendung gekommen (Abbildg. 2).

Abbildg. 2-6

Diese bestehen aus Formstücken, die kammartig ineinandergreifen. Windverbände sind in der Fläche des Obergurts und in der Ebene des Zugbandes vorgesehen. Beide haben gekreuzte, Zug und Druck übertragende Diagonalen, nur in den Endfeldern sind dieselben einfach und zu Spitzen zusammen gezogen, die in der Mitte des oberen bezw. unteren Querriegels des Endrahmens gelagert sind (Abb. 3 u. 4).

Durch diese Anordnung soll erreicht werden, dass die beiden Pfosten des Endrahmens gleichmässig durch den Wind belastet und zur Herabführung desselben nach den Auflagern in gleicher Weise herangezogen werden, In den Mittelfeldern ist der obere Windverband mit dem Hauptträger durch wagrechte Platten, die im lothrechten Sinne federnd wirken, verbunden, um ungleichmässige Durchbiegungen der Mittelrahmen zu ermöglichen. Von Interesse ist noch die Anordnung von Kugellagern (Abb. 5 u. 6).

Die beiden Kipplagertheile greifen kugelförmig in einander und gewährleisten so ohne weiteres eine vollkommene Berührung der Auflagerflächen, selbst bei Aufstellungsfehlern.

Die Fluthbrücke besteht aus sechs Parabelträgern von je 28,72 m Stützweite mit obenliegender Fahrbahn, die die Hauptträger in ihren höchsten Punkten berührt. Wegen der geringen Weite dieser Brücken ist von weitgehenden Einrichtungen zur Verhütung von Nebenspannungen Abstand genommen worden. Das Gewicht an Eisen für das lfd. Meter Strombrücke beträgt 5,69 t, der Einheitspreis für die Tonne Flusseisen 330 M.. Die Gesammtkosten der Brücke sind zu 1 915 202 M. angegeben.

Perspektivische Ansicht des mit dem I. Preise ausgezeichneten Entwurfs

Nachträglich geben wir eine perspektivische Ansicht des mit dem I. Preise bedachten Entwurfes; die Gesammtbaukosten desselben betragen nicht 1 915 202 M., sondern 1 808 428 M.

II. Preis. Kennwort: Harburg-Hamburg. Verfasser: Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg in Nürnberg; für die Architektur: Prof. Hubert Stier in Hannover; für den Unterbau: Gebr. Braun in Hamburg (Mitarbeiter Ing. Gleim und Reg.-Bmstr. Magens).

Abbildg. 7

Die Brücke überschreitet den Strom mit vier Zweigelenkbögen mit wagrechtem Zugbande von je 100,96 m Stützweite, und das Vorland mit sechs unter der Fahrbahn liegenden Parallelträgern von je 31,15 m Stützweite. Den Abschluss der Strombrücke bilden steinerne Portale (Abbildg. 7); zur Ersparniss an Kosten für die Gründung des Endpfeilers ist das Einnehmerhaus für die Brückenwärter von den Portalaufbauten getrennt worden. Der Entwurf für die Strombrücke ist im wesentlichen auf denselben Grundsätzen wie der erste Preis aufgebaut worden. Die grosse Feldweite zur Erzielung eines leichten Aussehens, die Verbindung der Wind- und Querkonstruktion mittels federnder Platten mit den Hauptträgern in den Mittelfeldern und die Anordnung der „freischwebenden“, mit einer Decke aus Holzpflaster auf Beton gebildeten Fahrbahn sind beiden Entwürfen gemeinsam. Die Verfasser haben versucht, auch in der Fluthbrücke die elastischen Längenänderungen von Fahrbahn und Hauptträger unabhängig von einander zu machen. Diese Unabhängigkeit soll erreicht werden durch ein Gleiten der Querträger auf ihren Auflagern in den Vertikalen des Fachwerkträgers (Abbildg. 8). Abgesehen von den grossen zu überwindenden Reibungswiderständen dürfte bald durch Bildung von Rost an den Auflagerstellen jede Möglichkeit eines Gleitens ausgeschlossen sein. Erwähnenswerth ist noch die – bereits in einzelnen Fällen, z. B. bei der Spreebrücke am Bahnhof Bellevue in Berlin ausgeführte – Anordnung eines gemeinsamen festen Auflagers für je zwei Parallelträger (Abbildg. 8). Eine Art Gelenk wird durch Uebereinandergreifen von Knotenblechen geschaffen, das eine bildet dabei einen Kippzapfen für das entsprechend gestaltete andere; hierdurch wird eine genau zentrische Uebertragung der Auflagerkräfte nach dem Auflager ermöglicht.

Abbildg. 8

Ein Nachtheil der Anordnung ist die Unmöglichkeit, die Berührungsflächen später nachzustreichen. Die Gründung der Pfeiler erfolgt auf Beton mit eingerammten Pfählen zwischen Spundwänden. Bei der Fluthbrücke jedoch haben die Verfasser von einer Umschliessung der Baugrube mit Spundbohlen abgesehen, da ihnen eine spätere Auskolkung des Vorlandes für ausgeschlossen erscheint. Das Gewicht an Eisen für das lfd. m Strombrücke beträgt 4,54 t, ausschliesslich der Rillenschienen für die über die Brücke zu führende Strassenbahn. Der Preis für, die Tonne Eisen beträgt 320 M. einschl. Montage und Deckanstrich, die Gesammtbaukosten sind zu 1 640 267 M. berechnet.

III. Preis. Kennwort y=f(x). Verfasser: Reg. Bmstr. Carl Bernhard in Berlin, unter Mitwirkung von Reg.-Bmstr. O. Stahn für die Architektur, Reg.-Bfhr. Grüning für die Eisenkonstruktion und Bauunternehmer Möbus, Charlottenburg.

Die Strombrücke besteht aus vier Zweigelenkbögen mit aufgehobenem Horizontalschub von je 100,76 m Stützweite. In der äusseren Erscheinung weichen die Bögen durch die geringe Feldweite (4,58 m) und durch die in den beiden äussersten Feldern jedes Bogens erfolgte Herabziehung des Zugbandes nach den Auflagern erheblich von den bisher besprochenen Entwürfen ab. In konstruktiver Hinsicht unterscheidet die völlig steife Ausbildung sämmtlicher Querrahmen und eine neue Fahrbahn-Anordnung den Entwurf vom I. und II. Preis. Für die Fahrbahndecke ist dem Asphalt der Vorzug vor dem in allen übrigen Entwürfen gewählten Holzpflaster gegeben worden; einmal ist nach Erfahrungen des Verfassers an Berliner Brücken Holzpflaster bei Einlage von Schienen nicht zu empfehlen, da es sich schneller abfährt als diese unentbehrlichen Eisentheile, vor allem aber ist es schwierig, die Fahrbahn später, wie geplant, zu verbreitern, denn an der Grenze greifen neue und abgefahrene Klötze mit Verband in einander, so dass die gleiche Höhe bei beiden nicht einzuhalten ist.

Abbildg. 9-19

Die Unterstützung der 5 cm starken Asphaltbahn erfolgt durch Beton und Eisen in der folgenden bisher noch nicht ausgeführten Form (Abbildg. 9 u. 10). Zwischen den Querträgern, in Abständen gleich der Feldweite, sind Blechbögen mit 1/8 Pfeilverhältniss gespannt, welche durch stumpfe an die Querträger-Stehbleche genietete Winkeleisen mit jenen verbunden und durch Z-Rippen aus Winkeleisen mit leichtem Flacheisen-Gitterwerk versteift sind. Die Bögen werden 10 cm hoch mit Stampfbeton beschüttet und bilden in Verbindung mit dem Beton und dem Gitterwerk ein Gewölbe mit einem infolge der Adhäsion zwischen Eisen und Beton als einheitlich zu betrachtenden Querschnitt.

Die Gewölbe werden zur Zwickelausgleichung mit einem leichten Bimskiesbeton vom spez. Gewichte 1,1, bedeckt; über das Ganze wird dann ein Drahtnetz nach Monierart in 4 cm Zementmörtel ausgespannt, welches zur Schaffung einer genauen Unterlage für den Asphalt dient und vor allem eine Zugkräften widerstehende Verbindung der Betonkörper über die Querträger hinweg bildet, um jede Rissebildung auszuschliessen. Jedes Gewölbe ist berechnet als eingespannter Bogen mit starren Widerlagern. Das Gewicht für ein Feld von 4,58 m Weite und 1 m Breite beträgt einschliesslich Querträger 3,02 t. Die Fahrbahn lehnt sich an eine ähnliche jedoch ebene Anordnung an, welche für den I. Preis in dem Wettbewerbe für eine Strassenbrücke über den Rhein bei Worms gewählt wurde. Sie weist gegenüber Zoreseisenbelag eine Ersparniss an Kosten und Gewicht auf, gegenüber Buckelplattenbelag besitzt sie den Vortheil der rostsicheren Einhüllung aller unzugänglichen Eisentheile durch Zement, während zu ihren Ungunsten das grössere Eigengewicht infolge der bedeutenden Betonmassen anzuführen ist.

Sämmtliche Querrahmen sind zur gleichmässigeren Vertheilung der Verkehrslast, wie erwähnt, steif ausgebildet; die hierdurch hervorgerufenen, über 400 kg/qcm nicht hinausgehenden Nebenspannungen sind genau berechnet worden.

Die obere Queraussteifung ist je nach der zur Verfügung stehenden Höhe des Bogens verschieden hoch. Abbildg. 11 und 12 zeigen die Anordnungen des Endquerrahmens und das in zweckmässiger Weise möglichst niedrig gehaltene feste Auflager. Der am Auflager liegende Endquerträger ist, wie Abbildg. 13 zeigt, zur Aufnahme des einseitigen Horizontalschubes der Fahrbahn kastenförmig ausgebildet worden. Abbildg. 14-16 geben die Anordnung der äusserst kräftig konstruirten kammförmigen Dilatation über den beweglichen Auflagern, deren offene Fugen 26 mm nicht überschreiten. Windverbände liegen in der Fläche des Obergurts und in der Ebene der Fahrbahn. Beide haben die infolge Verringerung der Knicklänge und der Spannkräfte in den Stäben zweckmässige K-Form, indem von den Knotenpunkten der Hauptträger Stäbe nach den Mitten der dem Auflager näher liegenden Querträger bezw. Querriegel gehen. Für die Windverbände sind in der Mitte der Pfeiler Lager (Abb. 17 u. 18) angeordnet, die alle seitlichen Kräfte aufnehmen, in axialer Richtung jedoch freie Beweglichkeit gestatten.

Das Gewicht an Eisen ohne Rillenschienen für das lfd. m Strombrücke beträgt 6,05 t, der Preis für 1 t 462,25 M.

Das Vorland ist durch 6 massive Bögen überbrückt, die zur Erzielung eines kleinen Pfeilverhältnisses (1:10) und geringer Kosten in einer aus Beton und Eisen zusammengesetzten Konstruktion ausgeführt worden sind. Gitterträger aus vier Winkeleisen mit Flacheisengitterwerk sind nach der Form des Bogens gekrümmt und mit einer ebenso gekrümmten Blechhaut vernietet (Abbildg. 19). Auf diese Blechhaut ist Beton aufgebracht, nach dessen Erhärten – wie bei der besprochenen Fahrbahn – ein Gewölbe mit einem als einheitlich zu betrachtenden Querschnitt entsteht. Zum Schutze der Blechhaut sind Rundeisenstäbe von 8 mm Durchmesser in 50 cm Abstand mittels Hafter an dieser befestigt. Ueber sie wird ein Drahtnetz gespant und dieses mit einem 3-5 cm starken Zementüberzug geputzt. Zur Ersparniss an Material und Erzielung möglichst gleichmässiger Belastung durch die ruhende Last sind nahe den Kämpfern Hohlräume gelassen. Der Architekt hat zur Ersparniss an Kosten nur die eine Hälfte jeder Einfahrt mit einem in Backsteinfugenbau gedachten Abschluss versehen. Die Gründung aller Pfeiler erfolgt in diesem wie in all noch zu besprechenden Entwürfen auf Beton mit gerammten Pfählen zwischen Spundwänden.

Der Gesammtpreis für die Ausführung des Entwurf beziffert sich auf 2 053 030 M.

IV. Preis. Kennwort: Harburg. Verfasser: Maschinenbau-Aktiengesellschaft Esslingen in Eslingen (Oberingenieur Kübler); für die Architektur: G. Radel; für den Unterbau: Hintzpeter in Hamburg.

Die Verfasser haben für den Entwurf sechs gleiche Fachwerkbögen mit wagrechtem Zugbande von je 99 m Stützweite gewählt, von denen vier den Strom und zwei das Vorland überbrücken. Bezüglich der eigenartigen Form des Bogenobergurts sei auf die Skizze auf Seite 149 in No. 24 verwiesen. Die Fahrbahndecke besteht aus 12 cm starkem Holzpflaster auf einer Betonunterlage, die durch Zoreseisen unterstützt ist. Die Eisen sind mit Rücksicht auf eine spätere Verbreiterung der Fahrbahn und zur Ermöglichung der Verlegung eines Kabels für de unterirdische Stromzuführung der elektrischen Strassenbahn parallel zur Axe der Brücke verlegt. Im übrigen stimmt der sorgsam ausgearbeitete Entwurf in der gelenkartigen Aufhängung der Querträger, der gelenkartigen Befestigung der Quer- und Windversteifungen an den Hauptträgern und der Anordnung der Windverbände mit dem I. und II. Preis im wesentlichen überein. Auch die elastischen Formänderungen der Fahrbahn sind in beschränktem Maasse unabhängig von denen der Hauptträger dadurch gemacht worden, dass die Fahrbahnlängsträger an dem einen Ende beweglich an die Querträger angeschlossen worden sind.

Das Gewicht an Eisen ohne Rillenschienen für das lfd. m Brücke beträgt 5,88 t, der Preis für die Tonne Eisen 320 M. ohne Montage und Deckanstrich. Der Gesammtpreis der fertigen Brücke ist mit 1 994 419 M. berechnet.

Unter den nicht mit Preisen ausgezeichneten Entwürfen ragt vor allem der zum Ankauf empfohlene Entwurf „Neuzeit“ der Aktien-Gesellschaft Union in Dortmund in Verbindung mit der Firma Philipp Holzmann in Frankfurt a. M. hervor durch die Art, in der der Entwurf der Linienführung der Lohseträger der bestehenden Brücke folgt und sie gleichzeitig verbessert, und durch die gute, bis ins Einzelne gehende Ausbildung der Konstruktion: Während der Lohseträger unter Voraussetzung einfacher Diagonalen bei n Feldern bereits n-fach statisch unbestimmt ist, ist das gewählte System durch Verwandlung des steifen Zuggurtes in eine Kette nur einfach statisch unbestimmt. In konstruktiver Hinsicht ist auf folgendes aufmerksam zu machen. Die Fahrbahndecke besteht, nach dem Muster der Kaiserbrücke zu Bremen, aus einem 12 cm starken Holzpflaster in Asphalt auf einer 5 mm starken, von eichenen Längsbohlen getragenen Asphaltpappschicht (Abbildg. 20). Die in 10 mm Abstand verlegten Längsbohlen werden durch kieferne, dem Quergefälle der Fahrbahn entsprechend gebogene Querschwellen getragen. Die Fahrbahn selbst ist in gleicher Weise wie beim I. Preise „freischwebend“ gedacht (Abbildg. 20 u. 21). Windverbände sind in den Flächen des Obergurts und Untergurts und in der Ebene der Fahrbahn angeordnet. Die beiden oberen Verbände haben – wie im III. Preise – K-Form erhalten und sind in den Mitten des oberen bezw. unteren Querriegels des ausgesteiften Endquerrahmens gelagert (Abbildg. 21). Der untere Windverband hat eine besondere aus vier Winkeln gebildete Gurtung erhalten, da sich ja in diesem Entwurf nicht wie in den bisher besprochenen das Zugband als Gurtung benutzen lässt. Gegen seitliche Schwankungen ist die Gurtung durch ein an den Querträgern längs laufendes Winkeleisen, mit dem sie durch ein leichtes Fachwerk verbunden ist, ausgesteift (Abbildg. 20), An den Enden sind die Gurtungen zu einer Spitze zusammengezogen und in der Mitte des unteren Querriegels des eisernen Endportals gelagert (Abbildg. 21).

Abbildg. 20-22

Die Füllungsstäbe bilden mit den als Pfosten wirkenenden Querträgern einfache Andreaskreuze. Durch Vermeidung von Versteifungen in der lothrechten Ebene der Mitttelrahmen sind die Hauptträger in der Lage, sich bei einseitiger Verkehrsbelastung ungleich durchzubiegen. Abbildeg 21 giebt die Anordnung des Endquerrahmens und des Endportals, welches an den beweglichen Auflagern mit einer kammförmigen Dilatations-Vorrichtung versehen ist, wie die Abbildung zeigt. Die Fluthbrücke besteht aus vier Bögen von je 50,40 m Stützweite, für die an der Linienführung der Hauptträger festgehalten worden ist. Auf beiden Enden der Brücke sind architektonische Aufbauten in spätgothischen Formen angebracht, Abbildg. 22 zeigt die Anordnung des auf der Harburger Seite befindlichen, zu einem zweigeschossigen Brückenwärterhaus ausgebauten Abschlusses. Das Gewicht an Eisen für 1 lfd. m Strombrücke ausschliesslich Rillenschienen beträgt 5,37 t, der Preis für die Tonne Eisen 334 M. Der Gesammtbetrag für die Ausführung des Entwurfes ist zu 1 923 034 M. angegeben.

Hinsichtlich der verbleibenden, nicht in die engere Wahl gelangten Entwürfe können wir uns auf eine kurze Bemerkung beschränken. Mit Ausnahme eines nur als Ansicht eingereichten Entwurfs sind sämmtliche Arbeiten mit grosser Sorgfalt behandelt, bieten jedoch in der Ausbildung nichts wesentliches, das nicht allgemein bekannt oder in diesem Aufsatze bereits gesagt wäre.

Wir stehen am Schlusse unserer Betrachtung! Man erkennt, welche Fülle von Arbeit die Bewerber in der kurzen Zeit von 3 ½ Monaten bewältigt haben. Alte erprobte Konstruktionen sind verbessert worden und neue Gedanken haben sich ihnen zugesellt. Möge die Erfahrung zeigen, dass sie einen Fortschritt im Brückenbau bezeichnen.

Zum Schlusse bemerken wir noch, dass seitens des Preisgerichts der II. Preis zur Ausführung empfohlen wurde, da er neben anderen Vorzügen den der Billigkeit besitzt.

Dieser Artikel erschien zuerst 24.03. & 03.04.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „e“.