Die Reyherbrücke bei Magdeburg

Die Reyherbrücke bei Magdeburg

In dem Rothehorn-Park von Magdeburg, einem überaus anmuthigen Gelände zwischen den beiden Armen des sich hier theilenden Elbstromes, hat die Ueberbrückung des die Werderinsel ihrer Länge nach durchziehenden Fluthlaufes der sogen. „Tauben Elbe“ Veranlassung zu mehreren einfachen Brückenbauten gegeben, von denen der bedeutendste, die „Reyherbrücke“, hier in Wort und Bild mitgetheilt werden mag.

Während es sich bei zwei weiter oberhalb der Tauben Elbe gelegenen Brückenstellen nur um die Ueberführung von Promenadenwegen handelte und hübsche Beton-Bogenkonstruktionen gewählt wurden, war hier eine Fahrstrasse, mit zwei Fussgängersteigen vorhanden, die in einer Gesammtbreite von 10 m zwischen den Geländern und mit einer freien Spannweite von 15 m in möglichst eleganter Form den Flusslauf überschreiten sollte. Da auch an den Widerlagern ein möglichst freies Profil zur Durchfahrt für Nachen und im Winter für den Eislauf geschaffen werden sollte, ganz abgesehen von dem zur Abführung der Hochwassermenge erforderlichen Mindestmaass der Durchflussöffnung, so musste von einer Bogenform mit tief zum Wasserspiegel herabreichenden Kämpfern Abstand genommen werden. Auch der Abwechselung halber zog man eine neue charakteristische Ausbildung der Tragekonstruktion der Brücke vor, für welche die Hängegurt-Trägerdecke nach dem System des Hrn. Prof. Möller in Braunschweig als allen örtlichen und sonstigen Verhältnissen am besten entsprechend gewählt wurde.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Letzteres besteht bekanntlich im Wesentlichen aus einer die Druckgurtung bildenden, hier 25 cm starken Betonplatte, aus er nach unten fischbauchartige Stege hervorragen; diese sind durch starke Flacheisen, welche als die Zuggurtung der Träger auftreten, gesäumt. Auf die Berechnung der einfachen Konstruktion braucht nicht weiter eingegangen zu werden. Da diese Konstruktion nur senkrecht in die Widerlager übergehenden Auflagerdruck erzeugt, und andererseits die Widerlager wirksam gegen Erddruck aussteifen, so brauchen letztere auch nur als verhältnissmässig schwache Ufermauern hergestellt zu werden. Die Kosten müssen also überhaupt gering ausfallen!

Die Reyherbrücke bei Magdeburg
Die Reyherbrücke bei Magdeburg

Die eigenartige Form der Träger mag zwar nicht Jedem behagen, weshalb schon in früheren anderweit ausgeführten Beispielen versucht ist, die untere Begrenzungslinie derselben durch einen Umriss nach dem Korb- oder Segmentbogen angenehmer zu gestalten. Die auf diese Weise entstehenden Zwickel der Gewölbestirnen, die rein als Blendwerk erscheinen würden, können aber unter Umständen zu einer grossen Gefahr für die Brücke werden, wenn bei Hochwasser treibende Gegenstände, wie z. B. Baumäste, sich dahinter festsetzen und eine Profil-Einschränkung herbeizuführen imstande sind. Es wurde daher vorgezogen, die Trägerform unverhüllt im Aeusseren zu zeigen, aber auch die Untersicht der Brückenbahn im vollen Umfange als entsprechend geschwungene Gewölbelaibung herzustellen. Zu dem Zwecke sind die Stege der Brückenträger durch Einschiebung von 10 cm starken Betonplatten mit Eiseneinlage geschlossen, derart, dass sie bündig mit den Unterkanten der Träger abschneiden und somit die ganze Unterfläche einheitlich glatt geputzt werden konnte.

Im Aeusseren kam es nun darauf an, die ungewöhnliche hängegurtartige Gestalt zum befriedigenden Ausdruck zu bringen. In wie weit das gelungen ist, zeigt die beigefügte Abbildung. Jedenfalls darf die Erscheinung des Brückenbauwerkes als überraschend zierlich und wohlgelungen bezeichnet werden, wie es zur landschaftlichen Umgebung vortrefflich passt. Die Verzierung der Stirnen ist einfach und verständlich; aus den beiden Aufrollungen über den Auflagern entwickelt sich ein kräftiger Bündelstab, der mit einem Pflanzen-Ornament in naturalistischer Weise ausgefüllt ist. Diese Ansichtsflächen sind nach Thonmodellen in Gipsformen abgegossen, wonach die Einstampfung in Beton unmittelbar in Verbindung mit der Brückentafel erfolgt ist. Die Quader der Ufermauern sind in Formen gestampft und versetzt, Sandstein ist nur für die Pfeiler zwischen dem schmiedeisernen Brückengeländer zur Verwendung gekommen; es handelt sich also um eine reine Betonbrücke.

Dieselbe ist zwischen Spundwänden mittels 1,50 m starker Zementbeton-Fundamente im Mischungsverhältniss von 1:4:6 gegründet, die Ufer- und Flügelmauern haben eine Stärke von 80 cm erhalten und sind in der Mischung von 1:3:3 ausgeführt. Von der 10 m betragenden Brückenbreite entfallen 6 m auf die Fahrbahn und je 2 m auf die beiderseitigen Bürgersteige. Die Bordkanten der letzteren sind zur Abgrenzung gegen den Fahrdamm mit gusseisernen Formstücken eingefasst.

Zu dem Betonmaterial ist gebaggerter Elbkies, Sand und Vorwohler Portland-Zement zur Verwendung gekommen. Für die Ausführung des eigentlichen Brückenbauwerks war nur ein Zeitaufwand von etwa 6 Wochen erforderlich. – Die Probebelastung der Brücke wurde mit gleichmässig vertheilter Last vorgenommen, zu welchem Zwecke schon am Tage vorher eine Kiesschicht von 40 cm Höhe für die Fahrbahn und von 32 cm für die Bürgersteige aufgebracht wurde. Unter Berücksichtigung der durch starken Regenfall bewirkten vollständigen Durchnässung des Belastungsmaterials kann ein kubisches Gewicht desselben von 1800 kg angenommen werden. Danach stellte sich die Belastung auf 720 kg für 1 qm für die Fahrbahn und 580 kg für die Bürgersteige, während für die statische Berechnung eine Nutzlast von 500 bezw. 400 zugrunde gelegt war. Von der Seitens der Baupolizei ursprünglich verlangten Belastung in Höhe des 3-4-fachen Gewichts der thatsächlichen Nutzlast wurde Abstand genommen.

Bei Besichtigung der belasteten Brücke, etwa 24 Stunden nach Aufbringung der Last, zeigten sich nur an den beiden Auflagern der Brückenkonstruktion schwache Risse in dem Betonkörper, welche als Folge elastischer Durchbiegungen, somit als unbedenklich angesehen und an den betreffenden Stellen sogar erwartet werden mussten. Diese Risse haben sich denn auch nach Beseitigung der Auflast fast vollkommen wieder geschlossen.

Zur Entwässerung und Lüftung der zwischen den einzelnen Gurtträgern befindlichen Hohlräume, in welchen sich zufolge der porösen Beschaffenheit des Materials Wasser ansammeln kann, sind übrigens noch für jede Trägerkammer an den tiefsten Stellen Löcher von 6-7 cm Durchmesser eingestemmt und mit kupfernen Drahtgittern verschlossen worden. Im übrigen mag noch bemerkt werden, dass zum Schutze des Bauwerks gegen Hochwasser und Eisgang die Böschungen vor den beiden Widerlagsmauern beiderseitig auf etwa 5 m abgepflastert sind, ohne dass es aber für nothwendig erachtet ist, eine Pflasterung der Sohle zwischen den Widerlagern unterhalb der Brückenbahn vorzunehmen.

Die Kosten der ganzen Brückenkonstruktion, wie sie an die Firma Drenckhahn & Sudhop in Braunschweig zu einer Pauschalsumme übertragen war, haben sich auf 2 M. belaufen, ausserdem wurden 500 M. für die Dekoration der beiden Trägerstirnen bewilligt. Ausgeschlossen war dabei nur die Herstellung der schmiedeisernen Geländer zwischen den Sandsteinpfeilern, sowie die Pflasterung der Brückenbahn, die in Kleinsteinpflaster auf Betonunterlage städtischerseits erfolgte; dagegen war die Herstellung der Bürgersteige in Mosaik-Zementplatten der Braunschweiger Firma mit übertragen. Damit stellen sich die Gesammtkosten des Brückenbauwerks auf rd. 23.000 M., was einem Einheitspreise für 1 qm der Brückenbahn von rd. 100 M. entsprechen würde.

Dieser Artikel erschien zuerst am 03.07.1901 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „P.“.