Pferdedressur

Die Pferdedressur ist nicht nur eine manuelle Fertigkeit, sondern eine wirkliche Kunst. Die Ausübung verlangt nicht nur theoretische Kenntnisse der Anatomie und Physiologie des Pferdekörpers, sondern auch mathematische Kenntnisse.

Der Dresseur muß aus der Propositionslehre des Körperbaus, der Organisation im ganzen und einzelnen die Abrichtungsfähigkeit des Pferdes beurteilen können. Ferner muß er über die Gesetze der Mechanik orientiert sein, um aus der Hebelwirkung und Winkelbildung die Stellung und Bewegungsthätigkeit des Tieres bemessen und bemeistern zu können.

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Die Dressur eines Wagenzugpferdes ist wesentlich einfacher als die eines Reitpferdes. Aber auch die Abrichtung eines Reitpferdes ist je nach den einzelnen Gebrauchszwecken verschieden. So unterscheiden wir Renn-, Jagd-, Schul-, und Kampagnepferde.

1. Das Pferd wird mit dem Hindernis bekannt gemacht
2. Sprung des Schulpferdes an der Leine
3. Hochsprung des Pferdes mit Erhöhung des Hindernisses

Als Rennpferde bezeichnet man solche, die zur Entwicklung der höchsten Geschwindigkeit unter geringem Gewicht und auf ebener Bahn durch Uebung der Muskeln und Lungen sowie durch künstliche und diätetische Vorbereitung erzogen werden. Durch ein künstlich systematisches Verfahren, das „Training“, ist man bemüht, durch lang anhaltende Bewegung bei reichlichster Ernährung die Säfte des Körpers den Muskeln zuzuführen und sie so zu den höchsten Leistungen in einer äußerst kurzen Zeitspanne fähig zu machen.

4. Langer Sprung des Schulpferdes an der Leine
5. Freier Sprung über die Barriere unter dem Reiter
6. Freier Sprung des Pferdes über eine Mauer

Das Jagdpferd hat den Zweck weite Strecken querfeldein im Galopp ohne Rücksicht auf vorkommende Hindernisse zurück zulegen. Man verwendet es zu Rennen mit Hindernissen, bei Parforcejagden, um den Hunden zu folgen, stellt aber an seine Geschwindigkeit nicht die Anforderungen wie bei Rennpferden. Der Galopp in langen Sprüngen ist vorzugsweise die Gangart, in der sich diese Pferde andauernd bewegen müssen. Dabei soll das Jagdpferd geübt sein, Hindernisse jeder Art und ohne Zeitverlust zu nehmen. Die Zeit seines Laufes umfaßt eine viel größere Dauer, auch ist seine Belastung in der Regel stärker als beim Rennpferd. Um die nötige Muskelkraft und ausreichenden Atem für das Pferd zu gewinnen, wendet man auch beim Jagdpferd vielfach eine künstliche Vorbereitung an.

Das Schulpferd ist bestimmt, zu zeigen, bis zu welcher Höhe der Vollendung das Verständnis zwischen Reiter und Pferd, der Gehorsam und die Körperausbildung in Bezug auf Gewandtheit, Biegsamkeit, momentaner Kraftentwicklung und Grazie der Bewegungen getrieben werden kann. Wie sein Name schon besagt, ist sein praktischer Zweck, das Unterrichtspferd für Schüler der höheren Reitkunst abzugeben. Der Schüler soll durch eine Menge künstlicher Gänge und Wendungen, die das Pferd ausführt, lernen, seine Hilfe nach Kraft und Zeit richtig zu kombinieren, um jene hervorzubringen. Endlich werden Schulpferde zu künstlichen Luftsprüngen, die die größte Kraftentwicklung verlangen, dressiert. Sie dienen dazu, um den Gehorsam und die Muskelausbildung des Pferdes zur Anschauung zu bringen, dann aber auch, um den Sitz des Reiters zu prüfen und zu befestigen. Die Reitbahn ist der Tummelplatz des Schulpferds. Die Schulsprünge sind als die höchste Stufe der Ausbildung des Pferdes nach Verständnis, Gehorsam und Muskelausbildung anzusehen.

7. Letzer Triumph der Dressur – Freier Sprung des Schulpferdes über eine Barriere
8. Nach Beendigung des Trainings – Der Reiter auf seinem dressiertem Schulpferd

Das Kampagnepferd umfaßt die große Menge der Gebrauchspferde für das Leben vom königlichen Paradepferd bis zum Kavalleriegliederpferd, vom Promenadenpferd des Millionärs bis zum Pferd des Wirtschaftsinspektors, vom Damenpferd bis zum Hetzklepper herab. Die Anforderungen an Dressur, Schnelligkeit, Belastung und Arbeitskraft sind somit äußerst verschieden, selbst beim Soldatenpferd. Vom Pferd des Abdjutanten höherer Befehlshaber, der meilenweite Schnellritte zu machen hat, bis zum Pferd des an die Truppe gebundenen Infanterieoffiziers ist ein weiter Abstand. Die Anforderungen dagegen, die man an das Pferd des Kavalleristen in Reih und Glied zu stellen hat, sind ziemlich genau begrenzt. Daß Schnelligkeit, Gewandtheit und Ausdauer Vorzüge unseres Soldatenpferdes sind, haben die Feldzüge von 1866 und 1870/71 ja zur Genüge gezeigt.

Unsere Bilder führen uns in systematischer Reihenfolge die Dressur von Pferden vor. Zur Ueberwindung der hierbei verlangten Hindernisse gehören in erster Linie gute Pferde, die als Springer bekannt sind. Der Reiter muß dem Pferd die Hindernisse täglich zeigen und es an diese gewöhnen. Erst dann soll versucht werden, Hecken, Mauern, Barrieren und Gräben im Galopp zu überspringen. Die Vorbereitung des Pferdes ist sehr anstrengend. Bei einem Pferd gebraucht man hierzu vierzehn Tage, bei dem andern drei Monate. In der Regel genügen sechs Wochen zur Vorbereitung. Die Arbeit in dieser Zeit besteht in zwei bis zweieinhalb Stunden Trabbewegungen, die mit einigen Kanters abwechseln. Dann muß man die Pferde in den ersten vierzehn Tagen an der Leine springen lassen. Acht Tage darauf meidet man sämtliche Hindernisse, um dann wiederum das Springen an der Leine auszuführen. Höhe und Länge der Hindernisse wird dann fortschreitend vergrößert: Erst wenn diese Vorbildung beendet und zur Zufriedenheit ausgefallen ist, besteigt der Reiter wiederum das Pferd, um jetzt das mühevolle Training zum Springen zu beenden. Nur auf diese Weise ist es möglich, die Pferde zu den außerordentlichen Springleistungen zu dressieren.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.04.1901, er war gekennzeichnet mit “Philippos”.