Der Gedanke, in der Nähe der grossen Städte für besser gestellte Einwohner Villenanlagen zu schaffen, ist nicht mehr neu; er ist oder wird in Deutschland, hier früher, dort später, zur Ausführung gebracht, je nachdem bequeme Verkehrs-Verbindungen durch Strassenbahnen, Eisenbahnen oder Dampfschiffe vorhanden sind oder erst neu geschaffen werden müssen.
In Hamburg und Altona konnte aber dieses Bestreben, sich Einzelhäuser mit Garten auf dem Landgebiete zu beschaffen, erst richtig zur Geltung kommen, nachdem die beiden Städte dem deutschen Zollgebiete einverleibt waren, wodurch die ungünstig abgrenzende und einschnürende Zollgrenze mit ihren Belästigungen verschwand.
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Nun erst begann man das eigentliche Weichbild der Stadt mit dem Villenbau zu verlassen und diese Bauten mehr auf dem Lande zu errichten.
Vielleicht dürfte eine kurze Beschreibung der Entstehung und Entwicklung der ältesten, jetzt fast vollständig ausgebauten, sowie einer im Entstehen begriffenen Villenanlage bei Hamburg-Altona für unsere Leser von Interesse sein.
Infolge der Bestimmung des Zollanschlusses der beiden Städte Hamburg und Altona hatte man schon 1881 in einer Entfernung von etwa 12 km von Hamburg und etwa 8 km von Altona in unmittelbarer Nähe der Hamburg-Altona-Blankeneser Eisenbahn ein zusammenhängendes Landgebiet von beinahe 25 ha mit dem Gedanken angekauft, hieraus die Villen-Anlage Neuothmarschen zu gestalten.
Das Gebiet wurde durch den Ausbau vorhandener und neu geschaffener Wege derart eingetheilt, dass Bauplätze mit durchschnittlich 60 m Tiefe entstanden. Die Breite der Grundstücke wurde nach Wunsch verkauft, so dass die Grösse derselben zwischen rd. 1200 und 7500 qm wechselt.
In den Strassen, welche alle eine Gesammtbreite von 12 m mit beiderseitigen Bürgersteigen von je 3 m erhielten, wurden gleich Siele eingebaut, welche Abfluss in das Altonaer Sielsystem erhalten konnten. Während die Gesammtanlage ferner durch Anschluss an die Wasserleitung der Stadt Altona, welche ihr Wasser aus den Filtrationswerken in Blankenese erhält, auch mit gutem Trinkwasser versehen werden konnte, musste für die Strassen- und Hausbeleuchtung der Villenanlage eine eigene elektrische Zentrale gebaut werden, deren Bau und späteren Betrieb man der Firma Gebr. Körting in Hannover übergab.
Endlich wurde für die Bewohner der Anlage eine eigene Haltestelle angelegt, wozu das erforderliche Gelände unentgeltlich hergegeben werden musste.
Um der gesammten Anlage nun durchaus den Villen-Charakter für immer zu bewahren, wurden den Käufern von Grundstücken für sich und ihre Besitznachfolger hypothekarisch dahin zielende Bedingungen vorgeschrieben.
Hiernach waren nur Einzelfamilien-Wohnhäuser im Villenstil zulässig, in denen keinerlei gewerblicher Betrieb geführt werden durfte; ferner musste eine Bauflucht von 12 bezw. 15 m inne gehalten und endlich darf das Grundstück nicht getheilt werden. Wie oben schon erwähnt, waren aber vorerst für die Entwicklung der Anlage die noch vorhandene Zollgrenze, die um Altona und Hamburg herumführte, die Neuheit einer Villenanlage in den beiden Städten, sowie endlich der geringe Anwuchs der Anpflanzungen ausserordentlich hinderlich, sodass in den ersten 7 Jahren, bis zu dem 1888 erfolgenden Zollanschluss der beiden Städte, nur etwa 10 % der Liegenschaften verkauft wurden. Nachdem dann aber die Zollgrenze gefallen, die Anpflanzungen gewachsen waren und die Gesammtanlage hierdurch mehr und mehr den Garten-Charakter angenommen hatte, wurden dagegen in den darauf folgenden 7 Jahren etwa 75 % des Besitzthums abgegeben. Jetzt sind nur noch einige Plätze vorhanden, die sich ihrer abgelegenen Lage wegen etwas schwerer verkaufen lassen.
Die Preise sind für alle Plätze, einerlei, ob nahe oder fern von der Haltestelle, immer die gleichen gewesen, sind dagegen von 3 M. für 1 qm in den letzten Jahren bis auf etwa 11 M. gestiegen. Im ganzen sind gegen 50 Villen und zwar von den Architekten Kallmorgen, Lorenzen & Stehn, A. Petersen, Schmidt & Neckelmann, Alb. Winkler u.a.m. erbaut.
Die Villenanlage Hochkamp, welche 2 km weiter, ebenfalls an der Haburg-Altona -Blankeneser Eisenbahn liegt, umfasst ein zusammenhängendes, fast 100 ha grosses Gelände, das von 33 Landbesitzern zusammengekauft werden musste. Sie ist gewissermaassen die Fortsetzung von der eben beschriebenen Anlage in grösserem und verbessertem Maasstabe, weil alle bei der älteren Anlage gemachten Erfahrungen bei der neuen, um so mehr verwendet werden konnten, als der Geschäftsleiter bei beiden dieselbe Persönlichkeit ist.
Da das ganze Gelände einen bedeutend grösseren Umfang hat, so sind bei der Auftheilung desselben, Haupt- und Nebenstrassen vorgesehen. Die Hauptstrassen erhalten zu beiden Seiten 4 m breite Bürgersteige mit Baumpflanzungen und eine Fahrstrasse von 6 m Breite, die Nebenstrassen dagegen nur 2 m breite Bürgersteige ohne Bäume.
Um den vornehmen Villencharakter bei dieser Kolonie noch mehr hervorzuheben, sind alle Haupt- und Nebenstrassen 1,5-2m tiefer gelegt, als das anliegende Baugelände, trotz der bedeutenden hierdurch entstehenden Erdarbeiten; ferner ist die Bauflucht bei allen Bauplätzen in 20 m Breite vorgeschrieben, und es sind die Käufer verpflichtet worden, den ansteigenden Raum zwischen Haus und Strasse als Ziergarten anzulegen. Selbstverständlich dürfen auch hier nur Einfamilienhäuser im Villenstil mit Ausschluss jedes Gewerbebetriebes erbaut werden und endlich ist das Verbot der Theilung der Grundstücke dieser Kolonie vorgesehen.
Für Strassen- und Hausbeleuchtung ist eine eigene elektrische Zentralstation, gleichfalls durch Gebrüder Körting erbaut und durch Anschluss an die Altonaer Stadtwasserkunst erhalten die Villenbewohner ein gutes Trinkwasser.
Jeder Besitzer eines bebauten Grundstückes ist dagegen verpflichtet, nach Verhältniss seiner Strassenfront sich an den Anschaffungskosten der Beleuchtungskörper zu betheiligen und einen jährlichen Beitrag bis zu 1 M. für 1 lfd. m Strassenfront zu zahlen. Dagegen hat die Verwaltung bei dieser Anlage den Betrieb der elektrischen Station selbst übernommen, weil es mehr auf die Abgabe eines guten Lichtes ankommt, als auf die Rentabilität der Zentralanlage selbst.
Schwieriger war jedoch die Lösung der Entwässerungsfrage dieses Geländes, weil ein selbständiges Stammsiel von 2,6 km Länge nach der Elbe hin und in einer Tiefe bis zu 15 m erbaut und für die unmittelbare Einführung dieses Sieles in die Elbe erst die Erlaubniss von 3 Ministern eingeholt werden musste.
Ebenso war dieses Mal die Einschaltung einer Haltestelle mit grossen Kosten und Umständlichkeiten verknüpft.
In das bestehende Gefälle der Bahn musste nämlich die Bahnhofshorizontale eingefügt werden und dann waren ausser dem Empfangsgebäude noch 2 Unterführungen erforderlich. Das in stilvoller Weise und in Ziegelverblend-Mauerwerk ausgeführte Stationsgebäude mit der südlich der Bahn belegenen Restauration passen sich dem Villencharakter der ganzen Umeebung in würdiger Weise an.
Als eine grosse Annehmlichkeit der späteren Villenbewohner dieser Kolonie muss die Anlage eines grossen zur freien Benutzung stehenden Spielplatzes in der Nordwestecke angesehen werden und ferner, dass zu beiden Seiten aller Strassen neben den Kantsteinen Radfahrwege aus 45 cm breiten Zementplatten angelegt worden sind.
Da das ganze Gelände meist aus früheren Ackerfeldern zusammengelegt ist, also Baumanpflanzungen bei dem Ankauf vielfach fehlten, so sind bedeutende Baumschulen angelegt, aus welchen schon jetzt eine ganze Anzahl Grundstücke mit Anpflanzungen versehen worden sind, und aus welchen nach und nach die übrigen Grundstücke bepflanzt werden sollen. Schon jetzt kommt an manchen Stellen der Gartencharakter prächtig zum Vorschein.
Die Tiefen der Bauplätze wechseln zwischen 40 und 70 m und es beträgt z. Z. der Preis für 1 qm etwa 6 M.
Die Gesammtanlage ist in den Händen des Hamburger Grosskaufmannes Fr. Loesener sen., Mitinhaber der grossen Rhedereifirma Rob. Sloman in Hamburg.
Am 4. August waren die Mitglieder des Hamburger Architekten- und Ingenieur-Vereins mit ihren Damen von dem Geschäftsleiter der Kolonie Hrn. Ferd. Ancker zu einer Besichtigung der beiden oben genannten Anlagen eingeladen. Mit besonderem Interesse wurden von den zahlreich Erschienenen beide Anlagen in Augenschein genommen, umsomehr, als in Neuothmarschen eine bewohnte und in Hochkamp drei noch nicht bezogene Villen besichtigt werden durften. Von den letzteren hatten die eine die Architekten Lorenzen & Stehn und die beiden andern Manfred Semper erbaut. Der herrliche Abend hielt die Mitglieder mit ihren Damen noch lange bei Bier, Champagnerbowle und Tanz in dem hübschen Wirthsgarten der Kolonie zusammen und erst die letzten Nachtzuge entführten die Gäste, von denen wohl alle den stillen Wunsch in sich fühlten: auf diesem schönen Fleck Erde, Hochkamp, eine Villa zu besitzen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 04.10.1899 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „rt.“.