Der Neubau des Gasthofes zum „Deutschen Kaiser“ in Nürnberg

Arch.: Prof, Konr. Walther in Nürnberg. Das Bestreben bei Neubauten in Nürnberg, namentlich bei den innerhalb der Ringmauer und am Graben gelegenen, möglichst die alt-nürnberger Bauart beizubehalten, hat in dem letzten Jahrzehnt eine Reihe bemerkenswerther Neubauten entstehen lassen, unter ihnen den Gasthoft zum „Deutschen Kaiser“.

Derselbe wurde in der Zeit vom Juli 1888 bis zum November 1889 auf Veranlassung des Hrn. Höteliers Christian Wenz in Nürnberg nach Plänen des Hrn. Architekten Konradin Walther, Professor an der kgl. Kunstgewerbe-Schule in Nürnberg erbaut.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Die Absicht des Bauherrn ging dahin, in Nürnberg einen Gasthof zu eröffnen, in dem es den weniger anspruchsvollen Reisenden ermöglicht sein sollte, angenehm und billig zu leben. Es wurde deshalb von all den Einrichtungen Abstand genommen, die das Leben in den grösseren Hotels vertheuern, ohne dass der Gast einen wesentlichen Vortheil davon hat. So z. B. sollte kein besonderer Pförtner angestellt werden; der Hausknecht sollte zugleich Pförtner-Dienste versehen. Der Omnibus zur Bahn erschien wegen der Nähe des Bahnhofes überflüssig, wodurch die Nothwendigkeit in Wegfall kam, Räumlichkeiten für Kutscher und Pferde vorzusehen. Den Fremden sollte kein Zwang auch des Mittagessens auferlegt werden, aus welchem Grunde auch keine besonderen Speisesäle für die im Gasthof wohnenden Gäste in Aussicht genommen wurden. Dagegen sollte im Erdgeschoss eine möglichst grosse, mit allen Bequemlichkeiten ausgestattete öffentliche Gastwirthschaft errichtet werden, welche ebenso dem Verkehr der Einheimischen, wie demjenigen der Fremden dienen sollte. Durch diese Einrichtung sollten die letzteren die Ueberzeugung gewinnen, dass sie genau so behandelt würden, wie die Einheimischen.

Abbildg. 1

Aufgrund dieser Gesichtspunkte kam der vorliegende Plan zustande. Im Erdgeschoss (Abbildg. 1) wurde eine möglichst grosse, gemüthliche Wirthschaft eingerichtet, in welcher den Gästen Gelegenheit geboten ist, sich von der grossen Masse der Besucher abzusondern, um sich in irgend einen der vielen lauschigen Winkel zurückzuziehen, von wo aus gleichwohl ein Ueberblick über einen grossen Theil des gemeinsamen Raumes möglich ist. Der übrige Raum des Erdgeschosses ist von den für die Wirthschaft nothwendigen Nebenräumen: Küche, Speisekammer, Schänktisch, Zimmer des Wirths und von den Aborten inanspruch genommen. Ueber diesen Räumlichkeiten ist ein Zwischengeschoss angeordnet, in dem die Wohnung des Besitzers und ein für die Gäste bestimmtes Badezimmer untergebracht ist. In den oberen Geschossen befinden lediglich Fremdenzimmer, imganzen 44 mit 66 Betten.

Das Haus wurde, weil es, wie Abbildg. 2 zeigt, in der Altstadt, und zwar an der Hauptverkehrsader, der unmittelbar zum Zentral-Bahnhof führenden Königsstrasse gelegen ist, in der alt-nürnberger Bauweise gehalten; für die des Stils war der Umstand maassgebend, dass von dem alten Hause, dessen Giebelfront allerdings später in den 50er Jahren in neugothischen Formen neu aufgeführt worden war, einige hübsche alte Stücke aus dem Jahre 1522 gut erhalten waren. Da es ein altes, geschichtlich bemerkenswerthes Haus war, so wollte der Architekt gerne diese alten Theile (ein Chörlein und ein Madonnenbild von Stein) wieder verwenden. Daher der Stil dieser Zeit (Abbildg. 3.) Die Kaiserfigur in der Mitte des Giebels stellt den Kaiser Ludwig den Baier dar. Die beiden Hauptseiten nach der Königsstrasse sind in dem rothen Nürnberger Sandstein ausgeführt; die nach der Johannisgasse gelegene, sowie die Hofseiten zeigen nur Fenstergewände, Sockel und Hauptgesims und einige kleinere Mauerflächen von Haustein; die übrigen Flächen sind in Backstein aufgeführt und verputzt. Die Gewölbe im Wirthschaftsaale sind alle echt, die Rippen und Bögen von Tretzendorfer weissem Sandstein, die Gewölbefelder von Backstein mit Verputz.

Abbildg. 2

Von den Innenräumen erfuhren eine einheitliche Durchbildung: Die Vorhalle, die Haupttreppe mit dem Lichthofe und der Hauptsaal der Gastwirthschaft, deren vorderer Theil (das Cafe) mit einer flachen Balkendecke, von derben Unterzügen getragen, überdeckt ist, während die vorgelagerten Ausbauten, sowie die Bierhalle gewölbt sind. Die Wände sind mit über mannshoher Vertäfelung, aus verschiedenen Holzarten hergestellt, versehen. Die Ausbauten nach der Königsstrasse sowie die Bierstube schmücken Wandgemälde nach Entwürfen von Prof. Fried. Wanderer; theilweise stellen sie alt-nürnberger Gebräuche dar, anderentheils beziehen sie sich auch auf die Geschichte des an dieser Stelle gewesenen, zum „Glockenstuhl“ genannten Hauses.

Abbildg. 3

Bauführer des Neubaues war Hr. Arch. Friedr. Küfner, ein früherer Schüler und späterer langjähriger Mitarbeiter Walthers. Die Maurer-, Steinhauer- und Zimmerarbeiten wurden von dem Maurer- und Zimmermeister Solbrig in Nürnberg ausgeführt die Tischlerarbeiten von Gebr. Fleischhauer in Wöhrd bei Nürnberg und von Schreinermeister Moser, die Schmiedearbeiten von den Schlossermeistern Frey und Schmitt, die Niederdruck-Dampfheizung von Roesicke & Meyer und endlich die Malerarbeiten vom Dekorationsmaler Josenhans, letzte sämtlich in Nürnberg. Die Baukosten betrugen imganzen 190 000 M. d. i. f. d. qm 367 M. und f. d. cbm 28 M.

Adolf Glocker in Nürnberg.

Dieser Artikel erschien zuerst am 14.09.1895 in der Deutsche Bauzeitung.