Die Umgestaltung der Bahnanlagen in Dresden

Im Frühjahre 1890 wurde dem sächsischen Landtage seitens der Regierung der Entwurf zu einer durchgreifenden Umgestaltung der unzureichenden Bahnhofsanlagen in Dresden vorgelegt und hierfür eine Summe von 34,87 Mill. M. gefordert. Für die Durchführung dieser Umgestaltung war eine zehnjährige Bauzeit in Aussicht genommen.

In der Dtschn. Btg. 1890, S. 67 ist auf diese Vorlage kurz hingewiesen worden. Sie wurde von den Kammern angenommen; es erwies sich aber bei näherer Bearbeitung bald als wünschenswerth, den Entwurf zu erweitern, um auf lange Zeit hinaus allen Ansprüchen zu genügen. Die Summe des Voranschlages erhöhte sich infolgedessen auf 53,776 Mill. M. Auch diese Summe wurde vom Landtage bewilligt.

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Hierzu kommt noch für die Ausführung eines grossen Verkehrs- und Winterhafens in Verbindung mit den Bahnanlagen eine Summe von 7,45 Mill. M., und an Kosten, die seitens der Stadtgemeinde für kostenlose Ueberlassung von Grund und Boden, Herstellung neuer Zufuhrstrassen zu den Bahnhöfen und Veränderung bestehender Strassenzüge, Verlegung des Weisseritz-Flüsschens und andere zumtheil nur in losem Zusammenhange mit dem Hauptunternehmen stehende Ausführungen aufzuwenden sind, schätzungsweise ein Betrag von 6 Mill. M.

Schon die Anführung dieser Anschlagssummen lässt erkennen, dass es sich um ein bedeutsames Unternehmen handelt, das noch dadurch besonderes Interesse gewinnt, dass hier die seltene Möglichkeit vorlag, die gesammten Bahnhofsanlagen einer grossen Stadt einschliesslich der Einmündung der verschiedenen Eisenbahnlinien nach einheitlichen Gesichtspunkten zeitgemäss umzugestalten.

Da inzwischen die Ausführung weit fortgeschritten ist und einzelne Theile bereits seit längerer Zeit in vollem Betriebe stehen, für die anderen aber die Entwürfe wenigstens feste Gestalt angenommen haben, so ist es wohl am Platze, auf das Unternehmen auch an dieser Stelle näher einzugehen. Als Grundlage der nachstehenden Ausführungen diente dabei die vortreffliche Veröffentlichung des Baurathes O. Klette im „Sächs. Civilingenieur“ Bd. XLI. Heft 2. Durch mehrfachen Besuch der Baustellen in Dresden hat sich Verfasser ausserdem aus eigener Anschauung über die Ausführungen zu unterrichten gesucht und hat dabei die liebenswürdigste Unterstützung seitens der Fachgenossen gefunden.

Es sei denselben, namentlich aber Hrn. Geheimrath Köpcke und Hrn. Brth. Klette an dieser Stelle hierfür besonderer Dank ausgesprochen.

Ehe auf den Plan der neuen Anlagen eingegangen werden kann, muss kurz auf den früheren Zustand hingewiesen werden und auf die Gründe, welche eine Umgestaltung der alten Verhältnisse gebieterisch forderten.

Bau des neuen Hauptbahnhofs in Dresden-Altstadt 1895. Blick von Westen. (Li. Altes Empfangsgebäude, re. Südhalle des neuen Empfangs-Gebäudes)Kopfbild aus No. 45

Wie an anderen Orten, so sind auch die Bahnhöfe in Dresden zunächst als Endstationen der zugehörigen, von verschiedenen Gesellschaften bezw. dem Staat erbauten Linien angelegt und nur dem damaligen Bedürfnisse der betreffenden Linie entsprechend ausgestaltet worden. So wurde 1837 der Leipziger Bahnhof für die Linie Leipzig-Dresden in der Neustadt ausgeführt, 1847 ebendaselbst der schlesische Bahnhof für die Linie Görlitz-Dresden. Seitens des Staates wurde 1851 der böhmische Bahnhof für die Linie Bodenbach-Dresden in Altstadt erbaut. 1855 kam hierzu noch der Alberts-Bahnhof für die Linie Tharandt-Dresden und schliesslich als letzter 1875 in der Friedrichstadt der Berliner Bahnhof für die Linie Berlin-Zossen-Dresden. Der Alberts-Bahnhof wurde allerdings schon 1869 kassirt, nachdem die Tharandter Linie nach erfolgtem Ausbau bis Chemnitz vom Staate erworben war. Die Chemnitzer Linie wurde in den böhmischen Bahnhof eingeleitet, der bei dieser Gelegenheit wesentliche Umgestaltungen erfuhr und aus dem Alberts-Bahnhof wurde ein Kohlenbahnhof.

Es bestanden also 4 getrennte Personen-Bahnhöfe mit eigenen Güter- und Verschub-Anlagen. Eine wesentliche Verbesserung erfuhr dieser Zustand durch die schon 1852 hergestellte 2 gleisige Verbindung der Altstadt und Neustadt, die, anfangs nur dem Güterverkehr dienend, dann auch für die durchgehenden Züge nach Prag-Wien benutzt wurde und Gelegenheit gab, auch die anderen Bahnhöfe anzuschliessen. Es entstand so eine Art Stadtbahn, die aber auf der Neustädter Seite mehre verkehrsreiche Strassen im Niveau kreuzt und erst nach Ueberschreitung der Elbe mit der steinernen Marien-Brücke, die gleichzeitig auch dem Strassenverkehr dient, in eine Hochbahn übergeht. Trotz dieser überaus wichtigen Verbindung blieben namentlich für den Güterverkehr infolge der verschiedenen Abfertigungsstellen der Güter grosse Schwierigkeiten bestehen und die Ordnung der Güterzüge erforderte zeitraubende und kostspielige Verrichtungen. Die Verbindungsbahn wurde ausserdem stark überlastet und bereitete dem wachsenden städtischen Verkehr grosse Schwierigkeiten durch die Niveaukreuzungen.

Immer unzureichender wurden die Personen-Bahnhöfe an Gleis- und Bahnsteig-Anlagen, namentlich durch den stetig gesteigerten Lokal- und Vorortverkehr, der an Sonn- und Festtagen infolge der zahlreichen Sonderzüge, die in Dresden ein- und auslaufen, nur mit Ueberlastung des Betriebs-Personals und unter Gefährdung des Publikums bewältigt werden konnte. Die regelmässige Aufrechterhaltung des durchgehenden Fernverkehrs war dabei nicht mehr möglich und die Folge waren vielfache und erhebliche Verspätungen.

Für den durchgehenden Fernverkehr war auch die Zweitheilung der Bahnhofsanlagen in Neustadt sehr lästig, da ein Uebergang der Wagen vom Leipziger zum Schlesischen Bahnhof nur in sehr beschränktem Umfange stattfinden konnte. Die Reisenden mussten also über die Strasse von einem zum anderen Bahnhof gehen.

Diese Gründe waren die Veranlassung zu dem vollständigen Umbau der alten Anlagen, die im Lageplan Abbildg. 1 übersichtlich dargestellt sind, während Abbildg. 2 den neuen Zustand nach Vollendung aller Anlagen darstellt.

Uebersicht der Eisenbahn-Verbindungen und Bahnhofs-Anlagen von Dresden

Für die Umgestaltung waren folgende Hauptgesichtspunkte maassgebend.

Der wichtigste Grundsatz war die vollständige Trennung des Güter- und Personen-Verkehrs einerseits und des Durchgangs- bezw. Lokalverkehrs auf den Personenbahnhöfen andererseits. Bei entsprechender Erweiterung der letzteren schien es ferner wünschenswerth, die Zahl zu beschränken, um den Betrieb zu vereinfachen. Es war dabei auch die Frage erwogen worden, ob es nicht zweckmässig sei, einen einzigen Haupt-Personenbahnhof zu schaffen; man ist aber mit Recht hiervon wieder abgekommen, um nicht zu einschneidende Veränderungen in dem Verkehrsleben der Stadt hervorzurufen. Man beschränkte daher die Zahl der Fernbahnhöfe auf 2 und wählte den alten Böhmischen Bahnhof, wegen seiner günstigen Lage zum Zentrum der Stadt und da er ohnehin schon den stärksten Verkehr aufwies, zum Haupt-Personenbahnhof, auf dem alle Personenzüge ein- und ausfahren.

Auf diesem Bahnhofe findet auch die Zusammenstellung der Personenzüge statt, es werden dort überhaupt alle Verrichtungen vorgenommen, die für den Personenverkehr erforderlich sind. Auf der Neustädter Seite werden die beiden Personenbahnhöfe in einen zusammengezogen, der auf dem Gebiete des alten Schlesischen Bahnhofes liegt und als Zwischenbahnhof für den Personenverkehr dient. Die Ausführung dieses Bahnhofs erforderte die Herstellung eines neuen Anschlusses der Leipziger Linie von Pieschen aus.

Auch die Zahl der Güterbahnhöfe wird auf 2 beschränkt, während der gesammte Verschubdienst in einem einzigen Bahnhofe vereinigt wird, der mit sämmtlichen Anlagen für den Güterverkehr in unmittelbarer Gleisverbindung steht. Auf der Altstädter Seite behielt man den alten Güterbahnhof unter entsprechendem Ausbau bei, auf der Neustädter Seite wird der alte Leipziger Bahnhof zum Lokalgüterbahnhof ausgebaut. Mit ihm werden auch die Gleisanlagen am rechten Elb-Ufer in Verbindung gesetzt.

Der gemeinsame Rangirbahnhof, der bereits im Frühjahr 1894 dem Betrieb übergeben wurde, ist anstelle des alten Berliner Bahnhofes in der Friedrichstadt ausgeführt unter Hinzunahme weiterer Geländeflächen. Im Zusammenhange mit diesem Bahnhofe sind ausgedehnte Werkstätten ausgeführt und es ist gleichzeitig ein neuer Verkehrs- und Winterhafen nördlich des Bahnhofs am linken Elbufer hergestellt und durch Gleise mit dem Rangirbahnhof verbunden.

Diese Gleise vermitteln auch die Verbindung mit den alten Ladegleisen am linken Elbufer.

Um die von Berlin über Elsterwerda kommenden Personenzüge in bequemer Weise in den neuen Haupt-Personenbahnhof einzuführen und sie die ganze Stadt durchlaufen zu lassen, werden diese Züge durch Einlegung einer neuen Verbindung bei Coswig mit auf die Leipziger Linie übernommen, während anderseits die Güterzüge von Leipzig ebenfalls mit auf die alte Berliner Linie übergeführt sind, sodass sie unmittelbar am linken Elbufer, ohne die Stadt zu berühren, in den neuen Rangirbahnhof eingeleitet werden.

Die alte Linie ist zu diesem Zwecke zweigleisig ausgebaut, wodurch eine Erweiterung der Elbrücke bei Nieder-Wartha erforderlich wurde. Diese Linie dient gleichzeitig dem Lokalverkehr für die linke Elbseite. Es ist demzufolge auch am Rangirbahnhof eine Personen-Haltestelle angelegt.

Die schon vorher erwähnte Trennung des Personen- und Güterverkehrs ist durch Anlage eines 3. und 4. Gleises innerhalb der Stadt auf der Linie der alten Verbindungsbahn bewirkt, die nun leistungsfähig genug ist, um auch dem Lokalverkehr dienstbar gemacht werden zu können, sodass sie nunmehr eine Stadtbahn im eigentlichen Sinne geworden ist. An dieser Linie ist zwischen den beiden Personen-Bahnhöfen an der Wettiner Strasse noch eine Station angeordnet, die zunächst nur dem Lokalverkehr dienen soll; aber so geräumig angelegt ist, dass sie später auch für den Fernverkehr nach Bedarf ausgebaut werden kann. Für die beiden neuen Gleise der Stadtbahn wollte man ursprünglich nur eine Verbreiterung der alten Marienbrücke ausführen, man hat aber vorgezogen, unterhalb derselben eine ganz neue Eisenbahnbrücke für 4 Gleise zu errichten, nach deren Fertigstellung die alte Brücke in ihrer vollen Breite von 17 m für den Strassenverkehr frei wird.

Die Stadtgemeinde erwirbt die alte Brücke für die Summe von 1,5 Mill. M.

Die Verbindungsbahn ist im Interesse des städtischen Verkehrs natürlich als Hochbahn ausgeführt und auch der Neustädter Bahnhof sowie die Haltestelle Wettiner Strasse liegen in ganzer Ausdehnung in der Höhe dieser Gleise, sodass Niveaukreuzungen mit Strassen nur für selten benutzte Nebengleise verblieben sind. Bei dem Hauptbahnhof in der Altstadt gestatteten es die örtlichen Verhältnisse, die dem Lokalverkehr dienenden Gleise tief liegen zu lassen und nur diejenigen für den Fernverkehr zu heben.

Es wird hierauf bei der näheren Beschreibung der neuen Bahnhofsanlagen nochmals eingegangen werden.

Für die Höhenlage der Stadtbahn und der Bahnhöfe war der Umstand maassgebend, dass westlich vom Böhm. Bahnhof 3 Strassen so hoch liegen, dass sie nur überführt werden konnten, während östlich nur Unterführungen möglich waren. Man gab dem Hauptbahnhof daher eine Höhe von nur 4,5 m über Strasse, sodass die östlichen Strassen behufs Unterführung noch etwas gesenkt werden mussten.

Oestlich erreichen die Gleise erst hinter Strehlen die alte Höhe. Bis zur Ueberschreitung der Elbe steigen die Gleise westlich auf 6 m empor. Der Bahnhof Neustadt liegt ebenfalls etwa 6 m über Erdgleiche. Bei Pieschen erreichen die Gleise erst wieder die alte Höhenlage.

Zu erwähnen ist noch, dass die Linie vom rechten Elbufer von Neustadt bis Pieschen 4 gleisig ausgebaut ist, die von Pieschen bis Coswig später 4 gleisig ausgebaut werden soll. Der Grunderwerb ist bereits für 4 Gleise erfolgt. Es ist dies im Interesse des stetig wachsenden Vorortverkehrs geschehen, der nur dann in angemessener Weise befriedigt werden kann, wenn Vorort- und Fernverkehr vollständig von einander getrennt sind, also auf den Vorortgleisen eine regelmässige Zugfolge mit kurzen Abständen eingerichtet werden kann. Um die grosse Bedeutung hervorzuheben, welche der Vorortverkehr für Dresden besitzt, sei angeführt, dass nach Klette von 6 777 085 Reisenden, die im Jahre 1888 auf den Bahnhöfen in Dresden ankamen bezw. von denselben abreisten, 3 925 516 Personen innerhalb eines Umkreises von 20 km Halbmesser verblieben, also dem Vorortverkehr zuzurechnen sind. Von 1877 bis 1888 wuchs der Vorortverkehr um 63%, der Fernverkehr um 37%.

Als einzelnes Beispiel sei die Station Klotzsche, 3 km von Dresden-Neustadt entfernt, angeführt. Hier wuchs der Personenverkehr von 39 746 Personen im Jahre 1877 auf 379 493 im Jahre 1892. In 15 Jahren ist also fast eine Verzehnfachung des Verkehrs eingetreten.

In gleicher Weise wie der Personenverkehr hat auch der Güterverkehr in Dresden zugenommen. Er wuchs von 1878—93, also innerhalb 15 Jahren um 106°, von 1173 347 t auf 2419 669 t, Abgang und Ankunft zusammengerechnet.

So wie eine Kreuzung der städtischen Strassenanlagen in Schienenhöhe vermieden ist, hat man auch nach Möglichkeit alle Niveaukreuzungen verschiedener Eisenbahnlinien unter sich umgangen und damit Anlagen geschaffen, die eine möglichst vollkommene Betriebssicherheit gewährleisten. –

Der als Beilage mitgetheilte Lageplan giebt in grösserem Maasstabe ein Bild der gesammten geplanten Bahnanlagen in Dresden nach Vollendung des Umbaues. Die dem Personenverkehr dienenden Anlagen sind in roth, die dem Güterverkehr dienenden in blau dargestellt. Bei dem immerhin noch kleinen Maasstabe des Planes war es natürlich nur möglich, die wesentlichsten Gleisgruppen zu kennzeichnen. Ebenso ist bei den einmündenden Bahnen ein Doppelgleis nur durch eine Linie ausgedrückt. Auch die verschiedene Höhenlage der Gleise konnte nicht immer scharf hervorgehoben werden.

Stadtplan von Dresden mit den neuen Bahnanlagen. Lithographie von W. Greve, Berlin SW

Es ist daher zu berücksichtigen, dass auf der Stadtbahnstrecke sowohl die Personen- als die Gütergleise hoch liegen, dass dagegen auf den Bahnhöfen im allgemeinen nur die Personengleise gehoben sind, während die dem Güterverkehr dienenden Anlagen in alter Höhe liegen blieben. Die von den durchgehenden Gütergleisen abzweigenden Zuführungsgleise zu den Güterbahnhöfen bezw. dem grossen Rangirbahnhof zeigen im Längenprofil daher mehrfachen Wechsel zwischen Steigen und Fallen.

Im Nachstehenden soll auf die Einzelanlagen etwas näher eingegangen werden.

Der Personen-Hauptbahnhof in Altstadt wird auf dem Gelände des bisherigen Böhmischen Bahnhofes zwischen Bismarck- und Wienerstrasse und zwar mit dem grösseren, westlichen Theile in hoher Lage errichtet. Durch Abschneiden des Fusses der beiderseits des Bahnhofes ansteigenden Böschungen und Ersatz derselben durch hohe und steile Futtermauern konnte der Bahnkörper entsprechend verbreitert werden, um die wesentlich erweiterten Gleisanlagen aufzunehmen. Das Kopfbild, welches einen Blick von Westen her auf den im Umbau begriffenen Bahnhof im Frühjahr 1895 giebt, lässt die beträchtliche Verbreiterung an der Südseite deutlich erkennen. In gleicher Weise ist inzwischen auch die Verbreiterung an der Nordseite unter Beseitigung des auf dem Bilde noch sichtbaren alten Empfangsgebäudes erfolgt.

Das Bahnhofsgelände wird durch eine Reihe von Strassenzügen geschnitten, von denen die Prager- bezw. Reichsstrasse die wichtigste Verbindung der inneren Altstadt mit der im Süden liegenden neueren Vorstadt bildet.

An dieser Strasse war daher der gegebene Platz für die Anordnung des neuen Empfangsgebäudes.

Der Bahnhof ist eine Verbindung einer Durchgangs- mit einer Kopfstation. Er ist Durchgangsstation für die von Berlin bezw. Leipzig nach Bodenbach, Tetschen führenden Linien und Kopfstation für die Linie Chemnitz-Dresden-Görlitz sowie für alle in Dresden endigenden Linien. Die Gleise sind dabei derart angeordnet, dass die beiden Personengleise der oben genannten Haupt-Durchgangslinie vor dem Bahnhof auseinander gezogen sind, sodass die Gleise für den Kopfbetrieb dazwischen gelegt werden konnten.

Da die Durchgangsgleise auf der Strecke zwischen Neustadt und Altstadt von allen Zügen durchfahren werden, so war die Abzweigung der von dieser Seite kommenden Kopfgleise ohne Kreuzungen möglich. Die früher geschilderten Gelände-Verhältnisse gestatteten es, nur die Durchgangsgleise zu heben, die Kopfgleise westlich der Prager Strasse dagegen in alter Höhe, d. h. etwa in Höhe der umgebenden Strassen liegen zu lassen. Oestlich der Prager Strasse mussten dagegen auch die Kopfgleise für die Sonderzüge nach Bodenbach mit gehoben werden, da hier die vorhandenen Strassen durchweg tief liegen. Mit Rücksicht auf diese Strassen, welche der vorhandenen dichten Bebauung wegen eine wesentliche Senkung nicht gestatteten, mussten die Durchgangsgleise bis 4,5 m über Strassenhöhe gehoben werden. Um eine Niveaukreuzung der Chemnitzer Linie mit den südlichen Hochgleisgruppen bei Einführung in den Hauptbahnhof zu umgehen, war diese an der Kreuzungsstelle noch um 3 m zu senken, was allerdings zurfolge hat, dass die Gleise bis zu den Kopfbahnsteigen um dasselbe Maass wieder ansteigen müssen. Andererseits müssen die von den durchgehenden Hochgleisen abzweigenden westlichen Kopfgleise bis zu den Bahnsteigen entsprechend fallen. Die Fallstrecken haben eine Steigung von 1:100 erhalten.

Die Anordnung der Gleise auf dem Hauptbahnhofe ist in Abbildg. 3 schematisch dargestellt. Abbildg. 4 zeigt in einem Schnitte die durch die verschiedene Höhenlage der Personengleise bedingte ungewöhnliche Anordnung der Bahnsteige und Hallen.

Das Empfangsgebäude mit allen für den Verkehr mit dem Publikum dienenden Einrichtungen liegt zwischen den Hochgleisen an der Prager Strasse. Durch 2 Unterführungen bezw. Tunnel sind ausserdem getrennte Ein- und Ausgänge nach den beiden Parallelstrassen geschaffen. Die Hauptseite liegt an der Wiener Strasse, wo auch ein geräumiger Vorplatz für Droschken und sonstige Fuhrwerke angeordnet ist. Oestlich der Prager Strasse führen besondere Treppenanlagen zu den Bahnsteigen der Sonderzüge nach Bodenbach empor. Bezüglich der Anordnung des Empfangsgebäudes sei auf die Veröffentlichung der Konkurrenz-Entwürfe im Jahrg. 1892 Dtsch. Bztg. S. 589 u. ff. verwiesen, welcher Pläne der beiden mit dem ersten Preise ausgezeichneten Entwürfe von Brth. Rossbach in Leipzig bzw. den Bauräthen Giese & Weidner in Dresden beigegeben sind. Der letztere Entwurf hat als Grundlage für die weitere Bearbeitung gedient.

Bau des neuen Hauptbahnhofs in Dresden-Altstadt 1895. Blick vom Bahnhof nach Osten. (li. General-Direktions-Gebäude, re. Haupt-Verwaltungs-Gebäude)

Die Niederreissung des alten Empfangsgebäudes, das gleichzeitig die Verwaltungsräume der Generaldirektion der sächs. Staatseisenbahnen enthielt, machte die Ausführung eines neuen Gebäudes für diese Verwaltung nöthig. Ebenso war ein neues Dienstgebäude für die Eisenbahn-Hauptverwaltung erforderlich. Die beiden Bauten wurden an der Wiener- bezw. Strehlener Strasse dicht neben dem Bahnhof ausgeführt und sind beide in Benutzung. Das Kopfbild dieser Nummer zeigt links das Dienstgebäude der Generaldirektion, rechts das Verwaltungsgebäude. Gleichzeitig giebt dieses Bild einen Blick nach Osten über die südliche Hochgleisgruppe kurz vor deren Inbetriebnahme im Sommer 1895. Links im Vordergrund ist ein Stück der Unterführung der Prager Strasse sichtbar. Dahinter erscheinen die alten, noch in Strassenhöhe liegenden Gleisanlagen.

Trotz wesentlicher Verbreiterung des Bahnhofsgeländes reicht dasselbe doch nicht zur Unterbringung der Nebenanlagen für den Personenverkehr aus. Es ist deshalb auf dem Gebiete des früheren Rangirbahnhofes Altstadt ein besonderer Abstellbahnhof ausgeführt worden, der die gesammten Nebenanlagen für den Personenverkehr in Dresden aufnimmt und mit 5 Gleisen mit dem Hauptbahnhofe in Verbindung gesetzt ist. Diese sind unter den durchgehenden Gütergleisen und südlichen Personengleisen hindurchgeführt an der Stelle, wo die Falkenstrasse über den Personenbahnhof hinweggeführt ist. Es liegen hier also 3 Verkehrslinien über einander. Diese Zuführungsgleise mussten sehr tief eingeschnitten werden, sodass besondere Vorkehrungen zur Entwässerung des Bahnkörpers nöthig wurden. Alle von Dresden auslaufenden Züge werden auf dem Abstellbahnhof zusammengestellt, alle in Dresden endigenden Züge werden zuletzt dorthin übergeführt. Ausserdem wird das Reinigen, Anheizen und Beleuchten der Züge daselbst besorgt und der Postpacket- und Eilgutverkehr dort erledigt.

4 grosse Lokomotivschuppen nehmen die Personenzug-Lokomotiven auf.

Die beiden Personenbahnhöfe Dresden-Neustadt und Haltestelle Wettinerstrasse sind Durchgangsstationen, die in ähnlicher Weise wie die Berliner Stadtbahnstationen Friedrichstrasse und Alexanderplatz angeordnet sind. Gleise und Bahnsteige liegen 6 m über der Strasse, während unter ihnen die Räume für das Publikum, Schalter usw. und die Betriebsräume untergebracht sind. Treppen führen zu den Bahnsteigen empor. Die Pläne für den Personenbahnhof Dresden-Neustadt sind noch nicht endgiltig erledigt. Als Prinzip ist bei denselben die scharfe Trennung nach Richtungen und die Vermeidung aller Kreuzungen in Schienenhöhe maassgebend gewesen.

Die Kosten des Personenbahnhofes Altstadt sind zu 16 267 000 M. veranschlagt, die des Bahnhofes in Neustadt auf 5 178 500 M. Die Verbindungsbahn zwischen beiden mit der Haltestelle Wettinerstrasse erfordert einen Aufwand von 4 165 500 M. ohne die Kosten für die Elbbrücke.

Der Hauptbahnhof bedeckt eine Fläche von. 166 200 qm und enthält eine Gleislänge von 25 500 m. Der Neustädter Bahnhof wird etwa 127 900 qm Fläche und 21 300 m Gleislänge, die Haltestelle Wettinerstrasse 21 100 qm und 6500 m erhalten.

Fertig sind von den dem Personenverkehr dienenden Anlagen ausserhalb Dresdens die zunächst hergestellten beiden Verbindungen an der Kreuzung der Berlin-Zossen-Dresdener und Leipzig-Dresdener Bahn in der Nähe von Coswig. Es konnte daher der Personenverkehr der Berliner auf die Leipziger Linie übernommen werden, während anderseits nach 2gleisigem Ausbau der alten Berliner Linie von Naundorf bis Bahnhof Friedrichstadt und Fertigstellung des Rangirbahnhofes daselbst im Frühjahr 1894 die Güterzüge beider Linien auf das linke Elbufer abgeleitet werden konnten. Im Jahre 1892 wurden dann die Umbauten am Personen-Hauptbahnhofe begonnen. Hier waren, wie die beiden mitgetheilten Kopfbilder zeigen, die südlichen Hochgleise ausserhalb der alten Bahnhofsanlagen ohne Betriebsstörung ausführbar. Gleichzeitig wurde der Ausbau der Hochbahnstrecke zwischen der Marienbrücke und Bahnhof Altstadt, sowie die allmähliche Hebung der Gleise der Linie Dresden-Bodenbach bis Strehlen ausgeführt.

Diese Arbeiten wurden so gefördert, dass am 18. Juni 1895 die provisorische Ueberleitung des gesammten Verkehrs auf die südliche Hochgleisgruppe erfolgen und der alte Böhmische Bahnhof geschlossen werden konnte. Die unter den südlichen Hochbahngleisen des Bahnhofs an der Bismarckstrasse gelegenen Räume, die später ausschliesslich für den Betrieb bestimmt sind, wurden vorübergehend als Eingangshallen, Warteräume und zur Abfertigung des Publikums eingerichtet. Da im Frühjahre 1894 der neue Rangirbahnhof Friedrichstadt in Betrieb genommen war, konnten die bisher dem Rangirdienst in Altstadt dienenden Anlagen beseitigt werden. Der an ihrer Stelle errichtete Abstellbahnhof war bereits im Sommer 1895 theilweise fertig und ist inzwischen vollständig hergestellt. Auf dem Hauptbahnhofe sind alle alten Anlagen beseitigt und es ist mit dem Bau des Empfangsgebäudes und der nördlichen Hochgleisgruppe bereits vorgegangen, während die östliche Hochgleisgruppe für den Vorortverkehr ebenfalls fertig ist.

Nahezu beendet ist der 4 gleisige Umbau der Hochbahnstrecke bis zur Marienbrücke, während die Haltestelle Wettinerstrasse im Ausbau schon weit fortgeschritten ist.

Ende 1897 bezw. Anfang 1898 sollen die gesammten Anlagen in Altstadt beendet sein, sodass dann mit dem Umbau in Neustadt begonnen werden kann. Hierbei ist von wesentlichem Nutzen, dass die erweiterten Anlagen in Altstadt eine erhebliche Entlastung des Betriebes in Neustadt gestatten werden. Für den Ausbau des Neustädter Bahnhofs ist eine 3jährige Bauzeit vorgesehen.

Bei der vorbeschriebenen Art der Ausführung ist ein Umbau der gesammten Bahnhofsanlagen ohne wesentliche Betriebsstörung möglich. Der günstige Umstand, dass die südlichen Hochgleise des Hauptbahnhofs neben den alten Anlagen hergestellt werden und sodann provisorisch zur Aufnahme des gesammten Verkehrs dienen konnten, gestattete ausserdem, die provisorischen Anlagen auf ein Mindestmaass zu beschränken. Auch der städtische Verkehr wurde nach Möglichkeit aufrecht erhalten, wenn es hier natürlich auch nicht ohne Sperrungen abging.

Ein sehr wichtiges Glied der neuen Bahnhofsanlagen bildet der gemeinsame Rangirbahnhof Friedrichstadt, da seine Ausbildung maassgebend auf den gesammten Betrieb der übrigen Bahnhöfe einwirkt. Sämmtliche von auswärts kommenden Güterzüge, bezw. diejenigen, welche von den Lokal-Güterbahnhöfen kommen, laufen hier ein. Es können jedoch aus den Güterzügen, welche einen Lokal-Güterbahnhof durchfahren, die für diesen bestimmten Wagen direkt ausgeschieden werden, um so eine mehrfache Bewegung zu vermeiden. Dies gilt namentlich für die von Osten, aus Schlesien kommenden Züge, welche zunächst in den Neustädter Bahnhof einlaufen und dort das für Dresden bestimmte Gut abgeben sollen, damit dieses nicht zweimal über die Elbe transportirt werden muss. Der Rest der Züge führt dann ebenfalls zum Rangirbahnhof. Für die von Berlin und Leipzig kommenden Güterzüge, welche schon bei Coswig abgelenkt werden, um auf das linke Elbufer und sodann unmittelbar in den Rangirbahnhof zu gelangen, muss eine Ausscheidung der für die Stationen zwischen Coswig und Dresden-Neustadt bestimmten Güter stattfinden.

Zu dem Zwecke ist in Coswig ein besonderer kleiner Verschubbahnhof angelegt.

Für den Einlauf der Züge sind im Rangirbahnhof Friedrichstadt 16 Gleise von je 600 m Länge, also für je 150 Axen ausreichend, vorgesehen, von denen zunächst 11 zur Ausführung gekommen sind. In diese Aufstellungsgleise können gleichzeitig und unabhängig von einander von 4 Richtungen Züge einlaufen. In gleicher Weise und Ausdehnung sind die Abfahrtsgleise angeordnet. Die beiden Gleisgruppen nehmen zusammen den östlichen Theil des Bahnhofs ein.

Bau des neuen Hauptbahnhofs in Dresden-Altstadt 1895. Blick vom Bahnhof nach Westen. (Neue Ueberführung der Kohlschütter-Strasse)

Die Rangirbewegungen auf dem Verschubbahnhofe finden ausschliesslich vermittels der Schwerkraft statt, ein Verfahren, das in grösserem Umfange zuerst in Sachsen angewendet wurde und sodann seine weitere Ausbildung und Anwendung hauptsächlich in England gefunden hat.

Die Dresdener Anlage ist wohl die grösste ihrer Art auf dem Kontinent. Die Vortheile dieses Rangirverfahrens liegen namentlich in der wesentlichen Zeitersparniss, ferner in der geringeren Gefahr für das Bedienungspersonal und schliesslich auch in Ersparniss an Gleislänge.

Die angekommenen Züge werden, nachdem die Wagen soweit nöthig noch die genaue Bezeichnung ihres Bestimmungsortes erhalten haben, durch besondere Lokomotiven über ein unter 1:80 ansteigendes Gleis in die am westlichen Bahnhofsende liegenden 1:100 geneigten Ablaufgleise, 4 an der Zahl, gebracht. Die Gleise sind am Ende zusammengezogen und ein fünftes Gleis gestattet der Lokomotive den Rücklauf. Am unteren Ende der eigentlichen Ablaufgleise liegt eine Kreuzweiche in 13,1 m Höhe über den Einfahrts- und Ausfahrtsgleisen. Hinter dieser Weiche beginnen die beiden Weichenstrassen, von denen die zur Ordnung nach Richtungen dienenden Sortirungsgleise abzweigen. In diese, ebenfalls unter 1:100 geneigten Gleise laufen die an den Ablaufgleisen einzeln losgelassenen Wagen vermittels der Schwerkraft ein. Es sind 23 Sortirungsgleise ausgeführt und weitere 5 vorgesehen. Soweit diese Ordnung nach Richtungen nicht schon für einzelne Linien genügt, findet eine weitere Ordnung nach den Zwischenstationen statt. Im ersteren Falle laufen die sortirten Wagen sofort als fertiger Güterzug nach den Ausfahrtsgleisen, im anderen Falle werden sie mittels sogenannter Gleis-Roste, die zuerst im Rangirbahnhof Edge-Hill bei Liverpool angewendet wurden, nochmals nach den Zwischenstationen geordnet, wobei die Schwerkraft wiederum die bewegende Kraft ist. Diese Gleisroste liegen im mittleren Theile des Bahnhofes. Es lässt sich mit denselben eine Zerlegung nach 32 Stationen ausführen. Die so geordneten Wagen gelangen schliesslich ebenfalls in die Ausfahrtsgleise. Jeder Wagen hat also von den Ablaufgleisen bis zur Ausfahrt eine Höhe von 13,1 m herabzusinken.

Zum Auffangen verlaufener Wagen sind hinter den Rostgleisen, also vor den Ausfahrtsgleisen zwei Sandweichen nach dem Köpcke’schen Patent angeordnet, in ähnlicher Weise, wie sie im Civilingenieur Bd. XXXIX, Heft 1 beschrieben sind. Es liegt neben dem Hauptgleise ein mit diesem durch Eingangs- und Ausgangsweiche verbundenes Nebengleis, dessen Fahrschienen von Schutzschwellen eingefasst sind, die über den Kopf der Schiene hervorragen.

Der Zwischenraum zwischen diesen Schutzschwellen ist mit Sand ausgefüllt, sodass also die Fahrschiene vollständig in Sand eingebettet ist. Während der Rangirbewegungen steht die Sandweiche offen, sodass alle etwa entlaufenen Wagen in dieses Gleis abgeleitet und durch den Widerstand des Sandes zum Stillstand gebracht werden. Verfasser hatte Gelegenheit, die rasche Wirkung dieser Gleise zu beobachten.

Ueber das östliche Ende des Rangirbahnhofes hinweg, d. h. über sämmtliche Aufstellungsgleise und sonstige Nebengleise, imganzen 56, ist in 300 m Länge die Walther-Str. übergeführt. Neben dieser Ueberführung liegt das Verwaltungsgebäude und ein besonderer Steg mit Treppenanlagen nach den Aufstellungsgleisen dient für das Zugpersonal. Neben der Waltherstrasse ist auch die Personen-Haltestelle Friedrichstadt angelegt, auf deren Inselbahnsteig man durch eine Treppe von der Strasse hinabgelangt.

Der Rangirbahnhof bedeckt eine Fläche von 544 000 qm und hat 76 700 m Gleislänge. Die Kosten belaufen sich nach dem Anschlage auf 7,95 Mill. M. Die grösste Länge beträgt über 2,5 km. Der grosse Ablaufdamm liegt an seinem westlichen Ende um 17 m höher als das umgebende Gelände. Zu seiner Herstellung mussten 1,55 Mill. cbm Boden bewegt werden. Die hierzu nöthigen Massen wurden durch Ausschachtung des zwischen Rangirbahnhof und Elbe im sog. Grossen Gehege gelegenen neuen Verkehrs- und Winterhafens gewonnen. In seiner jetzigen Anlage ist der Rangirbahnhof für die Behandlung von täglich 4000 Wagen ausreichend.

An der Südostseite des Rangirbahnhofes liegen die grossen Lokomotivschuppen, nördlich ist ein Lokal-Güterbahnhof, südlich ein ausgedehnter Werkstätten-Bahnhof angeschlossen. Der Lokal-Güterbahnhof ist durch geringe Vergrösserung des bereits vorhanden gewesenen Güterbahnhofes Friedrichstadt entstanden. Fernere Erweiterung ist vorgesehen, da zu erwarten steht, dass sich dieser Güterbahnhof wegen seiner bequemen Lage einer grösseren Frequenz erfreuen wird.

Für den Werkstätten-Bahnhof ist ebenfalls eine spätere Erweiterung in ausgedehntem Maasse vorgesehen und gesichert durch den Erwerb eines breiten Landstreifens südlich vom Rangirbahnhof, der umfasst wird von dem Lauf der vor Beginn der Bahnhofsbauten verlegten Weisseritz. Diese floss früher längs des Kohlenbahnhofes und der Verbindungsbahn unmittelbar in die Elbe, während sie jetzt soweit westlich verlegt ist, dass sie erst bei dem Dorfe Cotta mündet. Auf den Werkstätten-Bahnhof kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Hervorgehoben sei nur, dass die Anordnung der Gleise so getroffen ist, dass man möglichst mit unmittelbarer Weichenverbindung nach den einzelnen Werkstattsgebäuden gelangen kann und dass alle Arbeitsmaschinen elektrischen Antrieb besitzen. Der Bahnhof bedeckt eine Fläche von 192 000 qm und besitzt 17 300 m Gleislänge. Seine Kosten betragen nach dem Anschlage 4,3 Mill. M.

Der neue Hafen steht durch ein Verbindungsgleis in unmittelbarem Zusammenhange mit dem Rangirbahnhof.

Das Hafenbecken ist zunächst in einer Länge von 1000 m und einer Breite von 150 m ausgeführt. Es ist jedoch eine spätere Verlängerung nach Osten auf 2000 m bei entsprechend abnehmender Breite vorgesehen. Vorläufig bieten die vorhandenen 2000 m Kailänge Gelegenheit zum gleichzeitigen Löschen und Laden von 45 Schiffen, während im Winter 200 Fahrzeuge aufgenommen werden können. In dem unteren weiteren Theile des Hafens ist der Einbau einer 1000 m langen Zunge geplant, sodass dann schliesslich 6000 m Kailänge gewonnen werden. An der Mündung in die Elbe ist eine Eisenbahnbrücke übergeführt, um auch die Nordseite des Hafens mit Gleisanlagen versehen zu können. Die Ufer sind mit Kaimauern eingefasst. Die Kaiflächen liegen über dem höchsten Hochwasser. Die vorhandenen Krahne besitzen ebenfalls elektrischen Antrieb. Die Verlängerung des Hafengleises ist bis zu den alten Kaianlagen am linken Elbufer an der Marienbrücke geführt, sodass auch die Gleise dort mit dem Rangirbahnhofe in mittelbare Verbindung gesetzt sind. Das Hafengelände hat etwa 327 400 qm Fläche und 16 300 m Gleislänge. Die Kosten sind auf 7,45 Mill. M. veranschlagt. Der Hafen hat bereits 1894, 95 als Winterhafen gedient.

Die gesammten Bahnanlagen in der Stadt einschl. der alten Kaianlagen werden eine Fläche von rd. 215 ha, d. i. etwa 8 % des Stadtgebietes, bedecken und über 270 km Gleislänge besitzen.

Zur Beleuchtung dieses Gebietes ist am nordwestlichen Ende des Rangirbahnhofes Friedrichstadt zwischen dem Bahnhof, dem sog. Flügelweg und dem nach dem Hafen abzweigenden Gleise ein besonderes Elektrizitätswerk von der Firma Siemens & Halske mit einem Kostenaufwande von etwa 1 ¾ Mill. M. einschl. der Maschinen ausgeführt. Dies Werk versorgt die gesammten Anlagen mit Licht und treibt ausserdem in dem Werkstätten-Bahnhof eine grosse Zahl von Motoren und ebenso Krahne im Hafen und Fahrstühle in den Personenbahnhöfen. Es sind vorläufig 4 Maschinen von je 300 P.S. aufgestellt, es ist aber noch eine Vermehrung um 600 P.S. vorgesehen. Auf den Kurbeln dieser Maschinen sitzen Drehstrom-Maschinen, von denen jede bei 150 Volt Spannung unter normalen Verhältnissen 200 Kilowatt leistet. Durch 9 Transformatoren wird die niedrige Maschinenspannung in eine solche von 3118 Volt verwandelt und sodann an die blanken Fernleitungen abgegeben. Diese Fernleitungen zerfallen in 3 Hauptgruppen, von denen eine den Werkstätten-Bahnhof, eine den Hafen und die dritte das gesammte übrige Gebiet versorgt. Jedes der Gebiete, von denen das letzte noch in die drei Abtheilungen des Altstädter, Neustädter und Friedrichstädter Bahnhofs getheilt ist, hat zwei von einander unabhängige Zuleitungen. Unter den Hochspannungs-Leitungen ist ein Schutznetz aus starken Drähten ausgespannt, um etwa herabfallende Drähte aufzufangen, über denselben ist ein besonderer Blitzschutzdraht geführt. Das Leitungsnetz einschliesslich der an den Versorgungsstellen aufgestellten Transformatoren, welche die Hochspannung wieder in eine Niederspannung umsetzen, ist von der Gesellschaft Helios in Köln ausgeführt und übertrifft in seinen Herstellungskosten noch die Zentralstation. Die Anlage ist seit Mitte vorigen Jahres auf 4 Maschinen ausgebaut; es werden aber noch Jahre vergehen, bis sie entsprechend dem Fortschritt der Bahnhofsanlagen in vollem Umfange ihrer Leistungsfähigkeit ausgenutzt wird. Nähere Angaben finden sich in der „Elektrotechnischen Zeitschrift“ 1895, Heft 27 und 28.

Die Ausführung der neuen Bahnanlagen hat natürlich eine ganze Reihe interessanter Bauwerke nothwendig gemacht, unter denen die Baulichkeiten des Personen-Hauptbahnhofes in Altstadt bezw. die neue 4 gleisige Elbbrücke an erster Stelle stehen.

In No. 48 ist die allgemeine Anordnung des Personenbahnhofs in Altstadt im Grundriss und Querschnitt dargestellt. Die grosse Mittelhalle, welche die westlichen, tief gelegenen Kopfgleise überdeckt, hat eine Spannweite von 59 m, übertrifft also z. B. diejenige der Halle in Frankfurt a. M. noch um 3 m. Während sich dort aber 3 gleiche Hallen neben einander legen, besitzt hier die nördliche Halle nur 32, die südliche nur 30,75 m Spannweite. An der Südseite schliesst sich dann noch eine seitlich offene Halle von 9,2 m Lichtweite für die beiden Gütergleise an. Abbildg. 5 giebt einen Einblick in die südliche Seitenhalle von Osten her, kurz vor der Eröffnung im Juni v. J. Die Hallenbinder sind als Bogenträger mit 3 Gelenken ausgeführt.

Abbildg. 5 – Südliche Seitenhalle (kurz vor der Eröffnung. Juni 1895)

Die Kämpfergelenke sind dabei durch Bolzen, die Scheitelgelenke durch federnde Winkel gebildet. Abbildg. 6 giebt eine Ansicht des östlichen Kopfendes der südlichen Seitenhalle, Abbildg. 7 die Aussenansicht der Südhalle. Der Architekt hat hier die Hallenkonstruktion durch eine in Eisen ausgeführte Fassade verdeckt, welche in ihren Formen die Steinarchitektur des Unterbaues nachahmt. Verwiesen sei schliesslich noch auf das Kopfbild in No. 45, welches die südliche Seitenhalle im Hintergrunde zeigt und die Grössenverhältnisse im Vergleich zu der Umgebung erkennen lässt. Unter den Hochgleisen der beiden Seitenhallen sind Diensträume bezw. Läden und Restaurationen angeordnet, deren Decken von genieteten Trägern und Hängeblechen gebildet werden. Genietete Säulen dienen als Stützen. Besondere Sorgfalt ist auf die wasserdichte Abdeckung unter den Gleisen verwendet, die durch mehrfache Lagen von Asphaltfilz und Asphaltbeton erreicht ist.

Die überdeckten Bahnsteige sind mit Gussasphalt, die offenliegenden mit Platten aus Stampfasphalt abgedeckt, die in heissem Asphalt verlegt und damit vergossen werden.

Der Unterbau der Hochgleise ist nur an den Stationen in Einzelstützen aufgelöst, an welchen es darauf ankam, Betriebsräume usw. zu gewinnen. Im übrigen sind nur Stützmauern mit zwischen liegender Schüttung hergestellt.

Zahlreich und mannichfaltig in ihrer Durchbildung sind die Bauwerke, welche zur Unter- bezw. Ueberführung der städtischen Strassen dienen.

An den Unterführungen musste man die Strassen meist noch etwas senken, um die nöthige lichte Durchfahrtshöhe zu gewinnen. Die Konstruktionshöhe musste daher nach Möglichkeit eingeschränkt werden. Es sind meist Blechträger auf 2 an den Bordkanten stehenden Stützen angeordnet. Die Träger sind dabei theils kontinuirlich und mit Verankerung der Enden ausgeführt, wie z. B. bei der grossen Unterführung der Prager Strasse neben dem Personen-Hauptbahnhof, theils wurden sie dicht vor den Stützen durchschnitten. Die kurzen Enden sind dann durch Federgelenke mit den mittleren Trägern verbunden. Bei einzelnen Brücken, so bei der Unterführung der Löbtauer Str. kurz vor dem östlichen Ende des Rangirbahnhofes Friedrichstadt, sind die Träger in 3 vollständig getrennte Theile mit zentraler Lagerung über den Stützen aufgelöst. Bei der genannten Unterführung wurden die beiden Stützen als Gitterpfeiler ausgebildet, während sie bei den meisten Bauwerken aus gusseisernen Säulen mit oberem und unterem Kugelgelenk bestehen. Die Gelenke sind in diesem Falle durch dekorative Zuthaten meist verdeckt. Nur an einigen Stellen sind die Stützen als schmiedeiserne Pfeiler mit kastenförmigem Querschnitt ausgestattet, welche die Gelenke unverhüllt zeigen. Die Fahrbahn ist mit Buckelplatten abgedeckt. Auf gefällige Erscheinung der Bauwerke, namentlich an den belebteren Strassen, ist besonderer Werth gelegt.

Der hohe Damm des Rangirkopfes am westlichen Ende des Rangir- und Güterbahnhofes Friedrichstadt gestattete die Ausführung einiger massiven Unterführungen, die vollständig in Beton hergestellt wurden. So ist der von der Hamburger Strasse nach dem Dorfe Cotta abzweigende Flügelweg mit einer Wölbung von 17 m Lichtweite und 9 m lichter Höhe überspannt und die verlegte Weisseritz mit einer solchen von 18 m Weite und 12 m Höhe. Bei beiden liegt über dem Gewölbescheitel noch je 6 m Dammschüttung.

Die Bauwerke sind einschliesslich der Ansichtsflächen vollständig in Beton hergestellt. Für das letztere Bauwerk waren 6000 cbm Beton erforderlich. Die Ausführung nahm nur 3 Monate in Anspruch (vgl. D. Bztg. No. 24 d. J., S. 155).

Ueber den breiten Gleisgruppen der Rangir- und Güterbahnhöfe sind einzelne Strassen überführt. Ebenso gestatteten die Gelände-Verhältnisse ein gleiches Vorgehen zwischen dem neuen Hauptbahnhof Altstadt und der Abzweigung nach dem Abstellbahnhof. Es sind hier 3 Brücken erbaut im Zuge der Kohlschütter-, Chemnitzer- und Falkenstrasse. Diese besitzen alle 3 Spannungen mit Zwischenstützen entsprechend der Dreitheilung der Bahnhofsgleise in 2 höher liegende und 1 tief liegende Gruppe. Die Ueberführung der Falkenstrasse zeigt seitlich Blechträger auf Pendelstützen und im mittleren Theile auf massiven Zwischenpfeilern einen Parabelträger mit doppeltem Netzwerk. Die Fahrbahntafel ist aus Zoreseisen hergestellt.

Abbildg. 7 Seiten-Ansicht der Südhalle a. d. Bismarckstrasse
Abbildg. 6 Oestliche Kopfansicht der Südhalle

Die Ueberführung der Chemnitzer Strasse ruht nur auf Pendelstützen, die Träger sind als kontinuirliche Parallelträger ausgebildet, die Fahrbahn liegt in der Mitte. Am gefälligsten ist die dem Bahnhofe zunächst gelegene Ueberführung der Kohlschütter Strasse, die hohe Brücke, ausgeführt. Sie ist anstelle des alten gewölbten Bauwerkes getreten, das in dem Kopfbild der No. 45 im Vordergrund erscheint. Das Kopfbild der vorliegenden Nummer zeigt dagegen die neue Brücke, deren über der Fahrbahn liegende Hauptträger als Kragträger ausgebildet sind. Schmiedeiserne Portale verbinden die beiden Hauptträger über den massiven Zwischenpfeilern. Der mittlere Trägertheil ist ähnlich wie bei der Forth-Brücke mit Pendelstützen in den kastenförmigen Endvertikalen der Kragarme aufgehängt, Die Fahrbahntafel ist aus Buckelplatten hergestellt. Die Bürgersteige sind auf Konsolen ausgekragt. Sie entwässern, ebenso wie bei den anderen Ueberführungen nach aussen in Rinnen, die an den Konsolen aufgehängt und an den Brückenenden in die Abfallrohre der Rinnsteine eingeführt sind. Die Abdeckung ist mit Stampfasphaltplatten erfolgt, die in heissem Asphalt verlegt wurden, genau wie bei den freiliegenden Bahnsteigen des Hauptbahnhofes.

Für die viergleisige Verbindung der Altstadt mit der Neustadt wird in einem mittleren Abstande von 55 m von der alten, aus dem Jahre 1852 stammenden massiv gewölbten Marienbrücke eine neue Brücke ausgeführt. Die alte Brücke trägt 2 Gleise und dient gleichzeitig dem Strassenverkehr. Sie ist auf Pfahlrost gegründet. Anfangs war eine Verbreiterung in der Weise geplant, dass man dicht unterhalb pneumatisch neue Pfeiler absenken und dann den Zwischenraum zwischen den beiden Brücken mit überwölben wollte. Man entschloss sich jedoch später zu einem ganz selbständigen Bauwerke, umsomehr, als es wünschenswerth erschien, die alte Brücke dem gesteigerten Verkehrsbedürfnisse entsprechend in voller Breite für den Strassenverkehr auszunutzen.

Für die Pfeilerstellung der neuen Brücke ist die alte insofern maassgebend gewesen, als man mit Rücksicht auf Hochwasserabführung und Eisgang die neuen Pfeiler genau in die Axe der alten gestellt hat. Statt der 7 Stromöffnungen hat man jedoch nur deren 4 angeordnet, von denen 3 von Mitte zu Mitte Pfeiler 65,75 m messen, während die vierte am linken Ufer kleiner ist und noch einen Theil der Uferstrasse mit überspannt. An diese grossen Oeffnungen schliesst sich wie bei der alten Brücke der Inundationsviadukt am linken Ufer, der mit 5 Oeffnungen das von Hochwasser überfluthete Vorland überschreitet. Er liegt in einer Kurve von 300 m Halbmesser und besitzt 4 Oeflnungen von je 31,5 m mittlerer Weite und eine Oeffnung von 15 m im Anschluss an den Bahndamm. Am rechten Ufer schliesst sich noch eine kleinere Oeffnung an, unter welcher die Hafengleise der Kaianlagen daselbst hindurch geführt sind. Der Inundationsviadukt ist massiv und zwar vollständig in Beton mit Sandstein-Verblendung der Stirnen ausgeführt, während die Strombrücke einschliesslich der Oeffnung am rechten Ufer in Eisen hergestellt werden soll.

Die Hauptträger, 5 an der Zahl, sind als kontinuirliche Bögen mit doppeltem Netzwerk konstruirt, welche durch die als Dreigelenkträger ausgebildete, künstlich belastete kleine Oeffnung am rechten Ufer derart in Spannung versetzt werden, dass der durch das Eigengewicht entstehende Horizontalschub nahezu aufgehoben wird. Es ist also hier ein ähnliches Prinzip durchgeführt, wie es Köpcke zuerst bei der Riesaer Elbbrücke verwendet hat, bei welcher die im Untergurt der als Balkenträger konstruirten Hauptträger auftretenden Zugspannungen durch eine mit belasteten Hebeln erzeugte Pressung aufgehoben werden.

Die Belastungsträger des dritten Gelenkbogens sind natürlich getrennt von den die Gleise tragenden Hauptträgern angeordnet, da sie zu starke Auf- und Abwärtsbewegungen zu machen haben. Trotzdem wird einschliesslich der zur künstlichen Belastung nöthigen Eisenbarren noch eine erhebliche Materialersparniss gegenüber einer gewöhnlichen Bogenbrücke erzielt.

Die Fahrbahntafel der Strombrücke wird aus Buckelplatten gebildet, auf denen eine dünne Kiesschicht ruht, die jedoch nur schalldämpfend wirken soll. Die Gleise liegen nicht in Bettung, sondern auf besonderen Schienenträgern. Die Eisenkonstruktion war im Anfang April d. J.

fertig entworfen und sollte demnächst vergeben werden.

Fertig gestellt waren bereits im Herbst 1895 die von Harkort pneumatisch gegründeten Strompfeiler.

Der etwa 200 m lange Inundations-Viadukt ist, abgesehen von der in Sandstein hergestellten Stirnverblendung, durch die Firma Dyckerhoff & Widmann vollständig in Stampfbeton ausgeführt und zwar von der unmittelbar auf dem scharfen Kies ruhenden Fundamentsohle bis zum Hauptgesims. Die Bögen besitzen Scheitel- und Kämpfergelenke aus Stampfbetonquadern, die sich mit gekrümmten Flächen aufeinander abrollen können. Es ist diese Konstruktion zuerst von Köpcke ausgeführt (vergl. Hannöversche Zeitschrift 1888), ebenso wie von ihm überhaupt die Anregung zur Anwendung von 3 Gelenken bei Bogen- bezw. Hängebrücken ausgegangen ist (Hannöversche Ztschrft. 1860). Die Gelenke bleiben hier unvergossen und auch in der Ueberschüttung und in den Stirnmauern setzt sich über den Kämpfergelenken eine offene Fuge fort, die im unteren Theile der Stirn übrigens mit weichem Kalkmörtel, im oberen nur durch Asphalt-Filzeinlage ausgefüllt ist. Die Beweglichkeit bleibt also dauernd erhalten. Um trotz der Krümmung des Viaduktes die mittleren Gewölbetheile gerade ausführen zu können, haben einerseits die Pfeiler keilförmige Gestalt erhalten und andererseits sind die untersten Gewölbtheile bis zu den Kämpferquadern windschief hergestellt. Die Gelenkquader sind im Mischungs-Verhältniss von 1 Theil Portlandzement auf 2 Th. Sand auf 2 ½ Th. Steinschlag von Syenit ausgeführt und enthalten einen festeren Kern von 1:1:1 ¼ . Sie wurden erst ein Jahr nach der Herstellung verwendet. Die Berührungsflächen der Kämpfersteine haben 14-20 m Breite, Nach den Mittheilungen in der Dtsch. Bztg. 1806, No. 24 S. 155 haben die Gelenke bei voller Betriebslast auf allen 4 Gleisen einen Druck von 285 t für 1 m Breite aufzunehmen. Die Belastung der berührten Gelenkflächen beträgt 143-204 kg für 1 qm. Bei der Ausführung der Gewölbe sind die Gelenkquader wie Werkstein versetzt, während das Gewölbe selbst an Ort und Stelle auf der Schaalung eingestampft wurde. Die Mischung ist hier 1:5:6 ¼. Für die Ausfüllung der Gewölbezwickel ist nur ein Mischungs-Verhältniss von 1:10:13 angewendet worden. Ausgedehnte Versuche über Gelenkquader in Sandstein und Beton sind vor Ausführung der Konstruktion in der mechanisch-technischen Versuchsanstalt in Charlottenburg vorangegangen.

Zu bemerken ist noch, dass die Gewölbe in der Längsrichtung getheilt sind, sodass jedes Gleispaar für sich durch einen besonderen Bogen getragen wird.

Grosse Sorgfalt ist der Abdeckung und Entwässerung der Gewölbe zugewandt worden. Die Zwickel über den Pfeilern sind für sich entwässert, ausserdem ist jedes Gewölbe in 4 Entwässerungsstreifen mit je einem eigenen Abfallrohr getheilt. Die Abfallrohre zeigen eine eigenartige Ausbildung insofern, als das Tagewasser und das Sickerwasser getrennt abgeführt wird. Ueber dem weiten Abfallrohr für das Sickerwasser sitzt ein besonderer Aufsatz, der das Tagewasser aufnimmt. In den Zwischenraum zwischen den beiden Rohren können event. Lampen eingehängt werden, um ein Einfrieren zu verhindern. Die Abdeckung ist zunächst durch Asphaltfilzplatten bewirkt. Auf diesen liegt eine imprägnirte Holzlattung, sodann eine Schicht starker, mit Hand gepackter Kieselsteine, hierauf schliesslich die Bettung. Ueber dem Gelenkschlitz liegt erst Zinkblech und darauf der Asphaltfilz, der. an einem Ende lose ist, sodass er alle Bewegungen mitmachen kann. Die speziellen Entwürfe des ganzen Brückenbauwerkes sind unter der Oberleitung Köpcke’s durch den Bauinspektor Krüger ausgearbeitet. Mit der Montage der Brücke wird voraussichtlich noch in diesem Sommer vorgegangen werden.

Die generellen Entwürfe zu den gesammten Umbauten, wie sie 1890 den Ständekammern vorgelegt wurden, sind unter Oberleitung des Finanzministeriums durch ein besonderes „Bureau für die Dresdener Bahnhofsbauten“ ausgearbeitet und ein gemeinsames Werk des Geh. Raths Köpcke und des Bauraths Klette. Letzter verblieb auch an der Spitze des Bureaus für die Ausarbeitung der speziellen Entwürfe, nachdem diese Aufgabe nach erfolgter Genehmigung durch die Stände der Generaldirektion übertragen war, Auf die Ausgestaltung der Entwürfe haben als Referenten des Finanzministeriums Geh. Rath Köpcke für die Anlagen in Neustadt, Geh. Finanzrath Schulze für diejenigen in Altstadt dauernd eingewirkt. Finanzrath Peters ist mit der Oberleitung der Bauausführung betraut, welche im übrigen durch 5 Sektionsbureaus bewirkt wird, die den Bauinspektoren Krüger, Wolf, Menzner, Toller und Rüden unterstellt sind.

Ueber die Umgestaltung der Dresdener Bahnanlagen finden sich, abgesehen von der im „Civilingenieur“ 1895 von Brth. Klette im Auftrage des Finanzministeriums veröffentlichten Mittheilung und abgesehen von kurzen Notizen im „Centralblatt der Bauverwaltung“ 1894, eingehendere Angaben über den generellen Entwurf in der „Zeitschr. d. V. dtsch. Eis.-Verwaltg.“ 1890, ferner über die speziellen Entwürfe daselbst 1892 u. 1894. Eine weitere Veröffentlichung findet sich im „Organ f. d. Fortschr. d. Eisenb.Wesens“, 1895, mit einigen Plänen.

Mit der für das Jahr 1900 in Aussicht genommenen Fertigstellung der gesammten Umbauten wird ein für die Weiterentwicklung des Verkehrs der Stadt Dresden hochbedeutsames Werk beendet sein, das in Entwurf und Ausführung für den Techniker ausserdem reiche Anregung bietet.

Dieser Artikel von Fr. Eiselen erschien zuerst am 03., 13. & 17.06.1896 in der Deutsche Bauzeitung.