Aus Anlass des 100. Geburtstages seines Stifters, des im Sommer 1865 verstorbenen Baurathes Eduard Knoblauch, hatte der Architekten-Verein zu Berlin am 25. Sept. eine ausserordentliche Sitzung veranstaltet, zu der auch die Vereinigung Berliner Architekten eingeladen war. Dem mit einer interessanten Ausstellung älterer Originalzeichnungen verbundenen Festvortrage des Hrn. Prof P. Walle entnehmen wir im folgenden die wichtigsten Angaben. Zunächst nur kurz der Lebenslauf.
Eduard Knoblauch entstammte einer wohlhabenden Berliner Kaufmanns-Familie, die ihn in die durch Bismarcks Aufenthalt bekannte Plamann’sche Anstalt schickte, wo er zum Zeichnen nach Gips und nach Holzmodellen angehalten wurde. Die Freude an dieser Beschäftigung weckte die Neigung zum Baufach, dem er dann auch nach mehrjährigem Besuch des Friedrich Wilhelm-Gymnasiums sich widmete. Zu dem Ende nahm er Privatunterricht im Zeichnen und in der Mathematik und erhielt 1817 die Aufgabe einer Probekarte, nach deren glücklicher Lösung er 1818 Feldmesser wurde, 1819 besuchte er gleichzeitig die Bauakademie und die Kunstakademie zu Berlin, während daneben noch Abends Vorlesungen an der Universität gehört werden konnten. Seine Hauptlehrer waren, soweit sich dies nach den Listen noch feststellen lässt, Meinecke, Rabe, Hummel und Becherer.
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Nach kurzer Praxis im Wasser- und Landbau machte er eine mehrmonatliche Reise durch Deutschland, um Material für die Lösung seiner Probearbeiten zu sammeln, die in einem Gesundbrunnen in schöner Gebirgsgegend, sowie einer Tuchfabrik mit Wasserkraft bestanden. Nach seinem Tagebuch besuchte der eifrige junge Künstler vorwiegend Bäder und nahm die Fahrt über Pyrmont, Aachen, Ems, Wiesbaden, Schwalbach usw., wobei vor allem auch die gärtnerische und landschaftliche Ausgestaltung der mit den vornehmen Bädern verbundenen Parkanlagen durch Terrassen, Blumenbeete und Baumpflanzungen beachtet wurde.
Heimgekehrt, entwarf er die reizvolle Ehrenpforte an der Schlossbrücke beim Einzug des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und seiner Braut (1823) und widmete sich alsdann wieder mehrere Jahre dem Studium. (Der nächsten Nummer wird eine Abbildung der Ehrenpforte von 1823 beigefügt werden.)
Der Vortragende schilderte nun kurz die ungünstigen Verhältnisse an der damaligen Bauakademie, die infolge verschiedener bedenklicher Reformen die in Berlin studirenden Kondukteure näher zusammenführten. Am 5. Juni 1824 begründeten 18 Kondukteure den Architekten-Verein, wozu Knoblauch die erste Anregung gegeben hat. Seine grossen persönlichen Verdienste um die Leitung, um die Vorträge und die werthvollen Veröffentlichungen sind aus der Geschichte des Vereins hinlänglich bekannt (Vergl P. Wall, Der Architekten-Verein zu Berlin 1824-1899, „Dtsch. Bztg.“ 1899, No. 43 und 44.). Hervorzuheben wäre nur, dass seine Stellung im Architekten-Verein ihn bei dem ersten Architektentage zu Leipzig (1842) ebenfalls in die erste Reihe brachte, und dass die späteren Wanderversammlungen, die Vorläufer des heutigen Verbandes der deutschen Architekten- und Ingenieurereine, ihm manchen werthvollen Vortrag und manche gute Anregung zu danken hatten.
Ed. Knoblauch bestand 1828 die Baumeisterprüfung und liess sich nach einer zweijährigen, zumtheil in Stülers Gesellschaft zurückgelegten Fusswanderung durch Holland, Frankreich und Italien dauernd in Berlin nieder, um hier als der erste Privat-Architekt in seiner Art ganz seinem Berufe zu leben. Sehr bald bildete der städtische Wohnhausbau, der noch ziemlich vernachlässigt war, seine Domäne, indem er aufgrund seiner näheren Kenntnisse der Einrichtungen fremder Länder gar manche Verbesserung einführen und vor allem auf eine Verfeinerung und Veredelung des Geschmackes hinwirken konnte. Wo die Mittel nicht erhebliche waren, wusste er bei maassvoller Architektur durch geschickte Gruppirung und liebevolle Behandlung des Ornaments eine gute Wirkung zu erzielen. Bei der Anordnung des Grundrisses verdankte man ihm die Anlage durchgehender breiter Korridore und breiter bequemer Treppen, sowie die geschickte Einfügung von Lichthöfen und die glückliche Durchführung aller wichtigen Axen.
Wie die Verhältnisse damals lagen, war überall fast der Putzbau von selbst gegeben, den ja auch Schinkel u.a. am Palais Redern so wirkungsvoll zur Durchführung brachte. Dadurch musste grosser Werth auf eine feine Durchführung der Einzelheiten gelegt werden, worin denn auch Knoblauch an ungezählten Bauten sich als Meister zeigte. Mit Stüler, Strack und Hitzig hat er im Wohnhausbau die Berliner Schule zu Ehren gebracht und in 3 Jahrzehnten, sehr viel zum baulichen Aufschwung Berlins beigetragen.
Ohne der Entwicklung des durchaus selbständigen Künstlers hier im Einzelnen nachzugehen, mag noch erwähnt sein, dass bei allem Ernste seines Schaffens die Mehrzahl seiner Schöpfungen im Aeusseren, wie im Inneren eine behagliche Anmuth zur Schau trägt, die seiner eigenen optimistischen Lebensauffassung wohl am Nächsten gelegen haben mag.
Von den noch vorhandenen Werken aus jener Zeit sei hier auf die Villa Casper, Bellevuestrasse 16, hingewiesen, ferner auf die vornehmen Wohnhäuser Oranienstr. 95 bezw. 101, Alexandrinenstr. 89, und Potsdamerstr. 133. Sie alle sind aber weit übertroffen durch das im Jahre 1839 entstandene Hotel der Russischen Botschaft (Unter den Linden 7), Palais Armin-Boytzenburg (am Pariser Platz) und Palais Behr-Negendank (j. Schwabach) am Wilhelmsplatz.
In den erwähnten Wohnhäusern und Palästen, besonders in der Russischen Botschaft mit dem schönen Treppenhause, den vornehmen Kaiserzimmern, dem pompejanischen Kabinett und dem durch Rosenthal mit einem Bacchusfries geschmückten Tanzsaal ist dem inneren Ausbau die allergrösste Sorgfalt zugewendet und ein Wechsel in Raumwirkung und Farbe überall thunlichst angestrebt worden. Die praktischen Grundsätze, von denen der Baumeister bei der Ausführung geleitet wurde, hat er in seiner Beschreibung des Wohnhauses Bellevuestr. 16 im „Architektonischen Album“ ausführlicher dargelegt. Dadurch, dass für ein halbes hundert solcher Wohnhausbauten Thüren, Fenster, Fussböden, Oefen usw. bis ins Kleinste hinein für jeden einzelnen Fall besonders entworfen und im Grossen gezeichnet wurden, hat Knoblauch zur Hebung des Kunsthandwerkes im besten Sinne in verdienstvoller Weise beigetragen.
Wo die Architektur sich unabhängig von einengenden Vorschriften entwickeln konnte, wie z. B. bei dem Entwurf für das Palais des Grafen Arnim-Boytzenburg, da verleugnet sie nirgends die Grundsätze der Berliner Schule, doch tritt die Erfindung bei guter Abwägung aller Verhältnisse in den Gliedern und Dramen reicher, freier, ansprechbarer auf. Während im Aeusseren aber noch der Putzbau das Vorherrschende bleibt, wird, wo eben möglich, in den Vestibülen und Treppenhäusern vor allem die Anwendung von Marmor zu den Stufen, den Wangen und der Wandbekleidung bevorzugt. Für die innere Raumanordnung entwickelte der Baumeister dabei ein solches Geschick, dass seine Grundrissanlagen in Berlin lange als Muster angesehen wurden und dadrurch den tiefgreifendsten Einfluss ausgeübt haben.
Die ausgedehnte Thätigkeit auf diesem besonderen Gebiete lenkte sehr bald die Aufmerksamkeit auf den unermüdlich schaffenden Architekten hin, der, besonders nachdem er bei dem Ausbau des alten Provinzial-Ständehauses in der Spandauerstrasse einen neuen Ständesaal von grosser Wirkung geschaffen, für den Landadel eine ganze Reihe sehr stattlicher und ansehnlicher Bauten auszuführen hatte. Assmann zählt in einer in der „Zeitschr. f. Bauw.“ veröffentlichten Biographie etwa 30 Herrensitze auf, die als Umbauten älterer Herrenhäuser und Burgen, oder aber als Neubauten durch Knoblauch entstanden sind. Ueberall ist das Streben nach bequemer Raumverbindung, nach behaglicher Ausgestaltung durch Sitze oder gedeckte Hallen und nach wirkungsvollem Gruppenbau durch Portale, Erker, Giebel und Aussichtsthürme wahrzunehmen, während bei geringen Mitteln eine einfache maassvolle Architektur dem Künstler mancherlei Beschränkung auferlegte. Derartige Herrenhäuser, Landsitze oder Jagdschlösser in den verschiedensten Provinzen sind solche für den Grafen Redern zu Lanke, für Graf Arnim-Kröchelndorf, von Homeyer-Kanzin, v. Thadden-Vahnerow, von Romberg (Gerdauen), Graf Egloffstein (Schwusen), Graf Blome in Holstein, von Frantzius (Bauditten). Dabei fand sich reichlich Gelegenheit, die auf den früheren Reisen gesammelten Erfahrungen über die schönsten Park- und Gartenanlagen in Deutschland praktisch zu verwerthen.
Bei aller anstrengenden Arbeit seines Berufes fand er aber immer noch Musse, sich mit der Bearbeitung zeitgemässer Fragen zu beschäftigen, um womöglich zur Lösung der selben seinerseits etwas beizutragen. So entwarf er 1840 einen idealen Plan, wonach der Lustgarten mit wenigen Mitteln zu einem grossartigen Festplatz für die Huldigungsfeier für Friedrich Wilhelm IV. umgewandelt werden konnte; ferner nach dem Brande des provisorischen Herrenhauses das Projekt eines Doppelparlaments für beide Häuser des Landtags, dann aus einem ähnlichen Anlass die bald nachher auch verwirklichte Durchlegung der Französischen Strasse nach dem Schlossplatze hin vermöge einer Passage nach Art der Schinckel’schen an der Neuen Wilhelmstrasse. Auch fesselten ihn an den Monats-Konkurrenzen des Architekten-Vereins stets diejenigen am meisten, die einer eben vorliegenden Anregung entsprungen waren. Dazu zählten u. a. Skizzen für das neue Hallesche Thor als Abschluss der Friedrich-Strasse, für den Ausbau der Jerusalemer Kirche am Ende der Kochstrasse, für ein Landhaus am Kreuzberg und eine Dekoration für die Stechbahn. Während diese kleinen, in den Sammlungen des Vereins noch erhaltenen Arbeiten nur von seinem lebhaften Interesse für alle derartigen Dinge Zeugniss ablegen, haben hier als bedeutsam für seine Leistungsfähigkeit die öffentlichen Konkurrenzen inbetracht zu kommen, aus denen er, wenn auch nicht als der Sieger, so doch unter besonderer Anerkennung hervorgegangen ist. In dieser Beziehung ist der Entwurf für die Börse in Frankfurt a. M. zu erwähnen, der in seiner ganzen Auffassung an italienische Palastbauten anklingt (s. Abbildg.). Es folgten die Wettbewerbe für die Nicolaikirche und für das Rathhaus in Hamburg, (für Rathhaus II. Pr.) und die Börse in Berlin, für das Krankenhaus in Altona, den Saalbau in Frankfurt, für das Rathhaus in Striegau und die Trinkhalle in Karlsbad, endlich für die Petrikirche in Berlin (II. Pr.).
Die eingehende Beschäftigung mit verschiedenen Kirchenbauten führte ihn Mitte der vierziger Jahre zur Aufstellung des idealen Grundrisses einer protestantischen Kirche über deren beste Grundform er mit Prediger Buttmann und Dr. Dann lange hin und her berathen hatte. – Nach seinen Ideen sollte die Kirche ein einheitlicher grosser Raum sein, ohne jede Theilung durch Pfeiler oder Stützen, die den Ausblick stören könnten. Der Raum, fast quadratisch, ist in den starken Mauern von stattlichen Fenstern durchbrochen, die dem ganzen Inneren eine Fülle von Licht gewähren. Drei Seiten nehmen die Sitze der Gemeinde ein; die Chorseite setzt sich aus drei grossen Nischen zusammen: die mittlere für den Predigtstuhl, die zur Linken für das Sakrament der Taufe, die zur Rechten für das Abendmahl. Die drei Kapellen liegen in gerader Richtung neben einander, abgetheilt nur durch die vorspringenden Wandpfeiler der Kirche. Die Kanzel bildet den Mittelpunkt und ist deshalb so weit wie möglich in den Kirchenraum vorgebaut; sie ist der erhöhte Platz des Predigers, wenn er zur Gemeinde spricht; zugleich ist darunter ein zweiter Platz für den Prediger, an dem er Einsegnungen und Trauungen vornimmt. – Alle drei Chornischen erhalten eine gleichmässige künstlerische Ausstattung mit Baldachinen und reich geschmücktem Gitterwerk, mit grossen Kandelabern und hohen schön gemalten Fenstern, die in die Wölbung des Chores hinaufsteigen. Die an sich ziemlich einfachen Pläne bildeten auf der Kunstausstellung von 1847 einen Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit.
Knoblauch beschäftigte sich damals auch mit einer grundlegenden Reform der Akademie der Künste, in die er 1845 berufen wurde. Manche seiner Vorschläge, die auf die Beschränkung der Zahl der ordentlichen Mitglieder, auf die bessere Regelung der Wahlen und auf die Einbeziehung aller Zweige der Kunst, einschliesslich des Kunstgewerbes in die Thätigkeit der Akademie abzielten, wurden nach dem Tode des alten Schadow (1850) angenommen und durchgeführt. Aus den Berathungen der Akademie und seinen eigenen Gedanken für die eure der Kunst erhielt er die Anregung für den Entwurf einer Kunsthalle, wofür mehrere Lösungen noch vorhanden sind. Er war es auch, der damals empfahl, dass die Akademie mit allen irgend welche Kunstzwecke verfolgenden Vereinen die engste Fühlung halten sollte, um bezüglich aller Fortschritte immer auf der Höhe zu bleiben.
Bei dem raschen Aufblühen des Eisenbahnverkehres in Deutschland erwuchsen auch ihm dabei ganz neue Aufgaben, indem sein Freund Wiebe ihn zu dem Entwurf zahlreicher Bahnhofsbauten – so in Danzig, Elbing und Königsberg – heranzog, an die sich nachher das vortreffliche Direktions-Gebäude in Stettin anschloss. Wenn hier von sonstigen Bauten noch die erste in das Jahr 1842 fallende Ausführung des Krollschen Etablissements auf dem Königsplatz (s. Abbildg.), dann das Weydingersche Stiftshaus und das jüdische Krankenhaus in der Auguststrasse (1842) nebst der Bank in Dessau erwähnt werden, so ist – abgesehen von der Synagoge sein Wirken im Grossen und Ganzen dargestellt, wobei indessen noch eine umfangreiche litterarische Thätigkeit für die „Notizblätter des Architekten-Vereins“, das „Architektonische Album“ und Rombergs, „Zeitschr. für prakt, Baukunst“, die er selbst mehrere Jahre lang leitete, zu beachten bleibt. Das bekannteste Werk seiner Lebensarbeit, zugleich das letzte, ist die Synagoge in der Oranienburgerstrasse, bei der er an Reife der Planbildung wie an künstlerischer Schönheit des Inneren und an technischer Leistung alle früheren Arbeiten weit überboten hat. Er erlebte nicht die Vollendung dieses interessanten Schöpfungsbaues, den nach seiner Erkrankung sein Freund Stüler fortsetzte.
Eduard Knoblauch starb am 29. Mai 1865, tiefbetrauert von allen Freunden der Kunst. Er wurde noch am Tage der Beisetzung selbst durch eine besondere Sitzung des Architekten-Vereins geehrt, in welcher Altmeister Hagen dem Freunde und Künstler einem der besten und würdigsten Vertreter der Berliner Schule, Worte der höchsten Anerkennung widmete. –
Dieser Artikel erschien zuerst am 28.09. & 02.10.1901 in der Deutsche Bauzeitung.