Feier der Grossjährigkeitserklärung des Deutschen Kronprinzen

Verklungen und verrauscht sind die Jubelfeste zu Ehren der Großjährigkeitserklärung des Deutschen Kronprinzen Wilhelm.

Eine seltene Feier ist nicht nur mit seltener Prachtentfaltung begangen worden, sie gedieh durch die Teilnahme der hohen Verbündeten Kaiser Wilhelms, der deutschen Bundesfürsten und aller souveränen Häuser Europas zu einem politischen Ereignis von größter Bedeutung. Selten ist solche Feier, denn seit König Friedrich Wilhelm IV. war kein König von Preußen als Kronprinz großjährig gesprochen worden.

Feier zur Grossjährigkeitserklärung des Deutschen Kronprinzen

Wenn aber dieses Fest des Hauses Hohenzollern weit über den ihm vorbestimmt gewesenen Rahmen hinaus zu einer stolzen Ehrung des Deutschen Reiches und seines Kaisers sich gestaltete, so war das dem hochherzigen Entschluß des Kaisers und Königs Franz Josef I. zu danken, der spontan seinen Besuch in Berlin ankündigte, um den achtzehnten Geburtstag des Deutschen Kronprinzen mit seiner Gegenwart durch offene Bekundung unverbrüchlicher Freundschaft und Bündnistreue zu verherrlichen. Diesem stolzen Beispiel folgten alle anderen souveränen Häuser in freundschaftlicher Würdigung der bewährten deutschen Friedenspolitik.

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So war denn auch in diesen Festtagen Kaiser Franz Josef nicht bloß nach seinem Rang, sondern auch nach der Rangordnung der Herzen der ganz besonders ausgezeichnete Ehrengast unseres Kaisers und seiner Familie. In seiner Umgebung waren nicht nur die hervorragenden Militärpersonen, auch der Minister des Aeußern, Graf von Goluchowski, begleitete ihn nach der Reichshauptstadt; eine Thatsache, die allein schon darauf hindeutet, daß es sich nicht nur um die Feier prunkvoller Festlichkeiten handelte, sondern daß wohl auch manche politische Angelegenheit von größerer Tragweite in Berlin durch persönliche Aussprache der beiden Monarchen und ihrer Minister erledigt werden konnte, und es steht zu erwarten, daß diese Zusammenkunft noch weitere segensvolle Folgen haben wird für Deutschland und über seine Grenzen hinaus.

Ankunft des Kaisers in Frankfurt a. O. – Der Kaiser schreitet die Front der Ehrenkompanie des Leibgrenadierregiments Nr. 8 ab

In Frankfurt a. O., der ersten Station, die der österreichische Kaiserzug nach Tagesanbruch erreichte, wurde Kaiser Franz Josef von den Herren des Ehrendienstes begrüßt, denen sich der österreichisch ungarische Botschafter, Herr v. Szögyeny-Marich, angeschlossen hatte. Die auf dem Bahnhof aufgestellte Ehrenkompagnie des Leibgrenadierregiments Nr. 8 brachte dem verbündeten Monarchen die ersten Grüße des deutschen Heeres.

Begrüssung des Kaisers Franz Josef durch den Deutschen Kaiser auf dem Potsdamer Bahnhof in Berlin

In mächtiger Steigerung entwickelte sich dann der Empfang auf dem festlich geschmückten Potsdamer Bahnhof, wo Kaiser Wilhelm in der Uniform eines österreichischen Generals, umgeben von den Prinzen des Königlichen Hauses, den Würdenträgern des Hofes, des Reiches und Preußens seinen Freund erwartete, während die Söhne des Kaisers in Reih und Glied der Leibkompagnie des ersten Garderegiments den Ehrendienst als Offiziere leisteten. In dieser Begrüßung war das dynastische Element der Kaiserbegegnung herzlich und bedeutsam enthalten.

Reliefporträt Kaiser Franz Josef I. und Kaiser Wilhelm II. Im österreich-ungarischen Botschaftspalais zu Berlin am 6. Mai enthüllt. Entworfen von Alexander Járay

Und nun kam die Stadt Berlin mit ihren Einwohnern und Gästen aus dem ganzen Deutschen Reiche an die Reihe. Durch die jubelnden Massen von Hunderttausenden, vorbei an den geschmückten Häusern der Bellevuestraße, den weißleuchtenden Standbildern der Siegesallee, dem Spalier der Kriegervereine in der Charlottenburger Chaussee bewegte sich der glänzende Wagenzug durch das Brandenburger Thor zum Pariser Platz, der in kurzer Frist zu einem Prunk- und Festraum umgestaltet worden war, wie er hier schöner noch nicht gesehen wurde.

Einzug des Kaisers Franz Josef zur Rechten des Kaisers Wilhelm II. durch das Brandenburger Thor
Durchblick durch den Triumphbogen am Pariser Platz auf die festlich geschmückte Strasse unter den Linden
Begrüssung des Kaisers Franz Josef durch Vertreter der Stadt Berlin – Ansprache des Oberbürgermeisters Kirchner

Die wuchtigen, im Schimmer von Gold, Laubgewinde und Blumen aufragenden Obelisken, der monumentale Bogen der Ehrenpforte mit feinem herrlichen Baldachin, dem weit ausladenden österreichischen Doppeladler und der zierlichen Zinne, von der herab die Fanfaren klangen, die wallenden Fahnen Oesterreichs und Ungarns und die mit den schönen Frauen und Mädchen Berlins gefüllten Tribünen.

Bilder von der Feststrasse – Das Publikum in Erwartung des Kaiserzuges

Dies Alles belebt von den Hunderten festlich gekleideter Männer, die nach Rang und Würde Eingang gefunden hatten oder die österreichisch-ungarische Kolonie mit ihren Fahnen vertraten, dieses stolze Ganze bot einen unbeschreiblich schönen Anblick. An dieser Ehrenpforte begrüßte der Oberbürgermeister Berlins, Martin Kirschner, an der Spitze von Magistrat und Stadtverordneten den Kaiser Franz Josef.

Kaiser Franz Josef nimmt auf dem Pariser Platz die Blumengabe der Ehrenjungfrauen entgegen

Hier nahten die Ehrenjungfrauen Fräulein Kirschner, Knoblauch und Jacobi dem kaiserlichen Gaste mit den Grüßen der Dichtung und der Blumen. Der hervorragendste unserer patriotischen Dichter, Ernst von Wildenbruch, hatte ein schwungvolles Begrüßungsgedicht verfaßt, das den Monarchen in gehobener Sprache willkommen hieß. Der Kaiser war sichtlich von dieser Begrüßung erfreut, er verließ den Galawagen und bedankte sich bei den jungen Damen mit herzlichen Worten.

Krompronz und Prinz Heinrich im Festzug
Kaiser Franz Josef steigt aus dem Wagen und dankt den Ehrenjungfrauen
Feststimmung Unter den Linden während der Kaisertage

Die Straße Unter den Linden war mit Guirlanden und Fahnen des Mittelweges, mit dem reichen Schmuck der flankierenden Häuser und Paläste in eine glänzende Via triumphalis verwandelt worden, in der die großen Massen des Volks freudig erregt dem einziehenden Kaiser hinter den Spalier bildenden Truppen entgegenharrten. In einer Reihe von Momentaufnahmen haben wir die wichtigsten Stationen dieses Einzuges festgehalten. Nächst den beiden Kaisern waren der Kronprinz und Prinz Heinrich am meisten umjubelt. So bewegte sich der Zug am Denkmal Friedrich des Großen und dem Palais Wilhelms des Großen vor bei zum Lustgarten, wo vor dem Königsschloß die Regimenter der Garde eine mächtig imponierende Ehrenwache bezogen hatten.

Parademarsch der Gardeinfantrieregimenter vor den beiden Kaisern im Lustgarten – links Graf Bülow, Graf Goluchowski, Botschafter von Szögyeny-Marich

Hier war es so recht eigentlich die Armee, die dem Kriegsherrn der verbündeten Reiche der Habsburger ihren Salut erwies. Die Monarchen schritten die Fronten der Regimenter ab, die dann im Parademarsch vorbeidefilierten. Auch die Staatsmänner aus dem Gefolge der Kaiser, die Grafen Bülow und Goluchowski und Herr von Szögyeny-Marich waren Zeugen des militärischen Schauspiels.

Grosser Zapfenstreich der Berliner Garnison zu Ehren des Kaisers Franz Josef im Lustgarten – Im Hintergrund der neue Dom

Während aller drei Festtage blieb die Straße Unter den Linden in ihrer Eigenschaft als Via triumphalis. Vom frühen Morgen bis in die tiefe Nacht hinein umstanden die Massen diese schöne Fahrbahn und es gab alle Augenblicke große Freude, wenn die berittenen Schutzmänner angesprengt kamen, die Querstraßen absperrten und nun ein Hofwagen mit erlauchten Gästen oder mit Prinzen heranrollte oder gar einer der Kaiser wieder erschien, die dann immer erneut mit Jubelrufen begrüßt wurden.

Festliche Beleuchtung des Kaiser Wilhelm-Denkmals am Abend des 6. Mai

Als nächtliches Dunkel das Kaiserschloß umgab, rückten die Spielleute und Musikkorps der Berliner Garnison zum schmetternden Zapfenstreich vor die erleuchteten Fenster und Balkons und sandten mit andern Märschen und Liedern die Klänge des „Prinz Eugen der edle Ritter“ zum ritterlichen Sprossen aus dem Habsburger Hause empor. Und dann flammten überall die Kerzen auf, und das Nationaldenkmal auf der Schloßfreiheit erstrahlte in hellem Glanz des elektrischen Lichts. So verbanden sich Vergangenheit und Gegenwart, Dynastie und Volk und Heer zu einem Begrüßungsfest ohnegleichen.

Dieser Artikel erschiebn zuerst 1900 in Die Woche.