Zur Geschichte der Protestanten in Köln

Köln erfreute sich im fünfzehnten Jahrhundert des vollsten Genusses der Früchte seiner Blüthezeit. Angesehen, reich unter Deutschlands Städten, überstrahlte es dieselben alle durch seine fürstliche Baupracht, durch seinen äußeren Glanz. Schon damals hieß es: “Qui non vidit Coloniam, non vidit Germaniam!” und keine Uebertreibung war damals der Spruch: “Cöllen eyn Croyn, boven allen Steden schoyn!” Gaben die früheren Jahrhunderte der Stadt ihren kirchlichen Bauschmuck, wie ihn keine andere deutsche Stadt aufzuweisen hat, so ließ das fünfzehnte Jahrhundert es sich emsigst angelegen sein, auch öffentliche bürgerliche Bauten zu Nutz und Frommen, zur Freude und Ehre der Stadt und ihrer Bürger aufzuführen. In den Kirchenbauten that sich, neben dem werkthätigen Frommsinn, das geistliche Ansehen, die geistliche Macht kund, in den weltlichen Gebäuden der auf den Besitz gegrundete Bürgerstolz. Für den Kölner gab es keinen mächtigeren, stolzeren Titel, als der: “Bürger von Köln.”

Schon im Jahre 1407 ließ die Stadt den bauherrlichen Bergfried, den Stadt-Wachtthurm oder Rathhausthurm erbauen. Ein mächtiger, stolzer Quaderbau, mit reichem Bildwerk, mit Standbildern und verzierten Kragsteinen geschmückt, an denen die heitere Laune der Steinmetzen die Schwänke des allbeliebten Till Eulenspiegel zum Ergötzen von Jung und Alt kunstfertig ausmeißelte. Mit einem Kostenaufwande von 60,000 Gulden wurde der stattliche Bau 1414 in seiner ganzen Pracht vollendet, wozu der Senat das Vermögen der wegen der Verschwörung Hilgers von der Stessen gegen die Freiheiten der Stadt, 1398 ihrer Aemter entsetzten Scheffen und der der Stadt verwiesenen Bürger benutzte. Nach der Vertreibung der Juden wurde die dem Stadthaus gegenüber liegende Synagoge in die Rathscapelle umgewandelt, mit ihrem zierlichen Dachreiter versehen, und in dieselbe das höchste Kleinod altdeutscher Malerkunst, das so genannte “Dombild” gestiftet. Im Jahre 1441 baute die Stadt dem “Brulofs-Haus” gegenüber, wo die Hochzeiten der reichen Bürger, eine Art Pickenick, bei dem jeder geladene Gast seine Schüssel zu stellen hatte, gefeiert wurden, das Tanzhaus “Gürzenich”, auch der “Herren Haus” genannt, und verwandte zu diesem Baue nicht weniger, als 80,000 Gulden. Auf dem Tanzhaus feierte die Stadt ihre Feste, bewirthete sie Kaiser und Fürsten. Das Kornhaus, zugleich der Stadt Zeughaus, wurde auch 1441 aufgeführt. Die kostspieligen Uferbauten von Deutz bis Poll fallen in die Jahre 1479 und 1496, und die zeitweiligen Befestigungen von Deutz gehören auch diesem Jahrhunderte (1405, 1418 und 1474) an, wurden aber stets, sobald die Kriegsfahrniß vorüber, von den Kölnern selbst wieder zerstört, auf daß sie ihrer eigenen Freiheit nicht gefährlich wurden.

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Fröhlich blühten, nicht bloße Dienerinnen der Baulunst, die schmückten nicht allein die Kirchen, sondern auch die Hallen der Stadt, die Wohnungen der Patricier und reicher Kaufherren. Auch im Aeußern gab man der allgemeinen Wohlhäbigkeit Ausdruck, trug den Reichthum in der Kunstpracht, der Bequemlichkeit der Häuser zur Schau, liebte das kostbare Schaugepränge der Werke der Kleinkünste. Jedes reichen Bürgers Sitz war, wie auch in den welschen Landen, mit Kunstwerken jeder Gattung ausgestattet, und man war stolz darauf, hierin selbst Fürsten und Herren zu überbieten.

Eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit, ihre Reichsunmittelbarkeit, sich stützend auf ihre Geldmacht, hatten die Kölner bisheran mit bewaffneter Hand ihre Rechte gegen jeden Feind zu wahren gewußt. Selbst ein Karl der Kühne war zu Schanden geworden an ihrem Muthe. Daß die Gemeinden mit eben so großer Eifersucht ihre innere Freiheit aufrecht zu halten suchten, den Bürgermeistern und dem Rathe scharf auf die Finger sahen, war natürlich. Es standen zu allen Zeiten die demokratischen Elemente in offenem Kampfe mit den aristokratischen, besonders in einer Gemeinde-Verfassung wie die Kölns.

Seit 1396 hatte sich die Gemeinde ihre demokratische Verfassung, ihre Magna Charta, den “Verbundbrief”, errungen. Die ganze Bürgerschaft war in 22 Zünfte oder Gaffeln getheilt. Jeder, welcher das Bürgerrecht beanspruchte, mußte sich bei einer Gaffel einschreiben lassen, d. h. Mitglied einer Zunft sein. Die Bürger wählten aus ihrer Mitte 36 ehrbare Männer als Rath oder Senat, und zu dessen Ergänzung, ohne Rücksichtsnahme auf die Zünfte, noch 18 Gebrechsherren. Der Rath oder Senat bestand demnach aus einem Collegium von 49 Mitgliedern. Es wurden gewählt

1) von dem Wollenamt, als Arsburg und Kriegmarkt, mit den Aemtern der Tuchscherer, Weißgerber und Tirteyer 4 Rathsherren;
2) von dem Isermarkt 2;
3) von dem Schwarzenhaus 2;
4) von den Goldschmieden und Goldschlägern 2;
5) von der Windecken 2;
6) von den Buntwärtern 2;
7) von dem Himmelreich 2;
8) von den Schilderern, mit den Aemtern der Wappensticker, Sattelmacher und Glaswärter 2;
10) von den Steinmetzen, mit den Aemtern der Zimmerleute, Holzschneider, Kistenmacher, Leiendecker und Schleifer 1;
11) von den Schmie den 2;
12) von den Bäckern 1;
13) von den Brauern 2;
14) von den Gürtelmachern, sammt den Aemtern der Ledercoreider, Nadelmacher, Drechsler, Beutelmacher und Handschuhmacher 2;
15) von dem Fleischamt 1;
16) von dem Fischamt 2;
17) von den Schrödern 1;
18) von den Schuhmachern, mit den Aemtern der Lörer und Holschenmacher 1;
19) von den Sarwarteren, mit den Aemtern der Teschenmacher, Schwertfeger und Bartscherer 1;
20) von den Kannengießern, mit den Aemtern der Hamacher 1;
21) von den Faßbändern mit dem Weinamte 1;
22) von den Ziechenwebern, mit den Aemtern der Decklachweber und Leinenweber 1 Rathsherr.

Halbjährig wurde die Hälfte des Senats neugewählt, so daß jeder Senator ein Jahr Sitz und Stimme hatte, doch konnte er erst nach zwei Jahren nach seinem Austritt wieder gewählt werden.

Der Senat wählte jedes Jahr zwei Bürgermeister oder Consulen, welche drei Jahre im Amte blieben, so daß stets sechs Bürgermeister im Amte waren. Zwei derselben hatten ein Jahr den Vorsitz im Senate, waren die Regierenden, deren Amtszeichen der Stab, welcher ihnen nachgetragen wurde, zwei standen ein Jahr der Freitags-Rentkammer vor, und zwei auf ein Jahr der Mittwochs-Rentkammer.

Ohne die Gaffel-Aempter oder Zünfte konnte der Magistrat keinen Beschluß von Wichtigleit fassen, und mußte denselben auch jährlich Rechnung ablegen. Jedes Ampt besaß einen Schlüssel zum Stadtsiegel.

Dem Senat oder ordentlichen Rath gegenüber bestand noch ein Aufsichtsrath desselben, die so genannten zweiundzwanzig “Bannerherren”, welche als Mitvorsteher der Zünfte von diesen gewählt, dieselben dem Rathe gegenüber vertraten, Vermittler zwischen diesem und der Bürgerschaft waren, und den Namen “Bannerherren” daher führten, weil ihnen die Banner oder Wimpel der Zünfte anvertraut, und sie auch das Stadtbanner unter ihrer Aufsicht hatten, das nur bei feierlicher Gelegenheit ausgehängt wurde, und wenn man die gesammte Bürgerschaft unter die Waffen rief.

Was natürlicher, als daß bei einer solchen Verfassung, wo jeder Bürger die von ihm gewählte Obrigkeit glaubte beaufsichtigen zu müssen, es nie an Ursachen zur Unzufriedenheit fehlte, es nur eines Führers bedurfte, eines Mannes des Wortes auf einer der mächtigsten Zünfte, um diese Unzufriedenheit, den Argwohn zur Meuterei und Emporung werden zu lassen.

Der Argwohn der demokratischen Partei brach so 1481 in hellem Aufruhr aus. Wegen Herabsetzung des Münzwerthes, welchen der Senat für nothwendig erachtet, und weil dieser, als ihn die Zünfte zur Rechenschaft gesordert, nachgegeben, bildet sich in den Gaffeln ein neuer Rath. Die Rechnungen der Rentkammern werden geprüft, in Ordnung befunden, doch fehlen die Beläge. Mit der steigenden Unzufriedenheit steigern sich auch die Anforderungen der Unzufriedenen. Vergebens legt sich Erzbischof Hermann von Hessen, der Friedfertige (1480 – 1508), ins Mittel, er vermag den Streit nicht zu schlichten.

Mit bewaffneter Hand erzwingt sich die Masse im folgenden Jahre den Eintritt ins Rathhaus und nöthigt den Rath, einen Bürgermeister, einen Rentmeister und mehrere Mitglieder des Rathes ihrer Würden zu entsetzen und zu Thurm zu bringen, d. h. gefangen nehmen zu lassen. Man wählt einen neuen Bürgermeister und bietet Alles auf, die Empörer zufrieden zu stellen. Umsonst, sie gehen immer weiter in ihren Forderungen. Da fassen die Bürger, welche eine Umgestaltung der Verfassung befürchteten, allzu groses Uebergewicht der demokratischen Partei, den Entschluß, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, befreien mit Waffengewalt die zu Thurm gebrachten Rathsglieder und setzen sie wieder in ihre Aemter ein. Die Anführer der Unzufriedenen werden zur Haft gebracht, zum Schwerte verurtheilt, und vierzehn derselben auf dem Heumarkte hingerichtet. Unter ihnen wird ein Junkherr Werner von Lyskirchen genannt, ein Beweis, daß auch Manner aus den edlen Geschlechtern Kölns sich an dem Aufruhr betheiligten, daß derselbe nicht allein vom Pöbel ausging.

Mit Blut hatte man die demokratischen Regungen gegen die durch den Besitz der Gewalt immer aristokratischer auftretenden Gewalthaber zum Schweigen gebracht, aber den glimmenden Funken der Unzufriedenheit nicht erstickt.

Es bedurfte nur der geringsten Veranlassung, denselben zu hellen Flammen anzufachen. Und diese fand sich schon 1613, als die Steinmetzen am 21. December wegen der Wahl eines Amtsmeisters ihrer Zunft unter sich in Streit geriethen, ihre Oberen beim Rath verklagten, und dieser seine Befugniß in so weit überschritt, daß er in der Nacht vom 26. auf den 27. einige der Wortführer der Steinmetzzunft in ihren Häusern aufheben und zu Thurm bringen ließ. Sämmtliche Steinmetzen, ein ähnliches Geschick fürchtend, suchten jetzt Schutz in der Immunität, d. h. der Freistätte von St.-Marien auf dem Capitol, wo ihre Weiber und Kinder sie mit Speise und Trank und zugleich mit Waffen versorgten.

Der Rath sandte Abends 9 Uhr die Gewaltrichter, d. h. die mit der Handhabung der Policei beauftragten Beamten, mit einem Haufen Stadtsöldner in Begleitung einiger Rathsmitglieder nach der Immunität, um die Steinmetzen zu verjagen und, wo moglich, aufzuheben. Es kam zum Kampf, Bürgerblut floß. Lange vertheidigten die Steinmetzen hartnackig ihre Stellung, schlugen mehrere Angriffe zuruck, wobei dem Rathsherrn Diedrich Spitz ein Bein zerschmettert und einem anderen Rathsherrn Nase und Augen weggeschossen wurden. Endlich mußten die Steinmetzen den wiederholten Angriffen der Söldner weichen. Sie suchten ihr Heil in der Flucht, bargen sich, wo und wie sie nur konnten. Zwei Steinmetzen waren verwundet und gefangen, entkamen aber in der Verwirrung.

Als am folgenden Tage die Stadtthore geöffnet worden, verließen viele der Steinmetzen die Stadt. Fünf wurden vom Rathe gefänglich eingezogen. An demselben Tage belegte die Aebtissin des adeligen Fräulein-Stiftes in St.Marien auf dem Capitol die Immunität mit dem Kirchen-Interdicte. Diese Kunde erbitterte die Freunde und Anhänger der Steinmetzen aufs äußerste; Zimmerleute, Dachdecker und Studenten rotteten sich mit den in Köln gebliebenen Steinmetzen zusammen, um die Gefangenen zu befreien und die Geflohenen wieder in die Stadt zu führen.

Der Rath blieb standhaft. Er suchte die Gemeinde dahin zu bringen, ihre Zustimmung zur Hinrichtung der Gefangenen zu geben, um so durch dies blutige Beispiel die Aufrührer zu schrecken. Die Zünfte sind unentschlossen. Als der Rath am 30. December das Maler- und Goldschmiedamt zusammen beruft, erklären diese jedoch entschieden, sie würden sich streng am “Verbundbrief” halten. Am folgenden Tage forderte das Wollenamt den Rath auf, Rechnung abzulegen und sich vor der Bürgerschaft wegen Verletzung der persönlichen Freiheit mehrerer Bürger zu rechtfertigen. Der Rath läßt sich nicht einschüchtern, vielmehr auf den 3. Januar 1514 eine Versammlung aller Zünfte ansagen. Die Rathsboten werden aber bei allen Gaffeln abgewiesen, auf dem Wollenamte verhöhnt und mit dem Bemerken heimgeschickt, der Rath möge sich erst selbst verantworten.

Die Bürger sind auf ihren Zunfthäusern versammelt, allenthalben lautes Murren und Verlangen, die Gefangenen befreit und die Verfolgten wieder in die Stadt aufgenommen zu sehen. Da der Rath auf das ausdrückliche Begehr des Wollenamtes keinen Bescheid gibt, tritt dasselbe mit der Faßbinderzunft zusammen, vertreibt alle, die je im Rath gewesen, oder noch in demselben saßen, von ihren Zunfthäusern, und versprechen einander eidlich, fest zusammen zu halten, im Leben und Tode, bis der Senat ihrem Willen und Begehr Genüge gethan. Bewaffnet ziehen sie bei einbrechender Nacht durch die Stadt, verwüsten das Haus des Rathsherrn Diedrich Spitz und seinen Weingarten, dessen Holz auf beiden Zunfthäusern verbrannt wird.

Jetzt machten alle Zünfte mit genannten Aemtern gemeinschaftliche Sache.

Sie besetzen und schließen die Thore, pluündern das Zeughaus, stellen Schmiede und Studenten zur Bedienung der Geschütze und ziehen mit denselben vor das Rathhaus, nachdem sie die beiden Burggräven der Thore von St. Severin und von St. Cunibert noch gezwungen, ihnen diese auch zu öffnen und zu übergeben.

Der in so drohender Stellung die Freilassung der Gefangenen verlangenden Menge konnte der Rath nicht länger Widerstand leisten. Die Gefangenen wurden frei gegeben, im Triumphe nach den Stadtthoren geführt. Die Geflohenen durften heimkehren; der Rath verspricht jede gewünschte Genugthuung.

Am 6. Januar bildet sich auf dem Quattermarkt ein neuer Rath, zu dem jede Zunft sechs oder acht Mitglieder sandte, nachdem das Wollenamt die übrigen aufgefordert hatte, zu erklären, ob sie für die Freiheiten der Stadt einstehen wollten, und alle erklärt, mit Gut und Blut die Freiheiten der Gemeinde zu vertheidigen.

Der auf dem Quattermarkt von den Bürgern gebildete neue Rath sendet Abgeordnete an den alten Rath, um denselben von den Beschlüssen der Bürgerschaft in Kenntniß zu setzen. Während dessen ziehen bewaffnete Scharen der Bürger heran, besehen den Paradeplatz, so hieß der Rathhausplatz, den Altenmarkt, Heumarkkt, Oben-Mauern und den Domhof. Aller Orten dieselbe Aufregung gegen den Rath, aller Orten ertönt der Rache Ruf, blutige Sühne verlangend. Wuthentbrannt stürmt die bewaffnete Menge gegen das Rathhaus, wiederholt donnern die Schläge der Morgensterne und Kolben gegen die Thüren, sie widerstehen, doch reizt ihr Widerstand die Wüthenden nur immer mehr.

Da erschallt das Rathhausglöcklein, die Trommeln wirbeln durch die von den Bürgern besetzten Straßen. Die Zunftherren erscheinen auf der Galerie des Stadthauses am Altenmarkt mit der Erklärung, der Rath willige unbedingt in die Wünsche und Forderungen der Gemeinden. Mit unsaglichem Jubel wird diese Erklärung aufgenommen, wildes Freudengeschrei und Waffengeklirr tönt vom Markte nach dem Rathhausplatze, und da zufällig in einer Kirche Sturm geläutet wird, glauben die hier aufgestellten Bürger sich verrathen. Sie senden Haufen nach allen Richtungen. Der blinde Schreck die Verwirrung verbreitet sich durch die das Rathhaus umgränzenden Straßen, steigt aufs höchste, als es auf einmal von mehreren Kirchen stürmt.

Mit verdoppelter Anstrengung werden die Angriffe gegen das Rathhaus wiederholt, wilder wird das Rachegebrüll. Man überhört lange die Mahnungen der Zunftherren, die von der Laube des Rathhauses die tobende Menge zu beschwichtigen suchen. Endlich gelingt es ihnen, die Wüthenden zu beruhigen, aufzuklären, und der Racheruf verwandelt sich bald in Jubelgeschrei. Die Bürger wurden aufgefordert, sich auf ihren Zunfthäusern zu versammeln, und ziehen froh des erlangten Zugeständnisses mit klingendem Spiele ab.

Die ganze Stadt war in der größten Aufregung. Alle Straßen wurden auf Befehl erleuchtet. Die zügellose Menge erstürmt mehrere Häuser der Rathsherren und plündert. Die Rathsherren selbst hatten sich in Klöstern, Freiheiten und bei ihren Freunden versteckt. Die strengste Aufsicht herrschte an den Thoren, daß Keiner entkam. Tag und Nacht brachten die Bürger bewaffnet auf den Zünften zu, suchten aber durch Streifwachen dem Unfuge des Pobels zu steuern. Am 7. hatten sich siebenzehn oder achtzehn der alten Rathsherren gestellt und verantwortet. Sie blieben bei ihrer Würde.

Die Gemeinden wählten aber an die Stelle der sich verborgen haltenden auf dem Quattermarkt neue Rathsherren, Bürgermeister, Stimmmeister, Rentmeister und Gebrechsherren. Mit der feierlichsten Pracht, in Begleitung sämmtlicher Zünfte, wurde der neue Rath um 11 Uhr nach dem Stadthause geleitet, leistete hier den Eid und zog dann um 12 Uhr nach dem Zeughause zum so genannten Tractament, dem herkömmlichen Rathsschmause, der dort bei jeder Neuwahl Statt fand.

Noch an demselben Nachmittage trat der neue Rath in seine Functionen. Sein erster Befehl war die Aufsuchung und Verhaftung der versteckten Bürgermeister und Rathsverwandten. Weder Kirchen, noch Klöster, noch Freiheiten blieben verschont. Man brachte achtzehn der Rathsherren zu Thurm.

Klöster, Stifte und die Reichen gaben das Beste, was Keller und Küche bot, und so lebte die Menge Nacht und Tag im wildesten Zechgelage. Da man die Burgermeister nicht hatte entdecken können, blieben am 8. und 9. die Thore der Stadt verschlossen, wurden die Streifwachen der Zünfte, die ihre Gaffelhäuser nicht verließen, verdoppelt, bis man aller habhaft war.

Mit der größten Strenge, aber auch mit der größten Unparteilichkeit werden die Verhöre von dem Stadtgräven und Schöffen geführt; ihnen waren aber erprobte und erfahrene Männer aus den Zünften als Beisitzer zugesellt.

In der reichsunmittelbaren Stadt hatte der Kaiser das Recht über Leben und Tod, das Schwert; sein Vertreter war der Burggraf. Als der Burggraf Johann von Arberg auf dieses Recht verzichtet hatte, wurde der Erzbischof mit demselben belehnt. In Criminal-Processen sprach das hohe Gericht, bestehend aus dem Grafen und den Schöffen das Urtheil. Letztere mußten eingeborene Burger sein, wurden aber vom Erzbischofe bestätigt. Die Bürger verlangten ebenfalls, daß der Gräv ein geborener Kölner, doch störten sich die Erzbischöfe nicht an dieses Begehren.

Was nicht freiwillig gestanden wurde, erzwang die Folter. Und nun stellte sich heraus, daß Bürgermeister und Rath sich die größten Willkürlichleiten und Erpressungen erlaubt, mehr als hunderttausend Gulden der Gemeinden entfremdet, Aemter und Recht verkauft, der Bürger persönliche Freiheit nicht geschützt, selbst gewaltsame Einbrüche und Räubereien geduldet, überhaupt ihres Eides und des Verbundbriefes nicht geachtet.

Da die Streifwache in der Nacht vom 8. auf den 9. das Bayenthor offen gefunden, wurde hier der Burggräv, der sich über diesen Vorfall nicht verantworten konnte, von den Bürgern niedergehauen. Am anderen Tage werden sämmtliche Burggraven, Nachtswächter und andere Diener der Stadt von dem Rathe auf dem Quattermartt aufs Neue vereidet.

Die auf dem Cunibertsthurme statt findenden Untersuchungen betrieb man emsigst. Die schuldig erkannten Rathsherren wurden ihres Vermogens verlustig erklärt, Diedrich Spitz, genannt Voß, Weinmeister, zum Tode verurtheilt, und am 10. Januar auf dem Heumarkte auf einem zu dem Zwecke erbauten Blutgerüste durch das Stadtschwert hingerichtet. Mit diesem Opfer der Gerechtigleit war die Vollswuth aber nicht befriedigt. Unerbittlich war die Strenge der Zünfte; nicht Flehen und Thränen der Frauen und Kinder der Beschuldigten konnten sie erweichen. Am. 11. wurde der Bürgermeister Johann von Berchem, der mehrere Male, in den Jahren 1496, 1499, 1502, 1505, 1508, 1511, dieses Amt bekleidet, nachdem die Folter im Flachskaufhause auf dem Altenmarkt ihm Geständnisse abgezwungen, zum Tode verurtheilt und am folgenden Tage hingerichtet. In seiner rothen Amtstracht führte man ihn von der Hacht auf dem Domhofe nach dem blauen Stein, an den ihn der Henker dreimal stieß. Unter zahlreicher Bedeckung ward er nach dem Heumarkte gebracht, und erst nach zwei Hieben fiel sein Haupt. Die von dem Bischofs-Henker ihres Scharlachüberwurfs entkleidete Leiche wurde in einen Sarg gelegt und unter großem Gefolge von Geistlichen und Bürgern, von den vier Orden der Augustiner, Observanten, Carmeliter und Minoriten nach dem St.Gertruds-Friedhof am Neumarkt gebracht und mit den üblichen kirchlichen Gebräuchen begraben. Nach alter Sitte erhielt jeder der Anwesenden auf dem Kirchhofe einen Römer Wein.

Die Bürgermeister Johann von Reidt und Johann von Oldendorff, die auch mehrere Male das Bürgermeister-Amt bekleidet hatten, wurden am 12. und 13. peinlich verhört und, ebenfalls zum Tode verurtheilt, am 14. Januar auf dem Heumarkte durch das Schwert hingerichtet; doch wird ausdrücklich bemerkt, aus besonderer Gnade sei ihnen nicht das Haupt von Henkersknechten, sondern von denjenigen, welche das Stadtschwert zu tragen verpflichtet, abgeschlagen worden.

Dasselbe Schicksal traf die Rathsherren Peter Rode, Weinmeister, Franz von der Linden und Bernard Eys, beide Gewaltrichter; ihr Haupt fiel am 17. Januar auf dem Heumarkt. Die Helfershelfer der verurtheilten Bürgermeister und Rathsherren, Adam von Nurrenberg, geuannt der Bubenkönig, Tilman Odenkirchen und Everhard Hundt wurden ebenfalls des Todes schuldig befunden, aber auf dem Junkern-Kirchhofe, am jetzigen Elende, durch den Scharfrichter hingerichtet. Heinrich Bernard, ein sehr alter Mann, und der Schatzmeister der städtischen Bank, Heinrich Benradt, wurden zum Pranger und Staupenschlag verurtheilt, und der Stadt verwiesen.

Charakteristisch für die Zeit ist es, daß während die Gemeinden in so blutiger Weise Gerechtigkeit übten, am 26. Januar eine außerordentlich feierliche Procession, wie sie Köln nie gesehen, bei welcher der Erzbischof selbst das Hochwürdigste trug und pontificirte, Statt fand und allgemeine Dankgebete abgehalten wurden.

Mehrere der gefänglich Eingezogenen wurden durch Geldstrafe gebüßt.

Erst nach einem halben Jahre ward das Blutgerüst auf dem Heumarkte abgebrochen, und erst nach Jahresfrist, im Februar 1515, vereinigte sich der Rath auf dem Quattermarkt mit dem Rathe auf dem Rathhause. Feierlich und eidlich wurde es bethätigt, daß die alte Ordnung wieder ganz in Kraft treten sollte, und dies vom Bürgermeister, Rath und Gemeinden in dem so genannten “Transfirx-Briefe”, einer Erweiterung des 1396 gegebenen Verbundbriefes, beschworen.

Aus den gegebenen andeutenden Schilderungen, die ich für nothwendig hielt, um sich eine Vorstellung von dem in Kölns Gemeinden vorwaltenden Geiste zu machen, wird man auf die Stimmung der Stadt schließen können und einsehen, daß hier das demokratische Element vorherrschte, und die neue Lehre, die Reformation günstigen Boden fand, denn wie ein elektrischer Zauberschlag ertönte mit dem Ausbruch der gewaltigen Bewegung das hohe Wort “Freiheit”, alle Schichten der Gesellschaft durchdringend. Die Machthabenden und Gewaltigen machte es erzittern, flößte Angst ein den Besitzenden, begeisterte hoch, riß zu wildem Taumel die niederen Classen hin, die bis dahin unter entsetzlichem Drucke, geistigem und sachlichem, gelebt hatten, konnten sie sich auch noch keine klare Rechenschaft geben von dem, was sie wollten, suchten sie auch die Freiheit, ihre Menschenrechte in der Ausübung roher Gewaltthaten, wie es der Bauernkrieg bekundet.

Es kann hier meine Abfsicht nicht sein, eine Geschichte des Protestantismus in Köln und den kölnischen Landen zu geben, dafür muß ich auf die Werke von Deckers, Bruch, von Recklinghausen, J. A. Kanne und Dr. Ennen verweisen; ich will nur skizzenhaft in einigen Umrissen die äußeren Schicksale der Protestanten in Köln erzählen.

Merkwürdig ist es, daß Köln allein unter den mächtigsten Hansestädten beim alten Glauben blieb. Die Geistlichkeit, die bedeutendste Partei in der Stadt und geistig auch die einflußreichste, hielt fest am Katholicismus, der Rath nicht minder, finden wir auch von Zeit zu Zeit einzelne Mitglieder, die sich zur neuen Lehre bekennen, derselben wenigstens nicht abhold sind, denn der Rath oder Senat fürchtete mit der Einführung der religiösen Reform seine Macht, sein Ansehen gefährdet. Von Seiten der Geistlichkeit und des Stadtregiments wurde mit vereinter Kraft Alles aufgeboten, die neue Lehre fern von Köln zu halten, und sie fanden die eifrigste Stütze in dem Erzbischof Hermann von Wied (1515 – 1547). Schon 1520 ließ die theologische Facultät der kölnischen Universität am 30. August mehrere Schriften Luther’s öffentlich durch Henkershand verbrennen. Bald darauf verkündeten die papstlichen Legaten Caraccioli und Aleander in Köln die päpstliche Bannbulle gegen Luther.

Indessen wurde in Köln die Ruhe wieder auf kurze Zeit gestört. Der in Schwaben ausgebrochene Bauernkrieg hatte seine Nachwirkungen längs des Rheines bis in die Niederlande, denn allenthalben hatte der gemeine Mann dieselben Ursachen zu beklagen, die in Süddeutschland die Bauern zum blutigen Aufstande trieben.

Im Jahre 1525 kam es in Köln wieder zu einem förmlichen Aufstande gegen Bürgermeister und Rath. Nach einem Vogelschießen zu Pfingsten begaben sich die unzufriedenen Bürger auf ihre Zunfthäuser, wo sie Tag und Nacht bis zum Holzfahrttage liegen blieben. Ein Bürger-Ausschuß, an dessen Spitze Jacob van Beist, Johann Kroichenlepper, Wilhelm Kregcher, Wilhelm Ax, einer genannt Berenstrasgen, einer genannt der Hecker und der Kesselsläger auf der Hochpforte, und Tillman Wittmesser standen, hatte sich in dem Brulofs-Haus zum “Pfauen” in der Höhle gebildet, und hier 164 Beschwerdepuncte und Forderungen festgestellt, welche dem Rathe übergeben wurden. In einzelnen der Forderungen machte sich die Reformation schon geltend, besonders streng sind dieselben gegen die Geistlichen und ihre Uebergriffe, und “Zom 50” heißt es: “das die predicanten und vier orden entlich beuolhen werde, anders nicht zo predigen, dan dat rechte wort godes und gein fabulen uff schutz und schirms.”

Mit aller Strenge trat der Rath in einem Erlaß vom 26. Juni 1525 gegen die Ansprüche der Bürger auf, und drohte mit den strengsten Strafen allen denen, die ferner ihre Zusammenrottungen auf den Zünften halten würden. Die Drohung blieb ohne Wirkung. Der Rath gab aber seinen Worten Kraft und ließ um Fastnacht des folgenden Jahres die Rädelsführer des Aufstandes, Jacob van Beist, Johann Kroichenlepper, Tillman Wittmesser durch die Gewaltrichter greifen. Kurz war der Proceß, alle drei wurden zum Tode verurtheilt und auf dem Junkern-Kirchhof durch das Schwert hingerichtet. Dasselbe Schichssal traf Wilhelm Kregcher zu Antwerpen, und später auch den Schiffer Ax zu Köln.

Nicht minder blutig streng war gegen die Anhänger der neuen Lehre das Ketzergericht, welches seit 1524 in Köln seinen Sitz hatte und bei welchem der Dominicaner-Prior, Dr. Jakob Hogstraten, als Kegerrichter der Diöcesen Köln, Mainz und Trier, den Vorsitz führte. Von demselben wurden der reformirte Prediger Adolph Klarenbach, auf Büscherhof bei Lennep geboren, und Peter Fliesteden, Anhänger der neuen Lehre, welche sie an verschiedenen Orten im Erzstifte gepredigt hatten, als Ketzer zum Feuertode verdammt, und starben gefaßt den 28. September 1529 zu Melaten auf dem Scheiterhaufen.

Mit unerbittlicher Strenge verfolgte das Ketzergericht alle lutherisch Gesinnten, sprach sich auch die öffentliche Stimme laut gegen die Gräuel dieser Verfolgungen aus, und hatten auch die beiden Opfer des Ketzergerichtes die lebendigsten Sympathieen bei der Bürgerschaft gefunden. Dem Rathseide wurde noch die Clausel: “aus allen Kräften den katholischen Glauben, ohne Einführung zwiespaltiger Neuerung, treulich zu befördern” beigefügt. Auf dem Hansetage des Jahres 1535 hieß es umsonst nicht: “In Köln ersäufe und köpfe man die Ketzer, man wolle bei der alten Gewohnheit verbleiben und befinde sich wohl dabei.”

Und trotz dieser Strenge hatte die neue Lehre, die augsburger Confession, manchen heimlichen Anhänger in Köln. Als der Kurfürst und Erzbischof Hermann von Wied sich selbst 1542 zur lutherischen Lehre bekannte, zählte dieselbe bald in Köln drei Gemeinden, die aber wieder verdrängt wurden, als der Erzbischof, seiner Würden entsetzt, mit dem Banne belegt ward.

Unter den Nachfolgern Hermann’s verfuhr der Rath aufs strengste gegen die lutherisch Gesinnten und die Wiedertäufer, und dennoch hatte sich 1571 wieder eine lutherische Gemeinde gebildet, denn aus diesem Jahre datirt das erste Kirchenprotocoll der lutherischen Gemeinde in Köln, das Rechnungsbuch der Gemeinde beginnt mit dem 30. Januar 1575. In diesem Jahre kamen die beiden Rathsherren Johann Süchteln, Johann Brüchmann und Caspar von Widdig für sich und mehrere hundert Bekenner der neuen Lehre um freie Religionsübung beim Rathe ein. Die Bitte fand keine Beachtung, im Gegentheile wurden die Bittsteller ins Gefängniß geworfen und sämmtliche Protestanten aus der Stadt verwiesen.

Der Uebertritt des Erzbischofs Gebhard Truchseß von Waldburg (1577 bis 1601?) zur neuen Lehre, deren Bekenner 1583 durch ihn freie Religionsubung zugestanden erhielten, machte ihr Schicksal in Köln nicht besser; der Rath bestand nur um so fester und hartnäckiger auf der Aufrechthaltung seiner früheren Beschlüsse gegen dieselben.

Noch blieben aber heimliche Bekenner der neuen Lehre in Köln. Auf Anstiften des Grafen Neuenar, eines Anhängers Gebhard’s, begaben sich dieselben am 7. Juni nach dem etwa 1000 Schritte vor der Stadt gelegenen Hofe Mechtern, einem Lehen des Grafen, um dort einer Predigt des Predigers Ursinus beizuwohnen. Nach beendigtem Gottesdienste kehrten die lutherisch Gesinnten nach Köln zurück und auch der Graf Neuenar mit dem Prediger.

Sofort erließ der Rath eine Verordnung, daß am nächsten Sonntage die Thore der Stadt zu schließen, und die am Montage einzulassenden Bürger sich über ihre Abwesenheit auszuweisen hätten, und daß sie nicht der Predigt in Mechtern beigewohnt. Alle, die sich nach Mechtern zur Predigt begeben, sollten auf ewige Zeiten der Stadt verwiesen werden. Die Thore wurden wirklich geschlossen, doch hatte schon am Tage vorher eine Menge Anhänger der neuen Lehre die Stadt verlassen oder selbst über die Mauern den Weg gefunden, um der Predigt beizuwohnen. Viele derselben wurden, als sie zuruckehrten, gefänglich eingezogen. Der Rath schickte eine Verwarnung an den Grafen Neuenar, und da dieser sich daran nicht störte, gab der Rath einem Haufen seiner Söldner den Befehl, sich des Meierhofes in Mechtern zu bemächtigen. Diese fanden denselben aber von den Reitern des Grafen besetzt und mußten unverrichteter Sache heimkehren.

Der Rath aufs äußerste gebracht, läßt vor dem Weyerthore einige Bäume fällen und hier die größten Stadtbüchsen auffahren. Als in Mechtern die Predigt eben begonnen, donnern die Geschütze und eine Kugel schlägt durch das Dach, dem Grafen selbst vor die Füße. Die Predigt und der Gottesdienst wird eingestellt. Rache schwört der Graf der Stadt, und trägt von der Stunde an die Kugel, die ihn bald getödtet, an silberner Kette auf der Brust, um ihn stets zu mahnen an seinen Racheschwur gegen die Stadt Köln.

Als sich selbst einige protestantische Fürsten an den Rath wandten, um für die Anhänger ihrer Confession freie Religionsübung zu verlangen, gab derselbe ihnen keinen Bescheid, ließ vielmehr am 8. August vor der versammelten Bürgerschaft von der Laube des Rathhauses einen Beschluß verkünden, kraft dessen alle, die nicht nach den Vorschriften der katholischen Religion leben wollten, in vier Wochen die Stadt verlassen müßten, da der Rath nicht gesonnen, sie länger zu dulden. Diejenigen, welche den Versammlungen in Mechtern beigewohnt und dem Befehl, die Stadt zu verlassen, nicht nachgekommen wären, sollten außerdem mit gebührenden Strafen belegt werden. Und diese Bestimmungen erneuerte der Rath auf dem im Jahre 1583 abgehaltenen Landtage, wo er sich als Feind des abtrünnigen Erzbischofs und seiner Partei erklärte. Mit allen Mitteln fuhr man fort die Stadt, trotz aller Einreden Gebhard’s, immer mehr zu befestigen.

Als sogar Johann Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Baiern, Graf von Veldentz und Sponheim in Begleitung der Gesandten der Pfalzgrafen Ludwig, Casimir und Richard und vieler Grafen und Herren, Bekenner der augsburgischen Confession, im Rathe erschien, um sich über die Unbilden zu beklagen, welche die Protestanten in Köln zu erdulden hätten, und freie Religionsubung für dieselben zu verlangen, erhielt er unter dem 2. Januar 1583 einen abschlägigen Bescheid, worin der Rath erklärte, er werde nichts gegen die Anhänger der augsburger Confession thun oder zulassen, was er nicht vor Kaiser und Reich verantworten könne, und sei auch noch nichts geschehen, was den Reichsverordnungen zuwider. Eben so entschieden war eine zweite Antwort des Rathes auf ein folgendes Schreiben des Pfalzgrafen, der am 5. Januar Köln unverrichteter Sache verließ.

Der Rath setzte aber am 8. Januar Johann Brückmann, Johann Süchtelen und Caspar von Widdig, welche es zuerst gewagt, um freie Religionsuübung für die Protestanten zu suppliciren, in Freiheit, nachdem sie eidlich versprochen, sich nicht an dem Rathe rächen zu wollen, noch ferner den ketzerischen Versammlungen beizuwohnen.

Noch in demselben Jahre verbreitete ein Anhänger der truchsessischen Partei, Namens Peter Ritza, in der Stadt das Gerücht, Graf Valentin von Isenburg habe heimlich in den Speisesälen der Klöster Soldaten versteckt, um die Protestanten zu überfallen und niederzumachen. Um diesem Gerüchte den Schein der Wahrheit zu geben, wurde von Bonn ein Schiff mit Kriegsleuten rheinabwaärts gesandt, die sich für Isenburger ausgaben. Der Betrug wurde entdeckt, als der Rath alle Klöster durchsuchen ließ, Ritza geviertheilt, sein Kopf auf einen Spieß auf dem Ehrenthore aufgestecht, und die vier Theile seines Körpers an die vier Hauptthore angenagelt.

Die List, durch den Pfarrer zu St.-Marien-Ablaß, Namens Stephat, der Jude gewesen, und als Prediger vielen Zulauf hatte, Anhänger für die augsburger Confession zu gewinnen, mißlang der truchsessischen Partei ebenfalls, wiewohl sie im Capitel selbst vier Protestanten zählte: Hermann Adolph Graf von Solms, Johann Baron von Winneberg, Herzog Heinrich von Sachsen und Thomas von Kriching, welche von der Wahl des neuen Erzbischofs, als Gebhard seiner Würden verlustig erklärt, natürlich ausgeschlossen blieben.

Wie verheerend auch der truchsessische Krieg für das Stift, wie drückend für Kölns Handel und Wandel, der Rath war auf seiner Hut, und schritt mit der großten Entschiedenheit ein, als der Pfarrer von St-Marien-Ablaß seines Amtes entsetzt und dessen Anhänger eine drohende Stellung annahmen. Isaak Stephan bekannte sich später zur augsburger Confession und wurde Prediger.

Die Augsburger Religions-Verwandten scheinen aber in Köln zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts geduldet gewesen zu sein, denn ein Protestant, Namens Reiner von Roermunde, wiegelte im August des Jahres 1608 die Faßbinderzunft gegen den Rath auf. Bald theilte sich die Unzufriedenheit auch den anderen Zünften mit, und die Stadt war wieder von ähnlichen Auftritten bedroht, wie sie dieselben 1513 erlebt hatte. Alle Mittel der Güte, die Zünfte zu beschwichtigen, waren umsonst, selbst Reiner widersetzte sich dem Befehl des Rathes, der ihn zu Thurm gehen hieß, und suchte und fand auf der Faßbinderzunft Schutz. Es kam so weit, daß der Rath sich genöthigt sah, Söldner anzuwerben und die festen Plätze der Stadt zu besetzen. Das anarchische Treiben der Unzufriedenen nahm von Tag zu Tag zu, immer mehr steigerten sie ihre Forderungen an Bürgermeister und Rath, die man aller nur denkbaren Unterschleife und Verletzungen des Transfir-Verbundbriefes bezichtigte.

Als die Sache aufs äußerste gekommen, das Aergste zu befürchten war, da begibt sich der Bürgermeister Johann Hardenradt, ein allgemein beliebter Mann, der schon 1584 mit Caspar Kannegießer regierender Bürgermeister gewesen, auf die Faßbinderzunft und sucht derselben zu beweisen, wie die Protestanten sie nur zu ihrem Zwecke benutzt, um ihrer Lehre Eingang zu verschaffen. Hier und auf anderen Zunfthäusern überzeugten seine Reden, und bald stand der größere Theil der katholischen Bevölkerung auf der Seite des Rathes, welcher einhellig die Verweisung der Protestanten beschloß.

Die Vertriebenen zogen ins Bergische, meist nach Mülheim, und erhielten von dem Kurfürsten und Fürsten der Jülichschen Lande, Brandenburg und Pfalz-Neuburg nicht nur die Erlaubniß der Niederlassung, sondern auch das Recht, die Stadt zu erweitern und zu befestigen. Mülheim wurde zur Freistätte der Christen aller Confessionen erklärt, auf zehn Jahre ward ihnen das Büurgerrecht und Mitgenuß aller städtischen Privilegien unentgeltlich zugestanden, Zollfreiheit auf dieselbe Frist für alle Baumaterialien und das Verkaufsrecht für alle Waaren und Handelsgegenstände in den Herzogthümern.

Nicht nur die kölner Protestanten, sondern Anhänger der neuen Lehre aus allen Landen suchten in Mülheim eine Freistätte. Eine wahre Ameisenthätigkeit herrschte hier. Mauern, Kirchen und Häuser erhoben sich, wie durch Zauber, im großartigsten Maßstabe waren die Vergrößerungen und Befestigungen der neuen Stadt angelegt.

Mit Schreck und Angst sah der Rath der Stadt Köln, was in Mülheim vorging. Seine Unduldsamkeit hatte die Stadt der gewerbfleißigsten und handelsthätigsten Bürger beraubt, wenn es auch eine Uebertreibung, daß durch die Vertreibung der Protestanten 1400 Häuser leer gestanden, wie denn auch die von einigen Geschichtschreibern mitgetheilte Nachricht, als habe 1618 eine allgemeine Vertreibung der Protestanten aus Köln Statt gefunden, auf einem Irrthume beruht, sich auf das Jaht 1608 bezieht. Doch scheinen in diesem Jahre die Maßregeln gegen die Protestanten nicht mit der ganzen Strenge durchgeführt worden zu sein, denn 1611, als in Aachen und Ryssel religiöse Unruhen ausgebrochen, verbreitete sich das Gerücht, dieselben seien von den Protestanten Kölns veranlaßt worden, worauf der Rath den Beschluß erließ, alle nicht katholischen Soldaten und Bürgerhauptleute durch katholische zu ersetzen, demnach bekleideten Protestanten diese Würden, und zugleich die noch seßhaften Protestanten wieder auswies. Die limburger Chronik sagt zu dem Jahre 1611 von Köln: “Haufenweis wurden alle, so nicht katholisch, auch die Herrlichsten in der Stadt ausgetrieben, daß man will sagen, wenn nicht andere Katholische aus Holland die ledigen Plätze zu Köln ersetzen werden, der Handel zu Köln lützel fallen muß.”

Die Stadt that bei Kaiser und Reich Einspruch gegen die Vergrößerung Mülheims und seine Befestigung. Ungestört wurden die Bauten aber fortgesetzt. Für und wider wurde gedruckt und geschrieben, denn die Streitigkeiten fallen ja in die Blüthezeit der deutschen Federkriege.

Hatten die Kölner es auch versucht, den Bau zu schädigen, so schützten die Fürsten denselben mit bewaffneter Hand, schlugen ein Lager auf und ließen mehrere Stück Geschütz auffahren, von den Kölnern Schadenersatz fordernd. Der Bau schritt voran, an Mitteln und fleißigen Händen fehlte es nicht.

Unterm 30. April 1612 erließ der Rath der Stadt Köln ein Decret, welches alle Handwerker, die in Mülheim arbeiten würden, mit Verlust des Bürgerrechts und der fahrenden und liegenden Habe bedroht, und mit derselben Strafe alle Kauflente, welche Waaren dahin zum Verkauf führten.

Den Denuncianten wird, bei Geheimhaltung des Namens, eine Belohnung von 10 Goldgulden verheißen. Den Steinmetzen und Zimmerleuten, die in Mülheim gearbeitet hatten, wird sogar zugemuthet, ihre Arbeit zu zerstören.

Zugleich wird allen Bürgern verboten, nach Mülheim zu gehen, um dort protestantischen Predigten beizuwohnen. Verbote, die in allen “Morgensprachen”, so nannte man in Köln die policeilichen Verordnungen, welche der Bürgerschaft vorgelesen wurden, – vom Jahre 1613 bis 1618 wiederholt werden. Der Eifer der Intoleranz ging in Köln so weit, daß sogar bergische Unterthanen hier zu Haft gebracht wurden, unter der Beschuldigung, in Mülheim den protestantischen Predigten beigewohnt zu haben.

Die Reibereien dauerten fort, bis Kaiser Mathias am 2. Juli 1612 zu Frankfurt den Befehl erließ, den Bau in Mülheim einzustellen, alles in den vorigen Stand zu setzen, und 100 Mark löthigen Goldes halb an die kaiserliche Kammer und halb an die Stadt Köln zu entrichten, auch den zu Mondorf gegen Koln angelegten Zoll aufzuheben.

Erst als 1614 am 25. Mai der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm zur katholischen Kirche zurücktrat, ließ er einen Theil der Befestigungen Mülheims niederreißen. Am 25. August zog Spinola mit einem spanischen Heerhaufen bei Wiesdorf, zwei Meilen unterhalb Mülheim, über den Rhein und, verstärlt durch pfalzneuburgische Truppen, überfiel er Mülheim. Die Graben wurden jetzt gefüllt, die Mauern und Wälle, wie die neue Kirche niedergerissen und die meisten der neuaufgeführten Wohngebäude zerstört, und zwar durch kölner Bauhandwerker, die, 600 an der Zahl, am 30. September zu diesem Vernichtungswerke ausgezogen waren. Die protestantische Stadt war vertilgt, und Köln von einer schwer drohenden Nebenbuhlerin befreit.

Außer blindem Religionshaß hatte die Furcht, im Besitze des Rheinhandels gestört zu werden, den Rath Kölns zu diesem Vandalismus veranlaßt. Der bald hereinbrechende dreißigjährige Krieg ließ Pfalz-Neuburg seine Beschwerden wegen der Uebergriffe der Kölner gegen Mülheim vergessen; es blieb bei einigen Memoranden. Im Jahre 1616 erließ der Rath eine neue Beisassen-Ordnung, durch welche die Protestanten aller Bürgerrechte verlustig erklärt, und sie auf den Großhandel beschränkt wurden, aber nicht mit ihren Glaubens- Verwandten Geschäfte machen durften, und nicht befugt waren, irgend ein Privat- oder öffentliches Gebaude zu ihrem Gottesdienste zu benutzen.

Während der Dauer des dreißigjährigen Krieges, welcher die Stadt direct nicht betraf, hatten einzelne protestantische Familien sich wieder in Köln niedergelassen, wurden aber nicht als Bürger, sondern nur als Beisassen betrachtet; sie waren Fremde, mußten die städtischen Lasten tragen, ohne die Rechte der Bürger zu genießen.

Da sie deßhalb klagend beim Kaiser eingekommen, verschärfte der Rath 1665 seine Maßregeln gegen die protestantischen Beisassen. Gleich fremden Kaufleuten mußten sie von jedem Gebinde Wein einen Reichsthaler Lagergeld zahlen, und durften ihre Weine sogar nicht auf ihren Namen aus- und einführen, sondern auf den eines katholischen Unterkäufers, welcher für jedes Faß 1/8 Reichsthaler bezog. Die protestantischen Kaufleute, von denen man sogar 1674 Schutz- und Schirmgeld verlangte, und welche jetzt den Namen “Schutzverwandte” führten, durften ihre Weine außerhalb der Stadt in keinerlei Weise zum Verkaufe ausbieten, in der Stadt selbst nur an katholische Bürger verkaufen, nicht an ihre eigenen Glaubensgenossen, der Vater nicht an den Sohn, der Bruder nicht an den Bruder. Seit 1669 waren sie genöthigt, ihre Stapelgüter nach der Löschung in 3-6 Tagen zu verkaufen, oder zu versenden, oder gegen 4 pCt. Provision einem katholischen Factor käuflich abzulassen, durften aber durchaus keine Caution verlangen.

Von sonstigen Waaren, wie Oel, Thran, Seife, Käse mußten sie außer den städtischen Gebühren, noch besondere Abgaben entrichten. Sie durften keinen Kleinhandel treiben, der Gebrauch des kleinen Maßes und Gewichtes war ihnen aufs strengste untersagt. Trotz aller dieser Beschränkungen nahm der Wohlstand der Gemeinde der Bekenner der augsburger Confession mit jedem Jahre zu, und schon 1672 hatte der Kaufherr Johann Adelgeis der lutherischen Gemeinde eine bedeutende Schenkung gemacht. Sie erwarben auch Grundbesitz, mußte derselbe auch auf den Namen von wirklichen Bürgern angeschreint werden.

Selbstredend konnten die nicht bürgerlich Qualificirten oder Beisassen, wie man die Protestanten nannte, keine bürgerlichen Aemter bekleiden, weder Häuser noch sonstiges Grundeigenthum innerhalb der Ringmauern besitzen. Ging ein katholischer Bürger zum Protestantismus über, war er aller seiner Bürgerrechte verlustig erklärt. Zog ein Protestant aus der Stadt, mußte er den zehnten und zwanzigsten Pfennig seiner sämmtlichen Habe als Abzugsgeld zahlen.

Der Rath schien nur darauf zu sinnen, die eingesessenen Protestanten immer mehr zu beschränken. Im Jahre 1711 nahm man ihnen das Recht, in der Tuchhalle unter ganzen Stücken Tuch zu handeln, und verpflichtete sie durch ein am 9. September erlassenes Edict, alle ihre Waaren nur en gros an qualificirte Bürger zu verkaufen, und zwar unter Strafe der Confiscation. Ja, die im Jahre 1713 erneuerte Beisassen-Ordnung nahm ihnen den Speditions-Handel und verpflichtete sämmtliche Protestanten, diese neue Beisassen-Ordnung zu beschwören, was Viele derselben förmlich verweigerten. Darauf ging der Rath so weit, den Beisassen zu verbieten, ihre eigenen Güter weder selbst versenden zu dürfen, noch durch Katholilen spediren zu lassen. Die katholischen Kaufleute mußten bei ihren Versendungen eidlich erklären, daß unter den Waaren keine, welche Protestanten zugehörten.

Die Beschwerden der Protestanten an den Senat, an das Reichskammergericht und selbst an den Reichsconvent in Regensburg blieben ohne Erfolg, wie auch alle früheren Klagen, wenn sie auch nachzuweisen suchten, daß sie 1624 drei vollständige Gemeinden gebildet, freie Religionsubung gehabt und Prediger. Diesen Behauptungen widerstreiten die Rathsprotocolle, die aufs entschiedenste, wie auch die Morgensprache, die Ausübung des evangelischen Gottesdienstes untersagen. Neben der Intoleranz des Rathes oder Senates machte der Neid der katholischen Kaufleute die Lage der Protestanten von Tag zu Tag mißlicher, denn fleißig, rührig, unternehmend und gewerbthätig, prosperirten sie, trotz aller Beschränkungen und Belästigungen, und überflügelten die katholischen Großhändler und Fabricanten. Die unverständige Masse war leicht gegen dieselben aufgewiegelt, man gönnte ihnen den Wohlstand nicht, in dem sie lebten, weil sie handels- und gewerbfleißig.

Bei den von den Protestanten in ihren Geschäften überholten katholischen Kaufleuten mochte der Wunsch ein ganz natürlicher sein, dieselben ganz aus der Stadt entfernt zu sehen.

Im Jahre 1714 siedelten die protestantischen Kaufleute Johann Stoch, Christoph Andrae, Gotthard Mühling und Diederich Köster aus Köln nach Mülheim über, hatten aber viele Hindernisse zu bewältigen wegen der vom Senate verlangten Abzuggelder. Indessen wurde der Rath doch, was den Handelsverkehr anging, in manchen Dingen nachgiebiger gegen die Protestanten; so erlaubte er am 9. December 1716 “den anjetzo hier domicilirten und zu der Ordnung sich anschickenden Religions-Verwandten ihre eigenen trodenen Waaren, so keine Ventgüter, Salz, Häring, Bücking, Fische, Butter, Käse, Honig, Oel, Fettwaaren seynd, an Frembde sowol, als Bürger en gross vermittelst der auf die Lieberwaag beschehenden Ablieferung zu verlaufen.” Auch erhielten sie die Erlaubniß, ihre Bleicharte und Weine in kleineren Zulästen und Punzen ein- und auszufuühren, ganze Stücke und Zulast aber in halbe und ganze Ahmen zum Verkauf abzustechen, “eben wie vor Alters nit zugelassen seyn.” Fremde Commissions-Waaren durften die Fabricanten nicht verkaufen. Unter dem 6. October 1745 beschwerten sich die Zunftgenossen des Wein- und Faßamtes gegen die letzte Bestimmung des Rathes in Bezug des Weinhandels der Protestanten, baten “die genannten Insassen und Handelsleute bei ihrer ehemaligen Freiheit des Weinhandels zu belassen, weil sie sonst selbst zu viel Schaden hätten.” Kleinliche Häkeleien kamen immer vor.

Mancherlei Hader hatten die Protestanten mit der Stadt ihrer Begräbnisse wegen. Ob sie früher einen bestimmten Friedhof in der Stadt gehabt, läßt sich historisch nicht ermitteln, später hatten sie für ihre Gemeinde einen Gottesacker vor dem Weyerthore gekauft. Wie die Leichen der Katholilen, wurden die der Protestanten von den Alexianer-Brudern zu Grabe getragen. Man beschränkte von Seiten der Stadt zuerst die Zahl der Leichenbegleitung der Protestanten, welche nur auf zwanzig Paare festgestellt wurde, und verbot dann auch den Alexianern die Leichen derselben zu Grabe zu tragen, ging sogar so weit, zwölf Männer aus dem Kirchspiel St. Peter zu diesem Dienste zu bestimmen. Da sich die Protestanten aber gegen diese Verordnung beim Senate beklagte, wurde unterm 2. December 1714 den Alexianer Brüdern wieder erlaubt, die Stelle der Leichenträger bei den Protestanten zu übernehmen. Weil die Rohheit des Pöbels solche Leichenzüge der Protestanten nicht selten auf die empörendste Weise insultirte, beschloß die Gemeinde, einen Leichenwagen anzuschaffen. Taufen, Copulationen der Protestanten wurden auf einem holländischen Schiffe verrichtet, wollten dieselben nicht nach Mülheim oder Frechen gehen.

Im letzgenannten Orte hatten die Protestanten 1716 angefangen, eine Kirche zu bauen, und diese wurde am 1. September, als man den Dachstuhl aufrichtete, bei lichtem Tage von den kölnischen Studenten, an welche sich ein Haufe Gesindels angeschlossen hatte, zerstört. Das Haus des Predigers Heilmann erlitt dasselbe Schicksal und wurde ausgeplündert. Schwer und gerecht waren die Anklagen der Protestanten gegen den Senat, aber Recht und Genugthuung ward ihnen nicht.

Zum großten Aergerniß der Gemeinden gestattete endlich der Senat am 28. August 1787 den Lutheranern und Calvinern, deren Bitte die Kaufherren Fr. C. Pelletier und Joh. David Herstadt beim Senate vorgestellt hatte, die Errichtung eines Bethauses, die Erbauung eines Schulhauses und einer Prediger-Wohnung. Alsobald legten die 22 Zünfte Verwahrung gegen diese Bewilligung ein und überreichten dem Senat in üblicher Form ihren Protest. Auch das Domcapitel, die Universität und der gesammte Clerus bestanden Anfangs 1788 aufs nachdrücklichste darauf, daß der Beschluß des Senates nicht in Vollzug gesetzt werde, protestirten feierlichst dagegen. Aber im Senate obsiegte der Geist der Duldung, die Zünfte würdigte man keines Bescheides, und die Geistlichkeit wies man aufs entschiedenste ab. Bald darauf traf auch die Bestätigung kaiserlicher Majestät ein, das Toleranz-Edict, welches die Protestanten nicht weniger als 7000 Gulden gekostet hatte. Diese Kunde steigerte den Unwillen der Zuünfte bis zu fanatischer Wuth; sie wählten Deputirte, um mit dem Senate zu unterhandeln. Die Unterhandlung fand am 23. November 1787 Statt und endigte damit, daß der Senat gedrängt wurde, sein Decret bezüglich der freien Religionsüübung der Protestanten zu widerrufen. Die Protestanten wandten sich sofort nach Wien an den Reichshofrath, der auch den neuen Beschluß des Senates cassirte und denselben unter Androhung harter Strafen scharf tadelte, daß er seine Zustimmung dazu gegeben, indem das erste Decret kaiserliche Bestätigung erhalten habe. Auch wurde verlangt, den Anhängern der augsburger Confession zu erlauben, eine Kirche und Schule zu erbauen und im Verlauf von zwei Monaten an kaiserliche Majestät zu berichten, ob der Befehl vollzogen u.s.w.

Der Senat befand sich in der peinlichsten Lage. Die ohnedies schwierigen Zunfte, die immer anmaßender in ihren Forderungen, drohten mit Gewaltmaßregeln. Das Aeußerste stand zu befürchten. Da erklärten die Protestanten durch notariellen Act, daß sie für jetzt auf das jus quaesitum Verzicht leisteten und den Senat ersuchten, von jedem ferneren Schritte abzustehen. Am schnellsten waren auf diese Weise alle Schwierigkeiten gehoben.

Mit der Besitznahme Kölns durch die Franzosen 1794 stand der freien Religionsübung der Protestanten nichts mehr im Wege. Am 18. November 1796 wurde den Protestanten von der Intermediaire-Commission in Bonn im Einverständnisse mit der Municipalität das Bürgerrecht ertheilt, und an demselben Tage ein aus vier katholischen und vier protestantischen Kaufleuten bestehender Handels-Vorstand vom Senat gewählt. Ihren ersten öffentlichen Gottesdienst feierten sie auf dem Saale der Brauerzunft am 23. Mai des Jahres 1802. Den ersten Gottesdienst leitete der später, als ständiger Pfarrer, von Süchteln nach Köln berufene Pastor Friedlieb Wilsing. Nach Aufhebung der Klöster am 20. Prairial des Jahres X (1802) wurde der protestantischen Gemeinde die Antoniter-Kirche und Kloster von der französischen Regierung zum gottesdienstlichen Gebrauche verkauft. Am 19. Mai, dem Sonntage Rogate, 1805 fand erst die feierliche Einweihung der Kirche Statt. Jetzt zählt die evangelische Gemeinde 14,000 Seelen, und weihte 1860 ihre zweite neugebaute Kirche im Filzengraben feierlichst ein.

Dies ist ein Auschnitt aus dem Buch Köln 1812, mehr Infos dazu hier. Das Inhaltsverzeichnis zum Buch, in dem die online verfügbaren Abschnitte verlinkt sind, ist hier zu finden.