In No. 43 ff., Jahrg. 1896 der Dtsch. Bztg. erschien ein Artikel „Bauveränderungen im alten Nürnberg“, in welchem mitgetheilt wurde, dass in Nürnberg ein neuer Zollhof gebaut werde. Dieser ist nun vollendet und wurde am 12. April d. J. an den Staat übergeben.
Es dürfte von allgemeinem Interesse sein, hier eine ausführlichere Beschreibung der für die Stadt und die Staatsbehörde gleich bedeutsamen Anlage unter Beigabe von Abbildungen zu geben.
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Der Bauplatz wurde aus dem Anwesen der ehemaligen Ultramarinfabrik genommen und umfasst eine Fläche von 13 430 qm (s. Lageplan.) Er liegt an der längs der Güterhalle des Staatsbahnhofes vorbeiführenden Strasse und ist gegen Norden durch zwei Strassen, der Zeltnerstrasse und der Steinbühlerstrasse, mit dem Strassennetze der Stadt verbunden. Wie schon früher bemerkt, hat Hr. Zeltner mit dem Finanzärar ein Tauschgeschäft gemacht. Er gab den Bauplatz und verpflichtete sich, den neuen Zollhof zu erbauen, wogegen ihm sämmtliche dem Zollärar in der Stadt gehörigen Liegenschaften überlassen wurden. Letztere verkaufte er an die Stadtgemeinde, welche für einzelne Objekte ein besonderes Interesse besass.
Für die Abgrenzung des Bauplatzes für den Zollhof war nicht allein das Staatsinteresse maassgebend, sondern auch der Umstand, dass der Rest der ehemaligen Ultramarinfabrik, bei welcher Hr. Zeltner Hauptbetheiligter ist, und dessen Privatgrundstücke in möglichst gut verwerthbare Baublöcke aufgetheilt werden sollen.
Nach dem vom Staate aufgestellten Bauprogramm sollte eine Zollhalle mit unmittelbarem Anschlusse an das Bahngleise und ein Verwaltungs-Gebäude für die Bureaus und 16 Dienstwohnungen in vier Klassen errichtet werden. Die Planfertigung und gesammte Bauleitung wurde von Hrn. Zeltner dem Unterzeichneten übertragen, mit der Wahrung der Interessen des Staates hinsichtlich genauer Erfüllung des vereinbarten Bauprogrammes das k. Landbauamt Nürnberg betraut und als schiedsrichterliche Instanz bei Meinungs-Verschiedenheiten zwischen beiden Hr. k. Kreisbrth. Köhler in Ansbach aufgestellt. Der Unterfertigte hatte die Genugthuung, dass seine Pläne sofort ohne Aenderung die Genehmigung des k. Staatsministeriums fanden.
Nachdem durch Vorakkordirung die Baukosten auf rd. 1 100 000 M. festgestellt waren, wurde am 2. April 1896 der Vertrag zwischen dem Staate und Hrn. Zeltner abgeschlossen, in welchem der 1. Mai 1899 als Vollendungstermin der ganzen Anlage festgesetzt wurde. In Hrn. Zeltners Interesse war es war es jedoch gelegen, das ganze Geschäft rascher abzuwickeln und Dank tüchtiger Unternehmer gelang es, den ganzen Zollhof um etwas mehr als ein Jahr früher fertig zu stellen, ja die Zollhalle schon im August des Jahres 1897 dem Verkehre zu übergeben.
An Gebäuden umfasst die ganze Anlage vier: das Verwaltungsgebäude, die Zollhalle und zwei Pförtnergebäude.
1. Das Verwaltungsgebäude
enthält die Büreaus der Hauptzollamts-Verwaltung, diejenigen für Erhebung der indirekten Steuern, und zwölf Dienstwohnungen für den Vorstand, drei Oberbeamte, sieben Offiziale und einen Amtsdiener. Die theils im Erdgeschoss, theils im 1. Stock untergebrachten Büreauräume besitzen eigenen Zugang vom abgeschlossenen Zollhofe und ein, besonderes Treppenhaus. Die Wohnungen sind räumlich in drei Gruppen zerlegt, deren jede eine besondere Hausthür und ihr eigenes Treppenhaus hat. Die einzelnen Wohnungsgruppen stehen unter sich in keiner Verbindung, so dass hierdurch das Unangenehme einer grossen Miethskaserne vermieden ist. Jede Gruppe hat auch ihre besondere Waschküche im Dachgeschoss und einen Wäschetrockenboden. Die Raumvertheilung geht aus den Grundrissen deutlich hervor; dazu ist nur zu erwähnen, dass der Amtsdiener, welcher seine Wohnung am Haupteingange hat, auch Hausmeisterdienste versieht.
Die Ausführung erfolgte bis zum ersten Stock in röthlichem Keupersandstein, von da ab in Backsteinfugenbau mit Verwendung von Sandstein für die Architekturtheile. Zum Backsteinmauerwerk wurden keine Verblender sondern Maschinensteine verwendet und die Fugen mit weissem Mörtel ausgestrichen, was mit dem röthlichen grobkörnigen Sandstein eine harmonische Farbenwirkung giebt und den harten knalligen Eindruck, den der Gegensatz der Verblender zum Sandstein sonst aufweist, vermeidet.
Die Dachdeckung besteht aus Falzziegeln mit Dachpappenunterlage, bei den Thürmen aus Kupferblech. Die Heizung der Büreaus geschieht durch eine im Kellergeschoss untergebrachte Niederdruck-Dampfheizung, welche auch die Büreaus der Zollhalle zu versehen hat. Die Wohnungen werden mit Oefen geheizt. Die Ausstattung der Wohnungen ist eine der Stellung der Beamten entsprechende; sämmtliche Büreauräume haben auf Schienen gewölbte Decken, deren Untersichten einfach verputzt und bemalt sind. Die Flanschen der Träger sind in Oelfarbe gestrichen, die Gewölbefelder weiss gehalten und mit Rankenornamenten farbig eingefasst. .
Das ganze Gebäude fasst 1220 qm überbaute Fläche, wurde im August 1896 begonnen und am 1. April 1898 vollendet, nachdem die Büreaus bereits Anfangs Februar bezogen werden konnten.
Die Zollhalle
(2.) ist 150 m lang, 18,5 m tief und steht durch zwei an ihrer Südseite befindliche Gleise mit dem Bahnhofe in unmittebarer Verbindung. Sie ist ganz unterkellert und hat ausser den Aufnahmehallen im Erdgeschoss noch die Büreaus für die Zollabfertigung, in den zwei Obergeschossen und in den darüber befindlichen Dachböden Lagerräume für Kolonialwaaren, Tabak und Hopfen und abgesonderte Räume für Seidenlager.
An reinen Lagerflächen sind vorhanden
im Kellergeschoss für Wein | 1420 qm | |
im Kellergeschoss für Sprit | 230 qm | |
im Kellergeschoss für Tabak-Karotten | 130 qm | |
im Kellergeschoss für Margarine | 130 qm | 1 910 qm |
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im Erdgeschoss aus 2 Hallen zusammen | 1500 qm | |
Vertheilungslager | 180 qm | |
Postabfertigung | 180 qm | 1 860 qm |
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im 1., 2. Stock und 1. Dachgeschoss je 2470 qm | 7 410 qm | |
zus. im 2. Dachboden | 2 160 qm | |
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zusammen | 13 340 qm | |
Die Tragsäulen des Kellers sowie die Treppen sind aus Granit hergestellt, letztere liegen in feuersicheren Einbauten, welche die ganze Halle in drei feuersicher von einander geschiedene Abtheilungen zerlegen. Gegenüber den Treppen befinden sich in den genannten Einbauten die von Mohr & Federhoff in Mannheim gelieferten Aufzüge, deren elektrischer Antrieb von der EI.-A.-G. vorm. Schutkert & Co. eingerichtet wurde. Die Aufzüge gehen vom Keller bis zum obersten Dachboden, sind auf je 40 Ztr. Meistleistung bei 0,20 m Hubhöhe in der Sekunde berechnet und auf 60 Ztr. Belastung in freischwebendem Zustande geprüft. Die Prüfung erstreckte sich auch darauf, dass die Aufzüge, mit je 40 Ztr. belastet, nach Auslösung der Tragseile frei fallen gelassen wurden. Die Sperr-Vorrichtungen wirkten dabei tadellos, die Aufzüge kamen nach einem freien Fall von nur 0,065 m schon zum Stehen.
Die Tragsäulen des Erdgeschosses und der oberen Stockwerke sind sämmtlich aus Gusseisen hergestellt, im Dachboden aus Holz. Die Decken des Erdgeschosses und des 2. Stockes bestehen aus Schienengewölben, die Decke des 1. Stockes ist eine Balkendecke. Der Fussbodenbelag ist im Keller und 1. Stock aus Klinkern, im Erdgeschoss aus Holzpflaster, in den übrigen Geschossen aus Dielen hergestellt, letzteres, weil verschiedene Waaren, wie Hopfen und Kaffee, das Lagern auf Stein nicht vertragen. In den Treppenhäusern befinden sich in allen Geschossen an die städtische Wasserleitung angeschlossene Hydranten. Mit Gas beleuchtet sind ausser den Büreaus nur die Keller und Treppenhäuser; die Lagerhallen sind ohne künstliche Beleuchtung gelassen und dürfen auch mit Licht nicht betreten werden.
Als Boden-Belastungen wurden angenommen nach Ermittelung des Gewichtes der schwersten Lagerstücke sammt Eigengewicht der Decken-Konstruktionen und unter Zuschlag von Reserve-Belastung:
- für das oberste Dachgebälk (ungepresster Hopfen) sammt Balkendecke 600 kg für 1 qm;
- für das Hauptgebälk (gepresster Hopfen sammt Schienengewölbe und 10 cm starker Betonlage) 1200 kg;
- für den 2. Stock (schwerstes Lagergut: Kaffee In Säcken, auf 1 qm 750 kg sammt Eigengewicht der Balkendecke 1000 kg;
- für den 1. Stock (schwerstes Lagergut: Tabakrippen mit 750 kg für 1 qm) sammt Schienengewölbe und Steinpflaster 1300 kg;
- für das Erdgeschoss unter Berücksichtigung der Erschütterungen sammt Eigengewicht des Kappengewölbes 2000 kg. An Säulendrucken ergaben sich demnach für den 2. Stock 29,3 t, für den 1. Stock 48,2 t, für das Erdgeschoss 72,6 t und für den Keller 107,1 t.
Die Ausführung der Umfassungen erfolgte in Sand- und Backsteinmauerwerk, wie beim Verwaltungs-Gebäude, die Eindeckung theils in Falzziegeln, theils in Holzzement.
Mit dem Erdaushub wurde am 26. April 1896 begonnen, am 9. August 1897 konnte die Halle sammt den nachstehend erwähnten Portier-Gebäuden und dem zugehörigen umfriedeten Hofe dem Verkehr übergeben werden. —
3. Portiergebäude.
Die Gestaltung der anschliessenden Strassenzüge brachte es mit sich, eine besondere Zu- und Abfahrt zum und vom Zollhofe anzulegen, an deren Mündungen je ein kleineres Gebäude errichtet wurde, deren jedes zwei Amtsdiener-Wohnungen enthält. Zwei Amtsdiener versehen für das Einfahrts- bezw. Ausfahrtsthor den Portierdienst. Für die Grundrissgestaltung war ausser den Baufluchten der Umstand maassgebend, dass sich Hr. Zeltner für seine Restgrundstücke nördlich des Zollhofes von der Einfahrt bis zur Ausfahrt das fensterlose Anbaurecht gewahrt hatte. –
4. Allgemeines.
Die Strassenflächen im Zollhofe sind mit Basalt beschottert, die Gehsteige geklinkert, der Hof, soweit nicht von Gebäuden begrenzt, ist mit einem Eisenspalier mit Steinpfeilern eingeschlossen, mit Gas beleuchtet und mit Sprenghydranten versehen. Der Platz östlich von der Zollhalle dient vorerst als Gartenanlage und ist für eine spätere Verlängerung der Halle in Reserve gestellt. –
5. Die Kosten
des gesammten Zollhof-Neubaues stellten sich sammt denen für Bauleitung auf rd. 1 200 000 M.. (Die Erhöhung gegen das Ergebniss der Vorverakkordirung hat ihren Grund theilweise in unterdess eingetretenen erheblichen Steigerungen in Materialpreisen, theils darin, dass in der Endsumme der Baukosten der Erlös aus dem Abbruch der alten Fabrikgebäude nicht aufgeführt ist, welche einen ziemlichen Theil des Bedarfs an Steinen deckten.) Hiervon trafen auf
das Verwaltungs-Gebäude rd. | 440 000 M. |
die Zollhalle | 560 000 M. |
die Heizanlage einschließlich des Verbindungskanals zwischen den vorhandenen Gebäuden | 16 000 M. |
die elektrischen Aufzüge | 20 000 M. |
das östliche Portiergebäude | 25 000 M. |
das westliche Portiergebäude | 22 000 M. |
Der Rest kam auf Tiefbauten, als: Auffüllung des ganzen Hofes, Strassenkosten, Gehsteige, Gas- und Wasserleitung auf dem Hofe einschl. Kandelaber und Hydranten, Einfriedigungen usw. und Bauleitung.
Für die Gebäude stellte sich 1 qm überbaute Fläche
beim Verwaltungs-Gebäude auf rd. | 360 M. |
bei der Zollhalle auf rd. | 200 M. |
bei den Portiergebäuden | 200 M. |
Durch das Entgegenkommen des Hrn. Zeltner gelangte Nürnberg in den Besitz eines Zollhofes, der auf Jahrzehnte hinaus allen Anforderungen vollauf genügen wird, ehe an eine Erweiterung gedacht werden muss, und eine solche ist durch Bebauung des freien Platzes für die Verlängerung der Zollhalle oder durch Zuziehung einer Dienstwohnung zu den Büreaus im Verwaltungs-Gebäude jederzeit ermöglicht.
Von den Bauplätzen, welche infolge Erbauung des Zollhofes aus den umliegenden Geländen gewonnen wurden, ist seitdem, wie der Lageplan zeigt, schon eine Anzahl verwerthet und bebaut.
Nürnberg, den 22. Mai 1898.
Emil Hecht, Architekt
Dieser Artikel erschien zuerst am 12. & 19. November 1898 in der Deutsche Bauzeitung.