Bauveränderungen im alten Nürnberg

Der Fremde, welcher vom Nürnberger Staatsbahnhofe kommend durch das nahebei gelegene alte Frauenthor in die Stadt eintritt, ist und war von jeher überrascht durch das ganz eigenthümliche grossartige Strassenbild, welches sich seinen ernten Blicken darbietet. Die Strasse, hinter dem runden Thurm des Frauenthores in der ansehnlichen Breite von 42 m, verengt sich gegen die Lorenzkirche mehr und mehr und erscheint dadurch länger als sie thatsächlich ist. Die unregelmässige, staffelförmig vor- und zurücktretende Stellung der Gebäude verleiht ihr einen so malerischen Charakter, wie ihn andere Städtebilder schwerlich aufweisen.

In früherer Zeit fanden sich wenig Gebäude von besonders architektonischem Werthe in derselben vor, die meisten hatten schmucklose Fassaden, einzelne sogar ein recht bescheidenes, ja ein armseliges Aeussere. Dies störte jedoch das Gesammtbild keineswegs, liess vielmehr die paar öffentlichen Gebäude, welche sich vorfanden, um so bedeutender erscheinen. Selbst die kleine spätgothische und sehr einfach gehaltene Klarakirche an der linken Seite der Strasse gelangte durch ihre Umgebung zu einer gewissen Monumentalität, und reizvoll kam beim Vorüberschreiten das auf der rechten Seite hinter den vorgebauten Nachbarhäusern versteckte gothische Marthakirchlein mit seinem hübschen Giebelthürmchen zum Vorschein.

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Den mächtigsten Eindruck machte in der Mitte der Strasse links das Mauthgebäude (auf der Abbildg., welche Seite 461 d. Jahrgs. 1895 der Dtschn. Bauztg. gegeben ist, links angedeutet) von dem Nürnberger Baumeister Hans Behaim als Korn- und Waarenspeicher erbaut, während das Strassenbild durch die im Hintergrunde aufsteigenden Thürme der St. Lorenzkirche in der wirksamsten Weise abgeschlossen wird.

Manches ist in den letzten Jahrzehnten hier schon anders geworden, namentlich in den letzten Jahren entstand eine grössere Anzahl von Neubauten, denen das Bestreben, sich dem alten Charakter der Stadt anzupassen, mehr oder weniger geglückt ist. Dem Strassenbild selbst haben sie glücklicherweise bis jetzt wenig Eintrag gethan, wenn man von dem in der Vollendung begriffenen Gasthofe „Victoria-Hotel“ absieht. Damit will kein Tadel gegen das genannte Gebäude an sich ausgesprochen werden, allein seine unmittelbare Nachbarschaft an dem Frauenthor und dem daranstossenden runden Thurme bildet eine um so grössere Dissonanz, als auf der anderen Seite der Thurm vollständig freigelegt ist und sich die Königsstrasse frei in die vor der Altstadt gelegene Bahnhofstrasse fortsetzt. Die Gebäudemasse des drei Geschosse hohen, ausserdem noch mit hohen Giebeln versehenen Victoria-Hotels ist für den runden Thurm zu gewaltig bei der kurzen Entfernung von 12 m.

Wenn wir oben sagten, dass im grossen und ganzen das Strassenbild trotz der entstandenen Neubauten keine wesentliche Aenderung erfahren habe, so ist dies cum grano salis aufzunehmen. Die Neubauten „Deutscher Kaiser“, „Hotel Monopol“, „Rother Hahn“, „Kaiserhof“ usw. (wie man sieht, wird die Königsstrasse zur reinen Hotelstrasse) weisen sämmtlich eine grössere Höhe auf, als die durch dse verdrängten alten Gebäude und dieser Fall wird auch bei allen künftigen Neubauten eintreten. Die hohen Preise des Grund und Bodens zwingen zur grösstmöglichen Ausnutzung des Bauplatzes nach der Höhe. Es wird nun keinem Zweifel unterliegen, dass hierdurch im Laufe der Zeit die Strasse schmäler erscheinen und die Monumentalität der alten Baudenkmale herabgedrückt werden wird; sie werden kleiner wirken als früher.

Dagegen lässt sich nun wenig machen und man darf zufrieden sein, wenn wenigstens in der architektonischen Gestaltung der Einzelbauten nicht zu sehr über die Schnur gehauen wird.

In dieser Richtung ist es nun sehr zu begrüssen, dass infolge des Zusammentreffens von Umständen der städtischen Verwaltung bezüglich einiger bevorstehender bedeutsamer Veränderungen ein Einfluss zutheil geworden ist, den sie früher nicht besessen hat. Das Eckhaus der Königsstr. und Karolinenstr. (22 d Lageplans), also das Gebäude, welches sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Lorenzkirche und des Nassauer Hauses befindet, wurde vom letzten Besitzer bei seinem Tode der Stadt für eine wohlthätige Stiftung vermacht. Letztere hat das Gebäude nun an den Hofstahlwaaren-Fabr. Leykauf veräussert, welcher einen vollständigen Neubau anstelle des niederzulegenden, architektonisch vollkommen werthlosen Gebäudes aufführen will. Durch den Umstand, dass nun die Stadt Verkäuferin ist, befindet sie sich in der Lage, bezüglich der Fassadengestaltung die entsprechende Rücksichtnahme auf die hochbedeutende Nachbarschaft zu verlangen und Bedingungen zu stellen, zu denen ihr bei einem im Privatbesitze gewesenen Hause jegliche Handhabe gefehlt hätte. Der Käufer hat nun für die Fassadenpläne einen Wettbewerb unter den Nürnberger Architekten veranlasst und es steht zu hoffen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft der herrlichen Lorenzkirche nicht etwas geschaffen wird, was den Eindruck dieses Juwels der gothischen Baukunst zu beeinträchtigen imstande wäre.

Eine ganz einschneidende Veränderung steht aber der Königsstrasse bevor durch ein grosses Tauschgeschäft, welches in den letzten Tagen zwischen dem Staate, einem Privatmanne und der Stadt abgeschlossen wurde und das soeben die Genehmigung seitens des bayerischen Landtags und der Reichsrathskammer erhalten hat. Bei dem grossen Interesse, welches die Fachgenossenschaft unserem alten Nürnberg von jeher entgegenbrachte, wird dieser an sich interessante Plan gewiss einer ausführlicheren Besprechung unterzogen werden dürfen.

Den Kernpunkt der ganzen Angelegenheit bildet die Erbauung eines neuen Zollhofes. Als die Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1806 an das Königreich Bayern fiel, annektirte letzteres alles, was reichsstädtisch war, ohne Rücksicht darauf, was dem Staat Nürnberg und was der Stadt Nürnberg gehörte.

Lageplan der Königs-Strasse und der bisher. Zollgrundstücke in Nürnberg

So kamen alle städtischen Gebäude, Plätze, Anlagen, Befestigungswerke, sowie die in der Reformationszeit sequestrirten Kirchen in Staatsbesitz. Im Jahre 1811 fand eine theilweise Rückgabe statt und zwar solcher Objekte, für die der Staat keine Verwendung hatte, und erst im Laufe vieler Jahrzehnte gelang es der städtischen Verwaltung, den grösseren Theil der aus reichsstädtischen Mitteln geschaffenen Bauwerke, sowie die öffentlichen Anlagen mit schweren Geldopfern vom Staate zurück zu erwerben.

So ging z. B. der letzte Theil des alten Rathhauses erst 1880 nach Verlegung des kgl. Kreisarchivs gegen einen Kaufschilling von 50.000 Fl. wieder in das Eigenthum der Stadt zurück.

Eine Anzahl solcher Bauwerke diente bis heute den kgl. Zollbehörden zu Amtszimimern, Dienstwohnungen und Lagern.

Diese erwiesen sich aber dem heutigen Verkehre gegenüber als ungenügend, und schon lange war deshalb das Bedürfniss ein dringendes geworden, alle Zollräumlichkeiten in einem einzigen Anwesen zu vereinigen und zwar womöglich im unmittelbaren Anschlusse an die Staatsbahn, so dass eine unmittelbare Gleisverbindung mit den verschiedenen Bahnlinien ermöglicht werde.

Diesen Bestrebungen kam der Umstand zustatten, dass die anfangs der vierziger Jahre von Jettner und Heyne gegründete Ultramarinfabrik, deren Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft des Güterbahnhofes gelegen ist, von Nürnberg wegverlegt wird.

Die Grundstücke genannter Fabrik, welche seit Jahren in die Aktiengesellschaft „Vereinigte Ultramarinfabriken“ aufgegangen ist, können als die einzigen in Nürnberg bezeichnet werden, welche bei Erbauung eines Zollhofes infrage kommen konnten; der Preis (rd. 60 M. f. d. qm) schreckte jedoch die Staatsbehörden lange zurück. Dazu kommt, dass es immer schwer hält, von der ultramontanen Mehrheit der bayer. Abgeordnetenkammer für Neubauten einige Millionen bewilligt zu bekommen, namentlich für Nürnberg. Infolge dieser Verhältnisse kam nun das eigenthümliche Uebereinkommen zustande, dass Hr. Johannes Jettner, Sohn des Begründers der Nürnberger Ultramarinfabrik und Hauptbetheiligter der Aktiengesellschaft, von letzter den zur Erbauung des Zollhofes erforderlichen Grund und Boden erwirbt, darauf den neuen Zollhof sammt allen Zufuhrstrassen auf seine Kosten erbaut und endlich im Tausch dafür vom Staate alle in der Stadt gelegenen Zollgrundstücke erhält. Der Staat erwirbt somit einen von einem Privatmanne erbauten neuen Zollhof, der seinen Bedürfnissen auf lange Zeit hinaus genügen wird, ohne einen Pfennig Geld dafür ausgeben zu müssen, während es Hrn. Jettner überlassen blieb, durch Verwerthung der Zollgrundstücke wieder zu seinen Auslagen zu gelangen. Bevor jedoch dieses Abkommen rechtskräftig wurde, legte sich die Stadtgemeinde ins Mittel, um die zum grössten Theil aus reichsstädtischer Zeit stammenden Liegenschaften in ihr Eigenthum zu bekommen und das Ergebnis war, dass die Stadt sämmtliche infrage stehenden Grundstücke und Bauwerke Hrn. Jettner um die Summe von 1 900 000 M. abkauft,

Welchen umwälzenden Einfluss diese ganze Angelegenheit auf die Umgestaltung der Königsstrasse ausübt, wird ein Blick auf den Lageplan beweisen. In demselben sind die Zollgrundstücke besonders hervorgehoben. Nebenbei sind auch alle in jüngster Zeit entstandenen Neubauten kenntlich gemacht, wobei bemerkt werden kann, dass das eigenthümliche Strassenbild trotz der Neubauten keine wesentliche Aenderung erleiden konnte, weil glücklicherweise rechtzeitig verhindert worden ist, die unter dem früheren Stadtbrth. Bickemeyer beabsichtigten Baulinien-Regulirungen auszuführen. Da fast sämmtliche Neubauten genau auf der Stelle der abgebrochenen alten Gebäude errichtet wurden, so wird die Königsstrasse wohl für alle Zeiten das alte interessante Bild geben, wenn auch längst von den alten Häusern kein Stein mehr vorhanden sein wird.

Die Stadtgemeinde erwirbt also vom kgl. Zollwesen fünf Bauwerke: einen Stadtmauerthurm, den Salzstadel, den Klaragarten, die Mauthhalle und das Zeugmeister-Gebäude.

1. Der Stadtmauerthurm.

Derselbe ist ein Grabenthurm, von der inneren Grabenmauer in den Graben vorspringend, ein Theil der Befestigung des alten Waffenplatzes am Frauenthor und stammt aus spätgothischer Zeit. Aeusserst merkwürdig ist, dass seine polygonalen Flächen nicht in senkrechten Kanten, sondern in Schraubenlinien aneinanderstossen, zu welchen die in der Mitte der Felder befindlichen Schiesscharten parallel stehen.

Das obere Geschoss ist vorgesetzt. Der Thurm beschirmte die neben ihm befindliche Abfahrtsrampe nach dem Stadtgraben und wurde seit langer Zeit als Amtsdiener-Wohnung benutzt, Eine ähnliche Verwendung wird er wohl auch unter der neuen Eigenthümerin haben, da er nach besonderer Vertragsbestimmung nicht abgebrochen werden darf. Und das mit Recht, denn er bildet eine ganz besonders merkwürdige Einzelheit in den noch erhaltenen Ueberresten der alten Befestigungswerke.

2. Der Salzstadel.

Lenkt man vom Bahnhofe kommend die Schritte nicht durch das alte Frauenthor, sondern durch den nordöstlich vom runden Frauenthorthurm gelegenen Stadtmauer-Durchbruch, so fällt sofort ein hässliches, 100 m langes Gebäude auf, dessen Längsseite parallel zum Stadtgraben steht, von dem es durch einen Zwingerstreifen getrennt ist. Dieses Gebäude ist anfangs dieses Jahrhunderts vom Staate erbaut worden, als das kgl. Salzamt in Nürnberg errichtet wurde. Seine Rückseite wird von der alten inneren Stadtmauer gebildet. Es lag anfänglich ganz versteckt hinter den Mauern, bis es durch Erbauung des Königsthores Ende der vierziger Jahre und noch mehr nach Wiedereinlegung desselben im Jahre 1842 an’s Tageslicht gezogen wurde. Es bildet schon seit langer Zeit den Gegenstand des Aergers für die Stadtverwaltung und die gesammte Bürgerschaft und den des gerechten Erstaunens aller Fremden. Nun sind seine Tage gezählt und hoffentlich gelingt es, an seiner Stelle ein Gebäude oder eine Häusergruppe aufzuführen, welche an so hervorragender Stelle der Stadt würdig erscheint und dem hochanstrebenden Neubau des Hotels Victoria an der Südwestseite des runden Thurmes ein Gegengewicht bietet.

3. Der Klaragarten.

Dieser zwischen der Königsstrasse und der vorderen Sterngasse gelegene Komplex bildete sammt mehren anstossenden Gebäuden und der kleinen Klarakirche das Kloster der Klarissinnen, welches bei Einführung der Reformation aufgelöst wurde und in das Eigenthum der Stadt überging. Die Kirche wurde Ende der sechziger Jahre restaurirt und den Katholiken als zweite Pfarrkirche in Nürnberg zurückgegeben.

Ein Theil mit dem Kreuzgange wurde nach der Einverleibung der Reichsstadt in Bayern der Stadt überlassen, welche darin das städtische Leihhaus unterbrachte und gegen die Königsstrasse zu in der Heideloff’schen Zeit einen modern gothischen, nichtssagenden Bau aufführte.

In dem noch drei Tagwerke fassenden Rest des Anwesens wurden das Forstamt Laurenzi, das Oberzollamt, später die beiden Bauämter und anfänglich auch die Staats-Schuldentilgungs-Kasse untergebracht, für welch’ letztere im Anfang des Jahrhunderts ein im Empirestil gehaltenes unschönes Gebäude errichtet wurde (Hs. No. 70). Das aus älterer Zeit stammende Hs. No. 68 bietet gleichfalls nichts Besonderes, nur ist seine der Kirche zugewendete Ecke mit zwei Steinfigürchen, der hl. Klara und hl. Martha, geschmückt.

Dadurch, dass nun der Klaragarten in die Hände der Stadt kommt, in denen sich auch das Areal des Leihhauses befindet, wird hier in bester Lage ein Bauviertel eröffnet, das nicht nur Liebhaber finden, sondern auch den Architekten willkommene Gelegenheit geben wird, ihr Können in ausgedehntem Maasse zu zeigen. Ueber die Austheilung der Bauplätze sind noch keine Pläne entworfen, doch steht so viel fest, dass das Leihhaus verlegt und eine neue Strasse von der Königsstrasse zur Sterngasse gezogen wird. Die sämmtlichen alten Gebäude dieses Geländes sind dabei natürlich zum Abbruche bestimmt.

4. Die Mauthhalle.

Von diesem Gebäude haben wir Eingangs schon erwähnt, dass es von Hans Behaim d. Aelt. stammt, von welchem auch die noch erhaltenen gothischen Theile des Rathhauses, die Kaiserstallung u. a. herrühren.

Die alten Nürnberger waren praktische Leute. Als im XIV. Jahrhundert die Stadt wesentlich erweitert wurde, überwölbten sie südlich der Lorenzkirche einen grossen Theil des Stadtgrabens und schafften so umfangreiche Lagerkeller für die Weinvorräthe, den sogenannten Herrnkeller. Auf einem Theile dieser Keller erbauten sie dann das genannte Kornhaus, ein ausgedehntes Gebäude von 85 m Länge und 19 m Breite. Das Erdgeschoss ist gar mit Kreuzgewölben überdeckt, welche auf 26 mächtigen Steinpfeilern ruhen. Darüber befinden sich zwei Geschosse und in dem steilen Giebeldach sechs Dachböden, deren Erker die massige Dachfläche in gleichmässigem Rythmus beleben. Bemerkenswerth sind in Innern im den oberen Geschossen die eichenen Säulen, deren Betrachtung einen Begriff von der Leistungsfähigkeit der damaligen Wälder geben kann.

Alte Mauthalle in Nürnberg

Architektonisch interessant ist an dem Gebäude der östliche Giebel, welcher im Erdgeschoss ein schön profilirtes Spitzbogenportal zeigt, welches einen steinernen Kämpfer in Segmentbogenform aufweist. Das Feld zwischen diesem und dem Spitzbogen ist mit einem sehr hübschen Steinrelief geschmückt, die drei Stadtwappen mit Bandverschlingungen enthaltend und mit der Jahreszahl des Baubeginnes 1498 versehen. Auffallend ist der Hund, der sich in der Mitte des Feldes befindet und wahrscheinlich bedeuten soll, dass dieser Waarenspeicher gut bewacht ist. Der Giebel ist durch vorstehende Lisenen in Felder abgetheilt, welche oben und unten spitzbogenförmig geschlossen, die ganze Fläche netzförmig auflösen. Von den Fenstern zeigt nur das oberste gothisches Maasswerk und die Jahreszahl der Vollendung 1502.

Bei aller Schmucklosigkeit im übrigen macht dieses ganz aus Sandstein aufgeführte Gebäude einen mächtigen Eindruck; es ist ein Wahrzeichen aus vergangener Zeit, ein charakteristisches Denkmal der Macht der alten Reichsstadt, welche sich selbst in einem Nützlichkeitsbau, wie in diesem Kornhaus in ganz besonderer Weise ausdrückt.

Portal der Mauthalle in Nürnberg

Was wird nun aus diesem Bauwerke werden? Der Stadt ist in dem Tauschvertrage vom Staate alle Freiheit gelassen, die innere Einrichtung so zu gestalten, dass das Gebäude eine entsprechende Rente abwirft. Veränderungen im Aeusseren oder gänzlicher Abbruch dürfen nur mit Genehmigung des Staates erfolgen. Bei Veränderungen wird aber der Stadt nahe gelegt, auf Erhaltung des Gesammteindruckes und der Giebel, sowie des erwähnten Portales Bedacht zu nehmen. Am liebsten würden wir es sehen, wenn das Gebäude so bleiben könnte, wie es ist. Die dafür gezahlte Summe will aber verzinst werden und dies wird ohne umfassende Bauveränderungen nicht möglich sein. Vor allem werden grössere Fenster eingebaut werden müssen und dies bringt schon von vornherein eine gewaltige Veränderung des Bildes mit sich. Jedenfalls muss die Aufgabe sehr behutsam angefasst werden, denn wenn deren Lösung in unberufene oder unfähige Hände kommt, kann leicht ein Zerrbild entstehen, dem gegenüber ein vollständiger Neubau vielleicht das kleinere Uebel wäre.

Der unter der Halle befindliche Herrnkeller zieht sich unter der Strasse hindurch und bildete hier ein böses Hinderniss für alle städtischen Tiefbauten, welches nun auch beseitigt werden kann. Auf der Ostseite der Strasse tritt der alte Stadtgraben zutage, und auch hier wird neben dem Kohn’schen Neubau ein weiterer Neubau entstehen, in welchen die auf dem Ausgang des Herrnkellers stehenden Verkaufsläden, die schon seit langer Zeit der Stadt gehören, wohl mit einbezogen werden.

5. Die Zeugmeister-Wohnung.

Das alte Nürnberg war auch eine wehrhafte Stadt. Es besass westlich von der Mauthhalle zwei Zeughäuser, in denen für 17 000 Mann Waffen und Rüstung aufgespeichert waren. Gekrönte Fürsten entliehen daraus bei Festlichkeiten am kaiserlichen Hofe Prunkrüstungen, deren eigene Beschaffung ihnen zu theuer war. Dies alles ging in den Napoleonischen Kriegen an Feind und Freund verloren.

Zeugmeister-Haus in Nürnberg

Erst vor wenig Jahren gelang es dem unvergesslichen Essenwein, einen kleinen Theil, die Sulkowsky’sche Sammlung, die dem reichsstädtischen Zeughause entstammte, für das Germanische Museum und somit für Nürnberg zurück zu erwerben. Die Zeughäuser selbst dienen jedoch nur friedlichem Verkehr als Lagerhäuser für den in Nürnberg so hoch entwickelten Hopfenhandel. Als ein Denkmal an vergangene Macht und Herrlichkeit ist aber die Zeugmeisterwohnung in der Pfannenschmiedsgasse stehen geblieben, in der die Zeugmeister, jene Rathsherren, denen die Verwaltung des Zeughauses unterstellt war, Wohnung hatten.

Dieses der deutschen Hochrenaissance entstammende, im Jahre 1588 erbaute Haus ist von grösstem baugeschichtlichem Werthe.

Trotzig flankieren zwei runde Thürme mit mächtigem Quaderschnitt das Portal, über welchem die Stadtwappen in Steinreliefs angebracht sind. Die Kuppeldächer der Thürme, zwischen denen sich ein geschweifter Giebel erhebt, sehen aus wie ein Paar Blechhauben, die sich die rüstigen und stämmigen Thorwächter zum Schutz auf den Kopf gestülpt haben. Erwähnt mag noch sein, dass die schwere beschlagene Thüre eine reich verzierte Schlossplatte mit Drücker (altnürnberger Schlosserarbeit) besass, welche das bayerische Nationalmuseum bei Beginn der Tauschverhandlungen mit Herrn Jettner schleunigst für sich nach München in Sicherheit zu bringen wusste. Herrn Bürgermeister Dr. v. Schuh ist es gelungen, die Mittel für eine möglichst getreue Nachbildung zu beschaffen, welche in Bälde dem Thore den geraubten Schmuck wenigstens so weit als möglich wieder ersetzen wird. Auch im Hofe der Zeugmeisterwohnung ist noch eine nette steinerne Brunnenumrahmung aus der Zeit der Renaissance vorhanden.

Die Zeugmeisterwohnung gehört zu jenen Gebäuden, welche nicht abgebrochen werden dürfen. Zu solchem Vandalismus wäre auch gar kein Grund vorhanden und so steht mit Sicherheit zu erwarten, dass dieses hochinteressante Gebäude dem schon so manchen Schmuckes beraubten Nürnberg für immer erhalten bleiben wird.

Wir sind am Ende unserer Mittheilungen über die „Bauveränderungen im alten Nürnberg“, soweit sie namentlich durch die Erbauung eines neuen Zollhofes veranlasst sind, angelangt und werden in einem späteren Artikel über den Zollhof selbst Weiteres folgen lassen.

Zum Schlusse geben wir noch ein Verzeichniss der in den letzten Jahren an der Königsstrasse ausgeführten, oben schon erwähnten Neubauten, indem wir gleichzeitig das Jahr der Erbauung und den Namen des leitenden Architekten hinzufügen:

Haus No. 39. Gasthof Kaiserhof. 1894. Arch. Hecht.
Haus No. 41. Kohn’sches Haus. 1876. Arch, Hildenbrand.
Haus No. 46. Gasthof Rother Hahn. 1894-96. Arch. Richter.
Haus No. 52. Gasthof Monopol. 1890. Arch. Ruepp.
Haus No. 55. Gasthof Deutscher Kaiser. 1889. Arch. Walther.
Haus No. 61. Carl Sachs’scher Neubau. 1890. Arch. Kröck.
Haus No. 76. Rupprecht’scher Neubau. 1896. Arch. Schultheiss.
Haus No. 80. Hotel Victoria, Neubau. 1896. Arch. Pillip.
Haus No. 81. Gasthaus Erdmannsdörfer. 1896. Arch. Richter.

Nürnberg, April 1896. Hecht, Architekt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 27. & 30.05.1896 in der Deutsche Bauzeitung.