Der preisgekrönte Entwurf zur Ausgestaltung des „Vergnügungsecks“ der Deutschen Bauausstellung in Dresden 1900

Eingang

Architekt: Fritz Drechsler in Leipzig. Bekanntlich hat vor kurzem ein allgemeiner Wettbewerb stattgefunden, dessen Bestimmung es war, durch ihn geeignete Gedanken für die Ausgestaltung eines mit der nächstjährigen Deutschen Bauausstellung in Dresden zu verbindenden sog. „Vergnügungsecks“ zu gewinnen. (Man vergl. S. 208 u. S. 304 der Deutschen Bauztg.)

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Die Leiter der Ausstellung sind von der unzweifelhaft richtigen Erwägung ausgegangen, dass ein derartiges fachwissenschaftliches Unternehmen an sich nicht imstande sein würde, den für die Ertragsfähigkeit desselben unentbehrlichen Besuch des grossen Publikums anzuziehen, wenn diesem nicht Gelegenheit geboten wird, innerhalb der Ausstellung auch die übliche Unterhaltung zu finden und froher Geselligkeit sich hingeben, zu können. Dass die zu diesem Zweck zu errichtenden Baulichkeiten, Kneipen aller Art, Cafes, Konzert- und Theater-Lokale, Musikpavillons, Verkaufsstände usw. in ihrer architektonischen Gestaltung zugleich der Schaulust der Besucher etwas bieten müssen und dass es bei einer Bauausstellung darauf ankam, hierfür eine besonders originelle Lösung zu finden, verstand sich von selbst. Denn das beliebte, erst vor wenigen Jahren auch für eine andere Ausstellung in Dresden angewandte Verfahren, einen Theil des Ausstellungsortes in seiner ehemaligen Erscheinung in freier Nachbildung wieder aufleben zu lassen, ist nachgerade doch wohl schon etwas verbraucht. Um andere Vorschläge hervor zu rufen gab es aber keinen besseren Weg, als den eines öffentlichen Wettbewerbs.

Lageplan
Lageplan

Das Ergebniss des letzteren darf als ein sehr befriedigendes betrachtet werden. Der durch den ersten Preis ausgezeichnete Entwurf des Architekten Fritz Drechsler in Leipzig, den wir heute unseren Lesern vorführen, geht von einem durchaus eigenartigen, nicht nur für die Fachwelt, sondern auch für das allgemeine Publikum verständlichen und interessanten Gedanken aus und entwickelt denselben in so ansprechender Form, dass eine starke Anziehungskraft der betreffenden Schöpfung wohl ausser Frage stehen würde. Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass die Preisrichter mit Einstimmigkeit seine Ausführung empfohlen haben und es ist dringend zu wünschen, dass die Leiter der Ausstellung – allen gewiss auch in diesem Falle nicht ausbleibenden Gegenströmungen zum Trotz – einer solchen Empfehlung Folge leisten. Selbstverständlich ist der Entwurf vorläufig nur als Skizze zu betrachten. Er wird bei einer Verwirklichung durch seinen Urheber nicht nur in den Einzelheiten weiter ausgestaltet werden, sondern gestattet inbezug auf die Zahl und Ausdehnung der zu errichtenden Baulichkeiten auch einen weiten Spielraum. Sollte die für letztere vorläufig ausgeworfene Summe von 200 000 M. verringert werden müssen, so würde der Entwurf jedenfalls eine Einschränkung vertragen, ohne darunter wesentlich an Reiz einzubüssen.

Eingang
Eingang
Römische Strasse
Römische Strasse
Königshalle
Königshalle

Das Leitmotiv der von Hrn. Drechsler geplanten Anlage ist die Gegenüberstellung römischer Baukunst und altgermanischer Bauweise, wie sie zur Zeit, da Tacitus seine Germania schrieb, etwa in einer römisch-germanischen Grenzansiedelung möglich gewesen wäre. Strenge kunstgeschichtliche Richtigkeit kann dabei allerdings kaum erzielt werden, da es zwar nicht an ausreichenden, als Vorbilder zu benutzenden Beispielen für die Römerbauten, wohl aber an solchen für die architektonischen Leistungen unserer Vorfahren fehlt. Hier musste die Phantasie des Künstlers im wesentlichen frei schaffend eintreten – ein Umstand, durch den sich jedoch wohl nur Pedanten die Freude an dem Geschaffenen werden verkümmern lassen. – Das für die Bauten des „Vergnügungsecks“ zur Verfügung stehende, annähernd dreieckige Gelände hängt mit dem eigentlichen Ausstellungsplatze, der für solche Veranstaltungen keinen Raum darbietet, nicht unmittelbar zusammen, sondern ist — von jenem durch den Botanischen Garten getrennt – dem Grossen Garten abgenommen worden. Der prachtvolle Baumbestand des letzteren, der für die Bauten den denkbar günstigsten Hintergrund gewährt, musste demnach möglichst sichtbar gemacht, die Anlage auf der nach ihm gewandten Seite also möglichst geöffnet werden, während es umgekehrt nothwendig war, den Einblick in den Botanischen Garten mit seinen modernen Gebäuden thunlichst einzuschränken, die diesem zugekehrte Seite also mit Gebäuden zu schliessen. Ueber die Einzelheiten des Entwurfs wird eine nachstehend mitgetheilte Niederschrift des Architekten selbst die beste Auskunft geben.

Der preisgekrönte Entwurf zur Ausgestaltung des Vergnügungsecks der Deutschen Bauausstellung in Dresden 1900
Der preisgekrönte Entwurf zur Ausgestaltung des Vergnügungsecks der Deutschen Bauausstellung in Dresden 1900
Römisches Haus
Römisches Haus

„Das Vergnügungseck kann von der eigentlichen Ausstellung mittels einer Hochbahn, welche den Botanischen Garten umgeht, oder unmittelbar von den Eingängen an der Stübel- und Herkules-Allee aus erreicht werden. Im ersteren Falle gelangt der Besucher zunächst an das römische Provinzkastell. Die Porta romana, ein gewaltiger Thorbau mit rundem Thurm bildet den Zugang; wir durchschreiten denselben und erblicken vor uns eine antike Strasse, die sich am Anfang zu einem Platz erweitert; auf diesem erhebt sich ein säulengeschmückter Vestatempel. Die Strasse weiter verfolgend, sehen wir links verschiedene römische Wohnhäuser, so das Haus des Pansa, Häuser für Handwerker mit Verkaufsläden usw. Alles in möglichst gewissenhafter Rekonstruktion. Auf der rechten Seite der Strasse, an den Wald gelagert, befindet sich eine Villa mit Säulenportikus und seitlichen hermengeschmückten Pergolen, weiter eine römische Poststation.

Römische Post
Römische Post
Porta romana
Porta romana

Von der letzteren führt eine Seitenstrasse nach dem offenen Amphitheater. Den Abschluss des Kastells nach dieser Seite bildet die thurmbewehrte Porta germanica. Der Grenzwall (Limes) umschliesst die ganze Anlage und von hier aus würde man einen Ueberblick über die vor uns liegende germanische Ansiedelung, eine Königsburg darstellend, haben. Dem Beschauer zunächst erhebt sich das Hauptgebäude, die Königshalle, ein gewaltiger in Holz gefügter Bau, dessen mittleren Theil die weitgespannte Halle einnimmt, an welchen sich rechts und links niedrige Seitenhallen und Wirthschaftsräume anschliessen. Der ganze Bau, um den sich die übrigen Bauten – das Café, die Hundingshütte, die Musikhalle mit Weiher und andere mehr gruppiren, ist reich geschmückt mit Kiefernfestons, Waffentropäen, Stierschädeln usw. Der Eingang von der Stübel-Allee ist durch einen grossen Thorbau betont, an welchen sich Wallmauern mit Wartthürmen anschliessen. Der hüttenartige Ueberbau ist reich geschmückt, seitliche Treppenanlagen bilden den Zugang. Als besonderes Zugstück ist auch eine Drachenhöhle mit illuminirtem Wasserfall in Aussicht genommen.“ –

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.07.1899 in der Deutsche Bauzeitung.