Der Wettbewerb um Entwürfe für das Elberfelder Rathhaus

Am 31. Dezember vorigen Jahres Abends 6 Uhr war die erste Phase eines Kampfes auf architektonischem Gebiete zurückgelegt, der sich durch die Grösse der Vorbedingungen, sowie durch den Gegenstand der Aufgabe an die ersten Kräfte der deutsch-österreichischen Architektenschaft wendete und den vornehmsten Wettbewerben, welche diesen stammesverwandten Künstlergruppen gemeinsam durchzuführen vergönnt war, zugezählt werden muss.

Und genau nach 6 Wochen, der Zeit, welche in den Vorschriften des Wettbewerbes für die Vorarbeiten und die Entscheidungen des Preisgerichtes bestimmt war, wurden die Namen der glücklichen Sieger verkündet. Damit war die, man darf wohl Sagen, hochgradige Spannung gelöst, die seit einem Vierteljahr weite Künstlerkreise, sei es durch direkte Betheiligung an der Aufgabe, oder durch platonische Theilnahme an ihrer Entwicklung und Austragung gefangen hielt. Hat diese Austragung den gehegten Erwartungen entsprochen? Ja und nein.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Der Wettbewerb war von der beträchtlichen Zahl von 129 Entwürfen beschickt und übersteigt hiermit die meisten der seit Einführung des Verfahrens ausgefochtenen grösseren Preisbewerbungen um ein Erhebliches. Der künstlerische Durchschnittswerth entspricht jedoch, namentlich im Vergleich mit anderen Wettbewerben ähnlicher Bedeutung, nicht dieser hohen Zahl. In der Reihe der durch Preise oder durch lobende Anerkennungen ausgezeichneten Entwürfe vermisst man eine Reihe von Namen, die in früheren Wettbewerben in Ehren bestanden haben; auch unter den nicht mit irgend einer Auszeichnung bedachten Entwürfen wird ihre vielfach gekannte Handschrift vermisst. Vielleicht hat Einzelne, die nur dann zu konkurriren pflegen, wenn der Wettbewerb für den Sieger die bestimmte Aussicht auf Ausführung eröffnet, die beträchtliche Höhe der Preise zu der vielleicht irrigen Annahme verführt, dass die Stadtvertretung von Elberfeld durch dieselben die preisgekrönten Entwürfe in vornehmer Weise honoriren, sich selbst aber die Ausführung vorbehalten wollte. Vielleicht waren andere Gründe für das Fernbleiben maassgebend. Genug, die Zahl der Sieger setzt sich zusammen aus einer grösseren Hälfte bekannter und oft bewährter Namen und aus einer kleineren Hälfte von Namen, die bei diesem Wettbewerbe entweder zum erstenmale hervortreten, oder sich erst in den jüngsten allgemeinen Preisbewerbungen als frisch aufstrebende Kräfte von reichem Können bekannt gemacht haben. Diese Namen gehören ausschliesslich der deutschen Architektenwelt an, ein österreichischer Name wird unter ihnen nicht gefunden.

Die Betheiligung aus Oesterreich scheint, soweit die oft täuschende künstlerische Gestaltungs- und Vortragsweise eine Uebersicht zulässt, eine sehr geringe gewesen zu sein. Seit Oesterreich mit der Vollendung der grossen Wiener Bauten seine eigene architektonische Entwicklung begründet hat, trennen sich die Wege der deutschen und der österreichischen Künstler mehr und mehr, zumtheil veranlasst durch eine künstlerische Entwicklung von spezifisch österreichischer Färbung, zum anderen Theil wohl veranlasst durch die Ausbildung eines eigenen Konkurrenzwesens, dessen Grundlage der Oesterreichische Ingenieur- und Architekten-Verein mit Berücksichtigung der Eigenthümlichkeiten und Gebräuche des Landes schuf. Aus diesem Umstande dürfte die Berechtigung gezogen werden können, bei künftigen Wettbewerben auf eine Betheiligung der deutsch-österreichischen Fachgenossen zu verzichten.

Unter den eingelaufenen Entwürfen finden sich reichlich 60%, deren künstlerische Bedeutung trotz mancher bemerkenswerther Einzelheiten in Grund- und Aufriss der Bedeutung der Aufgabe nicht entspricht. Befriedigend darf aber bemerkt werden, dass die absolute Unzulänglichkeit nur bei ganz vereinzelten Entwürfen bemerkt ist. Unter der verbleibenden Anzahl von knapp 40% befinden sich jedoch Arbeiten von hohem künstlerischen Werth, und die meisten der preisgekrönten Entwürfe zeugen von einem reifen, künstlerischen Erfassen der Aufgabe und bekunden eine hocherfreuliche Meisterschaft in der Anordnung sowie in der Wahl und dem Vortrag der künstlerischen Mittel. Mag man es bedauern, dass sein Durchschnittswerth hinter den Erwartungen zurückbleibt, so muss man anerkennen, dass das thatsächliche Ergebniss des Wettbewerbs ein bedeutendes und hocherfreuliches ist. Dazu hat vor allem die vortreffliche Bearbeitung des Programms und der Bedingungen beigetragen, welche in nur wenigen Fällen Zweifel über die gewünschten Anordnungen aufkommen liess. Das hat die Arbeiten des Preisgerichts nicht unwesentlich erleichtert. Seine Entscheidungen sind im allgemeinen durchaus zu billigen, und wo sie von dem allgemeinen Urtheil abweichen und auch nicht die Zustimmung des Berichterstatters in den Fällen finden können, auf die noch zurückzukommen sein wird, mag dies auf einen gewissen Mangel an Homogenität in seiner Zusammensetzung zurückzuführen sein, der sich in der Beurtheilung einzelner Entwürfe zu erkennen giebt und der vielleicht auf eine zu grosse Rücksichtsnahme seitens der ausschreibenden Stelle deutet. Vielleicht ist dieser Widerspruch aber auch darauf zurückzuführen und dieser Umstand erhält eine Bestätigung durch das Protokoll, das seine Begründung nur auf die preisgekrönten Entwürfe erstreckt -, dass die heimischen Organe, um dem Plenum des Preisgerichts die Arbeit möglichst zu erleichtern und zu vereinfachen, die Vorprüfung in einem unerwünschten Umfange vorgenommen haben; denn sonst wäre es nicht möglich gewesen, den Urtheilsspruch schon nach zweitägiger Berathung zu fällen. Man mag von dem aufrichtigen Bestreben möglichst unbefangener Beurtheilung inbezug auf die Forderungen des Programmes überzeugt sein – und wir sind es voll und ganz -, so muss doch mit dem Umstande gerechnet werden, dass wir alle Menschen sind und dass die Verfasser des Vorentwurfs, der sich aus der klaren und bestimmten Fassung des Programmes unzweifelhaft zu erkennen giebt, durch dasselbe in einem Maasse beeinflusst waren, das zweifellos auf die Gruppirung der Entwürfe zurückgewirkt hat. Wir meinen, dass der frischen Unbefangenheit der mit den Vorarbeiten nicht beschäftigt gewesenen Preisrichter ein weiterer Arbeitsumfang zugewiesen werden müsse, als dies in Elberfeld geschehen zu sein scheint. Im übrigen ist die grösste Mehrzahl der Begründungen des Preisgerichts knapp, klar, sachlich und zutreffend.

Und nun zu der Aufgabe selbst.

Die Errichtung eines neuen Rathhauses bedeutet für die Stadt Elberfeld, den bedeutendsten Mittelpunkt des industriereichen, von der Wupper durchflossenen bergischen Landes, der Beginn einer neuen Entwicklung des Stadtbildes, Diese ist in ihren einzelnen Phasen und unter Einfluss der industriellen Entwicklung deutlich wahrzunehmen. Elberfeld, das vor 200 Jahren kaum 3000, vor etwa 100 Jahren gegen 9000, heute aber 140 000 Einwohner zählt, gehört mit seiner Schwesterstadt Barmen ähnlichen Umfanges zu den bedeutendsten Industrieorten Deutschlands. Die Fabrikation der Baumwollen-, Wollen-, Seiden- und Sammetstoffe, die Herstellung der Baumwollendrucke, die Erzeugung von Seidenbändern, Besatzartikeln usw., die Anlagen zur Vorbereitung der Rohstoffe haben sich hier zu einem in Deutschland nicht wieder erreichten Umfange entwickelt. Die Entwicklung war eine beschleunigte, als der Prozess des Ueberganges der Handarbeit in die Maschinenarbeit sich vollzog. Die durch die Industrie-Verhältnisse getragene sprungweise Entwicklung lässt sich im Stadtbild anschaulich verfolgen. Aus der frühesten Zeit, da noch die Handarbeit die Industrie beherrschte, sind wenig Bauten erhalten. Einer Feuersbrunst fiel ihr leichtes Fachwerk zum Opfer. Einen bemerkenswerthen Einfluss zeigen die klassizistischen Bestrebungen der Wende des Jahrhunderts. Sie sind weniger interessant bei einigen Monumentalbauten, als bei einer grossen Reihe reizvoller Bürgerhäuser, die in ihrem Aufbau – meist zweigeschossig mit Dachaufbau, bisweilen ein- oder doppelarmige Treppe mit Geländer vor dem Haupteingang mit breiter Diele -, in der Bekleidung des Fachwerks durch Schiefer, in dem Anstrich der Fenster und Thüren mit den oft sehr graziösen Schnitzereien mit blendendem Weiss, in dem Grün der Fensterläden, einen schmucken Eindruck machen und in Deutschland das bieten, was wir so oft in England suchen. Seltsam stehen neben diesen zierlichen Häuschen die schweren Monumentalbauten, die unter dem Einfluss der älteren Berliner Schule in den mittleren 4 Jahrzehnten unseres Jahrhunderts als ein Zeichen der schnellen Entwicklung der Stadt und ihrer Wohlhabenheit in Stein errichtet sind. Zu ihnen zählt namentlich das in den dreissiger Jahren von Cremer in Aachen errichtete jetzige Rathhaus, in seiner gedrungenen Schwere vielleicht ein gewichtiges Zeugniss für die Wohlhabenheit der Stadt, aber auch von ihrem bei rasch aufblühenden Industrieorten oft bemerkten Mangel an feinem Empfinden. Dieser Mangel drückt sich selbst in den meisten der hochragenden Neubauten der letzten Zeit aus, welche die oft neben ihnen stehenden bescheidenen Häuschen aus älterer Zeit würdiges Maasshalten lehren könnten. Das ist die architektonische Umgebung des neuen Rathhauses.

Für dasselbe ist ein Platz ausersehen, der etwas dem Verkehrszentrum der Stadt entrückt ist, jedoch an einer Verkehrsstrasse liegt, die an Bedeutung von Jahr zu Jahr gewinnt. Es ist eine niederzulegende Häusergruppe an der nördlichen Seite des Neumarktes, westlich begrenzt durch die Klotzbahn, östlich durch die Friedrichstrasse, nördlich durch die kleine Klotzbahn und südlich durch den Markt mit dem Standbilde Kaiser Friedrichs (s. Lageplan). Letztes hatte keinen Einfluss auf die Gestaltung des neuen Rathhauses; wohl aber war für sie die Wallstrasse bestimmend, eine Hauptverkehrsader, die den Verkehr von den um und jenseits des Bahnhofes gelegenen Stadttheilen nach Norden leitet. Von ihr aus eröffnet sich für den aus dem Verkehrszentrum Kommenden der bedeutsamste Ausblick auf das neue Rathhaus, dessen Thurm in die Sehlinie der Strasse gestellt werden musste und auch von dem weitaus grössten Theil der Bewerber hierher gestellt worden ist. Der Verfasser des mit einer lobenden Anerkennung bedachten Entwurfes mit dem Kennzeichen des rothen Löwen macht hiervon eine bemerkenswerthe Ausnahme insofern, als ihm das Verhältniss der beiden Summen, welche für den jetzt und für den später auszuführenden Theil des Rathhauses festgesetzt waren, ein Verhältniss (950 000 M. : 450 000 M.), welches aufgrund des in den meisten Entwürfen vorliegenden Ergebnisses der Raumvertheilung als nicht zutreffend bezeichnet werden muss und vielfach zu zwangvollen und unnatürlichen Auskunftsmitteln geführt hat, verleitet hat, den Thurm auf die westliche Seite der Baugruppe zu verlegen und ihn von dem jetzt zu errichtenden Theile auszuschliessen.

Lageplan

Eine andere Frage, die das Programm offen liess, schliesst an die Form des Bauplatzes an. Derselbe hat die Gestalt eines Trapezoides. Obwohl nun das Programm „eine möglichst vortheilbafte Ausnutzung des Bauplatzes“ verlangte, glaubten einige Entwürfe doch das Schwergewicht auf die regelmässige Gestaltung des Grundrisses und nicht auf die volle Bebauung der Grenzen des Bauplatzes legen zu sollen. Am weitesten hierin ging der Entwurf mit dem Kennwort Kocuos, welcher eine streng rechteckige und symmetrische Grundgestalt zeigt und nicht unbeträchtliche Theile des Bauplatzes unbebaut lässt. Ein anderer Theil der Entwürfe glaubte dem Laufe der Friedrichstrasse entweder gar nicht oder nur mit dem untersten, dem Ladengeschosse, folgen und die Obergeschosse im rechten Winkel zur Marktfassade errichten zu sollen, um dann mit dem nördlichen Gebäudetheil wieder die Flucht der Friedrichstrasse zu berühren. Wieder eine andere Gruppe folgt zwar der Friedrichstrasse, gestaltet aber die Bautheile an den übrigen Strassen rechtwinklig zu einander. – Inbezug auf die innere Gruppirung der Bautheile ergaben sich sehr mannichfache Anordnungen. Das Programm fordert gute Lichtverhältnisse nach dem bezw. den Höfen. Manche schufen daher einen grossen Hof, andere zwei gleichwerthige kleinere bei Durchführung eines axialen Mittelbaues, dritte einen grösseren und einen kleineren Hof, wieder andere einen grossen Hof und zwei kleine, letztere in verschiedenen Lagen. Die meisten nahmen den Eingang vom Neumarkt, entweder in der Mitte des Bauwerks oder an der Ecke des Thurmes; vereinzelte Entwürfe schufen in wenig glücklicher Weise, jedoch bisweilen mit einem grossen Aufgebot von Geschicklichkeit, eine Gruppirung um eine Diagonalaxe Südost-Nordwest. – Den Aufbau beherrscht in den meisten Entwürfen der an die südöstliche Ecke gestellte Thurm; in nur wenigen Entwürfen hat er eine andere Lage erhalten, in nur vereinzelten fehlt er ganz. Die Stilfassung bewegt sich bei den meisten Entwürfen in den deutschen Stilarten vom Ausgang der Gothik bis zum Barock, bisweilen rein, bisweilen gemischt mit spanischen, französischen und anderen Elementen. Die spanische Formenwelt ist eine Welt, aus der, seit sie sich Wallot für eine Reihe der schönsten Bildungen des Reichshauses erschloss, mit zunehmender Vorliebe geschöpft wird. So viel im Allgemeinen.

Die für die Beurtheilungen des Preisgerichtes in erster Linie maassgebenden Gesichtspunkte springen sofort in die Augen; es sind, die strenge Einhaltung der Prograum-Forderungen vorausgesetzt, möglichst zweckmässiger, auf den kürzesten Wegen. zurückzulegender Verkehr der Beamten und des Publikums, unterstützt durch eine ausreichende Beleuchtung der Korridore und der zum Aufenthalt des Publikums vorgesehenen Wartezimmer und -Hallen, eine zweckmässige, möglichst leicht aufzufindende Lage der Räume, welche vermöge ihrer Bestimmung stark besucht sind, wie des Kassenraumes, des Gewerbe-Gerichtssaales, eine hervorragende, durch Zweckmässigkeit unterstützte Lage der Haupt-Sitzungssäle und ihre Verwendung zur künstlerischen Gestaltung des Aufbaues nach aussen, die Gewinnung möglichst vieler Räume für Verwaltungszwecke einerseits und möglichst vieler Läden andererseits, um die immerhin recht bedeutenden Unkosten für das neue Rathhaus in ein einigermaassen annehmbares Verhältniss zum Nutzwerthe, soweit derselbe nicht für die eigene Verwaltung beansprucht wird, zu bringen. Erst in zweiter Linie stehlt die Lage und Gruppirung der übrigen Verwaltungsräume, in dritter die der Raumgruppen von geringerer Bedeutung, wie des Rathskellers, der Wohnungsgelasse usw.

Bei der Gesammtbeurtheilung musste die Kostensumme naturgemäss mit in erster Linie inbetracht kommen. Als Mindestansatz galt der Betrag von 20 M. für die kubische Einheit des umbauten Raumes, ein für die Verhältnisse Elberfelds zutreffender Betrag. Je nach dem Reichthum der künstlerischen Ausgestaltung eines Entwurfes wurde diese Einheitssumme jedoch bis zu dem Betrage von 25 M. und darüber erhöht. – Bei der Beurtheilung der Raumgruppirung sind es zwei Gesichtspunkte, die in einem gewissen Gegensatze zu einander stehen: die bestmögliche Beleuchtung des Innern, am vortheilhaftesten erreicht durch einen grossen Hof, und die Forderung eines möglichst konzentrirten Verkehrs, der die Anlage eines Zwischenbaues von Süden nach Norden zur Nothwendigkeit macht und nicht ohne nachtheiligen Einfluss auf diese Beleuchtung bleibt. Jedenfalls erscheint, wenn man der Konzentration und Leichtigkeit des Verkehrs die ihnen zukommende Bedeutung giebt, die Nothwendigkeit der Anlage eines Mittelbaues schon durch den in die Gesammtgestaltung auch sonst so einschneidenden Umstand nachdrücklich betont, dass der nordwestliche Theil des neuen Rathhauses erst später ausgeführt werden soll. Der Entwurf des Hrn. Seeling erfüllt diese Forderung in der natürlichsten Weise; wie sich das Bild bei einer Reihe der ausgezeichneten Entwürfe gestaltet, welche einen grossen Mittelhof gewählt haben, ist eine Frage, die man wohl zum mindesten als eine offene betrachten darf. In den meisten Fällen liegen an diesen grossen Mittelhöfen, welche in ihren stattlichen Maassen die Abmessungen der das Gebäude umgebenden Strassen mit durchschnittlich 12 m Breite weitaus überschreiten, nur Korridore und ganz untergeordnete Nebenräume, während an den Strassen eine Reihe von Räumen von immerhin nicht nebensächlicher Bedeutung liegt. Der Luxus der inneren Beleuchtung auf Kosten des Verkehrs scheint uns daher nicht im richtigen Verhältniss zu stehen zu der nach aussen möglichen Beleuchtung. Nun wird man vielleicht einwenden können: ja, die das Rathhaus umgebenden Häuser sind vorwiegend niedrige, höchstens dreigeschossige Bauten, welche bei den jedenfalls grösseren Höhenverhältnissen der Geschosse des Rathhauses auch für die unteren derselben immerhin noch einen Lichteinfall von 60 bis 45° ergeben. Das trifft wohl für jetzt zu und vielleicht noch für die nächsten 5 Jahre. Jedoch bei der ausserordentlichen Entwicklung Elberfelds ist gewiss mit der grossen Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass nach Erbauung des neuen Rathhauses die ganze dortige Gegend eine wesentliche Verkehrssteigerung erfahren wird, welche das schnelle Verschwinden der alten Häuser und ihren Ersatz durch hochragende Neubauten imgefolge haben wird. Die heimischen Behörden haben selbst die Entwicklung dieser Verhältnisse in richtiger Weise vorgesehen, als sie im Programm an der Klotzbahn und an der Friedrichstr. die Anlage von Läden vorschrieben. Was aber auf der Seite des Rathhauses geschieht, geschieht auch auf der gegenüber liegenden Seite.

Erkennt man nun in der That alle diese Gründe an, so wird man für die Wahl eines grossen inneren Hofes noch die weitere Begründung in Bereitschaft haben, dass man sagt: ja, wenn die Verhältnisse der umliegenden Strassen für die an ihnen liegenden Räume schon eine Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse imgefolge haben werden, so wollen wir danach trachten, dass wir wenigstens von innen heraus eine gute Beleuchtung erzielen. Gut. Wir würden diesem Argument vollkommen beitreten, wenn an dem grossen Mittelhof ausser Korridoren, Treppenhäusern, Aborten, Gefangenenzellen, Garderoben und allenfalls noch Ladenlhinterräumen noch andere wichtigere Räume lägen. Es ist uns nicht entgangen, dass der Rossbach’sche Entwurf hier seine vorzüglich beleuchteten Kassenlokale liegen hat, dass Schmitz ein Kommissionszimmer nach hinten verlegt, dass Anger, Höhne und Polster Rechnungsbeläge und Plankammern, dass Schreiterer Registraturen usw. nach rückwärts verlegt haben, Aber abgesehen davon, dass die Lage nach rückwärts für einen Theil dieser Räume zu beanstanden wäre, erscheint uns der durch diese Lage für die übrigen Räume erzielte Gewinn nicht so bedeutend, dass er den grösseren Nachtheil des beeinträchtigten Verkehrs rechtfertigt. Welche Wichtigkeit das natürliche Empfinden diesem beilegt, beweist die in einzelnen Entwürfen getroffene Annahme eines reinen Verbindungsganges ohne Begleitung irgend welcher Räume, wie ihn z. B. auch Schreiterer vorsieht. Wenn wir auch mit dieser Erwähnung nicht die Art und Weise der Anlage, sondern nur ihren Gedanken billigen wollen, so meinen wir, um es nochmals kurz auszudrücken, dass, wie die Verhältnisse hier liegen, die Forderung des inneren Verkehrs der einer unnöthig reichlichen Beleuchtung von Nebenräumen hätte vorangestellt werden müssen.

Die Lage und Gestaltung der Räume für die Stadtkasse ist von den meisten der ausgezeichneten Entwürfe und auch von einer Reihe der übrigen als ein Punkt von besonderer Wichtigkeit erkannt und demgemäss zumtheil mit grossem Geschick behandelt worden. In dieser Beziehung ist auf die vortrefflichen Lösungen in den Entwürfen von Seeling, Rossbach, Schreiterer usw. hinzuweisen.

Ein Wort sei noch dem Sitzungssaal nebst Vorsaal gewidmet. Inbezug auf seine Lage stellt das Programm nur frei, beide Räume im I. oder II. Obergeschoss anzulegen, enthält jedoch keine Bemerkung darüber, ob der Sitzungssaal an der Strasse oder gegen das Innere des Gebäudes liegen solle. Wer, ohne die Oertlichkeit aus Naturanschauung zu kennen (nicht jeder Bewerber war in der Lage, die oft weite Reise nach Elberfeld zu unternehmen), die Verhältnisse nach dem Lageplan beurtheilte und selbst der, der ausser dem Lageplan noch den Stadtplan von Elberfeld zur Hand nahm, musste zu der Annahme kommen, dass das neue Rathhaus in einer Gegend mit starkem Verkehr errichtet werden soll. Mit Rücksicht auf diesen konnte immerhin die Erwägung aufkeimen, ob die durch den Verkehr nicht zu störenden Berathungen es nicht erforderten, den Sitzungssaal, wie es einige auch sonst sehr beachtenswerthe Entwürfe unternahmen, nach dem Innern, oder auch, wie es allerdings nur vereinzelte Entwürfe zeigen, nach der kleinen Klotzbahn zu verlegen. Wenn wir auch die letzte Annahme für einen Fehler halten, so wäre die erste immerhin eine solche gewesen, über die sich hätte reden lassen, Denn wenn auch der Verkehr, und namentlich der Wagenverkehr jetzt und selbst zu lebhaften Tageszeiten, z. B. Mittags 12 Uhr, noch nicht ein solcher ist, dass er störend auf die Berathungen einwirkt, so könnte hierin doch in absehbarer Zeit eine Aenderung eintreten.

Die Beurtheilung der Entwürfe ist an Anlagen ähnlicher Art mit solcher Beharrlichkeit vorbeigegangen, dass man annehmen muss, dass schwerer wiegende Gründe für die Bevorzugung anderer Lösungen maassgebend waren. Und das ist in der That der Fall. Den spürsinnigsten der Bewerber ist es mit Recht aufgefallen, dass ein mit einem solchen Aufwande errichtetes Rathhaus für eine reiche Stadt mit einer so steigenden Entwicklung wie Elberfeld, keine Repräsentations-Räume enthalten sollte. Aus dem Programm ergab sich das neue Rathhaus als ein reines Verwaltungs-Gebäude, was bei einer Reihe von vorzüglichen Entwürfen dadurch zum Ausdruck kam, dass die Haupttreppe die einfache zwei- oder auch dreiarmige Gestalt von nicht allzu reichlichen Abmessungen erhielt. So z. B. in den Entwürfen von Schreiterer und Reinhardt. In dieser Gestalt konnte sie wohl dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprechen und vielleicht auch bescheidenen Anforderungen an eine Festtreppe genügen; den Charakter einer repräsentativen Festtreppe aber besass sie nicht. Das entsprach aber offenbar nicht dem Wunsche der städtischen Behörden; denn in der Begutachtung des Rossbach’schen Entwurfes wird von der immerhin stattlichen dreiarmigen Haupttreppe gesagt, dass durch Verschiebung der Kassenräume gegen die Hinterfront eine „grossartigere Entwicklung“ dieser Treppe möglich sei. Hierin zeigt sich ein Bestreben nach Erreichung eines repräsentativen Charakters und es begreift sich, dass der im Programm noch latent liegende Sinn, im neuen Rathhause auch repräsentiren zu wollen, zum Durchschlag kam, als einige Entwürfe den glücklichen Gedanken zeigten, sämmtliche grossen Versammlungsräume mit ihren Nebenräumen in eine Flucht zusammenzulegen um sie, die ausserdem an der Fassade glänzende Architekturmotive abgaben, gegebenen Falles zu Festräumen zu benutzen. Der Sitzungssaal konnte hierzu um so eher verwendet werden, als er, entgegen der Annahme einer grossen Anzahl von Bewerbern, nicht amphitheatralische Form zu zeigen brauchte, da in den Rheinlanden vorgezogen wird, die Berathung am hufeisenförmigen Tisch zu pflegen. Es wäre vielleicht nicht überflüssig gewesen, auf diesen Umstand, der doch auch Bedeutung für die Gestalt des Saales hat, im Programm hinzuweisen. Diese Zusammenlegung der Räume und ihre Benützung als Fest- und Repräsentationssäle ist ein Motiv von so überzeugender und schwerwiegender praktischer und künstlerischer Bedeutung, dass es in das Programm hätte aufgenommen werden müssen. Diese Forderung erhält einen besonderen Nachdruck durch die in dieser Beziehung, wie schon erwähnt, ausschliessende Beurtheilung seitens des Preisgerichtes. Mit der Aufnahme dieser Bestimmung wäre eine grosse Menge nun verlorener Mühe und Arbeit erspart gewesen, was bei dem hohen Arbeitsaufwand überhaupt eine nicht geringe Erleichterung für die zahlreichen Theilnehmer dieses Wettbewerbes gewesen wäre. Ein solcher Punkt ist ein Kardinalpunkt eines Programmes, den man nicht mehr in das Belieben des einzelnen Konkurrenten stellen kann.

Die Besprechung der einzelnen preisgekrönten Entwürfe kann sich angesichts der ergänzenden Abbildungen und der Veröffentlichung des Protokolles in seinem vollen Wortlaute kurz fassen. Den Anfang mache, wie recht und billig, der Entwurf mit dem Kennzeichen der Jahreszahl „1894“ des Hrn. Heinrich Seeling in Berlin (s. die Beilage und die Abbild.); er ist in der That der künstlerisch werthvollste der ganzen Konkurrenz. Seine Beurtheilung ist ebenso kurz, wie zutreffend. Die Klarheit und Natürlichkeit der Grundriss-Entwicklung, wie die bei aller vornehmen Schlichtheit wirkungsvolle künstlerische Behandlung machen ihn zu einem architektonischen Kabinetstück ersten Ranges. Dabei ist neben der Gesammtanlage der Rathhaus-Charakter durch die Wahl der Kunstformen und des schmückenden Beiwerkes auf das glücklichste getroffen. Die schicksalsreiche Geschichte des Sitzes Elverfeld, der Grafschaft Berg, des späteren Herzog- und Grossherzogthums hat dem Verfasser werthvolle Schmuckmotive für das Aeussere gegeben. Die farbig behandelten Wappen des zunächst ansässigen Edelgeschlechtes, der Grafen und schliesslich der verschiedenen Landesherren in Verbindung mit denen der zur Grafschaft ehemals und jetzt gehörigen Städte schmücken die Fassade nach dem Markt. An der Längswand des Sitzungssaales an der Klotzbahn ist der Stammbaum der Edlen von Elverfeld und von Sobbe als Schmuckmotiv gedacht. So beabsichtigt der Verfasser, in den Wappen die Geschichte der Stadt und ihrer Herren in monumentaler Weise festzulegen. Der Entwurf umbaut 76 644 cbm, was auf die kubische Einheit einen Betrag von 18,25 M. ergeben würde, eine Summe, die mit dem Mindestbetrage von 20 M. im Widerspruche stehen würde. Trotz der Ausführung der architektonischen Gliederungen in französischem Kalkstein und der Herstellung der Flächen in rheinischem Tuffstein glaubt jedoch der Verfasser bei einer Verringerung der Höhenabmessungen, die ohne Beeinträchtigung des künstlerischen Gedankens und Eindrucks unternommen werden kann, wie auch das Protokoll zugiebt, und unter Vornahme einiger Vereinfachungen an den Nebenfassaden den Bau innerhalb der gegebenen Grenzen ausführen zu können. Die Stadt Elberfeld würde es sicher nicht zu bereuen haben, wenn es dazu käme und wenn ein starker Wille etwaige Unterströmungen zugunsten dieser hervorragenden Leistung zu beseitigen vermöchte.

Entwurf von Gabriel Seidl
Entwurf von G. Seidl

Der im motiviten Gutachten des Preisgerichtes an erster Stelle beurtheilte Entwurf ist der mit einem der 3 zweiten Preise bedachte mit dem Kennwort „Belfrid“, eine gemeinsame Arbeit der Hrn. Brth. Arch. Rossbach und Arch. Theod. Kösser in Leipzig. „Wie in alter Zeit von der Höhe des „Belfrid“ ernster Glockenton den Stundenlauf verkündete, die Bürger zur Berathung, zur Vertheidigung ihrer Güter – zu Kampf und Frieden rief – so beabsichtigt vorstehendes Projekt durch den „Belfrid“ die Stelle weithin anzuzeigen, an der die Bürgerschaft der guten Stadt Elberfeld einen neuen Mittelpunkt aller kommunaler Angelegenheiten errichtet hat.“ (Erl. Ber. S.1.) Der Entwurf folgt genau den Umrisslinien des Bauplatzes und erstreckt die im Programm geforderten Läden sowohl auf die Fronten an der Friedrichstrasse und an der Klotzbahn wie auch auf die Seite der kleinen Klotzbahn. Die Anlage von Läden an letzter Strasse steht jedoch den Forderungen des Programmes entgegen; dasselbe beschränkt die Läden auf die beiden erstgenannten Strassen und stellt im übrigen ausdrücklich fest, dass die beim Ausbau des ganzen Rathhauses sich ergebenden Reserveräume als Bureauräume verwendet werden sollen. „Bei dem Entwurfe ist darauf Bedacht zu nehmen, dass in dem Viertel zwischen den bezeichneten 4 Strassen eine möglichst vortheilhafte Ausnutzung des Bauplatzes erfolgt, d. h. dass möglichst viele Räume für die Verwaltung gewonnen werden.“ (S. 3). Also keine Läden. Dieselben waren den Verfassern indessen willkommen, um eine 3%ige Verzinsung des Baukapitals herauszurechnen. Aus 1054 qm zu je 30 M. vermiethbarer Ladenbodenfläche berechnen dieselben 31 620 M. Miethe, als Erträgniss des Rathskellers mit Wohnung des Wirthes 10 000 M., zus. rd. 42 000 M. Diese Summe bildet die 3% Zinsen von 1 400 000 M. Baukapital. Soweit stimmt die Rechnung. Nun betrachte man aber die Strassen, an welchen die Läden liegen sollen. 30 M. für 1 qm bezahlt man in Millionenstädten in recht frequenten Lagen. Dieser Preis dürfte selbst in dem schnell sich entwickelnden Elberfeld an der Klotzbahn vielleicht erst in 20. Jahren, an der Friedrichstrasse vielleicht in 50 Jahren, an der kleinen Klotzbahn jedoch nie bezahlt werden. – Bei der vollen Ausnutzung des Erdgeschosses an den 3 Seitenstrassen zu Läden muss es, namentlich da das Gutachten feststellt, dass „das Raumbedürfniss gewissenhaft erfüllt ist“, überraschen, wie die geforderten Räume in den bezeichneten Geschossen untergebracht sind. Aus dem geräumigen Vestibül gelangt man in eine stattliche zweischiffige Halle, die sich, wie das Gutachten mit Recht ausführt, zu einem wünschenswerthen, angenehmen Aufenthaltsraume für das Publikum eignet. Zur Rechten liegen, nicht besonders glücklich in der Theilung, Redaktion und Expedition des täglichen Anzeigers, zur Linken die der Polizeiverwaltung vorbehaltene stattliche Raumgruppe. Hier wird jedoch das Polizei-Wachtlokal mit Gefangenenzelle vermisst. Diese Räume liegen im Geschoss darunter, in gleicher Höhe mit der Klotzbaln und sind durch eine Nebentreppe mit der darüber liegenden Raumgruppe geschickt verbunden. Vom praktischen Standpunkte lässt sich gegen diese Anordnung um so weniger etwas sagen, als sie zugleich den bisher in Elberfeld geübten Gepflogenheiten entspricht. Aber sie widerspricht wiederum dem Programm, welches die Räume der Polizeiverwaltung in ihrem vollen Umfange zu den Räumen zählt, von welchen gesagt ist, sie „müssen im Erdgeschoss untergebracht werden“ (S. 6). Eine günstige Lage auf Kosten der Haupttreppe haben die Räume für die Stadtkasse in einem von dem Treppenpodest zugängigen eingeschossigen, den Hof theilenden Mittelbau erhalten. Im II. Obergeschoss haben die grossen Berathungssäle ebenfalls eine gute Lage erhalten; jedoch dürfte bei etwaigen Festlichkeiten die Lage und Gestalt der Garderobe und die Enge des Raumes zwischen Hauptsaal und Treppe störend empfunden werden.

Entwurf von L. Romeis
Entwurf von L. Romeis

Der Aufbau des Aeussern zeigt ansprechende Formen und gut abgewogene Verhältnisse, ohne sich indessen zu höherem künstlerischem Schwunge zu erheben. Der Entwurf umbaut, imganzen ausgeführt, 59 878 cbm und dürfte bei dem hier zulässigen Einheitssatze von 20 M. innerhalb der gegebenen Bausumme ausgeführt werden können.

Als eine virtuose Leistung von blendender Vortragsweise stellt sich der zweite der mit einem zweiten Preise ausgezeichneten Entwürfe mit dem Kennwort „Festgemauert“ des Hrn. Heinrich Reinhardt in Berlin dar. Wir sagen blendende Vortragsweise; denn in der That leitet dieselbe bei flüchtigem Betrachten des Entwurfs von manchem ab, was bei näherem Studium nicht Stand zu halten vermag. So dürften, wenn eine Ausführung infrage käme, der Haupteingang wie auch der linke hohe Giebel nicht ohne wesentliche Umgestaltung bleiben. Das verringert jedoch nicht den allgemeinen Werth der interessanten Arbeit. – Der Grundriss (S. 125) gehört zu den Typen mit einem Mittelbau, welcher den verbleibenden Hofraum in zwei annähernd gleiche Theile zerlegt. Der Eingang erfolgt durch den Thurm und führt unmittelbar auf die dreiarmige Haupttreppe. Die grossen Säle haben ihre Lage im II. Obergeschoss erhalten und sind, entgegen einer Reihe anderer Entwürfe, so gruppirt, wie es die zeitliche Reihenfolge ihres Betretens erfordert, also Vorsaal mit Garderobe unmittelbar vor der Treppe. Die durchweg günstig beleuchteten Gänge haben vielleicht etwas zu geringe Abmessungen; bei der geschickten Zusammenlegung der grossen Säle dürfte der vor ihnen gelegene, etwas zu spärlich bemessene Raum in seiner Enge bei Festlichkeiten nicht allzusehr empfunden werden. Im übrigen ist auch die Raumgliederung dieses Entwurfes durch Natürlichkeit und Schlichtheit ausgezeichnet. Bei den sonst nach Lage und Zahl genügend bemessenen Nebentreppen hätte die im nördlichen Flügel, obwohl sie die leichte Verbindung unterstützt, gespart werden können, umsomehr, als dadurch die Zahl der zu überwachenden Eingänge verringert wird.

Entwurf von Arch. H. Seeling (angekauft)
Entwurf von Arch. H. Seeling (angekauft)

Das Aeussere des Reinhardt’schen Entwurfes ist Seite 125 dargestellt. Die hier zutage tretende archaisirende historische Richtung findet sich in einigen Entwürfen dieses Wettbewerbes wieder und lässt sich beim Rathhaus, das eine so ruhmvolle Vergangenheit besitzt, mit Glück zur Wirkung bringen. Dem stattlichen, reichgekrönten Thurm tritt als Gegenwirkung der schon erwähnte hohe Giebelaufbau mit Dachreiter zurseite. Die verwendeten Architekturmotive sind monumental und eigenartig; freilich muss die frische und kecke Mache, wie gesagt, über manches hinwegtäuschen.

Von geschlossener, ruhiger Wirkung sind die Nebenfassaden. Bei der Bescheidung auf nur wenige und maassvoll auftretende Architekturmotive vermeiden sie geschickt die gefahrvolle Klippe der Trivialität. Das Gebäude enthält rd. 70 000 cbm umbauten Raumes und lässt die Berechnung des Einheitssatzes von 20 M. zu, erscheint somit um die Summe von 1400 000 M. ausführbar.

Entwurf von Arch. Seeling, Berlin

Der dritte der mit einem zweiten Preise ausgezeichneten Entwürfe ist der mit dem Kennwort „Prosit Neujahr“, der die Leipziger Architekten Polster, Höhne & Anger zu Verfassern hat (S. 124). Er steht künstlerisch etwa auf gleicher Stufe mit dem Entwurf „Belfrid“. Im Grundriss zeigt er den Typus der um einen grossen inneren Hof gruppirten Korridore, Aborte und Treppenhäuser, weicht jedoch insofern von den besprochenen Entwürfen ab, als er an der Friedrichstrasse nur mit dem Ladengeschoss der Strassenflucht folgt, die oberen Geschosse dagegen im rechten Winkel zur Neumarkt-Fassade sich entwickeln lässt, wodurch die nördlichen Läden eine für ihre Beleuchtung nicht erwünschte Tiefe erhalten; auch ist ferner die Raumfolge an der kleinen Klotzbahn rechtwinklig zu den anschliessenden Flügeln angeordnet und der entstehende Raum zwischen der rechtwinkligen und der durch die Baustelle gegebenen Flucht durch vorgeschobene Risalite nicht besonders schön ausgefüllt. Im übrigen eröffnet die an der Friedrichstrasse gewählte Anordnung bei geschickter künstlerischer Behandlung die Möglichkeit einer reizvollen perspektivischen Wirkung. Was im Grundriss dieses Entwurfs auffällt, ist ein gewisser Mangel an künstlerischer Raumgliederung. Das Verhältniss der Räume, die Art ihrer Aneinanderreihung kann, da hier ein bewusstes Bestreben in die Erscheinung tritt, nicht mehr naiv genannt werden; hier macht sich eine gewisse Unbeholfenheit in der sonst sehr fleissigen Arbeit bemerkbar. Die Lage der einzelnen Raumgruppen ist die, man darf jetzt schon sagen, „übliche“. Die völlige Oeffnung des Thurmes im II. Obergeschoss und seine Zusammenziehung mit einem Nebenraum zu einem Kommissionszimmer erscheint bedenklich. Die Darstellung des Aufbaues zeigt, dass der infrage kommende Verfasser über eine grosse Gewandtheit in der Darstellung verfügt, indessen dürfte die Wahl der Architekturmotive und die Einzelbildung manchem berechtigten Einwand begegnen.

Entwürfe des Wettbewerbs um das Elberfelder Rathhaus

Ein weiter Abstand ist von den Entwürfen „Belfrid“ und „Prosit Neujahr“ zu dem Entwurf mit dem Kennwort „Wahrheit“ des Hrn. Arch. E. Schreiterer in Köln (S.121). Dem mühevollen, durch künstlerisches Vermögen in beschränktem Maasse unterstützten Ringen der ersteren steht hier die freie, zwanglos schaffende, die künstlerischen Mittel souverän beherrschende Gestaltungskraft gegenüber. Der Entwurf ist neben dem Seeling’schen der künstlerisch bedeutendste des ganzen Wettbewerbes. Freilich zeigt er im Grundriss einige Schwächen, die es verhindert haben, ihm die höhere Stelle in der Rangfolge der mit Auszeichnungen bedachten Entwürfe anzuweisen, die seine künstlerische Behandlung verdient hätte. Die Grundriss-Anlage bezeichnet eine Art Uebergang von der Anlage mit einem grossen inneren Hofe zu der Anlage der durch einen axialen Mittelbau getheilten Höfe. Im Erdgeschoss ist ein Verbindungsgang vom Treppenhaus zu einem Hofeinbau angedeutet, Der Haupteingang befindet sich unter dem Thurm und führt geradeaus über einen geräumigen Vorplatz zu der zweiarmigen bescheidenen Treppe. Eine vorzügliche Entwicklung hat die langgestreckt an der Vorderfassade liegende Kasse mit der ihr zugetheilten Raumgruppe erhalten. Die Polizeiverwaltung ist nach der kleinen Klotzbahn verlegt und sondert einen Theil ihrer Räume in einen etwas unorganisch verbundenen Einbau ab, bezüglich dessen aber die Ansicht des Gutachtens getheilt werden darf, dass dies bei geschickter malerischer Behandlung als ein Fehler nicht angesehen werden kann. Die Saalfolge ist in das II. Obergeschoss verlegt und ist in hervorragend geschickter Weise zur Fassadenbildlung verwendet worden. Bedenken erregt auch hier die Oeffnung des Thurmes und seine Erweiterung zu einem Kommissionszimmer, wie der um die Ecke des grossen Sitzungssaales gebrochene, der Uebersicht entbehrende, vielfach durch Einbauten unterbrochene Korridor. In der Raumabmessung nach der Tiefe ist der guten Beleuchtung allenthalben Rechnung getragen.

Entwurf von E. Schreiterer in Köln (Ein dritter Preis)
Entwurf von E. Schreiterer in Köln (Ein dritter Preis)

Die Fassade ist ein feingestimmtes, reichgestaltetes Bild im Stile einer edlen, gewählten deutschen Renaissance. Das Portal des Haupteingangs, die Umrahmung des Rathskeller-Eingangs, der bescheidene, aber doch plastisch gegliederte Thurm, die in der Wahl der Motive nach der Höhe gesteigerte Durchbildung der einzelnen Geschosse, die in die reich gegliederten Giebelaufbauten ausklingen, deren Reichthum wir im Gegensatz zum Gutachten nicht herabgemindert sehen möchten: alles das vereinigt sich in geschlossener Weise zu einem anziehenden Architekturbilde.

Entwurf von Polster, Höhne & Anger in Leipzig. (Ein zweiter Preis)
Entwurf von Polster, Höhne & Anger in Leipzig. (Ein zweiter Preis)

Das Hervorstechende des mit dem zweiten dritten Preise gekrönten Entwurfes mit dem Kennwort „Wupperthal“ des Hrn. Bruno Schmitz in Berlin (S. 125) ist die Anlage eines Mittel-Korridors in dem gegen den Neumarkt gelegenen Gebäudetheil der Gesammtanlage, die im übrigen den Grenzen des Bauplatzes folgt und in der Mitte einen grossen Hof freihält. Es ist nicht zu leugnen, dass die Wahl eines Mittel-Korridors hier zu Gruppirungen und Bildungen Anlass gegeben hat, die nicht den strengen Schönheits-Forderungen entsprechen, die man berechtigt ist, sonst an die Arbeiten dieses produktiven Künstlers zu stellen. Im übrigen gliedert sich die Raumfolge schlicht und ungesucht und giebt dem Ganzen dadurch eine freilich fast an Nüchternheit grenzende Klarheit. Abgesehen von der Stadtkasse ist auch in diesem Entwurf die Lage der Hauptsäle und ihre Gruppirung zu Festsälen, für welchen Zweck die Garderobe nicht ungünstig liegt, die übliche. Der Aufbau zeigt bei maassvoller Verwendung architektonischer Schmuckmotive eine wirkungsvolle Geschlossenheit, die nur in dem Verhältniss des Thurmes zu der Dachzerfallung beeinträchtigt erscheint. Im übrigen wird man dem Gutachten der Preisrichter in seiner Bemerkung über die Ausbildung des Thurmhelmes beistimmen müssen. Die maassvolle Durchbildung des Entwurfes lässt denselben als innerhalb der gegebenen Kostensumme ausführbar erscheinen.

Entwürfe des Wettbewerbs um das Elberfelder Rathhaus

Die beiden vierten Preise fielen an die Entwürfe mit den Kennworten „Schluss 93“ des Hrn. Emil Hagberg und „Rheinland“ der Hrn. Erdmann & Spindler, sämmtlich in Berlin, zwei Entwürfe, von welchen der letzte in der Anlage eine grosse Aehnlichkeit mit dem des Hın. Reinhardt besitzt, während erster der Form der Baustelle nur soweit Rechnung trägt, als er den nördlichen Flügel so weit über den östlichen verlängert, als die Lage gestattet, im übrigen aber die Begrenzungslinien des Bauplatzes zugunsten einer rechtwinkligen Lage der einzelnen Gebäudetheile zu einander nur im Erdgeschoss verfolgt, in den oberen Geschossen dagegen verlässt. Die Lage der einzelnen Räume entspricht in diesem Entwurf ihrer Bedeutung und ist in geschickter Weise zur Bildung der Architekturmotive verwendet. Die stattliche drei-, man könnte fast sagen fünfarmige Haupttreppe führt zu den im zweiten Geschosse gelegenen grossen Sälen, von welchen der Sitzungssaal – abweichend von allen anderen, mit Preisen ausgezeichneten Entwürfen – an die südöstliche Ecke der Baugruppe verlegt ist, und zwar mit seiner Breiten-Entwicklung gegen den Neumarkt. Hinter ihm liegt der Thurm, Bei den Sälen wird die Garderobe vermisst. Die Lage der Stadtkasse im Erdgeschoss hat die Zustimmung des Preisgerichtes gefunden. Der umbaute innere Hof von fast quadratischer Gestalt, deren Regelmässigkeit indessen durch Einbauten unterbrochen wird, ist ausreichend, um die an ihm liegenden Gänge und Treppen zu erleuchten. Bei aller Natürlichkeit der Anlage lässt der Grundriss etwas von der künstlerischen Freiheit vermissen.

Im Aufbau zeigt der Hagberg’sche Entwurf eine Reihe glücklicher Momente; besonders die Führung des Gebäudeflügels an der Friedrichstrasse im Ladengeschoss der Strasse folgend und in den oberen Geschossen im rechten Winkel gewährt eine malerische Entfaltung. Wenn auch in der Giebelbehandlung einige verbrauchte Formen mit unterlaufen, so zeigt doch die Behandlung der Fenster des Sitzungssaales, die Ausbildung des oberen Geschosses, die Art und Weise, wie die dreitheiligen Fenster in der Fläche sitzen und namentlich die Anlage des 3theiligen Eingangsportals mit doppelter Freitreppe und seine architektonische Ausbildung, ein nicht gewöhnliches Feinempfinden. In wohlthuender Ruhe steht neben der architektonischen Bildung die glatte Fläche.

Entwürfe des Wettbewerbs um das Elberfelder Rathhaus

Auch der Grundriss der Hrn. Erdmann & Spindler folgt in der Bebauung der Begrenzungslinie der Baustelle und schafft in einer dem praktischen Bedürfnisse entsprechenden Weise einen den Nord- mit dem Südflügel verbindenden Mittelbau, in welchem im Erdgeschoss die Räume für die Polizeiverwaltung mit der genügenden Lichtquelle eines rd. 14 m breiten Hofes angeordnet sind. Der durch den in der südöstlichen Ecke gelegenen Thurm genommene und dann im rechten Winkel geführte Zutritt führt zu der stattlichen Haupttreppe, welche zu den im II. Obergeschoss gelegenen Sälen hinaufleitet. Die Kasse mit ihren Nebenräumen hat eine gute Lage am breiten Korridore erhalten; die Gruppe der Sitzungssäle ist auch in diesem Entwurf mit Geschick zu einer stattlichen Flucht von Festsälen zusammengefasst. Die Entwicklung des Grundrisses ist zwanglos, natürlich und ausserordentlich klar, die Beleuchtung der Räume durchgehends eine ausreichende und überall den natürlichen Verhältnissen Rechnung tragende. – Die Künstler nehmen aus dem Umstande, dass das Gutachten des Preisgerichtes ausführt, der Haupteingang, welcher an der südöstlichen Ecke angeordnet ist, trage den Verhältnissen in Elberfeld nicht genügend Rechnung, eine Verlegung in den als Halle hezeichneten Raum wäre zweckmässiger, Veranlassung zu einer Zuschrift an uns, in welcher der Wunsch ausgesprochen wird, es möge bei Öffentlichen Wettbewerben dem Lageplan auch der Stadtplan beigegeben werden, um aus diesem die Verkehrsverhältnisse entnehmen und damit die entsprechenden Anordnungen im Entwurf verbinden zu können. Wir selbst haben bereits angedeutet, dass eine in diesem Sinne gedachte Ergänzung des Lageplanes erwünscht gewesen wäre, und haben dieselbe auch für unsere Berichterstattung unternommen. Eine solche Ergänzung mit Kennzeichnung des den grossen Verkehr leitenden Hauptstrassenzuges wäre allen den Theilnehmern eines Wettbewerbes in der That eine nicht zu unterschätzende Erleichterung, welche durch grosse Entfernung oder infolge anderer Umstände nicht in der Lage sind, eine Besichtigung der Baustelle selbst vorzunehmen. In der jüngst für Karlsruhe ausgeschriebenen Kirchenkonkurrenz hat eine solche Ergänzung des Lageplanes in dankenswerther Weise stattgefunden. In vielen Fällen werden ja auch die Pläne der leicht zu beschaffenden Reisehandbücher bei grösseren Städten den erwünschten Aufschluss geben können.

Entwürfe des Wettbewerbs um das Elberfelder Rathhaus

Der Aufbau des Entwurfes zeigt die Formen einer feinen deutschen Renaissance, die, wie sich das Gutachten treffend ausdrückt, durch ihre Einfachheit und Schlichtheit ansprechen. Vielleicht hätte der Thurm nicht zum Schaden des Ganzen eine reichere Gestaltung seines oberen Theiles erhalten können. Jedenfalls erscheint der Entwurf, der einen Raum von rd. 65 000 cbm umbaut, für die gegebene Bausumme ausführbar.

In der Beurtheilung des zum Ankauf empfohlenen Entwurfes mit dem Kennzeichen des Reichsadlers im rothen Felde, als dessen Verfasser sich die Hrn. Dieckmann & Welz in Charlottenburg ergaben, kann dem Gutachten des Preisgerichtes vollkommen beigepflichtet werden. Der Grundriss, nicht frei von zumtheil recht einschneidenden Mängeln, zeigt nichtsdestoweniger eine Reihe sehr beachtenswerther Momente. Der reichgestaltete Aufbau bietet eine glückliche Vereinigung malerischer Anordnungen, wenn auch das Ganze des Eindruckes des „Komponirten“ nicht zu entkleiden ist. Eine weniger ängstliche Darstellungsweise würde eine einheitliche Erscheinung nicht unwesentlich unterstützt haben. Der Entwurf ist indessen eine fleissige, durch bemerkenswerthe Einzelheiten ausgezeichnete Arbeit.

War die Preiszuerkennung an die in den vorangegangenen Aufsätzen besprochenen Entwürfe dieses Wettbewerbes nicht über jeden Einwand erhaben, wenn man auch, nachdem man sich einmal mit den von uns eingehend beleuchteten Haupt-Entscheidungs-Grundsätzen, die freilich zum grössten Theil auf Rechnung des Programms kommen, allmählich abgefunden hatte, im grossen und ganzen zustimmen konnte, so ist dagegen die lange Reihe der durch eine lobende Anerkennung ausgezeichneten Entwürfe nicht ohne vielseitigen Widerspruch geblieben. In dieselbe ist eine Anzahl von Entwürfen aufgenommen, von denen es schlechterdings unverständlich ist, wie sie zu dieser Auszeichnung kommen. Ebenso unverständlich ist es anderseits bei einer Anzahl unberücksichtigter, jedoch künstlerisch tüchtiger Leistungen, dass sie so vollständig übersehen werden konnten, dass sie nicht einmal in die Reihe der lobend anerkannten Arbeiten aufgenommen wurden. Hat hier der blinde Zufall seine Hand in unerwünschter Weise im Spiel gehabt, oder ist die Beurtheilung eine zu milde gewesen? – Man hat alles, was in die engere Wahl einbezogen war und nicht durch Preise oder Ankauf auszuzeichnen für würdig befunden wurde, mit einer lobenden Anerkennung bedacht. Das ist sehr schön und sehr human und man hat mit einer lobenden Auszeichnung in diesem Umfange der gewaltigen Arbeitsmasse, welche in diesem Wettbewerbe wieder geleistet wurde, eine berechtigte Anerkennung geben wollen. Wenn nur die engere Wahl mehr die Zustimmung aller an dem Wettbewerbe Betheiligten gefunden hätte. Man ist in der That berechtigt, hier an das Wort zu denken, das uns dieser Tage ein Fachgenosse nach dem Besuch der Ausstellung schrieb, an das Wort Heine’s:

„Glücklich der Mann, der den Hafen erreicht hat, Und lässt hinter sich das Meer und die Stürme.“

Der durch eine lobende Anerkennung ausgezeichnete Entwurf mit dem Kennwort „Prosit Neujahr“ des Hrn. Reg. Bmstr. M. Schilling in Berlin enthält in Grund- und Aufriss eine Reihe schöner und tüchtiger Einzelheiten; der Sitzungssaal mit Vorsaal reicht durch zwei Geschosse und liegt in zweckmässiger Weise an der Vorderfassade. – Ein feingestimmtes Architekturbild, das die Verwendung grosser Architekturmotiye verschmäht und den Aufbau in einer Renaissance giebt, welche vielfach Leipziger Einflüsse zeigt, ist der Entwurf mit dem Kennzeichen des rothen Löwen des Hrn. Reg.-Bmstr. Boethke in Leipzig. Der obere Theil des an die südwestliche Ecke verlegten und von der zunächst erfolgenden Bebauung ausgeschlossenen Thurmes erinnert an den Thurm der Nikolaikirche in Leipzig, einzelne Erkerbildungen an das Fürstenhaus. Der Sitzungssaal liegt im Innern der Baugruppe; die Höfe erscheinen mit etwa 10 m Breite zu schmal. – Künstlerisch noch bedeutender als dieser Entwurf, zugleich mit grossem Feingefühl vorgetragen ist der mit dem Kennwort „Studir’ die Alten — Schaffe neu“ der Hrn. Zaar & Vahl in Berlin. Der Entwurf entwickelt im Erdgeschoss eine schöne, geräumige, durch zwei Geschosse gehende Halle, über welcher der gleichfalls durch zwei Geschosse reichende Sitzungssaal mit Nebenräumen liegt. Die grossen Säle sind an die Vorderfassade gelegt und in hervorragender Weise für den Aufbau der Fassade verwendet. Diese ist in gothisirenden Formen gehalten, nach oben mit einem Treppengiebel abgeschlossen und am Mittelbau durch zwei thurmartige Ausbauten flankirt. Der Thurm liegt in der Mitte der Hauptfront hinter dem Sitzungssaal. Die im Aeusseren und im Schnitt als eine künstlerische Leistung ersten Ranges sich darstellende Arbeit ist leider im Grundriss anfechtbar; für die Beleuchtung des Innern sind nur zwei schmale Höfe erübrigt und die Anlage eines beiderseitig mit Räumen besetzten Mittelkorridores ist unter den gegebenen Verhältnissen eine nicht zu billigende Anordnung. Der Entwurf „anno 1893“ des Hrn. Rob. Lippold in Dresden zeigt im Grundriss neben einem grossen Hofe zwei kleinere Lichthöfe, welche Nebenräume der östlichen Baugruppe beleuchten. Der Thurm schliesst sich rechts an den in der Mitte der Hauptfassade liegenden Sitzungssaal. Einigen Unmöglichkeiten im Grundriss stehen bemerkenswerthe Einzelheiten im Aufbau gegenüber. – In dem Entwurf „Der bergischen Hauptstadt“ der Hrn. Paeffgen & Ross in Köln können im Schnitt einige Einzelheiten anerkennend bemerkt werden. – Dem Entwurf „Richtung“ wurde eine lobende Anerkennung zutheil, weil er sich mit Geschick und Geist dem für diese Lage unmöglichen Versuche hingiebt, die ganze Grundriss-Entwicklung über eine Diagonale Südost-Nordwest mit dem Haupteingang an der südöstlichen Ecke zu ermöglichen. – Die gleichen Bestrebungen finden sich in dem ebenfalls durch eine lobende Anerkennung ausgezeichneten Entwurfe mit dem Kennzeichen eines gothischen Laubes. – Glücklicher in der Anlage ist die mit dem Kennwort „Bürgersinn“ versehene Arbeit der Hrn. Carl Siecke und E. v. Rechenberg in Berlin, in welcher der Sitzungssaal an der südwestlichen, der Thurm an der südöstlichen Ecke liegt, und in welcher die innere Beleuchtung von einem grösseren Hof, dessen regelmässige Form durch Einbauten unterbrochen wird, sowie durch einen kleineren Hof im nordöstlichen Theil des Gebäudes, um den sich im Bogen Nebenräume gruppiren, erfolgt.

Der Entwurf „Schluss 93“ des Hrn. W. Moessinger in Frankfurt a. M. reiht sich den wenigen Entwürfen an, welche glaubten, ohne Thurm auskommen zu können; der Grundriss gehört zu dem, wie das Gutachten von einem anderen Entwurfe sagte „praktischen Typus“ mit 2 Höfen und einem Mittelflügel, an welchem Verwaltungsräume liegen. Die Architektur des Aufbaues ist von einer feinen Empfindung durchzogen; Anklänge an bekannte Bildungen sind mit Geschick und selbständig verarbeitet. – Dasselbe lässt sich von dem Entwurf „Sursum“ des Hrn. Reg.-Bmstr. Carl Moritz in Berlin, auf dessen Aufbau die Entwürfe zum Ausbau des Römers in Frankfurt a. M. nicht ohne Einfluss geblieben sind, berichten. Der Werth der sonst fleissigen Arbeit wird durch die Anlage von Mittelgängen in dem westlichen und östlichen Flügel des um einen grossen Mittelhot gruppirten Grundrisses wesentlich beeinträchtigt. – Die Gruppirung um einen regelmässigen grossen Mittelhof, dem für die östliche Baugruppe noch ein kleiner Lichthof beigegeben ist, wählt auch der Plan mit dem Kennwort „Nur Umriss“ des Hrn. Prof. Hubert Stier in Hannover. Der Grundriss folgt der Begrenzung des Bauplatzes, der Thurm liegt an der südöstlichen Ecke. Eine stattliche fünfarmige Treppe führt zu den im I. Obergeschoss zu einer schönen Baugruppe vereinigten Sälen. Auch in den übrigen Theilen zeigt der Grundriss schöne Einzelheiten. – Aehnliche Vorzüge weist auch der Entwurf mit dem Kennzeichen des Reichsadlers im schwarzen Feld des Hrn. W. Manchot in Mannheim auf. Auch hier sind die im Programm geforderten Räume um einen grossen Mittelhof gelagert, der gegen Osten segmentförmig abgerundet ist und an der nordöstlichen Ecke noch von einem kleinen Lichthof begleitet ist. Die Flucht der Säle liegt an hervorragender Stelle im II. Obergeschoss. Auch in diesem Entwurf ist von der Anlage eines Thurmes abgesehen worden.

Neben diesen durch eine lobende Anerkennung ausgezeichneten Entwürfen fallen unter der grossen Zahl der übrigen Arbeiten, welche sich nicht zu irgend einer Anerkennung durchringen konnten, eine Anzahl Arbeiten auf, die es verdienen, besonders erwähnt zu werden, und von denen einige den lobend anerkannten Entwürfen an künstlerischem und praktischem Werthe nicht nachstehen. So vor allem der Entwurf mit dem Kennwort „Eckthurm“ der Hrn. Solf & Wichards in Berlin, von welchem wir die Hauptansicht wiedergeben. Die Verfasser gruppiren die geforderten Räume um zwei verschieden grosse Höfe und verlegen den Sitzungssaal und Vorsaal in das Innere der Baugruppe. Anerkennung verdient die reizvolle Gruppirung des Haupt-Treppenhauses. Der Aufbau zeigt bei bescheidenem Maasshalten das feine künstlerische Empfinden, das alle Arbeiten der Verfasser so vortheilhaft auszeichnet. Warum hat man dieser Arbeit die Anerkennung versagt?

Verhältnissmässig wenige Theilnehmer an diesem Wettbewerb haben, vielleicht durch die Bausumme davon abgehalten, auf eine künstlerische Durchbildung des Hofes Bedacht genommen. Zwei Entwürfe verdienen in dieser Beziehung genannt zu werden: der Entwurf mit dem Kennwort „Gut Deutsch allewege“, welcher den Hof der Dresdener Residenz zum Vorbild nimmt und das Motiv der dortigen Treppenthürme in beachtenswerther Weise verwendet. Auch sonst zeigt der Entwurf schöne Einzelheiten. Den Versuch einer malerischen Gruppirung des Hofes unter Zuhilfenahme von Anpflanzungen und gleichzeitiger Oeffnung des Hofes gegen die kleine Klotzbahn unternimmt dann der Entwurf mit dem Kennwort „Bürgerstolz“, dem indessen wegen der sonstigen nicht einwandfreien Ausbildung eine Anerkennung nicht verliehen werden konnte.

Aus der Neckelmann’schen Schule hervorgegangen ist der Entwurf „Firenze“, der seinem Kennwort entsprechend an die florentinischen Formen der italienischen Frührenaissance anknüpft und mit denselben zu bisweilen gelungenen, bisweilen recht sonderlichen Ergebnissen gelangt. Ein feinempfundener, schlicht und anspruchslos auttretender Entwurf ist der mit den Kennzahlen „1-38“ der Arch. Neumeister & Häberle in Karlsruhe, dessen Reiz nicht zum geringsten Theile in der bescheidenen Zurückhaltung liegt, mit welcher er auftritt. Die Haupträume sind in zweckentsprechender Weise im I. Obergeschoss nach vorn zusammengelegt und zwar so, dass Sitzungssaal und Thurm an die südöstliche Ecke verschoben sind. Ein zwischen Nord und Süd verbindender Mittelbau enthält nur zwei Treppenhäuser und Abortanlagen. Im Aufbau kämpft die Gothik mit der Renaissance. Eine Reihe bemerkenswerther künstlerischer Einzelheiten zeigt der Entwurf „Roland“ des Hrn. L. Engel in Berlin, dessen Hauptfassade wir hier mittheilen. Der Grundriss zeigt eine offene Eintrittshalle, die, unter dem ‘Thurm gelegen, den Aufbau desselben vorbereiten soll. Daran schliesst sich das Vestibül mit den Haupt-Treppenhause, das frei in das Vestibül eingebaut ist. Die Säle liegen im II. Obergeschoss. Einigen auffallenden Unmöglichkeiten des Grundrisses stehen bemerkenswerthe Vorzüge der Fassade gegenüber: die Bildung der Eingangshalle, das Herauswachsen des Thurmes aus der Fläche, der Gegensatz der Fläche zu den architektonischen Bildungen werden vielfachem Beifall begegnen.

Zwei Entwürfe verdienen genannt zu werden, weil sie im Grundriss einen bisher noch nicht besprochenen Typus zeigen: Die Entwürfe mit dem Kennzeichen des von zwei Halbkreisen berührten Kreises und mit dem Kennwort: „Vergangne Zeit befragen usw.“ Beide Entwürfe lassen einen nördlich gelegenen grossen Hof frei und verlegen die Haupttreppe in den breiten südlichen Mittelbau, der durch zwei symmetrisch angeordnete, kleinere, zu beiden Seiten der Treppe gelegene Höfe beleuchtet wird. Diese Anordnung ist namentlich in dem erstgenannten Entwurfe mit Geschick bearbeitet.

Ausser den vorstehend genannten Entwürfen enthalten noch bemerkenswerthe künstlerische Einzelheiten in Grund und Aufriss die Entwürfe mit den Kennworten bezw. Kennzeichen: „Treu“ auf quergetheiltem Wappen, „Anker“, „Hinan“, „Mach’s gut“ (Verf. Plange & Hagenberg in Elberfeld), „Am Neumarkt“, „Salus publica suprema lex“ „Ohne Giebel, ohne Zwiebel“ (Verf. Hanser & Billing in Karlsruhe), „Mer han kein Arbeit usw.“ (Verf. A. Menken in Berlin) usw.

Das ist das Ergebniss eines Wettbewerbes, in den mit reichen Hoffnungen eingetreten wurde und der mit leider ebenso reichen Enttäuschungen zum Abschluss gelangt ist. Das liegt in der Natur der Sache. Eine gewaltige Summe von Geist, Mühe und Arbeit ist in den Dienst einer anziehenden Aufgabe gestellt worden und man darf wohl sagen, dass es nicht nur die Ungunst der Zeitverhältnisse und der nüchterne Ausblick auf geschäftlichen Gewinn gewesen sind, welche eine so grosse Theilnahme der Fachkreise hervorgerufen haben, sondern die überaus liebevolle Durcharbeitung, welche die grösste Mehrzahl der Verfasser auf ihre Entwürfe verwendet hat, zeigt, dass das allzeit wache und rege ideale Interesse, das die deutsche Architektenschalt für grosse Aufgaben beseelt, nicht vergebens angerufen wurde. Die Stadt Elberfeld darf zu dem Ergebnisse auf das lebhafteste beglückwünscht werden und sie wird den deutschen Architekten Dank wissen für die Bereitwilligkeit, mit der dieselben ihre Kunst, ihre Zeit und ihr Metall dem heryorragendsten städtischen Werke gewidmet haben. In einem Aufsatze der Sonntags-Beilage vom 11. März tritt die „Kölnische Zeitung“ dafür ein, dass, wenn die Ausführung des neuen Rathhauses beschlossen sei, dieselbe auch an einen der Sieger übertragen werden möge. Dem ist nur beizustimmen.

Noch ein Wort über die „administrative“ Durchführung des Wettbewerbes möge gestattet sein. Eine Anzahl von Theilnehmern desselben hatte über die Forderungen des Programms hinaus Perspektiven eingeliefert, welche indessen durch das Preisgericht in durchaus korrekter Weise sowohl von der Beurtheilung wie auch von der Ausstellung ausgeschlossen wurden. Dem Unterzeichneten wurde sogar, als er darum bat, eine flüchtige Einsicht in die Schaubilder in richtiger Folgerung dieses Ausschlusses versagt. Darüber wurden nun vielfältig Klagen erhoben, vornehmlich darüber, dass die Schaubilder auch von der Ausstellung ausgeschlossen waren und am lautesten natürlich von den gerade Betroffenen.

Wir halten dieselben indessen für nicht gerechtfertigt; denn abgesehen davon, dass § 6 der Grundsätze für das Verfahren bei öffentlichen Konkurrenzen bestimmt, dass „durch die Preisrichter alle diejenigen Projektstücke von der Beurtheilung und Ausstellung auszuschliessen sind, welche über das verlangte Maass hinausgehen“, muss doch darauf hingewiesen werden, dass gerade vonseiten der Konkurrenten immer und immer wieder und mit Recht der Ruf nach Vereinfachung und Verminderung der Arbeit bei Wettbewerben ertönt und dass es für die Erfolge in diesen Bestrebungen doch recht beeinträchtigend ist, wenn die Konkurrenten selbst den Nachweis der Berechtigung dieser Forderungen durch Ueberleistungen erheblichen Umfanges illusorisch machen. Die Einsendung nicht geforderter Schaubilder ist zudem ein gewiss nicht zu billigender Versuch der Beeinflussung der Preisrichter und, durch die öffentliche Ausstellung, der beschlussfassenden Körperschaften wie der grossen Menge. Denn die weitaus überwiegende Mehrzahl der Mitglieder einer beschlussfassenden Körperschaft besteht aus Laien, die vielmehr geneigt sind, aufgrund eines effektvollen Schaubildes als aufgrund geometrischer Ansichten zu urtheilen. Und wie Schaubilder bisweilen in letzter Stunde entstehen, weiss jeder, der in der praktischen Ausübung des Faches steht oder gestanden hat. Also, was dem einen recht ist, ist dem andern billig.

Mit einer anderen Anordnung indessen können wir uns nicht einverstanden erklären: das ist die Erhebung von Eintrittsgeld bei Besichtigung der Ausstellung. Dieselbe wurde in Elberfeld zum Zwecke der leichteren Kontrolle der Besucher und zur Verhütung von Beschädigung von Zeichnungen, die in einer Fabrikstadt immerhin denkbar wäre, wenn zweifelhafte Elemente ungehinderten Zutritt hätten, angeordnet. Diese Befürchtung war aber übertrieben und entsprang vielleicht der übergrossen Sorge, in welcher das Stadtbauamt durch die grosse Arbeitsüberhäufung, die der Wettbewerb mit sich brachte, lebte. Trotz der letzteren hat Hr. Stadtbaurath Mäurer immer noch Zeit übrig gehabt, die Vorarbeiten des Unterzeichneten für die Berichterstattung bereitwilligst und in entgegenkommendster Weise zu fördern. Derselbe fühlt sich daher angenehm verpflichtet, ihm auch an dieser Stelle wärmsten Dank hierfür zu sagen.

Albert Hofmann.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.