Wettbewerb um den Neubau eines Geschäftshauses der Gesellschaft „Wilhelma“ in Magdeburg

Von den drei im Laufe weniger Wochen hintereinander zum Abschluss gelangten Wettbewerbungen in Magdeburg, für den Bau einer Kirche für die Wilhelmsstadt, einer Synagoge und eines Geschäftshauses für die Gesellschaft „Wilhelma“ – sogar ein viertes Preisausschreiben ist vor einigen Tagen für die Errichtung einer Kirche für die deutsch-reformirte Gemeinde in Magdeburg eröffnet – musste zweifellos die Preisbewerbung der „Wilhelma“ die grösste Anziehungskraft für die deutschen Fachgenossen entwickeln.

Abgesehen von der Höhe der Preise (4000, 2500 und 1500 M.), lockte die anscheinend „dankbare“ Aufgabe, einen Plan für ein grosses Geschäftshaus auszuarbeiten, für das die Programm-Bedingungen in überaus eingehender und geradezu musterhaft klarer Weise vom General-Direktor der „Wilhelma“ bis in die Einzelheiten hinein vorbereitet waren. Ausser den ersichtlichen Schwierigkeiten der Baustelle an der Ecke zweier, unter spitzem Winkel zusammenstossender Strassen, der Olvenstedter- und der Ringstrasse, die sich zu einem grossen Platz vor dem Ulrichsthore vereinen, schien die Lösung der Aufgabe so einfach, dass Missgriffe eigentlich so gut wie ausgeschlossen zu erachten waren. Es wurden denn auch 506 Programme abgehoben; die Zahl der Bewerber verringerte sich jedoch bis auf 51, was immerhin noch eine recht stattliche Betheiligung bedeutet. Aber auch von diesen 5l ist es Keinem möglich gewesen, eine Lösung zu finden, welche allen zu stellenden Anforderungen gerecht geworden wäre, so dass nach dem einstimmigen Urtheile des Preisgerichts ein erster Preis überhaupt nicht zuerkannt werden konnte, vielmehr eine anderweitige Vertheilung der zur Verfügung stehenden Summe von 8000 M. eintrat. Es wurden zwei Preise von je 2500 M. und drei Preise von je 1000 M. vertheilt, worüber bereits in diesem Blatte berichtet ist.

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Es handelte sich bei diesem Wettbewerb um das Geschäftshaus einer Versicherungs-Gesellschaft, in welchem sämmtliche Geschäftszweige derselben, die Betriebe der Hagel-, Lebens-, Unfall-, Transport- und Kautions-Versicherung ihr Unterkommen finden sollen. Die im Erdgeschoss unbedingt anzuordnenden Räume, wie die Kasse, die Hauptbuchhalterei, die General-Agentur der „Wilhelma“ und die General-Agentur der „Magdeburger Hagelversicherungs-Gesellschaft”, welche den geschäftlichen Verkehr mit dem Publikum zu vermitteln haben, waren in dem Programm besonders hervorgehoben, während im übrigen hinsichtlich der Unterbringung der einzelnen Versicherungs-Abtheilungen im Gebäude dem Architekten freie Hand gelassen war. Jedoch wurde als wünschenswerth bezeichnet, die Transportversicherungs-Abtheilung im Erdgeschoss, die Unfall- und Lebensversicherungs-Abtheilung aber möglichst nachbarlich zu einander anzuordnen, letzteres mit Rücksicht auf das mathematisch-statistische Bureau und das Organisations-Bureau, die den Zwecken beider Abtheilungen gemeinschaftlich dienen. Dass die einzelnen Versicherungszweige in sich geschlossen untergebracht werden müssen, erscheint selbstverständlich; andererseits ist der grösste Werth auf die allseitig bequeme Verbindung mit denjenigen Räumen zu legen, welche für das Bedürfniss aller Abtheilungen gemeinschaftlich bestimmt sind, ausserdem auf die Verbindung mit der Zentralleitung und den im Erdgeschoss liegenden Geschäftsräumen für den Verkehr mit dem Publikum.

Abbildg. 1 – Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. Ein 2. Preis

Hiernach ergiebt sich bereits eine Raumvertheilung fast von selbst! Für das Arbeitszimmer, die Wohnung des General-Direktors, den Sitzungssaal kam das zweite Obergeschoss inbetracht, für die vier Hausbeamten-Wohnungen das Untergeschoss. Die spätere Erweiterung des Gebäudes sollte im Entwurfe in einfachen Umrissen angedeutet werden. Für die Zimmertiefe der Haupt-Geschäftsräume, die Anordnung der Arbeitstische und Aktenschränke, die Korridorbreite waren die Mindest-Abmessungen unter Mittheilung von Skizzen angegeben, so dass es den Bewerbern nach Möglichkeit erleichtert worden war, in ihren Entwürfen den Bedürfnissen eines so ausgedehnten und eigenartigen Geschäfts zu folgen. Thatsächlich sind denn auch, abgesehen von den verhältnissmässig wenigen, ganz unbrauchbaren Entwürfen, arge Verstösse gegen die im Programm so eingehend erläuterten allgemeinen Betriebs-Anforderungen nur selten vorgekommen. Wenn es trotzdem keinem Bewerber gelungen ist, eine allseitig befriedigende „durchschlagende“ Arbeit zu liefern, so ist die Ursache davon in den inneren Schwierigkeiten der Aufgabe zu suchen, die wohl von den Meisten verkannt wurden. Die Vereinigung des inneren Geschäfts-Verkehrs mit denjenigen des Publikums, und zwar im Mittelpunkt der Anlage, der naturgemäss in der Axe des Haupteingangs, möglichst also in der Mitte der die Abstumpfung der spitzen Ecke am Platze bildenden Hauptfront liegen sollte, die Zusammenführung der hier mündenden Korridore der Seitenflügel, alles das scheinbar so einfach, stellte doch solche Anforderungen an die Erfindungskraft der Architekten, dass nicht zu verwundern ist, wenn so Viele an dieser gefährlichen Klippe schliesslich gescheitert sind! Nichtsdestoweniger soll voll anerkannt werden, dass eine Fülle von geistreichen Gedanken in diesem Wettbewerbe dargeboten ist. Und wenn ein für die Ausführung unmittelbar reifer Entwurf sich nicht ergeben hat, so darf doch mit Bestimmtheit angenommen werden, dass die überhaupt möglichen Lösungen gebracht sind und dass für die Gesellschaft „Wilhelma“ diejenige Klärung erzielt ist, um welche es ihr bei dem Preis-Ausschreiben vor allem zu thun war. Aufgrund der preisgekrönten Entwürfe wird sich der für die Zwecke der Gesellschaft und die Verhältnisse der Baustelle allein richtige Baugedanke unschwer entwickeln lassen.

Es war im Programm anheimgestellt, für die Kalk und die General-Agenturen eine gemeinschaftliche „Verkehrshalle“ herzustellen, an welcher die für den Verkehr des Publikums dienenden Schalter-Einrichtungen – vier unter Hinzurechnung des Schalters für Hypotheken-Angelegenheiten, das für die Verkehrshalle zwar nicht als unbedingt nothwendig, jedoch erwünscht bezeichnet wurde liegen sollten. Schon in der Programm-Vorschrift, dass in diesem Vorraume dem Publikum Gelegenheit geboten werden soll, ungestört vor den Schaltern seine Geschäfte abwickeln zu können, und dass hier Sitze und Schreibgelegenheit vorzusehen seien, liegt die Hinweisung, dass es sich hierbei nicht blos um eine Korridor-Ausbildung handeln sollte. Und doch hatten sich viele Entwürfe mit einer Erweiterung des Geschäfts-Korridors begnügt, wobei von einem ungestörten Verweilen des Publikums vor den Schalter-Einrichtungen nicht die Rede sein kann. Da oft Privat-Angelegenheiten, z. B. in Lebensversicherungs- und Hypothekensachen, unter vier Augen besprochen werden sollen, so kann nur eine Lösung erwünscht erscheinen, bei welcher diesem Gesichtspunkte durch getrennte Vorbeiführung des Geschäfts-Korridors Rechnung getragen ist. Es sind verschiedene Entwürfe vorhanden, welche dieser wichtigen Voraussetzung vollkommen genügen, während allerdings die grössere Mehrzahl sich leicht damit abgefunden hat. Bei manchen sind die Schalter in den Korridoren versteckt, also kaum zu finden; bei anderen sind die Schalter nicht vereint, z. B. in zwei Vorräumen rechts und links am Haupt-Eingang untergebracht, wogegen sich in geschäftlicher Beziehung an und für sich nichts zu erinnern findet.

Abbildg. 2 – Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. Ein 2. Preis

Die zweckmässigste Lösung würde hiernach die Herstellung eines grossen Zentralraumes sein, an welchem sämmtliche Schalter liegen, wie das z. B. im preisgekrönten Entwurf von Reimer & Körte geschehen ist. Hier ist der ganze Innenhof mit einer Oberlicht-Konstruktion überdeckt, welche auch einen erheblichen Theil der Geschäftsräume beleuchtet. Wenn freilich auch diese Anwendung von Oberlicht im Programm nicht ausgeschlossen war, so ist doch ein zu weit gehender Gebrauch davon für Geschäftszimmer immerhin bedenklich: man denke nur an die schwüle Luft, die sich im heissen Sommer unter solcher Glasdecke entwickelt, ferner an die mannichfachen Unzuträglichkeiten im Winter bei Schneefall, Regen und Nebel! Wie soll der Schnee geräumt werden? Schon die Herabführung der Abfallrohre, welche nur innerhalb oder neben den eisernen Säulen, also im Geschäftsraume selbst bewirkt werden könnte, bietet erhebliche Schwierigkeiten, so dass nach allem trotz mancher Vorzüge einer Vereinigung des geschäftlichen Verkehrs in einer solchen Zentralhalle eine freie Hofanordnung sich durch grössere Vortheile für die Gebäude-Konstruktion und auch für die übrige Grundriss-Gestaltung auszeichnen muss.

Es soll im Nachfolgenden eine Charakterisirung der eingegangenen Lösungen nach den Hauptgruppen versucht werden, wobei von der Hofgestaltung ausgegangen werden soll. Dass ein grosser Binnenhof, um welchen sich allseitig die Korridore gruppiren und von dem auch einem Theil der Geschäftsräume unmittelbare, reichliche Fensterbeleuchtung zugeführt werden kann, weitaus das klarste Grundriss-Motiv bildet, zeigt eine Zahl von Entwürfen, die durch Uebersichtlichkeit der Raumanordnung hervorzuheben sind: so der Entwurf mit dem Kennwort „Für Luft und Licht“ (Verfasser Bmstr. Conrad Raufer-Magdeburg) und derjenige mit dem Kennzeichen des vierblättrigen Kleeblatts. Letzter mit einem vollkommen regelmässigen Grundplan von fast akademischer Durchsichtigkeit gehört allerdings zu denjenigen Entwürfen, welche den meisten Kubikinhalt zeigen, so dass die Möglichkeit einer Ausführung zu der verfügbaren Bausumme bezweifelt werden musste und dem Verfasser (Bmstr. Otto Schmidt-Chemnitz) nur die Ehre des Ankaufs zutheil wurde. Dass ein einheitlicher Hof mehren kleineren, noch dazu von verzwickter Form vorzuziehen ist, versteht sich von selbst! Bei einem freistehenden Gebäude, das fast durchweg nur Büreauzwecken dient, sollte von der Anwendung knapp bemessener Lichthöfe, die noch dazu theilweise mit Oberlicht versehen werden müssen, nur der allersparsamste Gebrauch gemacht werden.

Abbildg. 3 – Entwurf von Reimer & Körte in Berlin. Ein 2. Preis

Bei einer grossen Zahl von Arbeiten, zumeist solchen mit Mittel-Korridoren und geschlossener Bebauung ist von einer eigentlichen Hofanordnung nicht die Rede. Das Gebäude besteht hier zumeist nur aus dem Mittelbau an der abgestumpften Ecke, an welchen sich die Flügelbauten rechts und links derart ansetzen, dass sie von dem an und für sich schon unregelmässigen Grundstück beliebig geformte Reststücke liegen lassen.

Die Grundrisslösung ist hierbei besonders schwierig geworden, da bei der Herumführung der Korridore in den Ecken gewöhnlich die Beleuchtung vollständig mangelt und zur Anlage von dürftigen Lichthöfen geschritten werden muss, die selten praktisch und ästhetisch befriedigen können. So sind denn nur wenige Entwürfe mit Anwendung von Mittel-Korridoren vorhanden, die der für ein Geschäftshaus solchen Ranges vor allem zu stellenden Anforderung durchweg günstiger Beleuchtung aller Räume, auch der Flure, Nebenräume, Aborte usw. einigermaassen gerecht geworden sind. Vortheilhaft zeichnet sich hierbei der Grundriss des Entwurfs „Nec aspera terrent“ aus (Verfasser Architekt Ludwig Hirsch-Jena, Direktor der grossherzoglichen Gewerbeschule). Ein mächtiger, geschlossener Gebäudekörper enthält in der Mitte den Lichthof, der zugleich Verkehrshalle von zweckmässiger Anordnung bildet. Die Mittelkorridore erhalten hier zumtheil ihre Beleuchtung von den Lichthöfen in den Ecken, den beiden Nebentreppenhäusern und mittelbar von den Geschäftsräumen mittels Auflösung der Korridorwand in Glasöffnungen. Indem die Seitenflügel hinten durch einen Hofflügel geschlossen werden, entsteht eine kompakte Gebäude-Anlage, welche auch der schon erwähnte Entwurf der Hrn. Reimer & Körte gewählt hat. Ueberhaupt ähneln sich die beiden letzterwähnten Entwürfe nach der allgemeinen Grundrissgestaltung; jedoch ist der Entwurf von R.& K. hinsichtlich der Hofanlage insofern interessanter, als die Geschäftsräume sich auf allen Seiten in dieselbe hineinschieben und nur in der Mitte den Raum für die Verkehrshalle mit Schaltern und Sitz- und Schreib-Gelegenheiten freilassen. Dieser glückliche Gedanke und die den geschäftlichen Anforderungen durchaus entsprechende Gruppirung der Büreaus hat dem Entwurfe der Hrn. Reimer & Körte die besondere Hervorhebung bei der Preisertheilung verschafft. Nicht zu verkennen ist jedoch, dass die Beleuchtung der Mittel-Korridore, namentlich in den Ecken, etwas bedenklich ist.

Abbildg. 4 – Entwurf von C. Raufer in Magdeburg. Ein 3. Preis

Während bei dem System der eben besprochenen Entwürfe die Seitenflügel sich nach dem Hofe zu schliessen und also in der Mitte ein mehr oder weniger geräumiger, allseitig umschlossener Hof verbleibt, der sogar ganz mit Oberlicht überdeckt wird, schieben sich bei einer anderen Gruppe von Entwürfen die Seitenflügel beiderseitig vom Mittelbau in das Grundstück hinein, verzichten also auf eine geschlossene Hofanlage. Hierzu gehören die Entwürfe mit dem Kennzeichen „Dreieck, darüber Doppelkreis“ (Verfasser Regierungs-Baumeister Solf & Wichards, Berlin) und mit dem Kennwort „Ceres“ (Verfasser Arch. L. Neher & A. von Kauffmann, Frankfurt a. M.). Beide zeigen vortreffliche Vorschläge für die Verkehrshalle, bei welcher zwar nicht sämmtliche Schalter in demselben einheitlichen Raume untergebracht werden konnten, was jedoch nicht programmwidrig erscheint. Eine besonders interessante Lösung bietet der Entwurf der Hrn. Solf & Wichards für die Vermittelung der Zugänge zu den Geschäftskorridoren, der Verkehrshalle und dem Haupt-Treppenhause. Der hierin ausgesprochene künstlerische Gedanke verdient hohe Anerkennung und darf zu den besten des ganzen Wettbewerbs gezählt werden. Dabei ist die Axe des Haupteingangs vom Platze her nicht in die Mitte der Hauptfront verlegt, was die Verfasser mit vollem Bewusstsein der Konsequenzen für die Fassaden thun und mit der Verschiebung des Verkehrs-Mittelpunktes nach Anfügung des Erweiterungsbaues in der Ringstrasse motiviren.

Dass es auch hier nicht ohne Mittel-Korridore abgeht, zeigt ein Blick auf die beigegebenen Grundrisse; jedoch ist ihre Länge, namentlich im Entwurf von Solf & Wichards, beschränkt und an keiner Stelle finden sich dunkle Ecken, die sonst mit diesem System fast unvermeidlich mit in den Kauf zu nehmen sind.

Abbildg. 5 – Entwurf von L. Hirsch in Jena. Ein 3. Preis

Eine wohlthuende Klarheit und merkwürdige Gedrängtheit lässt der Entwurf „Ceres“ erkennen, welcher den bemerkenswerthen Versuch zeigt, die Korridorwände in offene Säulenstellungen aufzulösen. Selbstverständlich kann das nur da angängig erscheinen, wo es der Geschäftsbetrieb der betreffenden Versicherungs-Abtheilung gestattet und wo der Korridor nach der ganzen Grundriss-Eintheilung zur Verbindung mit sonstigen dahinter gelegenen Räumlichkeiten nicht mehr erforderlich ist. Der in verschiedenen Arbeiten sich wiederholende Vorschlag, die Korridorwände womöglich rechts und links zu durchbrechen derart, dass nur ein sekundäres Licht von den Geschäftszimmern in dem sonst dunklen Mittel-Korridor hineinfällt, kann um so weniger gebilligt werden, als die Wandflächen in den Büreaus regelmässig mit Aktenschränken bestellt werden sollen. Eine solche Anwendung noch dazu schlecht beleuchteter Mittel-Korridore ist natürlich da ganz verwerflich, wo es sich um getrennte Büreaus verschiedener Geschäftszweige handelt, deren Beamte sich nicht gegenseitig stören dürfen oder überhaupt nicht mit einander in Berührung gelangen sollen. Dagegen würde die Durchbrechung von Wänden z. B. der Kleiderablagen und Waschgelegenheiten, durchaus statthaft sein, wie auch gegen die Einbeziehung des ganzen Mittel-Korridors bei durchgehenden Arbeitssälen nichts zu erinnern ist, dieselbe im Gegentheil an richtiger Stelle besonders anerkannt werden muss.

Es ist ersichtlich, dass ein Verkennen dieser geschäftlichen Rücksichten des Programms bei der grossen Mehrzahl der Entwürfe zu einem Scheitern derselben geführt hat. Wenn auch zugegeben werden mag, dass ein eigenartiger Geschäftsbetrieb vorliegt, der mit der Anordnung gewöhnlicher Büreaus sich schwerlich abfinden lassen würde, so muss doch auf das vorzüglich ausgearbeitete Programm der ausschreibenden Gesellschaft verwiesen werden, das bis in die kleinsten Einzelheiten hinein die inbetracht kommenden Bedürfnissfragen erläuterte. Thatsächlich hat doch eine erfreuliche Schaar von Bewerbern sich dem Studium der Programm-Vorschriften mit Erfolg hingegeben, so dass bei manchen Entwürfen in geschäftlicher Beziehung sich kaum etwas zu erinnern fand, während andere die einfachsten Bestimmungen unbeachtet liessen oder sich leichtfertig darüber hinwegsetzten. Dass ein Entwurf wenig Aussicht auf Erfolg haben konnte, welcher sich nach üblichem Schema damit begnügt, einfach an ein Korridorsystem beiderseitig Büreaus anzureihen, ohne weitere sich in das Wesen der Aufgabe vertiefende Gedanken, hätte von vornherein einleuchten sollen! Leider kann der Mehrzahl der Entwürfe dieses Wettbewerbs der Vorwurf nicht erspart werden, dass sie den wesentlichsten Theil des Bauplans, den Grundriss, auf den es hier fast einzig und allein ankam, geradezu vernachlässigt zu haben scheinen, – um so unbegreiflicher, als schon das Durchlesen des Programms mit seinen zahlreichen Hinweisungen auf bestimmte Lösungsarten eine Fülle von Anregungen bieten musste. Demgegenüber können natürlich die besten Fassadengestaltungen, mögen sie noch so künstlerisch gedacht und blendend gezeichnet sein, nicht mehr retten, und so ist denn eine ganze Reihe solcher Arbeiten, die sich gerade durch meisterhafte architektonische Behandlung des Aeusseren auszeichneten, ausgefallen!

Zu schweren Missgriffen hat die Programm-Vorschrift Veranlassung gegeben, den Giebel des Gebäudes nach Nordwesten in der Olvenstedter Strasse nicht hart an die Nachbargrenze heranzurücken, vielmehr von dieser mindestens um den baupolizeilich erforderlichen Abstand entfernt zu bleiben, derart, dass das Gebäude von dieser Seite her dauerndes Tageslicht empfängt und eine reichliche Einfahrt zu dem Grundstück frei bleibt. Nach der Baupolizei-Ordnung der Stadt Magdeburg müssen Gebäude, die nicht hart an der nachbarlichen Grenze errichtet werden, zwar mindestens 2,50 m von derselben zurückbleiben. Dass das Nachbar-Grundstück hart an der Grenze in der vollen zulässigen Höhe, d. h. von 20 m, bebaut werden darf, ist selbstverständlich und von Anwendung eines Bauwichs, den vielleicht verschiedene Bewerber zufolge einer missverständlichen Auslegung eines Baupolizei-Paragraphen, betr. Fenstereinrichtung vor dem nachbarlichen Grundstück, vorausgesetzt haben, ist in diesem Falle keine Rede. Nichtsdestoweniger rückt eine ganze Zahl von Entwürfen den Giebel an der Olvenstedter Strasse bis auf 2,5 m an die Grenze heran und bezieht von hier aus das Tageslicht für eine Reihe von Geschäftsräumen und zwar wichtigen Schreibzimmern! Selbst wenn, wie andere Entwürfe wenigstens gethan haben, der Abstand bis auf 5-6 m gesteigert wird, so erscheint das immer noch für die Anordnung von Büreaus, die mit ihrer Fensterbeleuchtung einzig hierauf angewiesen sind, vollkommen unzureichend. Dieser Abstand würde nur für den Fall genügen, dass es sich um untergeordnetere Geschäftsräume handelte, deren eine grosse Anzahl nach dem Programm untergebracht werden musste, sonst aber für solche Arbeitssäle, die vielleicht von zwei Seiten Licht beziehen, was viele Entwürfe befriedigend erzielt haben.

Von der Gesellschaft „Wilhelma“ ist auf die Erweiterungsfähigkeit des Gebäudes mit Recht besonderer Werth gelegt worden, da gegenwärtig die Bedürfnisse der Zukunft bei der voraussichtlich eintretenden Vermehrung der Geschäfte noch nicht übersehen werden können. Demgemäss war auf eine organische Ausdehnung der jetzt geplanten Baulichkeit über den ganzen Baugrund, soweit es die Bauordnung und Rücksicht auf Luft und Licht überhaupt zulassen, zu rücksichtigen, und es sollten sich auf die künftige Bebauung Grundriss-Skizzen nebst Vorschlägen für die Fortsetzung der Strassenfront auf die ganze Länge in der Ringstrasse beziehen. Im allgemeinen haben sich die Bewerber ziemlich billig damit abgefunden und nur Werth darauf gelegt, die Erweiterung für die Steigerung des Eindrucks ihrer Fassaden von gewaltiger Erstreckung zu benutzen. Zuzugeben ist, dass besonderer Werth diesem Punkte auch nicht beizumessen war, wo bestimmte Angaben fehlten und nur die Möglichkeit der Erweiterung mit wenigen Linien nachgewiesen zu werden brauchte. Wunderlich muss es aber berühren, wenn Architekten ihre Risalite usw. ohne Rücksicht auf die gegenwärtige Beschränkung der Baustelle da anordnen, wo sie zwar für den Gesammtbau dermaleinst passen, jetzt aber geradezu unverständlich wären.

Abbildg. 6 – Entwurf von L. Neher & A. v. Kauffmann in Frankfurt a. M. Ein 3. Preis

Dass es bei diesem umfangreichen Wettbewerb an Absonderlichkeiten zumeist in den Fassaden-Gestaltungen nicht fehlte, versteht sich von selbst. Im ganzen hat man es aber mit ernsten Arbeiten und mit Bewerbern von grossem Fleiss und theilweise bedeutender Leistungsfähigkeit zu thun, denen gegenüber nur bedauert werden kann, dass ihre Mühe nicht den gewünschten Erfolg hatte.

Es mögen noch einige Worte über die künstlerische Seite der Entwürfe angefügt werden, welche in der vorhergegangenen Besprechung nur stellenweise berührt worden ist. Wenn schon der Hauptwerth auf eine glückliche Grundriss-Lösung gelegt wurde, so hat doch die künstlerische Seite zumeist die gebührende Beachtung gefunden. Der Charakter des grossen Geschäftshauses ist zwar nicht immer getroffen. Oft würde man mehr, nach der äusseren Erscheinung zu urtheilen, eine Rathhaus-Verwaltung dahinter vermuthen; zumtheil ist Werth auf eine monumentale Ausbildung von Palast-Fassaden gelegt, die nur in echtem Material herzustellen sein würden. Dass bei der an und für sich knappen, zur Verfügung gestellten Bausumme auf äusserste Sparsamkeit der Mittel Bedacht genommen werden musste, hiernach eine Ausführung mit Sandstein-Verblendung für drei Fassaden im vollen Umfange sich geradezu verbot, scheinen sich die Verfasser schwerlich klar gemacht zu haben. Die reizvollste und künstlerisch vielleicht hervorragendste Fassadenbildung haben die Hrn. Solf & Wichards geliefert, deren Grundrisslösung bereits rühmend gedacht ist. Die Herausschiebung des Haupt-Risalits aus der Mittellage der Front am Platze, welche sich aus dem Grundplan entwickelt, trägt zu einer malerischen Gestaltung der Hauptfront entschieden bei. Für den ästhetischen Eindruck wird die so eingetretene Verlegung des Schwerpunkts überaus geschickt dadurch wieder vermittelt, dass auf der linken Ecke ein wuchtiger Thurmbau vorgelegt ist, so dass der Beschauer die unsymmetrische Ausbildung kaum empfinden würde. Ob eine solche zwar reizvolle Behandlung in diesem Falle am Platze ist, wo die Verhältnisse der ganzen Situation und der Baustelle auf eine Mittelaxe hinweisen, die übrigens auch bei sämmtlichen übrigen Entwürfen als naturgemäss eingehalten ist, darf freilich einigermaassen bezweifelt werden. Ueber die gewählte Stilrichtung giebt die beigefügte Abbildung der Hauptfront Ausweis.

Nach Allem darf der jetzt zum Abschluss gelangte Wettbewerb zu den bemerkenswerteren, weil schwierigsten Preisausschreibungen der letzten Jahre gerechnet werden. Es ist eine Aufgabe gestellt worden, die eine Fülle von verschiedenartigen Auffassungen zulies. Wenn bei deren Lösung für so viele fleissige und gewandte Arbeiter ein Misserfolg sich ergeben hat, so liegt allerdings der Grund nicht in der Programm-Aufstellung, die sich, wie hier nochmals ausdrücklich anerkannt werden soll, durch mustergiltige Vorbereitung seitens der ausschreibenden Gesellschaft ausgezeichnet hat. Es soll vielmehr nicht verkannt werden, dass mit dem vorliegenden Wettbewerb den Theilnehmern an demselben eine sogenannte „dankbare“ Aufgabe nicht gestellt worden war.

Peters.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.