Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Dresden

Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)

Die Haupt- und Residenzstadt Dresden des Königreiches Sachsen gehört zu jenen seltenen historischen Städten in deutschen Landen, in welchen seit der Zeit der deutschen Renaissance noch jede bedeutendere geschichtliche Periode auch ein bedeutenderes Baudenkmal uns hinterlassen hat. Wenn unter diesen Baudenkmälern der Vergangenheit die Bauten der Barockperiode vor allem hervorragen, und zwar sowohl nach Zahl und Umfang, wie auch nach künstlerischem Inhalt hervorragen, so ist diese Blütheperiode sächsischer Baukunst – mit dieser allgemeineren Bezeichnung darf man sie wohl belegen – zurückzuführen auf die dringenden Forderungen, welche nach der Beendigung des 30jährigen Krieges und nach einem zweimaligen verheerenden Brande, welchem grosse Theile der Stadt zum Opfer fielen, – dem Brande vom Juni des Jahres 1491 und dem Brande vom Jahre 1685 – aus dem Wiedererwachen des Volksgeistes heraus, aus der Neubelebung seiner Lust, an öffentlichen Angelegenheiten Theil zu nehmen, sich geltend machten.

Mit diesen verjüngten und wieder erstarkten Regungen der Volkskraft ist allerdings der Einfluss, welcher vom Staatsoberhaupte, von Friedrich August I. ausging, unlöslich verbunden. Es waren also durch fürstlichen Grosssinn und durch einen an der französischen Kunst gereiften und geläuterten Kunstgeschmack geleitete volkswirthschaftliche Forderungen, die in jener Zeit zu ihrer Verwirklichung drängten.

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Aehnliche Verhältnisse in volkswirthschaftlicher Beziehung leiten die bauliche Umgestaltung der sächsischen Hauptstadt unserer Tage, wenn auch heute die alles überragende und beherrschende Einflussnahme des Staatsoberhauptes ersetzt wird durch die aus der Weiterbildung und Erstarkung der Gesellschaft hervorgegangenen staatlichen und städtischen Körperschaften. Ihnen in erster Linie gehört die Baugeschichte der Hauptstadt Sachsens, wie wir sie in unserer Zeit sich entfalten sehen; sie leiten die aus der ungeheuren volkswirthschaftlichen Entwicklung der Wende des Jahrhunderts hervorgehenden Anforderungen an die baulichen Gestaltungen, sie beeinflussen das bauliche Schaffen unserer Generation. So sahen wir nacheinander die einzelnen sächsischen Ministerien die Hauptstadt mit Monumental-Gebäuden bereichern, ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist; und ihnen folgt nunmehr auch die städtische Verwaltung, zumtheil beeinflusst durch die unabweisbaren Forderungen, welche mit ihrer wachsenden Grösse die einzelnen Verwaltungszweige an sie erheben, zumtheil angeregt durch die Rathhausbauten, wie sie die Schwesterstädte, z. B. Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart usw. in so grossartigem Maasse zu unternehmen begonnen haben.

Das jetzige Rathhaus der Stadt Dresden steht am Altmarkt und nimmt die Ecke der Scheffelgasse ein. Es ist ein in der Mitte des XVIII. Jahrhunderts errichtetes Gebäude, welches aber durch einen zu Beginn der sechziger Jahre des XIX. Jahrhunderts erfolgten Umbau seinen Charakter völlig verloren hat, sodass Dresden keinen Verlust erleidet, wenn das Gebäude nach einem Jahrzehnt vielleicht den kaufmännischen Betrieben der Prager Strasse und ihrer Fortsetzung zur weiteren Entfaltung überliefert wird. Dieses Gebäude reicht nun schon seit längerer Zeit in keiner Weise mehr aus, der Ausdehnung der städtischen Verwaltung, wie sie aus dem schnellen Anwachsen Dresdens sich entwickelt hat, zu genügen. Die meisten Verwaltungszweige mussten an anderen Stellen der Stadt untergebracht werden. Es scheint, dass die vielfach erörterte Frage der Dezentralisation der selbständigen städtischen Verwaltungszweige durch die Stadt Dresden nicht aufgenommen wurde, denn nach dem Bauprogramm sollen in dem neuen Gebäude 19 in sich geschlossene Raumgruppen geschaffen werden.

Lageplan für das neue Rathhaus in Dresden
Lageplan für das neue Rathhaus in Dresden

Als Platz für das neue Gebäude ist das Gelände in unmittelbarer Nachbarschaft von Dresdens Hauptkirche, der Kreuzkirche, in Aussicht genommen, welches einerseits durch die Kreuzstrasse, andererseits durch die Maximilians- und die Friedrichs-Allee begrenzt wird. Letztere beiden Alleestrassen sind Theile einer den inneren Stadtkern umziehenden Ringstrasse. Das Gelände für das neue Rathhaus bildet noch einen Theil dieses inneren Stadtkernes, das zukünftige Rathhaus wird also seine überlieferten und allenthalben gewahrten Beziehungen zum Stadtkern auch hier erhalten. Die Wahl der Baustelle darf sowohl in dieser Hinsicht, wie auch im Hinblick auf die architektonische Wirkung des neuen Hauses als eine sehr glückliche bezeichnet werden. Die Maximilians- und die Friedrichs-Allee sind vornehme breite, baumbepflanzte Alleestrassen, welche einen an ihnen errichteten Monumentalbau in ausgezeichneter Weise zur Geltung kommen lassen werden.

Für das Gelände ist die Bedingung gestellt, dass die Gewandhausstrasse als Verkehrsstrasse beizubehalten ist, dass sie jedoch überbaut werden kann. Auf dem vom Güntzplatze, der Pfarrgasse, dem Platze an der Kreuzkirche und der Schulgasse umgrenzten, gleichfalls in städtischem Besitze befindlichen Platze soll demnächst von der Stadtgemeinde ein Gebäude errichtet werden, welches vorzugsweise zur Aufnahme der Stadtbibliothek und des Stadt-Museums dienen wird. Es ergeben sich somit für das neue Rathhaus interessante Beziehungen einerseits zu dem Stadthause, andererseits zur Kreuzkirche. Aus diesen 3 Bauwerken – wir nehmen an, dass das Gebäude der Superintendentur bald auch der Rathhausgruppe einverleibt wird – eine Baugruppe zu schaffen, hätte eine der anziehendsten architektonischen Aufgaben, welche die neuere Baukunst bisher überhaupt zu stellen gehabt hat, werden können, wenn der Wettbewerb, welchen der Rath zu Dresden zur Erlangung von Skizzen für das neue Rathhaus zum 15. Februar d. J. ausgeschrieben hatte, auf einer anderen Grundlage ausgeschrieben worden wäre, sodass eine umfassendere Betheiligung der hervorragenderen deutschen Baukünstler hätte stattfinden können. Wir kommen auf diesen Punkt noch zurück.

Das Ergebniss des Wettbewerbes war, dass 77 bewerbungsfähige Entwürfe rechtzeitig, 3 Entwürfe verspätet einliefen. Daneben hatte das städtische Hochbauamt von Dresden einen Entwurf gefertigt, welcher zwar ausser Wettbewerb stand, aber mit zur Ausstellung gelangt war. Es mag auffallen, dass das städtische Hochbauamt diese Stellung zu der Angelegenheit nahm und sein Vorstand sich nicht unmittelbar am Wettbewerbe betheiligte, wie es in Leipzig geschah, wenn man nicht annehmen will, dass dieser Entwurf des städtischen Hochbauamtes nur zu dem Zwecke angefertigt wurde, bis ins Einzelne genau das Bedürfniss, welchem das neue Haus zu genügen hat, nachzuweisen. Dass aber die Annahme eines solchen Zweckes allein sehr unwahrscheinlich ist, lehrt die ausserordentliche Sorgfalt, mit welcher der Entwurf bis in die kleinsten Einzelheiten bearbeitet ist und lehrt auch der enge äusserliche Anschluss desselben an das Konkurrenz-Programm. Man wird also den Entwurf thatsächlich als einen ausser Wettbewerb gestandenen Wettbewerbs-Entwurf aufzufassen und zu beurtheilen haben. – (Fortsetzung folgt.)

Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Dresden.

(Fortsetzung.) Das Protokoll des Preisgerichtes, in welchem 13 Stimmen vertreten waren, darunter 11 Stimmen aus Dresden und 2 Stimmen von Auswärts, schied bei einem ersten Rundgange 29 der 77 bewerbungsfähigen Arbeiten, als für eine nähere Berücksichtigung nicht inbetracht kommend, aus. Die Ausscheidung erfolgte, wenn „keine einzige Stimme sich zu Gunsten der Beibehaltung eines Entwurfes“ erhob. Nach dem gleichen Verfahren wurden auf einem zweiten Rundgange weitere 25 Entwürfe, und bei einer dritten Prüfung nochmals 14 Entwürfe als für die Preisvertheilung und den Ankauf nicht geeignet bezeichnet.

Es verblieben somit 9 Entwürfe auf der engsten Wahl; von diesen gelangten die Entwürfe „MDCCCCI“, „Du musst“, „Der Väter Ehre sei der Stadt Schmuck“ und „Elbe“ nicht zur Preisvertheilung. Mit 11 gegen 2 Stimmen wurde die Zuerkennung des I. Preises von 10 000 M. an den Entwurf „Sanct Michael“ abgelehnt und mit dem gleichen Stimmenverhältniss eine Gleichwerthigkeit der Entwürfe „Sanct Michael“, und „Viel Feind, viel Ehr“ ausgesprochen. Den nächstfolgenden Beschlüssen scheinen, nach dem Stimmenverhältnisse zu schliessen, grössere Erörterungen vorangegangen zu sein, denn mit 8 gegen 5 Stimmen wurde der Beschluss gezeitigt, drei I. Preise zu je 7000 M., einen II. Preis von 4000 M. und einen III. Preis von 3000 M. zu verleihen. Mit der gleichen Stimmenzahl wurden die drei I. Preise den Entwürfen „Sanct Michael“, „Viel Feind, viel Ehr“ und „Februar 1901“ verliehen und zugleich diese Reihenfolge in der Bewerthung der an erster Stelle ausgezeichneten Entwürfe festgestellt. Einstimmig wurde dem Entwurfe „Roland“ der II. Preis gewährt. Dieser Entscheidung stehen wir, soweit unser Urtheilsvermögen reicht, wie einem völligen Räthsel gegenüber. Wir haben bei diesem Entwurfe weder in der Gesammtanlage, noch in den Einzelheiten des Grundrisses, noch auch im Aufbau irgend welche geschlossenen Anordnungen entdecken können, welche eine so hervorragende Auszeichnung, wie sie ihm zutheil geworden ist, rechtfertigen könnten. Und da die Protokolle kein Wort der Begründung und der Beurtheilung enthalten, so entsteht die unbeantwortete Frage nach den Beweggründen, nach welchen die Beurtheilung dieser leider mehr als mittelmässigen Arbeit stattgefunden hat. Der III. Preis wurde dem Entwurf „Fünf Thürme“ zuerkannt; eine Empfehlung zum Ankauf errangen die Entwürfe „Elbe“ und „Ring“, eine lobende Erwähnung fanden die Arbeiten „MDCCCCI“, „Du musst“, „Ein Markstein“ und. „Wahrzeichen“.

Entwurf des Hrn. Reg.-Bauführer Franz Wendt in Berlin
Entwurf des Hrn. Reg.-Bauführer Franz Wendt in Berlin

Das Konkurrenz-Programm schrieb die Unterbringüng von 19 Raumgruppen vor und zwar 1. der Raumgruppe für den Rath, 2. der für die Stadtverordneten, 3. für den Rathsvorstand mit Hauptkanzlei, 4. für das Finanzamt, 5. für das Verfassungsamt, 6. das Rechnungsamt, 7. das statistische Amt, 8. das Steueramt, 9. das Rathvollstreckungsamt, 10. für die Wohlfahrtspolizei, 11. für die Krankenpflege, 12. für das Armenamt, 13. für das Gewerbe- und Marktamt, 14-16, für die Stadtbauämter, 17. für die Baupolizei, 18. für das Vermessungsamt und 19. für die Stadtgärtnerei. Als grössere Säle, die bei Festen im Zusammenhang benutzbar sein sollten, waren verlangt ein Festsaal von 400 qm mit Nebenräumen, ein Raths-Sitzungssaal für 40 Personen, ein Sitzungssaal der Stadtverordneten für 140 Personen, mit 100 Plätzen für das Publikum und einer Tribüne für 10 Journalisten, ein Lesesaal für 50 Personen, und dazu die entsprechenden Nebenräume. Das Gebäude sollte ausser dem Untergeschoss mit dem Rathskeller und einem ausgebauten Dachgeschoss für Wohnungen der Bediensteten ein Erdgeschoss und nicht mehr als drei Obergeschosse enthalten. Die Lage der Raumgruppen in den verschiedenen Entwürfen im Einzelnen zu erörtern, kann erlassen bleiben, da hierbei im Grossen und Ganzen Gesichtspunkte maassgebend waren, die noch bei jedem grösseren Rathhause die gleichen waren und auch bleiben werden. Es sind Gesichtspunkte, die aus den Verwaltungen unserer Grosstädte allenthalben in ähnlicher Weise sich herausgebildet haben.

Interessant ist es zunächst, zu beobachten, wie die Theilnehmer des Wettbewerbes sich mit dem Gelände und seiner Form abgefunden haben. Die grösste Mehrzahl der Konkurrenten hat schlechtweg die gegebenen Umrisslinien überbaut und ist dadurch vielen Schwierigkeiten aus dem Wege gegangen, hat aber damit auch auf die schönsten künstlerischen Wirkungen, die sich aus einer malerischen Gruppirung der Baugruppe ergeben konnten, verzichtet. Die meisten Entwürfe zeigen das Rathhaus nicht als eine bewegt gegliederte malerische Gruppe in dem Sinne etwa, wie uns eine Anzahl mittelalterlicher Rathhäuser als köstliche Theile ihres Stadtbildes erhalten sind, sondern als das geschlossene moderne Verwaltungsgebäude, dessen ungefüge Masse einen Schwerpunkt des Stadttheiles bildet, in welchem sie liegt. Bedeutendes war für die Erscheinung des Rathhauses schon erreicht, wenn es gelang, wenigstens einen der zahlreich nöthigen Höfe so mit einer der umlaufenden Strassen zu verbinden, dass ein malerischer Einbau oder eine interessante Platzbildung entstand, etwa wie es die kleine Skizze S. 158 zeigt. In dieser Beziehung sind mit besonderer Anerkennung die Entwürfe des Hrn. Fr. Wendt in Berlin und des Hrn. Karl Grosser in Breslau hervorzuheben. Der erstere benutzt die Durchführung der Gewandhausstrasse durch den Baublock zu einer dreieckigen Platzbildung von hohem malerischem Reiz an der Maximilians-Allee, der letztere schafft eine schöne Platzbildung zur Aufstellung eines Denkmals zwischen dem westlichen Flügel des Rathhauses und dem zukünftigen Stadthause. Wenn auch im Programm nicht darauf hingewiesen war, die Zukunft hinsichtlich dieses Theiles des Gebäudes ins Auge zu fassen, so lag es doch nahe, die hier liegende alte Gebäudegruppe, die zudem inzwischen in den Besitz der Stadt übergegangen war, in den Entwurf einzubeziehen.

Entwurf des Hern. Reg-Bfhr. Fr. Wendt in Berlin
Entwurf des Hern. Reg-Bfhr. Fr. Wendt in Berlin

Da der Bauplatz für das neue Rathhaus ringsum nur von Strassen umgrenzt ist, so hat der Verfasser ferner darauf Werth gelegt, nicht nur zwischen Rathhaus und Stadthaus, sondern auch an der östlichen Spitze des Rathhauses eine platzartige Erweiterung zu schaffen, indem er 17 m hinter die Strassenflucht zurückging. Dass es ihm trotz dieser Platzbildungen gelungen ist, alle verlangten Räume in richtiger Zahl und Grösse unterzubringen und sie gut zu entwickeln, beweist die ausserordentlich klare Lösung, die er für seine Grundrisse gefunden hat und die zu den besten des Wettbewerbes gehört. Leider steht der Aufbau der schönen Grundrisslösung nicht unerheblich nach.

Was Hr. Wendt bei seinem Entwurfe in geschickter Weise in grösserem Maasstabe erstrebte, das versuchten andere Theilnehmer des Wettbewerbes in kleinerem Umfange, indem sie, theils veranlasst durch die Architektur, theils durch die rechtwinklige Ueberbrückung der Gewandhausstrasse, an ihrer Ausmündung in die Maximilians-Allee grössere oder kleinere Bocklagen schufen und diese in malerischem Sinne zu verwerthen trachteten. Hier sind zu nennen der Entwurf des städtischen Hochbauamtes in Dresden, der Entwurf „Grüabi“, der Entwurf „Skizze“ usw. Die schärfste Konsequenz aus dem Bestreben nach einer Platzbildung, nach der Theilung der Gebäudemasse und aus der Durchführung der Gewandhausstrasse zieht der Entwurf „Vielleicht so“, welcher diese Strasse überhaupt nur an der Kreuzstrasse überbrückt, den westlichen Theil im Kreisbogen in die Gewandhausstrasse einschwingt und den östlichen Theil rechtwinklig für sich behandelt. Es entsteht hier ein interessanter Festsaalbau, der aber eine nur ungenügende Verbindung mit dem Hauptgebäude hat.

Entwurf des Hrn. Reg.-Baumeister Friedr. Ostendorf in Düsseldorf
Entwurf des Hrn. Reg.-Baumeister Friedr. Ostendorf in Düsseldorf

Wie schwer die ungeheuere Frontlänge des Gebäudes an der Maximilians-Allee bei völlig umbauter Baustelle empfunden wurde, beweisen die oft gewaltsamen Mittel, welche zu ihrer Unterbrechung angewendet wurden. Es sei in dieser Beziehung auf den Entwurf „Roland“ des Hrn. Hauschild in Dresden verwiesen, welcher den Mittelbau in unschöner Weise mit schrägen Flächen zurücklegt; es sei ferner der Entwurf: „Salus publica, suprema lex“ genannt, welcher den vorderen Theil mit den Sälen so im Kreisbogen nach einwärts schwingt, dass der Gewandhausstrasse eine zur Fassadenfläche senkrechte Durchführung gegeben werden konnte. Leider sind die aus dieser Anordnung entstehenden Schwierigkeiten nicht bemeistert. Wieder andere Verfasser haben sich mit starken Vor- und Rücklagen zu helfen versucht. Ein weiteres Mittel, die grosse Baumasse an der Ringstrasse zu bemeistern, bestand darin, hier einen oder mehrere mächtige Thürme aufragen zu lassen. Die schönste Lösung dieser Art, zugleich in glücklicher Verbindung mit der Durchführung der Gewandhausstrasse, zeigt der vortreffliche Entwurf des Hrn. Ostendorf in Düsseldorf.

Entwurf des Hrn. Reg.-Baumeister Friedr. Ostendorf in Düsseldorf
Entwurf des Hrn. Reg.-Baumeister Friedr. Ostendorf in Düsseldorf

Die Thurmfrage überhaupt war bei einem so umfangreichen Gebäudekörper eine Frage von höchster Bedeutung. Eine geschickte Lage des Thurmes konnte über manche Schwierigkeiten der Gruppirung hinweghelfen. Nicht vollen Beifall wird man der Thurmlösung spenden können, die Hr. Wendt in seiner interessanten Arbeit bevorzugt hat. Die Lage der Thürme im Inneren des Baukörpers bietet bei aller Mächtigkeit der Entwicklung derselben doch nicht genug Gewähr dafür, dass sie in den Hauptansichten immer zu einer entsprechenden Mitwirkung kommen. Anzuerkennen sind mit Wärme der wuchtige Aufbau und die beherrschende Rolle, die er ihnen zu geben wusste. Aber dennoch wird man bezweifeln dürfen, ob der Gedanke ein glücklicher ist. Ein in das Innere eines Gebäudes verlegter Thurm kann nicht die unmittelbare Wirkung haben, wie etwa der Vierungsthurm einer romanischen Kirche, und was beim Rathhause in Leipzig eine historische Nothwendigkeit war, gewinnt nicht zugleich auch Berechtigung für das Dresdener Rathhaus. Schon aus den vorstehenden Erwägungen wird man erkennen, dass gerade die Thurmfrage bei diesem Rathhause nicht die leichteste ist. Sieht man von der trefflichen Zwillings-Thurmanlage des Hrn. Ostendorf ab, so haben wir noch in der Thurmlösung des Entwurfes „Wahrzeichen“ des Hrn. Prof. Friedr. Ratzel in Karlsruhe einen Versuch, dem Kennworte gemäss in die Umrisslinie des Stadtbildes von Dresden ein neues Moment, ein neues Wahrzeichen einzufügen, welches neben der Frauenkirche sich Geltung verschaffen könnte. Der Entwurf enthält zugleich den beachtenswerthen Versuch, einen mächtigeren inneren Thurm und einen kleineren Fassadenthurm zu schaffen und beide zu einer malerischen Baugruppe zu verbinden, eine hochinteressante Lösung. Mit 5 Thürmen tritt der Entwurf der Hrn. Reichel & Kühn auf, mit 3 Thürmen erscheint der Entwurf mit dem Kennzeichen des grün und weissen Schildes. Nur wenige Entwürfe haben mit einem Thurm ihr Auskommen gefunden, der dann entweder die Gruppe der Säle überragt, oder an der Gewandhausstrasse steht, oder auch die östliche Ecke des Gebäudes beherrscht. Hierzu zählen unter anderem die Entwürfe der Hrn. Lossow & Viehweger in Dresden, der Hrn. Schilling & Gräbner, gleichfalls in Dresden, des Hrn. Karl Grosser in Breslau, der Entwurf „Trotzdem“ usw.
(Schluss folgt.)

Der Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Rathhaus in Dresden.

(Schluss)
(In unsere No. 28 haben sich leider Irrthümer eingeschlichen, Welche die Leser aber vielleicht schon selbst verbessert haben. Der Entwurf der Hrn. Lossow & Viehweger errang nicht den III, sondern den dritten I, Preis, und der Entwurf der Hrn. Joh. Reichel & Heinr. Kühn wurde nicht zum Ankauf empfohlen, sondern durch den III. Preis ausgezeichnet.)

Entwurf mit dem Kennwort Alte Weise
Entwurf mit dem Kennwort Alte Weise
Entwurf mit dem Kennzeichen des grünen und weissen Schildes
Entwurf mit dem Kennzeichen des grünen und weissen Schildes

Die Stilfrage ist für das neue Rathhaus in Dresden eine der interessantesten und wichtigsten. Die Bedingungen des Wettbewerbes gaben für dieselbe insofern einige Anhaltspunkte, als sie, ohne sonst Vorschriften über die Wahl des Baustiles zu machen, vorschrieben, dass der streng gothische Stil ausgeschlossen bleibe; dass ferner, und das hat auf den Stil auch einen gewissen Einfluss, die Schauseiten nach den Strassen in reiner Sandsteinarbeit, die Aussenseiten nach den Höfen in Ziegel und Putz ausgeführt werden sollten. Dass in einem Stadtbilde, wie es Dresden darbietet, ein Entwurf in streng gothischem Stile in seiner Ausführung vereinzelt dastehen würde, beweisen die wenigen streng gothischen Werke, welche Dresden vor längeren Jahren schon erhalten hat. Mit Recht legt der Verfasser der Bedingungen des Wettbewerbes den Nachdruck auf das Wort „streng“, denn es lässt sich, wie die Hrn. Börnstein & Kopp in Friedenau in ihrem schönen Entwurfe „Alte Weise“ (S. 167) gezeigt haben, sehr wohl eine freie, malerische, der strengen Systematik entkleidete Form der Gothik für das neue Rathhaus denken, welche nicht nur in Dresden vortheilhaft bestehen, sondern auch dem Gebäude eine charakteristische Gestalt verleihen würde. Leider halten die Bildungen des Grundrisses dieses interessanten Entwurfes mit den Vorzügen des Aufbaues nicht gleichen Schritt. Anzuerkennen ist bei dieser Arbeit insbesondere auch, dass die leidige Ladenfrage, welche eine der schwersten Bedingungen des Programmes bildete und welche von nicht wenigen Bewerbern einfach umgangen wurde, hier gelöst ist, ohne dass die Läden aus der Architektur und aus dem Stile herausfallen.

Entwurf mit dem Kennwort Februar 1901 der Herrn Lassow & Viehweger in Dresden. III. Preis
Entwurf mit dem Kennwort Februar 1901 der Herrn Lassow & Viehweger in Dresden. III. Preis

Die meisten der übrigen Entwürfe tragen entweder das Gepräge der deutschen Renaissance, oder das des Barockstiles und zwar in der verschiedensten Färbung. Die schönste Ausbildung der Renaissance bieten ohne Zweifel die Entwürfe der Hrn. Ostendorf und Wendt dar. Beide geben den deutschen Stil in seiner monumentalen, mehr süddeutschen Abart und erreichen damit den doppelten Zweck der würdigen, repräsentativen und doch auch wieder der malerischen Wirkung. Der sehr skizzenhaft dargestellte, aber sowohl im Grundriss wie im Aufbau geistvolle Einzelheiten aufweisende Entwurf „Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht“ verwendet die Renaissance wieder in anderer sehr eigenartiger Weise. Dass aber die meisten Entwürfe dem Rathhause für eine Stadt, die eine so hohe Blüthe der Barockkunst gesehen hat, den Barockstil zugedacht haben, kann nicht überraschen; überraschend ist vielmehr, dass, soweit wir bemerkt haben, nur ein Entwurf, der obenstehende mit dem Kennwort „Trotzdem“, diesen Stil in einer Weise verwendete, dass man ihr eine selbständige und hervorragendere künstlerische Bedeutung beilegen könnte. Die bisweilen an amerikanische Vorbilder erinnernden Bildungen sind vielleicht etwas zu wuchtig und schwer, es kann ihnen aber eine freie interessante Aufnahme des Stiles nicht abgesprochen werden. Mit ihrem Kennworte „Im Stile Dresdens“ verweisen die Hrn. Heino Otto und Felix Voretzsch unmittelbar auf den Barockstil hin und haben in ihrem Entwurf manchen guten Einfall gezeitigt. Eine selbständige Stellung innerhalb der Stilfrage nimmt der Entwurf des städtschen Hochbauamtes ein. Die Erläuterung dazu lautet: „Der Stil ist so gewählt, dass er in seinen Grundformen sich dem Barockstil Dresdens anschliesst, in seiner Durchführung aber den modernen Anschauungen angepasst ist“. Damit kommen wir zu einer Erörterung, die vielleicht eine gewisse allgemeine Bedeutung einschliesst. Das ist die Frage nach der Eignung des modernen Stiles für ein Gebäude, welches unter dem Einflusse so zahlreicher Ueberlieferungen aus der deutschen Vergangenheit steht und in dieser seine glänzendsten Vorbilder findet.

Entwurf mit dem Kennwort Februar 1901 der Herrn Lassow & Viehweger in Dresden. III. Preis
Entwurf mit dem Kennwort Februar 1901 der Herrn Lassow & Viehweger in Dresden. III. Preis

Thatsächlich haben zwei Entwürfe des Wettbewerbes den modernen Stil in hervorragender Weise zur Anwendung gebracht: der Entwurf „Ernstes Streben“ der Hrn. Schilling & Gräbner in Dresden, und der Entwurf „Sophie“ des Hrn. J. Reuters in Berlin-Wilmersdorf. Seit Schilling & Gräbner in dem Ausbau der Kreuzkirche und in dem neuen Gebäude der Sächsischen Handelsbank in Dresden jenen viel angefochtenen Stil anwendeten, welchem man mit Unrecht eine Modebezeichnung beilegt und welcher im Grunde nichts anderes bedeutet, als die Auslösung der architektonischen Schmuckform aus der Abstraktion und ihre Ueberleitung zu grösserer Natürlichkeit, seit ihnen in diesem Bestreben in der Prager Strasse und an anderen Orten Andere nachgefolgt sind, hat sich der moderne Stil in der Stadt Bärs und Sempers ein Heimathsrecht erworben, sodass er auch für ein künftiges Rathhaus inbetracht kommen kann, wenn die künstlerische Gestaltungskraft, die ihm Form und Inhalt geben soll, hierzu ausreicht. Wir haben aus Anlass des Wettbewerbes in Bremen die Ansicht vertreten, dass sich in das Strassenbild dieser alten Stadt sehr wohl auch eine Fassade modernen Stiles einfügen lasse, wenn diese mit taktvoller Zurückhaltung und mit künstlerischem Feingefühl ausgebildet ist. Beides lässt sich auch für das neue Rathhaus in Dresden anwenden. In dem Entwurfe der Hrn. Schilling & Gräbner ist demselben eine Form gegeben, die vielleicht ernste Beachtung verdient, eine Form, welche mit Scharfsinn und gereifter künstlerischer Kraft davon ausgeht, die Wege der Tradition da zu verlassen, wo ein alter Ast abgestorben erscheint, und neues Leben da einzufügen, wo das alte zu erlöschen beginnt. Der Entwurf, obwohl durchaus eigenartig und frei, fällt gleichwohl nicht aus dem Rahmen heraus, welchen die Umgebung der Baustelle und die historischen Ueberlieferungen der Stadt zur Bedingung machen. Er schliesst sich in der Grundrissanlage den guten Arbeiten des Wettbewerbes an, besitzt eine gross entwickelte Treppenhaus-Lösung, gruppirt die Baumassen in zweckmässiger Weise derart, dass der westliche Theil jenseits der Gewandhausstrasse, der zugleich die Säle enthält, in der Höhe gesteigert, der östliche Theil diesseits der Gewandhausstrasse aber niedriger gehalten ist, sodass eine gute Gruppirung in die Massen kommt, eine Anordnung, die auch von einer Anzahl anderer bedeutender Entwürfe gewählt wurde. Leider enthält der Entwurf einen inneren Gebäudetheil mit Mittel-Korridoren, ein Mangel, der auch bei preisgekrönten Entwürfen, z.B. dem der Hrn. Lossow & Viehweger, wiederkehrt.

Dieser hochinteressanten Arbeit schliesst sich die des Hrn. Reuters in Wilmersdorf in ihrer kraftvollen und eigenartigen Architektur an. Der Verfasser bildet die über zwei symmetrisch gelagerten Treppenhäusern angeordneten beiden Thürme als das die langgestreckte Fassade an der Maximilians-Allee beherrschende Motiv aus. Vielleicht leidet der Aufbau etwas darunter, dass sich gleichartige Bildungen zu häufig wiederholen. Den Sitzungssaal legt der Verfasser nach rückwärts, eine Anordnung, welcher man bei diesem Wettbewerbe seltener begegnet, da die meisten Verfasser ihn in die Saalgruppe mit einbezogen haben, die neben ihrem alltäglichen Zwecke zugleich festlichen Veranstaltungen dienen soll.

Entwurf mit dem Kennwort Ernstes Streben der Hrn. Schilling & Gräbner in Dresden
Entwurf mit dem Kennwort Ernstes Streben der Hrn. Schilling & Gräbner in Dresden
Entwurf mit dem Kennwort Ernstes Streben der Hrn. Schilling & Gräbner in Dresden
Entwurf mit dem Kennwort Ernstes Streben der Hrn. Schilling & Gräbner in Dresden

Eine besondere Stellung hinsichtlich der künstlerischen Ausbildung nimmt ein Entwurf ein, welchen wir S. 167 zur Wiedergabe gebracht haben, der Entwurf mit dem Kennzeichen des grün und weissen Schildes. Der Verfasser hat den beachtenswerthen Versuch unternommen, die sämmtlichen Säle in einem an der östlichen Spitze des Geländes diesseits der Gewandhausstrasse gelegenen besonderen Saalbau mit grossartig entwickeltem Prachttreppenhause, etwa nach Art des neuen Gerichtsgebäudes in der Grunerstrasse in Berlin, zusammenzufassen, eine Lösung, welche ernste Würdigung verdient und zu einem Werke Veranlassung geben kann, welches sich den unabhängigen architektonischen Schöpfungen, die hier und da als seltene Lichtpunkte in der Baukunst unserer Tage entstehen, würdig anreihen könnte. Dazu würde auch die künstlerische Ausbildung der übrigen Theile des Gebäudes beitragen, bei welcher der Farbe im Aeusseren – eine wichtige Rolle zugetheilt ist.

Entwurf mit dem Kennwort Fünf Thürme der Hrn. Joh. Reichel u. Reinh. Kühn in Leipzig (Zum Ankauf empfohlen.)
Entwurf mit dem Kennwort Fünf Thürme der Hrn. Joh. Reichel u. Reinh. Kühn in Leipzig (Zum Ankauf empfohlen.)

Ein weiteres Eingehen auf die Entwürfe, namentlich auch auf die zur Auszeichnung gelangten, wird man uns erlassen können. In unserem reichhaltigen Abbildungsmaterial sprechen sie für sich selbst. Erwähnt sei nur, dass die allgemeinen Anordnungen fast durchweg so getroffen waren, dass der Ringstrasse die Repräsentation, der Kreuzstrasse und dem Inneren der Gebäudegruppe der geschäftliche Verkehr zugewiesen waren. Bei der Gesammtvertheilung der Räume, bei der weitgehenden Theilung des Grundstückes und bei der Anordnung zahlreicher Höfe wird man sich aber dem Eindrucke nicht ganz verschliessen können, dass die Zurechtfindung in einem solchen Gebäude für den Fremden nicht ohne Schwierigkeiten stattfinden würde. Es dürfte deshalb unter anderem die Anregung zu beachten sein, ob es sich nicht empfehle, eine Art Zentralraum im Mittelpunkte der Anlage zu schaffen, von welchem die Korridore zu den einzelnen Raumgruppen auslaufen, eine Anordnung, die ohne Zweifel grossen Schwierigkeiten begegnen aber einem Mangel abhelfen würde, welcher dereinst sich empfindlich fühlbar machen dürfte. Freilich hat ein grosser Theil der zur Auszeichnung gelangten Entwürfe diesem Umstande schon dadurch Rechnung getragen, dass vor den Sälen und den unter ihnen liegenden Raumgruppen Wandelhallen von mächtiger Ausdehnung angeordnet wurden, an welchen, leicht zu finden, die Treppenhäuser liegen und auf welche auch die Haupt-Korridore einmünden. Durch Gestaltungen dieser übersichtlichen Art ausgezeichnet sind die Entwürfe der Hrn. Ostendorf, Wendt, Reichel & Kühn, Grosser usw. Insbesondere die Entwürfe der Hrn. Reichel & Kühn (S. 173) und Grosser (S. 181) zeigen in der übersichtlichen Anordnung eine unübertroffene Klarheit.

Entwurf mit dem Kennwort Trotzdem
Entwurf mit dem Kennwort Trotzdem

Was den Entwurf des städtischen Hochbauamtes von Dresden anbelangt, so wurde schon berührt, dass er in der Sorgfalt der Durcharbeitung, soweit die praktischen Bedürfnisse infrage kommen, alles erreicht haben dürfte, was zu erreichen war, wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass die künstlerische Durchbildung sowohl des Grundrisses wie des Aufrisses nicht gleichen Schritt hält mit den guten der zur Auszeichnung gelangten Entwürfe. In der intimeren Durcharbeitung der Einzelheiten des Grundrisses, in der künstlerischen Bewältigung der durch die Raum- und Hofverschneidungen entstandenen Schwierigkeiten kann der Entwurf bei allem Verdienste ebenso wenig Beifall finden, wie in seiner Stilauffassung. Dennoch überragt er erheblich den Hauschild’schen Entwurf.

Entwurf des städtischen Hochbauamtes von Dresden (ausser Wettbewerb)
Entwurf des städtischen Hochbauamtes von Dresden (ausser Wettbewerb)
Entwurf des städtischen Hochbauamtes von Dresden (ausser Wettbewerb)
Entwurf des städtischen Hochbauamtes von Dresden (ausser Wettbewerb)

Ueberblickt man das Ergebniss dieses bedeutsamen Wettbewerbes imganzen, so wird man bei voller Anerkennung der aus ihm hervorgegangenen guten Entwürfe sich doch auch in Dresden dem Eingeständnisse nicht entziehen können, dass dieses Ergebniss wohl den Erwartungen, die man nach den unvollständigen Vorbedingungen, unter welchen der Wettbewerb eingeleitet wurde, noch hegen durfte, dass es aber keineswegs der grossen Bedeutung der Aufgabe entsprach. Denn als der Rath der Stadt Dresden erklärte, dass die Zuerkennung eines Preises oder der Ankauf eines Entwurfes keinen Anspruch auf die weitere Bearbeitung oder auf die Bauleitung begründen; als er ferner für die preisgekrönten oder angekauften Entwürfe das unbeschränkte Eigenthum und das völlig freie Benutzungsrecht forderte, also auch hiermit jede Aussicht auf spätere Betheiligung eines Siegers an den weiteren Arbeiten abschnitt, da konnte er sich wohl voraussagen, dass ausser den Dresdener Fachgenossen, für die vollzählig auf dem Plane zu erscheinen in diesem Falle eine Ehrensache war, kaum einer der deutschen Architekten, die sich in den grossen Wettbewerben der letzten Jahre in siegreichem Kampfe einen klangvollen Namen und vor allem durch treffliche Ausführungen den Ruf hervorragender Baukünstler erworben haben, an dem Wettbewerbe theil nehmen würde. Die Preisentscheidung hat diese Voraussicht denn auch gerechtfertigt. Das Beispiel von Leipzig, welches insofern dem Dresdener Wettbewerb glich, als auch dieses eine Aussicht auf Theilnahme eines Siegers, der nicht Hugo Licht war, an der Ausführung sehr unwahrscheinlich erscheinen liess, welches aber wiederum von dem Dresdener Wettbewerb insofern wesentlich abwich, als der Wettbewerb von Leipzig dazu dienen sollte und auch dazu gedient hat, die Voraussetzung, die man für Hugo Licht als einen der ersten deutschen Architekten hegte, zu bestätigen und eine durch mehrere Vorentwürfe von höchster künstlerischer Bedeutung erworbene Anwartschaft auf die grosse Aufgabe zu bekräftigen, dieses Beispiel hätte in Dresden Lehre sein sollen und Lehre sein können. Es hätte dann vielleicht nicht erst des Verlaufes dieses Wettbewerbes bedurft, um die leitenden Faktoren in der schönen Königsstadt an der Elbe zu der Ueberzeugung zu bringen, dass nur ein Unternehmen ohne allen Rückhalt geeignet gewesen wäre, einen vollen, einen allseitig befriedigenden Erfolg zu bringen. Denn wer nehmen will, muss geben. Ein guter und reifer Entwurf von grossem Wurf und von selbständiger Eigenart konnte nur erwartet werden, wenn ein grosses Ziel in Aussicht stand. Und dieses Ziel ist und bleibt für den Baukünstler die Ausführung.

Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)
Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)
Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)
Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)

Wenn wir nun recht unterrichtet sind, so besteht in Dresden die Absicht, die Sieger des nunmehr entschiedenen Wettbewerbes sowie noch eine Anzahl anderer Theilnehmer desselben zu einem engeren Wettbewerb zu berufen und den oder einen der Sieger dieser zweiten Konkurrenz an den Ausführungsarbeiten theilnehmen zu lassen. So freudig diese Absicht begrüsst werden kann, und so sehr man im Interesse der Aufgabe und auch des deutschen Konkurrenzwesens hoffen muss, dass sie verwirklicht werde, so kann man andererseits das Bedauern doch nicht unterdrücken, dass durch die verfehlte Grundlage des ersten Wertbewerbes eine grosse Anzahl von Fachgenossen, welchen die Lösung einer so vornehmen Aufgabe eine willkommene Gelegenheit zur wiederholten Erprobung ihrer künstlerischen Kraft gewesen wäre, von der Mitarbeit ausgeschlossen wurde.

Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)
Entwurf mit dem Kennwort Ring des Hrn. Karl Grosser in Breslau (zum Ankauf empfohlen.)

Unabsichtlich, wie willig anerkannt sei. Denn bei allen Erwägungen und kritischen Bemerkungen über die Durchführung dieses Wettbewerbes dürfen die grossen Schwierigkeiten nicht verkannt werden, in welchen die Leiter eines so umfangreichen städtischen Gemeinwesens wie Dresden durch die von allen Seiten auf sie eindringenden Ansprüche persönlicher Natur, durch die zahlreichen Strömungen und Gegenströmungen im Kreise ihrer Mitarbeiter und Berather sich befinden. Unter solchen Verhältnissen eine neutrale Entscheidung herbeizuführen, war ein Wettbewerb der geeignetste Weg, und wenn man einerseits wiederholt beklagen darf, dass in ihm nicht alles dargeboten werden konnte, was man erwarten durfte, so darf andererseits die deutsche Fachgenossenschaft der städtischen Verwaltung von Dresden vielleicht Dank dafür wissen, dass er überhaupt ausgeschrieben wurde.

Der weiteren Entwicklung der Dinge sehen die weitesten Kreise nunmehr mit Spannung entgegen.

Denn die Erbauung eines neuen Rathhauses in Dresden, der reichen Kunststadt mit ihren grossen Ueberlieferungen, ist keine Angelegenheit, die sich auf Dresden beschränkt, sie ist nicht einmal nur eine sächsische Angelegenheit, sie ist vielmehr eine deutsche, ja eine europäische Angelegenheit. Wer den Ernst des Augenblicks erfassen will, muss der Aufgabe diese Bedeutung zugestehen. Möge daher über dem weiteren Verlauf der Dinge der glückliche Stern selbstlosesten Willens und gereiftester Künstlerschaft leuchten. –

Albert Hofmann.

Dieser Artikel erschien zuerst am 30.03., 06. & 10.04.1901 in der Deutsche Bauzeitung.