Die neue kathol. Pfarrkirche in Busenbach in Baden

Die Befriedigung des dringenden Bedürfnisses nach einem Kirchen-Neubau war in dem 3km östlich von Ettlingen auf der Nordlehne des Albthales gelegenen Pfarrdorf Busenbach durch 11jährigen Streit über die Wahl des Bauplatzes zurückgehalten worden. In diesem Interessenkampf Stellung zu nehmen, konnte dem Architekten um so weniger erlassen bleiben, als für Beibehaltung des vorhandenen Kirchenplatzes – eines an der Kreuzung zweier Ortsstrassen hochgelegenen ehemaligen Friedhofes, in dessen Mitte das räumlich ungenügende und baulich geringwerthige Kirchlein von 1750 einem Zerfall drohenden gothischen Chorthurm vorgelegt sich befand – sowohl historische und ethische, als auch wirthschaftliche, technische und ästhetische Gründe von solchem Gewichte sprachen, dass dagegen keine der anderen mit zähester, aufklärende Widerlegung unbeachtet lassender Hartnäckigkeit in Vorschlag gebrachten Baustellen ernstliche Beachtung verdiente.

Erst aufgrund eines Gutachtens des Hrn. Brth. Prof. A. Weinbrenner in Karlsruhe trat das Grossh. Bezirksamt Ettlingen thatkräftig ein und entschied meinem Vorschlage gemäss für die historische, althergebrachte Baustelle dadurch, dass dasselbe zu anderen Platzkäufen die staatliche Genehmigungs-Ertheilung versagte. Erschwerte dies langandauernde Ringen das Verhältniss des Architekten zum unterlegenen Bauherrn, so brachte der aufgelaufene 11jährige Zinsenzuwachs des Baukapitals doch den Vortheil, dass wenigstens 85 000 M. zum Neubau verfügbar wurden.

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Diese immerhin sehr bescheidenen Baumittel, der in seiner Tiefe etwas beschränkte Bauplatz, sowie ferner die Bedingung, dass für zu gewärtigende Bevölkerungszunahme, welche bei der Nähe lohnender Arbeitsgelegenheit durch die Ettlinger Spinnereien sehr wahrscheinlich ist, die Möglichkeit künftiger Vergrösserung ins Auge gefasst werde und endlich der Wunsch der Gemeinde, dass der Thurm in die Axe des Langhauses an die Vorderfront zu stehen komme, waren für die Gestaltung maassgebend.

Im Spätsommer 1891 begonnen, im folgenden Jahre unter Dach gebracht und im Herbst 1893 vollendet, ist die Kirche in den schlichtesten Formen romanischer Bauweise als lateinisches Kreuz mit dreischiffigem, von Ost gen West laufendem Langhaus mit Chorabside und einschiffigem Querbau in gediegener Einfachheit errichtet. Vom Langhaus liegen 3 ½ und bez. 3 3/4 Joche von 4,5 m Axweite östlich der Vierung und 1 Joch westlich derselben, welch letztes derzeit als Vorchor dient und 5 Stufen über den Kirchenboden erhöht ist. Die Lichtweite beträgt beim Querschiff 18,5 m, im Langhaus 15,5 m, wovon 10 m auf das Mittelschiff und je 2,75 m auf die Seitenschiffe entfallen. Die etwas verbreiterte Fortsetzung der Seitenschiffe jenseits des Querschiffs ist zunächst für Sakristeizwecke eingerichtet und der dem Seitenschiff entsprechende Nebenchor jeweils in die Schildwand eingebaut. Fünf Portale, wovon zwei ins Querschiff, drei ins Langhaus führen, vermitteln den Verkehr.

Die kath. Pfarrkirche zu Busenbach – Architekt Brth. A. Willard

Die künftige Vergrösserung, durch welche 120 Sitze gewonnen werden, beschränkt sich auf das Abtragen der Hauptabside und den Wiederaufbau derselben nach Einschaltung eines weiteren Mittelschiffjoches als künftiges Vorchor, das Herausnehmen der Nebenabsiden und der Schildwände gegen Querschiff und jetziges Vorchor, das Herunterlegen der Böden der zum Schiff zu zielenden Bautheile auf die Ebene des Langhausbodens und endlich den Anbau einer einzigen, gegen Süden zu richtenden Sakristei von etwa 25 qm Bodenfläche. Diese Erweiterung, welche indess voraussichtlich auch bei rascher Bevölkerungszunahme noch in 100 und mehr Jahren nicht einzutreten haben wird, weil die noch unbestuhlten Seitenschiffe neben reichlichem Raum für Umgang und Stehplatz eine Vermehrung der nach dem jetzigen Bedarf vorhandenen 504 Sitzplätze um weitere 90 Sitze zulassen, ist im Bau organisch dadurch vorbereitet, dass sowohl die Vierungspfeiler als die in Seitenschiffhöhe von ihnen ausgehenden Quaderbögen mit ihren Kämpfern und Wandstützen vollständig ausgeführt sind und durch Herausnehmen der Einbauten (Schildwände) nur freigelegt zu werden brauchen.

Die kath. Pfarrkirche zu Busenbach in Baden

Das Aeussere der Kirche ist durchweg in hammerrechtem Schichtengemäuer aus rothem, auf der Gemarkung brechendem Sandstein mit spärlicher Verwendung des beiläufig 6 km entfernt brechenden Hausteins von Stupferich hergestellt worden.

Im Innern hat reichlichere Verwendung von Quadern stattgefunden, indem nicht nur die Säulenmonolithe des Mittelschiffes und der Empore mit Fuss und Kapitell, sondern auch die Vierungspfeiler, die Mittelschiffbögen, die grossen Quergurtbögen sammt Trägern im Mittel- und Querschiff, die Gurtbögen der Seitenschiffe in Verbindung mit den unter Dach liegenden Strebebögen, die ins Innere tretenden Strebepfeiler, die Quaderkette und der Triumphbogen der grossen Chornische, sowie ferner die 3 säulengetragenen Altartische mit ihren Stufen-Unterbauten, die grosse Chortreppe, der Kanzelfuss, die 10 Weihwasserbecken usw. aus sauber aufgeschlagenen und theilweise geschliffenen rothen Werkstücken bestehen.

Die kath. Pfarrkirche zu Busenbach – Architekt Brth. A. Willard

Zwischen die Quaderbögen sind ½ Stein starke Gewölbe aus rheinischen Tuffsteinen – im Mittel- und Querschiff als Kreuzgewölbe mit nach rückwärts verstärkten Gräten und starker Busung, in den Seitenschiffen nach einem zwischen dem Klostergewölbe und der böhmischen Kappe vermittelnden Bildungsgesetze – eingespannt; die Absiden gehen ohne Betonung der Kämpferlinien aus der Zylinderfläche in die Kugelhaube über.

Neben dem Haupteingang führt im Innern eine eingenischte Wendeltreppe auf die Orgelbühne, welche als hölzerner Einbau in das Schiff vortritt; die der Emporentreppe entsprechende südöstliche Nische nimmt nicht, wie im Plan vorgesehen, den Taufstein, sondern pfarramtlichem Verlangen gemäss den Beichtstuhl auf, während erster im Vorchor seinen Platz erhalten hat.

Der mit ¾ seiner Grundfläche heraustretende Thurm bildet die nach drei Seiten offene gewölbte Vorhalle des Haupteinganges mit zwei seitlichen Freitreppen; der überwölbte Raum hinter der Orgel dient den Gebläsen und zum Läuten. Die ringsum dreibogig geöffnete Glockenhalle ist, in die Dachhaube aufsteigend, mit sauberem Backsteingewölbe und Einsteigladen geschlossen. Zur Dachdeckung sind Ludovici’sche Falzziegel – für das Schiff getheerte, für die Thurmhaube glasirte mit Musterung – angewendet, während die runde Chornische Blechdeckung erhalten hat.

Die Bodenbeläge bestehen unter dem Gestühl aus tannenem Boden auf eichenen, über Zementestrich gelegten Ripphölzern, sonst durchgehends aus Terrazzo.

Sämmtliche Verglasungen siud in Kathedral- und Antikglas als Grauwerk mit farbigen Bordüren, die grossen und kleinen Rosen in bunter Teppichbehandlung durch Glasmaler Drinneberg in Karlsruhe wirkungs- und stilvoll ausgeführt. Durch die glückliche Zusammenwirkung der kräftigen Steinarchitektur, deren satter roth-violetter Ton zum Ausgangspunkt für die übrige Farbstimmung gewählt wurde, und durch die struktive Behandlung des Mobiliars ist die innere Ausgestaltung in Ansehung des bescheidenen Bauaufwandes eine überraschend reiche.

Die Altarnischen wurden von Hrn. Maler Schultis mit figurenreichen Bildern geschmückt, und zwar die Hauptabside mit Christi Himmelfahrt in Tempera, während die bildlichen Darstellungen in den Nebenabsiden: Maria in trono mit den Heiligen Konrad, Bernhard, Agnes und Barbara und Tod des hl. Josef, sowie die vier Bogenfelder-Vierpässe des Querschiffes mit Kniestücken der Heiligen Katharina, Sebastian, Wendelin und Magnus sämmtlich in matter Oelfarbe ausgeführt sind.

Von der Innigkeit und dem Gefühlsausdruck dieser Malereien im Geist und Bann der Beuroner Schule ist die Gemeinde mehr befriedigt als der Architekt, der – bei aller Achtung und voller Anerkennung der sauberen, gewissenhaften und hingebenden Ausführung – doch darin sowohl engere Beziehungen zur stilistischen Haltung. seines Bauwerks, als auch das Anlehnen an die Natur nur ungern vermisst. Die nördliche und südliche Querschiffwand haben oberhalb der Seitenschiff-Kämpfer in friesartiger Anordnung unter Baldachinen von Peter Rauth in Heidelberg 14 auf die Wand gemalte Kreuzweg-Stationen erhalten, von denen je eine auf den östlichen Widerkehren gegen die Seitenschiffe Platz gefunden hat. Von demselben Maler ist auch das Brustbild des königlichen Sängers David vor der Orgelbühne, Intarsienartig gemalte Evangelisten-Symbole auf die Ahornfüllungen des Kanzelkorbes hat Hr. Konrad Schmider in Karlsruhe geliefert.

Die Dekorationsmalereien wurden nach meinen Plänen und Anleitungen sehr sauber und korrekt durch den Ettlinger Maler A. Kessler ausgeführt, der sich dazu den form- und farbgewandten Hrn. Arch. Slevogt beigesellt hatte.

Die Kunsttischlerarbeiten der Altaraufsätze, der Kanzel sammt Treppe, des Beichtstuhles, der Chorstühle und der Kommunionbank waren Hrn. A. Binnig in Oedheim anvertraut, während die in Zierbeschlägen, Altarleuchtern und Kandelabern, Wandarmen und dergl. bestehenden Kunstschmiedearbeiten durch Wenz und Alvera in Söllingen geleistet sind.

Ein sehr edel gehaltener Crucifixus, das Werk des Hrn. Bildhauer J. Baumeister in Karlsruhe, breitet in ernster Milde aus der Bogenhalle des Hauptportales dem Eintretenden die Arme entgegen. Beide vor den Ideal-Baldachinen der Triumphbogen-Pfeiler postirten Holzstatuen waren vorhanden und sind nur vorübergehend geduldet, um später im Maasstab geeigneteren Skulpturen zu weichen.

Nach der im Dezember l. J. stattgehabten Rechnungsablage beläuft sich der gesammte Bauaufwand einschliesslich Ausstattung und Bauführung, jedoch ausgenommen Orgel, Uhr und Glocken auf nicht ganz 84 000 M.

Davon entfällt auf:

a)Stützmauern des Kirchenplatzes sammt Zugangstreppen, schmiedeiserne Einfriedigungen, Pflasterung, Entwässerungs-Anlage usw.5 500 M.
b)Die Dekorations- und Kunstmaler-Arbeiten9 000 M.
c)Die Altaraufsätze, Kanzel, Kommunion-Bank, Taufstein, Chorstühle, Altar-Leuchter und Cruzifixe usw.4 300 M.
d)Cruzifixus am Portal600 M.

zusammen19 400 M.

Es verbleiben somit für den Rohbau der Kirche, inbegriffen die Bodenbeläge, die Verglasungen, die Tischlerarbeiten sammt Gestühl und die Altarkörper rd. 64 600 M. Baukosten, welche bei einem kubischen Inhalt von 6031 cbm – wobei der Thurm doppelt gerechnet ist, die Dachwerke dagegen vernachlässigt sind – einen Einheitspreis von 64 600 : 6031 = 10,71 M. für den durchaus monumental behandelten Bau ergeben.

Nach der Nutzeinheit betrachtet und vom Gesammtaufwand nur die zufälligen Kosten der Kirchenumgebung abgerechnet, stellt sich – bei 594 Sitzplätzen, welche nach der künftigen Bestuhlung der Seitenschiffe vorhanden sind der Preis für einen Sitzplatz auf (84 000 – 5 500) / 594 = 132,16 M.

Solche ungewöhnlich niederen Kostenaufwände sind nur zu erzielen durch Einschränkung des Materialverbrauchs auf das unbeschadet der Sicherheit und Solidität zulässige Mindestmaass und den Verzicht auf bedeutendere Höhenentwicklung, welch’ letztere ohnehin nicht selten eine Klippe der praktischen Brauchbarkeit gewölbter Kirchenräume geworden ist. Dass an dem günstigen Abrechnungs-Ergebniss im vorliegenden Falle nicht etwa besonders vortheilhafte Gründungsverhältnisse betheiligt sind, mag der Umstand erweisen, dass die frühere Widmung des Bauplatzes als Begräbnisstätte mit den Grundmauern über 2,5 m tief in den Boden zu gehen verlangte.

Es erübrigt, dem Hrn. Arch. Wilh. Sunder aus Liesborn in Westf., welcher die Werkrisse bearbeitete und sich in die Oberleitung an der Baustelle mit mir theilte, sowie dem erfahrenen, gewissenhaften und umsichtigen Bauführer Karl Fischer aus Odenheim den ihren Verdiensten gebührenden Dank auszusprechen.

Durch das Gelingen des Baues und das günstige Ergebniss der Abrechnung ist der langjährige Hader in Busenbach begraben und Freude und Frieden in die Gemeinde wieder eingekehrt.

Karlsruhe, im Juni 1894. A. Williard, Gr. Brth.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutschen Bauzeitung.