Die Panamarevolution

Karte der neuen Republik Panama

Von Professor Dr. Ernst von Balle.

Die Nachricht, die der Welt in den ersten Tagen des Monats durch den Draht übermittelt wurde, am Isthmus von Panama sei wieder einmal eine kleine Revolution ausgebrochen, hat bei den aufmerksamen Beobachtern der Entwicklung kein Erstaunen erregt.

Seitdem der Abfall von Spanien in den Jahren 1823 bis 1825 zur definitiv anerkannten Tatsache geworden war, sind stets nur wenige Jahre verflossen, ohne daß in jenen Treibhausländern des amerikanischen Mittelmeers die Hitze in die politischen Köpfe stieg und man, mit einer schlechten Regierung unzufrieden, versuchte, eine andere schlechte Regierung an ihre Stelle zu setzen. Jetzt hat der Isthmusstaat oder der Staat von Panama einmal wieder seine Unabhängigkeit erklärt. Das ist schon an sich nichts Besonderes, Von der ursprünglichen Republik Neugranada machten sich bereits 1841 die Provinzen Veragua und Panama unter dem Namen eines Staats des Isthmus von Panama unabhängig. Sie kehrten alsbald zwar reuig in den Schoß der Ihren wieder zurück, 1857 aber proklamierte Panama, von einem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machend, aufs neue seine Souveränität und schloß mit den Nachbarstaat einen Bundesvertrag; 1861 organisierte sich das ganze Land als Staatenbund „Vereinigte Staaten von Kolumbien“, bis es sich 1886 in einen Bundesstaat verwandelte.

So hat man in achtzig Jahren sechsmal ein neues Staatsgewand angezogen, warum soll man’s nicht auch zum siebentenmal tun?

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Die Republik Kolumbia erstreckt sich von der Grenze von Costarica 12° 20‘ nördlicher Breite bis an die noch unbestimmten Abgrenzungen mit Ecuador, Peru und Brasilien, während man sich mit Venezuela seit 1891 geeinigt hat. Auf dem Gebiet von 505 000 englischen Quadratmeilen wohnen etwa 4 Millionen Menschen – seit 1871 hat man sie nicht genau gezählt, und es kommt ja schließlich auch in diesen Gegenden nicht so genau darauf an. Das Departement von Panama verfügt über 32 000 Quadratmeilen, also nur etwa 8 Prozent des Landes, und vielleicht 550 000 Einwohner, etwa 9 Prozent der Bevölkerung. Es wäre sogar vom Standpunkt der kolumbischen Machthaber noch nicht einmal ein so großer Verlust, um dessentwillen man sich unter allen Umständen so sehr erhitzen müßte, was bekanntlich in jenen Gegenden besonders ungesund ist, wenn es sich nicht gerade um den wichtigsten und zurzeit bei weitem wertvollsten Bestandteil des Landes handelte.

Seit den Zeiten, da die spanischen Gallionen alljährlich nach Portobelo fuhren und hier die Waren ausluden und die Schätze einnahmen, die das Jahresergebnis des Handels mit der südamerikanischen Westküste darstellten, seit sich die Engländer im Asientovertrag das Recht ausgemacht hatten, alljährlich auch ein Schiff zum Warenaustausch hierherzusenden, den sie dadurch ins Ungemessene zu vergrößern wußten, daß allnächtlich die verkauften Waren von andern, mit hinübergefahrenen Schiffen wieder ergänzt, die eingekauften auf jene überladen wurden, bis zum Bau der Panamaeisenbahn ist dieser Isthmus stets das wichtigste Verkehrsglied zwischen dem atlantischen und pacifischen Meer nördlich vom Kap Horn gewesen. Erst der Bau der transkontinentalen nordamerikanischen Bahnen hat seine Bedeutung um einen Teil herabgemindert.

Ich habe versucht, in der „Woche“ vom 21. Februar d. J. auseinanderzusetzen, wie sich seither die Bestrebungen, den Isthmus mit einem neuzeitlichen Wasserweg zu durchschneiden, gestaltet haben. Damals war man im Kongreß zu Washington zu dem Beschluß gekommen, der neuen Panamakompagnie ihre Rechte und ihren Besitz, wenn sich jene als gültig erwiesen, für 40 Millionen Dollar abzukaufen und von der Republik von Kolumbia sich gegen eine Zahlung von 10 Millionen die Gerechtsamen übertragen zu lassen. Die Vereinigten Staaten wollten alsdann den Kanal auf eigene Rechnung fertig bauen und, während die äußere Territorialhoheit bei der Republik verbleiben sollte, sich doch die faktische, militärische Kontrolle, sowie den Betrieb des Kanals selbst für immer sichern. Wenn Schwierigkeiten entstanden, war der Präsident berechtigt, die Verhandlungen über den Bau der Nikaraguaroute wieder aufzunehmen.

Karte der neuen Republik Panama
Karte der neuen Republik Panama

Im September nun trat einmal wieder der kolumbische Kongreß zusammen, nach längerer Zeit zum erstenmal, da bis dahin infolge der unausgesetzien Revolutonen und Wirrungen im Land die Diktatoren in Bogota die Formalät seiner Berufung für unnötig erachtet hatten. Jetzt aber mußte man ihn zur Aktion heranziehen, das verlangte der inzwischen in Washington zwischen dem Staatssekretär Hay und dem kolumbischen Gesandten Herran vereinbarte Panamavertag. Der Bericht des Attorney-General Knor hatte sich für die Gültigkeit der Verlängerung der Konzession für die Panamakompagnie ausgesprochen. Tatsächlich war die Sache so, daß letztere zwar ihre Konzessionsverlängerung auf dem nicht ganz ungewöhnlichen Weg erzielt hatte, daß sie dem damaligen kolumbischen Präsidenten eine Million Dollar in der Stille bezahlt hatte und dieser darauf die Konzession über den Kopf eines aufgelösten Kongresses hinweg einfach erteilt hatte, aber man hielt es in Washington für opportuner, diese Konzession als bestehend anzusehen und die Panamagesellschaft für ihre Arbeiten einigermaßen zu entschädigen. Der Hay-Herranvertrag sollte die Beziehungen mit der Zentralregierung in Bogota regeln, und man hielt die zehn Millionen für ein immerhin genügendes Douceur, um auch die Bedenken der feinfühligeren Politiker einigermaßen zu beschwichtigen. Bald aber hörte man, daß man diese doch unterschätzt hatte. Kann

ein anständiger kolumbischer Politiker wichtige Souveränitätsgerechtsamen gegen die Verfassung und ihre Bestimmungen für einen so billigen Preis wie zehn Millionen Dollar preisgeben? Nein! Das war zu wenig. Dazu konnte man sich nicht verstehen. So wurde denn in Washington angedeutet für solches Bettelgeld sei man nicht zu haben. Allerdings verlautbarte, gegenüber einem Angebot von 25 Millionen und zumal, wenn auf einen genügenden Druck von Washington her die Panamakompagnie sich bereit finden ließe, weitere zehn Millionen Dollar aus den ihr in Aussicht gestellten 40 Millionen nach Bogota zu vergüten, dann ließe sich darüber reden.

Als man hierauf am Potomacfluß nicht eingehen wollte entschloß sich der kolumbische Kongreß zu der heroischen Tat, den Vertrag abzulehnen. Es wird behauptet, und eine mir vorliegende Karikatur aus dem Ohio State Journal illustriert es recht hübsch, daß bei der Ablehnung zwar die Stimme des kolumbischen Kongresses, aber die Hand des transkontinentalen nordamerikanischen Eisenbahntrusts zur Geltung gekommen wäre, welch letzterer sich seit Jahren aus wohlverständlichen Gründen gegen den Kanalbau mit Geld und Nachdruck gewehrt hat. Muß er doch befürchten, daß der Wasserweg ihm einen Teil des Verkehrs zwischen den Oststaaten und der Westküste streitig machen wird. In Bogota wird man sich ziemlich sicher gefühlt haben. Das Geld, das man etwa vom Eisenbahntrust erhalten hat, ist auf alle Fälle angenehm, und man brauchte nicht allzusehr zu befürchten, daß der Kanal alsbald nicht doch gebaut würde, denn das Nicaraguakanalprojekt ist nun einmal technisch und ökonomisch das bei weitem weniger günstige, wenn angesichts der Erdbebengefahren überhaupt ausführbar. So mußte man glauben, Nordamerika werde doch alsbald in den sauren Apfel der höheren Zahlungen beißen.

Aber es kam anders. Und das ist nur natürlich. Die öffentliche Meinung der Vereinigten Staaten konnte es wohl verstehen, daß im Jahr 1900 der Senat den Hay-Pauncefote-Vertrag ablehnte, weil dieser nicht genügend günstig war, und daß daraufhin England günstigere Bedingungen bewilligte, denn man weiß ja: England muß doch tun, was die Vereinigten Staaten wollen, sonst rückt man ihm in Kanada und Westindien mit unangenehmen Problemen auf den Leib. Die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten war aber auf das höchste entrüstet, als der kleine spanisch-amerikanische Staat Kolumbia den Versuch machte, durch Vertragsablehnung günstigere Bedingungen zu erreichen. Solchen Präzedenzfall wollte man keinenfalls schaffen, und mit Empörung betonten die amerikanischen Blätter, es sei überhaupt im höchsten Grad der Vereinigten Staaten unwürdig, sich mit einer Regierung von dem Kaliber und den sittlichen Qualitäten der Machthaber Kolumbiens in Verhandlungen einzulassen. Man kann auch wirklich sagen, es war nicht hübsch von den Herren, sich so gegen Uncle Sam zu benehmen; hatte dieser doch im Lauf der letzten Jahrzehnte mehrfach mit seinen Schiffen und Soldaten in die kolumbischen Wirren zugunsten der Wiederherstellung der Ordnung und Landes eingegriffen. Er ist hierzu vertragsmäßig berechtigt, sofern durch kriegerische Vorgänge der Verkehr auf der Isthmuseisenbahn in seiner Ungestörtheit gefährdet wird.

Die letzten Jahre sind in der Südecke des karibischen Meers ununterbrochen voll von Sturmmaximen gewesen.

Revolution in Venezuela, Revolution in Kolumbien, Kriegsgefahren zwischen beiden Staaten. Hier haben die Amerikaner stets mit Nachdruck die Aufrechterhaltung der Ordnung am Isthmus besorgt und der Zentralregierung bisher über die rebellionslustigen Isthmusbewohner zum Sieg verholfen.

„Welch abscheuliche Undankbarkeit!“ rief die amerikanische Presse aus. Daß man sich so gegen uns benimmt, zeigt klar und deutlich, daß die kolumbische Regierung im höchsten Grad unwürdig ist, und alle Bestrebungen der Isthmusbewohner, sich von diesem unerträglichen Druck blutdürstiger Tyrannen loszulösen, muß man in Zukunft mit allem Nachdruck unterstützen. Die American Monthly Review of Reviews, das gut orientierte Organ Albert Shaws, eines der in intimen Freunde des Präsidenten, widmete der Sachlage in seiner Okobernummer einen Artikel, der genau die kommenden Ereignisse voraussehen läßt. Darin wird erklärt, daß die sogenannte Republik von Kolumbien lange Zeit entweder in einem Zustand der Anarchie oder in einem des Despotismus gewesen, der so fanatisch und korrupt gewesen wäre, wie der orientalischer Machthaber. „Kolumbias Regierungssystem in der Gegenwart und in der jüngsten Vergangenheit ist ebensowenig der Achtung der Mitwelt würdig wie die dekadente Regierung von Marokko, wo Frankreich mit Zustimmung Europas gerade im Interesse des allgemeinen Wohls einzuschreiten sich anschickt. Es läßt sich ethisch oder durch den gesunden Menschenverstand noch weniger begründen, daß eine weitentfernte und unfähige Regierung in Bogota für immer die Souveränität über einen internationalen Verkehrsknotenpunkt wie den Isthmus von Panama bewahren soll, als etwa die Herrschaft der Regierung von Fez über den Eingang des Mittelmeers. Es ist vollkommen verkehrt, die Interessen der erpresserischen Abenteurer, die von Zeit zu Zeit die Regierung von Kolumbia ergreifen, mit den wahren Interessen des Volks zu vermischen, das bestimmt ist, den nordwestlichen Teil von Südamerika zu füllen und zu entwickeln usw.“ Nchts sei für die Interessen von Kolumbien besser, als unter amerikanischen Auspizien den Kanal gebaut zu sehen. Es wäre daher nur allzu begreiflich, da das ganze Interesse des Gebiets von Panama mit der Anwesenheit der Vereinigten Staaten auf dem Isthmus verknüpft sei, wenn die Bewohner dieses Distrikts ihrer Neigung nachgäben und sich von der kolumbischen Suprematie für immer loslösten. – Der Kenner der amerikanischen Geschichte weiß, was solche Aeußerungen bedeuten.

Vor allen früheren Gebietserweiterungen der Vereinigten Staaten hat man ähnliche Meinungen vernommen. Auch bei dem großen Konflikt zwischen Norden und Süden um die Zulassung des Staats Kansas hat man es einst nicht bei Meinungsäußerungen bewenden lassen, sondern mit Geld· und Menschenmaterial aktiv eingegriffen. Allerdings konnte es vielleicht wundernehmen, daß die in Washington an der Macht befindliche republikanische Partei das Sezessionsrecht eines Gliedes aus einem Bundesstaat staatsrechtlich zu verteidigen sucht und anerkennt; hat man doch von 1861-65 unter der Fahne dieser Partei dafür gekämpft, daß die Südstaaten zur Geltendmachung des Sezessionsrechts nicht berechtigt wären, da es ein solches nicht gäbe. Aber es ist doch ein großer Unterschied, ob solche Vorgänge sich im eigenen Haus vollziehen und das Gedeihen des eigenen Staats gefährden, oder in einem fremden Haus und dem eigenen von größtem Nutzen sind.

Daher ist es auch nur natürlich und das Beispiel gut gewählt, wenn die Novembernummer der Review of Reviews ausführt: „Seit einiger Zeit hört man von Gerüchten eines weitverbreiteten Wunsches der Isthmusbewohner, sich unabhängig zu machen und eine eigene Regierung wesentlich nach dem Muster der kubanischen Republik einzurichten, aber noch festere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten anzuknüpfen als Kuba.“ Wenn der Schritt geschähe, dann würde das Gleichgewicht auf dem Isthmus, das Nord- und Südamerika, Europa und Asien gleichmäßig von Nutzen wäre, gesichert sein, außerdem könne es Kolumbien, das nur seinen Vorteil nicht verstände, unter allen Umständen nutzen, wenn der Kanal gebaut würde. Man könne erwarten, wenn die Isthmusbewohner ihre Unabhängigkeit erklärten, daß die Vereinigten Staaten sie nicht abweisen würden.

Nun, der Schreiber jener Zeilen ist anscheinend ein über die inneren Vorgänge recht wohl unterrichteter Prophet gewesen: der Isthmus ist abgefallen, ein neuer Staat von Panama begründet, die Revolutionäre haben wesentliche Unterstützungen von den Vereinigten Staaten durch Truppenlandung und durch Sperrung der Isthmusbahn für kolumbische Truppentransporte, ohne die der eine Flotte nicht besitzende Mutterstaat Krieg nicht führen kann, erhalten. Die Regierung zu Washington hat in offiziösen Erklärungen und Noten den status quo fast offiziell anerkannt und zu verstehen gegeben, daß sie eine Einmischung anderer Mächte nicht für opportun halte. Damit ist der neue Staat so gut wie gesichert. – Das Ergebnis ist: die nordamerikanischen Eisenbahnen werden einiges Geld umsonst ausgegeben haben, das sonst ihren Aktionären als Dividende zugeflossen wäre, die Regierung von Bogota erhält keinen Pfennig und verliert die Aussichten auf jene Einnahmen, die der Isthmusverkehr dem Staatssäckel sonst gebracht haben würde. Die Zahl der mittelamerikanischen Republiken steigert sich um eine weitere. Nominell wahrscheinlich für absehbare Zeit frei, tatsächlich der wichtigste Stützpunkt für die Nordamerikaner zur Ausbreitung ihrer Machtsphäre. Ihnen wird es willkommen sein, auf diese Weise auch äußerlich ihre Position klarer und nachdrücklicher festzulegen.

„Der Kanal, den das Volk der Vereinigten Staaten zu bauen beabsichtigte, als es die Idee aufgriff, ein Staatsunternehmen daraus zu machen, war bestimmt – so erklärt Herr Shaw – in erster Linie Staatszwecken zu dienen.

Der Grund war, unsere Seestreitkraft zu verdoppeln, die Sicherheit unserer Küsten zu verstärken durch die Schaffung eines Einschnitts an einem Punkt, der den strategischen Zwecken und gleichzeitig der Förderung amerikanischer Handelsinteressen günstig ist. Ein breiter Streifen Land muß erworben und der Kanal auf einem Boden gebaut werden, der den Vereinigten Staaten ebenso zu eigen ist, als wenn sie durch den Staat Florida hindurchgraben.“

Nach diesem Grundsatz wird man verfahren, und das Sternenbanner wird über dem Kanal wehen und den Staat von Panama beschirmen. Die europäischen Staaten werden diese Entwicklung zweifellos mit vollständiger Ruhe ansehen.

Auf Aehnliches war man gefaßt, der einzige Unterschied ist nun, daß die Festsäle der Diplomatie in den Hauptstädten durch die pittoreske Erscheinung eines neuen exotischen Diplomaten, des anerkannten Vertreters der neuen Republik, verziert werden. Ueber die etwaigen Vorteile des Kanals für die Weltpolitik und den Welthandel habe ich gesprochen. Das wirtschaftliche Ausdehnungsbedürfnis des nordamerikanischen Handels nach der Westküste und nach Ostasien wird seine Befriedigung erhalten, und im Verkehr mit ersterem Gebiet werden die europäischen Handelsstaaten bis auf weiteres voraussichtlich mindestens gleiche Vorteile erfahren. Die Schaffung eines großen Weltdurchgangspunktes unter amerikanischer Oberhoheit ist politisch für England von wesentlicher Bedeutung, in zweiter Linie für die andern, in amerikanischen Gewässern und am dortigen Durchgangsverkehr interessierten Territorialherren. Am wenigsten in dieser Hinsicht für uns, die wir keine amerikanischen Kolonien besitzen und begehren. Eine politische Nebenwirkung aber wird durch die Vorgänge zweifellos erzielt werden: das nur eben ein wenig zur Ruhe gekommene Mißtrauen der spanisch-amerikanischen Gebiete gegen die Herrschergelüste der Vereinigten Staaten, ihre Abneigung gegen jene Interpretation der Monroedoktin „Amerika den Nordamerikanern“ wird gesteigert werden.

Aber die Nordamerikaner werden sich von dem Mißtrauen der kleinen südamerikanischen Staatengebilde wenig schrecken lassen. Ist doch einer der größten Vorteile der Monroedoktrin eben der, daß sie ihnen jenen gegenüber freie Hand gibt.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 46/1903.

Die Gründung der Republik Panama

Die Gründung der Republik Panama ist – das muß man den Regisseuren des merkwürdigen Schauspiels nachrühmen – außergewöhnlich fein vorbereitet und glänzend in Szene gesetzt worden. Ohne Blutvergießen entstand der neue Staat, und dadurch wurde es den Mächten erleichtert, ihn alsbald anzuerkennen. Die eigentlich treibende Kraft war der Franzose Bunau Varilla, der ehemalige Chefingenieur des verkrachten Lessepsschen Panamakanals; er unterhandelte mit dem amerikanischen Staatssekretär Hay in Washington bereits als Vertreter der neuen Republik, ehe diese ihre Losreißung von Kolumbien vollzogen hatte.

Wie die neue Republik Panama entstand - Abschluss des Selbststämdigkeitsvertrages in Washington. Rechts der amerikanische Staatssekretär Hay, links der Vertreter Panamas Bunau-Varilla
Wie die neue Republik Panama entstand – Abschluss des Selbststämdigkeitsvertrages in Washington. Rechts der amerikanische Staatssekretär Hay, links der Vertreter Panamas Bunau-Varilla

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 49/1903.

Das erste Kabinett des Panamastaates.

Das erste Kabinett des Panamastaates
Das erste Kabinett des Panamastaates

Schon oft haben ursprünglich rein wirtschaftliche Fragen zu politischen Umwälzungen geführt. Die Gründung des jüngsten Staates der Welt, der Republik Panama, ist jedenfalls direkt durch eine solche veranlaßt worden. Da die Verhandlungen der Vereinigten Staaten mit Kolumbia über den Bau des Isthmuskanals zu keinem Resultat gelangten, hat sich das Departamento Panama, für das der Bau dieser unendlich wichtigen Weltverkehrsstraße der größte Vorteil bedeutet, von der Republik Kolumbia abgelöst und einen selbst ständigen Staat gebildet, der sehr schnell die Anerkennung der Großmächte fand. Panama verfügt über eine nicht unbedeutende Zahl Staatsmänner, die sich gerade in der bewegten Uebergangszeit trefflich bewährten. Das erste Kabinett, das unsere obenstehende Abbildung zeigt, ist durchgängig aus Männern zusammengesetzt, die in der Unabhängigkeitsbewegung eine führende Rolle gespielt. Ein gleich bewährter Politiker ist Dr. Amador, der jetzige Präsident. Er ist von Haus aus Mediziner und wurde von spanischen Eltern in Karthagena in Kolumbia geboren.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 14/1904.