Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung zu Bremen

I.

Die alte Hansestadt Bremen hat in diesem Jahre ein Festkleid angelegt. Ihre Einverleibung in den Zollverband des Deutschen Reiches bedeutet für alle Gewerbe- und Industrie-Treibenden Bremens die Erlösung von einer einengenden Fessel, welche die Ausbreitung ihrer Erzeugnisse in das umliegende, flache Land entweder ganz verhinderte, oder doch sehr erschwerte. Diese Befreiung zu feiern, hat die Gewerbekammer des Bremer Frei-Staates eine Ausstellung unternommen, die am 1. Juni d. J. eröffnet worden ist.

Theil an dieser „Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung von 1890“ haben nur die Provinz Hannover, das Grossherzogthum Oldenburg und der Frei-Staat Bremen. Trotz dieses verhältnissmässig kleinen Kreises übertrifft die Bremer Ausstellung die meisten ihrer Vorgänger in anderen Städten Deutschlands durch Ausdehnung und Reichhaltigkeit. Bietet sie doch auf einer nahezu 400 000 qm grossen Fläche ausser dem Hauptgebäude nicht weniger als 7 hervor ragende, künstlerisch ausgebildete Bauten.

Hauptgebäude

Eine Erleichterung für das Unternehmen bot die lebhafte Theilnahme der ganzen Bürgerschaft (eine Ausstellung in Bremen ist seit einem halben Menschenalter nicht dagewesen), so dass es nicht schwer war, einen Garantiefonds von 539 000 M. zusammen zu bringen. Ferner das Entgegenkommen des Bremer Bürgerpark-Vereins, der dem Ausstellungs-Comité in dem von ihm und den Bremer Bürgern seit etwa 25 Jahren aus freiwilligen Beiträgen angelegten Parke einen vorzüglichen Ausstellungsplatz,zur Verfügung stellte.

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Ein Blick auf den Plan Bremens zeigt die überaus günstige Lage des Geländes. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofes, der meisten Hotels, also des Fremdenverkehrs, und von der Stadt nur durch die Eisenbahn getrennt, ist er leicht erreichbar und den Bremern ein altgewohnter Sammelplatz an Sonn- und Festtagen. Zudem machte er die bei andern solchen Veranstaltungen nöthig werdenden, schwierigen neuen Parkanlagen, die meist doch nur ein kümmerliches Gepräge behalten, zum grössten “Theil unnöthig und erlaubte eine ganz beliebige Ausdehnung der Ausstellungsgrenze.

Lageplan

Den Verkehr von der Stadt durch eine neuangelegte breite Strasse vermittelt eine Pferdebahn und eine elektrische Bahn, deren provisorische Drahtleitung allerdings gerade nicht zur Verschönerung der Stadt beiträgt, die aber, als Neuheit, trotzdem gute Geschäfts-Aussichten hat.

Gebäudegruppe am Eingang

Die Ausstellung, der ein einziger Haupteingang gegeben worden ist, dehnt sich etwa 900 m nach der Tiefe und 500 m in der Breite aus. Die Entwickelung der ganzen in ihren Einzelheiten später zu würdigenden Anlage, die nach den Entwürfen und unter der Oberleitung des Architekten Hrn. Joh.G.Poppe errichtet wurde, ist in grossem Maassstabe fast genau nach der mittleren Längsaxe erfolgt. Den Haupteingang bildet eine wohlgelungene Nachbildung des alten Bremer Osterthores, dem sich rechts ein für das Ausstellungs-Bureau und die Verwaltung bestimmtes Gebäude anschliesst. Gerade aus, (siehe Plan), wird der Blick gefesselt durch das grosse Becken des Hollersee’s, das, von schlanken Fahnenmasten umringt,in der Mitte ein als schwimmende Pagode gestaltetes Bootshaus (ein Restaurant) trägt. Jenseits erhebt sich die Rückseite des Haupt-Restaurants, des Parkhauses,eines Baues, der für spätere Erhaltung bestimmt ist, mit unzähligen unzähligen Kuppeln, Spitzen und Fahnen lustig über die Bäume.

Links, allerdings dem Beschauer durch die Bäume des Parkes gänzlich entzogen, erstreckt sich in einer Länge von beiläufig 180 m das Maschinenhaus, an dessen hinteres Ende sich das aussen ziemlich schlichte Ausstellungs-Gebäude des Architekten-Vereins mit seiner reizenden Restauration anschliest. Umschreiten wir den See und das Parkhaus, so kommen wir zu dem Hauptplatz der ganzen Ausstellung, der wiederum in der Längsaxe des Geländes angelegt ist.

Maschinenhalle, Querschnitt, Fassadensystem und Grundriss

Mit dem Rücken zum See und Eingang gekehrt nimmt das Parkhaus die eine Seite ein; rechts erstreckt sich das Gebäude der Kunstausstellung, links die Ausstellung der kaiserl. Marine und der Hochsee-Fischerei und endlich geradezu schliesst das Hauptgebäude, wiederum reich an Kuppelthürmen, Spitzen und Fahnenstangen mit 2 offenen Kolonnaden den Platz ein, der ein grossartiges und glänzendes Bild darbietet. Die Mitte wird eingenommen von einer breiten, mit Wasser speienden Tritonen eingefassten Kaskade, die oben und unten in grössere Becken endigt. Durch die reichliche Wasseranlage belebt, bietet der Platz zufolge des glücklichen Verhältnisses der ihn umschliessenden Bauten, einen wahrhaft grossartigen Anblick dar, der noch dadurch erhöht wird, dass vor der hierher gekehrten Hauptfront des Parkhauses eine erhöhte Terrasse angeordnet ist, auf der eine grosse Menschenmenge Platz findet.

Durchschnitt des Saals

Weniger glücklich, weil eng und unklar, durch kein besonderes Merkmal dem Fremden auffindbar gemacht, erscheint dagegen die Verbindung dieses, architektonisch ganz in den Formen des modernen Barockstiles gehaltenen Theiles, mit der zweiten Hauptgruppe von Bauten, die auf der rechten Seite des Hauptgebäudes sich hinstreckend in der sogenannten alt-bremischen Strasse ihren Abschluss findet. Ist man auf diesem Gelände angelangt, so wird man dagegen angenehm überrascht durch die grossartige Fassade des hier errichteten Gebäudes der Haniels-Ausstellung, das in den Formen der deutsch holländischen Renaissance ausgeführt, am wenigsten die Nachahmung des Steins durch Holz merken lässt, die an den Bauten des Hauptplatzes ziemlich störend auffällt. Der diesem Bau gegenüberliegenden Seitenfront des Hauptgebäudes, die durch kleinere Vorbauten, durch die Luftbahn und Bäume halb, aber nicht genügend verdeckt wird, fehlt ein rechter Ruhepunkt. Einen harmonischen Abschluss bildet erst wieder die ganz am Ende aufgeführte Altbremer Strasse, die mit grosser Liebe durchgeführte Nachahmungen alter Kaufhäuser zeigt. Hier allein sind auch Verkaufsläden eingerichtet, durch welche zugleich dafür gesorgt ist, dass die Strasse stets angenehm belebt erscheint,

Links vom Hauptgebäude hat noch eine ganze Reihe von Bauten Platz gefunden, die aber sehr darunter leiden, dass hier der dichte Baumstand des Parkes geschont werden musste, so dass man nur zufällig hier und dort ein solches Bauwerk entdeckt.

Kehren wir vom hinteren Ende der Ausstellung nach vorn zurück, so sehen wir (auf dem Plane) zuerst Caroussels, Schiessbuden usw., die wohl keiner weiteren Erwähnung bedürfen.

Dann folgt ganz links eine hervor ragend reizvolle Anlage, genannt „westfälisches Bauernhaus“. Dicht am Hauptgebäude liegt das Ausstellungs-Theater und zwischen kleineren Bauten weiter vorn das Gebäude für die periodisch wiederkehrende Blumen-Ausstellung, dahinter die sehr bemerkenswerthe Ausstellung der Georgs-Marien-Hütte zu Osnabrück.

Nach diesem vorläufigen Rundgang möchten wir nochmals auf den Gesammteindruck zurückkommen. Vor allem dürfte da die Geräumigkeit der Anlage zu betonen sein Grossartig wirkt der See beim ersten Eintritt, angenehm belebt durch die in dunkelrothen Farben gehaltene schwimmende Tempelanlage, während hinten die unzähligen Kuppeln und Spitzen des Parkhauses herüber schauen. Ebenso glänzend wirkt der vorher erwähnte Hauptplatz der Ausstellung, während wir im übrigen die Vertheilung der Gebäude nach klareren Grundsätzen gewünscht hätten und zweifelhaft sind, ob nicht vielleicht durch eine grössere Einschränkung des Platzes mehr erreicht worden wäre. Hier mögen allerdings die einmal vorhandenen, verschlungenen Wege des Parkes vielfach bestimmend mitgewirkt haben.

II.

Nach der in No. 58 d. Bl. gegebenen allgemeinen Uebersicht wollen wir heute der Würdigung der einzelnen Bauten der Bremer Ausstellung näher treten.

Wie aus der beigefügten Vogelperspektive ersichtlich, bildet das dem Eingang gegenüber liegende Hauptrestaurant, das Parkhaus den Mittelpunkt der ganzen Anlage. Leider war es nicht möglich, schon jetzt eine Abbildung zu bringen, da die Arbeiten an diesem, für spätere Erhaltung bestimmten Gebäude noch nicht beendet sind.

Das Original der hier zum Abdruck gebrachten Holzschnitt-Nachbildung, eine von Hrn. Woser-Krell in Charlottenburg-Wien gefertigte Zeichnung von rd. 4,00 m Länge und 1,50 m Höhe ist in Bremen zur Ausstellung gebracht.

Ein einzelner Bremer Bürger schenkte zur Errichtung des Baues die grossartige Summe von 300.000 M., um dem Bremer Bürgerpark ein für alle Mal ein würdiges Festhaus zu geben. Die Erfahrung hatte gelehrt, dass die sehr ausgedehnten Räume des alten provisorischen Gebäudes den allsonntäglich einkehrenden Menschenmengen nicht genügten; so ist denn dieses Mal ein Bau von etwa 150 m Länge und durchschnittlich 35 m Tiefe aufgeführt, bestehend aus einem grossen mittleren Kuppelsaal für die Konzerte und 2 langen Seitenräumen, die je als Restauration und Kaffee dienen. Es ist, schwer, jetzt schon ein Urtheil über diese Schöpfung zu füllen; aussen stören noch theilweise die Gerüste und innen macht das fast gänzliche Fehlen der Malerei einen sehr öden Eindruck, Im ganzen will es scheinen, dass, obgleich der Voranschlag von 300 000 M. noch weit überschritten ist, Weniger mehr gewesen wäre, d. h. dass eine etwas ruhigere Formensprache eine Einschränkung der ganzen Anlage zugunsten einer wenigstens theilweisen Verwendung von echtem Material an Stelle des Putzes vornehmer gewirkt haben würde. In Bezug auf die praktische Brauchbarkeit bleibt abzuwarten, wie die Heizung des hohen Kuppelsaales ermöglicht werden wird, da das Gebäude auch im Winter viel benutzt wird. – Immerhin machte uns das ganze Bauwerk mit den vielen und stark bewegten Thürmchen und Spitzen einen grossartigen, sehr lustigen, wenn auch etwas unsicheren Eindruck.

An dieser Stelle möchten wir der Meinung Ausdruck geben, dass überhaupt die ganze Ausstellung, wie allerdings die meisten ihres Gleichen, sehr den Stempel einer falschen Pracht trägt. Es kann ja freilich nicht verlangt werden, dass solch grossartige Architekturen, wie die des Kaskadenplatzes aus angemessenem Material hergestellt werden: aber wäre es nicht möglich und besser, Holzbauten auch im Holzcharakter so auszubilden, dass sie den Ansprüchen an provisorische Festbauten genügten? Wer die Kopenhagener Ausstellung (von 1888) gesehen hat, wird diese Frage unbedingt bejahen. In Kopenhagen überall Wahrheit; kräftige Holzformen, einfach und praktisch geschnitten, die am letzten Tage noch so frisch aussahen wie am ersten. Hier im Anfang der Ausstellung heute schon halb abgestossene Gypskapitelle, matt getünchte Holzwände, die doch nicht den vornehmen Ton einer Steinfassade erreichen. Dort als Verzierung nur wenige grüne Pflanzen, hier vielfach bunte Fahnen, deren grelle Farben ausser Zusammenhang mit dem Ganzen stehen. Wir gestehen, dass wir lieber dem deutschen Architekten den Vorzug geben möchten, da der Fehler der Deutschen, die Ausländer immer höher zu schätzen, uns nicht sonderlich anhaftet, aber die Sucht nach einer grossen Prachtentfaltung – mit welchen Mitteln es immer sei – tritt bei uns mehr und mehr in den Vordergrund und lässt das jedenfalls höhere Ziel: die Wahrheit der Konstruktion und des Materials schön zum Ausdruck zu bringen und damit einen wirklich vornehmen Eindruck zu erreichen, nur zu oft vergessen. Es soll das eben Gesagte jedoch kein Angriff auf die Leistung des Bremer Architekten sein, der, abgesehen von dem Material, eine grossartige Wirkung erzielt; hat, sondern auf das Bauen mit Surrogaten überhaupt.

Dass der Bremer Architekt auch den Holzformen grossen Reiz zu verleihen weiss, zeigt das schwimmende Tempelchen auf dem grossen See, dass eine indische oder chinesische Pagode mit kühn geschwungenen Dächern in überaus reizvoller Bemalung darstellt. Ebenso wohlthuend wirkt der Innenraum der grossen Maschinenhalle, die gleichfalls in der Nähe des Eingangs liegt. Die hier abgebildete Holzkonstruktion tritt völlig frei zu Tage und schafft zwei fünfschiffige helle Hallen, die durch einen niedrigen Mittelbau verbunden werden. Aussen erhebt sich auch auf diesem Gebäude eine ganze Anzahl von Kuppelthürmen über die Bäume, welche letztere die übrigens einfache Fassade von weitem völlig unsichtbar machen.

Neben der Maschinenhalle liegt der Bau des Bremer Architekten- u. Ingenieur-Vereins, das sogen. Architektenhaus. An dem eigentlichen Ausstellungstheil ist auch hier wenig mehr als das Nöthigste geschehen; reizvoller ist der Vorhof, der als Restauration dient. Er stellt einen romanischen Kreuzgang, Kreuzgewölbe auf hohen Säulen ruhend, dar, der sehr geschickt um vorhandene Bäume gebaut ist und dem zu der oft bewährten Ulkmalerei nur eine etwas wärmere Tönung zu wünschen wäre. Die sehr geschickte Benutzung des Holzes und die einfachen grossen Formen machen diese Säulenhalle zu einer der eigenartigsten Schöpfungen der Ausstellung.

Architektenhaus Grundriss

Vielleicht liegt es an der Nachbarschaft der Kneipe, dass das Publikum in Bremen die Ausstellung des Arch.- u. Ing.-Vereins fleissiger besucht, als dieses sonst mit Ausstellungen architektonischer Zeichnungen usw. der Fall zu sein pflegt. Allerdings bietet sie unter vielem Interessanten durch die grofsartigen Modelle der Freihafen und Weser-Korrektionsbauten Dinge, die für Bremens Handel und Wandel von einschneidenster Bedeutung sind. Die Bauten sind in diesem Blatte bereits früher besprochen; sicher ist, dass die Ausstellung der allgemein verständlichen Modelle dem Oberbaudirektor Franzius noch mehr wohlverdiente Anerkennung einbringen wird, als die Bauten selbst, die sich in ihrer Ganzheit dem Ueberblick des Laien entziehen. Zahlreich mit bedeutenden Arbeiten ist ferner Baurath Klingenberg aus Oldenburg vertreten.

Den Kernpunkt des Ganzen bilden aber neben den Hafenbauten die Pläne und Modelle zum Neubau des Bremer Domes. Unter der Leitung des Dombaumeisters Salzmann, der in dem seiner Zeit ausgeschriebenen Wettbewerbe Sieger blieb, entsteht aus dem alten schlichten Gotteshause ein Bau, der sich getrost den besten Kirchenbauten Deutschlands zur Seite stellen darf. Wir wünschen dringend, dass der grossartige Bürgersinn der Bremer, der binnen kurzer Zeit annähernd eine Million Mark aus freiwilligen Beiträgen aufbrachte, es dem Meister ermöglichen wird, den ganzen Bau nach seinen Plänen fertig zu stellen. Von den Entwürfen und Plänen zeigt am klarsten die Gestaltung des Domes das grosse ausgestellte Gypsmodell, das im wesentlichen dem preisgekrönten Entwurf entspricht; an der Westfront 2 etwa 80-90 m hohe Thürme, dazwischen der Westgiebel mit der grossen Rose, darunter in Höhe des ersten Geschosses quer vor dem Ganzen durchlaufend eine überaus reizvolle Zwerggalerie. Die Thürme sind mit dem einfachen 8 flächigen Helm gedeckt, der in Bremen schon verschiedene alte Beispiele hat. Auf diese Westfront drängt sich jetzt die Arbeit zusammen. Der Zukunft ist die Ausbildung der langen Nordfront vorbehalten, sowie die Errichtung des grossen Vierungsthurmes. Allerdings werden diese Arbeiten, über welche die D. Bztg. später Ausführlicheres bringen wird, vollendet grade einen doppelt so grossen Kostenaufwand verursachen, als in dem Konkurrenz-Ausschreiben vorgesehen war, nämlich die Summe von etwa 1 600 000 M.

Die ziemlich reichhaltige Ausstellung enthält ferner noch Arbeiten von verschiedenen Hannoverschen und Oldenburger Architekten, sowie Bauten der kaiserlichen Reichspost. Besonders interessant sind die Wiederherstellungs-Arbeiten alter Landkirchen, so der Stiftskirche von Wildeshauseu (rest 1875 vom Architekten von Wege). Ferner finden wir auch die Berliner Firma Havestadt & Contag mit dem Hannoverschen Stadterweiterungsplane vertreten. – Wir bedauerten, nur wenige Entwürfe der eigenartigen Bremer Wohnhäuser zu finden, die für den auswärtigen Architekten von besonderem Interesse gewesen wären; unter den Bremer Privat-Baumeistern ist nur Architekt Rauschenberg mehrfach vertreten.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, auf alle ausgestellten Arbeiten einzugehen, obwohl noch viele interessante und tüchtige Zeichnungen unerwähnt bleiben müssen.

Bevor wir nun diesen vorderen Theil der Ausstellung verlassen, sei noch auf das schon erwähnte Eingangs- und Verwaltungsgebäude hingewiesen, von dem eine kleine Ansicht beigefügt ist. Seine glückliche Lage am Wasser und die sehr geschickte Färbung verleihen ihm grossen malerischen Reiz und und geben dem eintretenden Ausstellungsbesucher von vornherein eine gute Meinung vom Ganzen. Wie weit die Nachbildung des Thores nach einem alten Bremer Stadtthor getreu ist, können wir allerdings nicht beurtheilen; jedenfalls ist der Charakter der Bremer Bauten aus jener Zeit vorzüglich getroffen, wie uns überhaupt scheint, dass dieser holländisch-norddeutsche Spätrenaissancestil das eigentliche Element des Herrn Joh, G. Poppe ist.

Wir müssen ferner immer wieder auf die glückliche Wirkung hinweisen, die das Wasser des grossen Sees in dem Gesammtbilde hervorbringt. Die Verwendung oder Benützung vorhandener Wasserflächen wird jeder solchen Anlage zum grössten unschätzbaren Vortheil dienen.

III.

An die Rückseite des in No. 62 besprochenen Parkhauses schliessen sich, um einen grossen freien Platz gelagert, die Gebäude an, welche die Ausstellungen der Marine, der Kunst, der Gewerbe und Industrie enthalten. In unserem ersten Berichte (No. 58) sprachen wir schon von dem glanzvollen Eindruck, den diese geräumige Anlage auf den Eintretenden macht. Wenn man gegen die Herstellung der ganzen Architektur aus Surrogaten für solche periodische Bauten nichts einzuwenden hat, muss man anerkennen, dass der Architekt Hr. Job. G. Poppe hier eine Gebäude-Gruppe geschaffen hat, deren Wirkungen nicht grossartiger und deren Verhältnisse nicht glücklicher gewählt sein könnten. Alle 3 Bauten sind durchaus verschieden ihren Zwecken entsprechend ausgebildet und bilden doch ein völlig harmonisches Bild, dessen Stil wiederum auf das Beste mit dem des Parkhauses zusammen geht. Die Mitte nehmen ausser den oben erwähnten Kaskaden und | einem Springbrunnen gärtnerische Anlagen ein, zwischen denen sich die breiten Wege hinziehen, Abends von hohen elektrischen Lampen strahlend beleuchtet.

Das Gebäude der Marine und Hochseefischerei, in reichen Formen der modernen Renaissance gestaltet, wird in der Mitte von einer Kuppel bekrönt, deren Spitze, ein Schiff mit schlankem Mast- und Bugspriet, hoch in die Luft ragt. Vorn empfängt den Besucher eine ovale von Säulen getragene Eingangshalle, über der am Fusse der Kuppel ein Hermes mit begleitenden Figuren schwebt, der seine Arme schützend über das Ganze ausbreitet. Seitlich sind zwei oben durchbrochene höhere Aufbauten angeordnet, die in einer von Voluten gestützten Kuppelspitze endigen. Im Innern bildet eine Oberlichthalle in schönen ruhigen Verhältnissen den Ausgangspunkt in die 3 Abtheilungen dieser Ausstellung: der Kaiserl. Kriegsmarine, der Handelsmarine und der Hochseefischerei.

Marinegebäude

In den beiden ersten sind von besonderem Interesse die wunderbar gearbeiteten Schiffs-Modelle der kais. Marine, der Aktien-Gesellschaft Weser, des Norddeutschen Lloyd usw.

Diese kleinen Darstellungen zeigen eine Feinheit und Glätte der Ausführung bis in die kleinsten Einzelheiten, die wahrhaft bewundernswürdig ist. Ueber die Ausstattung der Schiffe geben neben diesen Modellen auch die Abbildungen der inneren Einrichtung der Schiffe des Norddeutschen Lloyd Auskunft. Ein großer Theil, wenn nicht alle, dieser glänzenden Dekorationen, die bei den eigenartigen Raumverhältnissen eines Schiffes nicht ohne Schwierigkeiten ausführbar waren, sind gleichfalls von Hrn. Joh. G. Poppe entworfen. Leider erlaubt der Umfang dieses Berichtes nicht, eine ausführliche Schilderung der Instrumente und der Erzeugnisse der Schiffsbaukunst usw., die hier in reicher Hülle ausgestellt sind. Hingewiesen sei nur noch auf die Geräumigkeit und gute Beleuchtung der ganzen Anlage.

Marine-Halle

Gegenüber diesem Bau liegt die Kunstausstellung, aussen und innen von sehr sympathischer, einfacher Vornehmheit. Auch hier bildet ein Kuppelsaal den Ausgangspunkt der Anlage, die im grossen und ganzen dem Grundriss-Gedanken des Berliner Landes-Ausstellungs-Gebändes am Lehrter Bahnhof nachgebilde erscheint. Die Ausstellung ist von nicht geringem Umfange gut beleuchtet und angeordnet; nur die Kojen in den beide; Rundgängen erscheinen reichlich klein in ihren Abmessungen.

Kunsthalle

Die Kunstwerke, fast durchweg gute, zur Theil bekannte, ja bedeutende Arbeiten wirken besonders vortheilbaft durch den glücklich gewählten Farbenton der Wandbekleidung, de gleichmässig alle Räume durchzieht; – ein Theil der Dekoration, der nur zu oft bei solchen provisorischen Ausstellungen vernachlässigt wird. Im ganzen hatten wir den wohlthuenden Eindruck eines einheitlichen fertigen Baues, ohne Ueberladung, aber auch ohne roh gelassene Theile.

Kunst-Halle

Aussen wirkt besonders gut die vorgelegte offene Säulenhalle, in der Abgüsse bekannter antiker Bildwerke aufgestellt sind, die den Zweck der Anlage als eines Kunstausstellungs-Gebändes deutlich kundgeben.

Wir kommen nun zu dem eigentlichen Hauptgebäude der Ausstellung, dessen kurze Vorseite durch zwei breite Kolonnaden auf eine Fassadenbreite von fast 160 m vergrössert ist. Um eine grosse. Mittelkuppel gruppiren sich zahlreiche kleinere Thürmchen, Spitzen und Pyramiden, sämmtlich in Fahnenstangen auslaufend, die einen munteren und festlichen Eindruck hervorrufen, besonders von Weitem, wo sie in ihrer Gesammtheit wirken und Abends, wenn sie von elektrischem Licht umstrahlt, sich hell und glänzend vom dunkelen Himmel abheben. Zu der grossartigen Pracht der Fassade steht allerdings das sehr einfache Innere nicht recht im Einklang. Die aufgewandten Mittel überschreiten, vielleicht mit Ausnahme der Ausbildung des ersten Kuppelraumes, der auch hier hinter dem Eingang angelegt ist, kaum das Allernöthigste. Das Gebäude bildet eine lange Halle in der die Dachkonstruktionen frei hervortreten und die beiderseits von Kojen begleitet wird. Parallel zu dem eigentlichen Hauptraum ist noch eine kürzere Halle angelegt die durch zwei ungleiche Querschiffe mit dem ersteren verbunden ist.

Hauptgebäude

Der ganze Raum ist vertheilt an die Ausstellungs-Gruppen des Kunstgewerbes, der Gewerbe und der Industrien Bremens, Hannovers und Oldenburgs. Daran schliessen sich die Ausstellungen der Bremer gewerbl. Fortbildungsschule und eine sehr interessante Sammlung nord-west deutscher Alterthümer. Den Ehrenplatz unter der Eingangskuppel nimmt jedoch die königl. Porzellan-Manufaktur in Berlin mit ihren anerkannt vorzüglichen Erzeugnissen ein, die in Deutschland wohlverdient berühmt und bekannt geworden sind. Nicht zu vergessen sind auch die Schnaps- und Bier-Brauereien, die im Nebengebäude einen breiten Platz beanspruchen.

Schnitt

Unter den hier zur Schau gestellten kunstgewerblichen Erzeugnissen behaupten den vornehmsten Platz die Gold- und Silber-Schmiedearbeiten der drei grossen Bremer Firmen: Koch & Bergfeld, M.H. Wilkens & Söhne und Wilkens & Dangers. Die beiden ersten Firmen haben grosse Fabrikanlagen. in denen diese grossartigen Tafel-Aufsätze bezw. Geräthe usw., die wir hier ausgestellt sahen, im Grossen hergestellt werden. Während sich Koch & Bergfeld einer so zu sagen deutschen, eigenen Richtung befleissigen, klingen manche der Arbeiten von Wilkens & Söhne mehr an französische Vorbilder an; beide erreichen leider die Pariser Arbeiten nicht, soweit es Reinheit des Stils, Vornehmheit der Linienführung und vor allen Dingen Sauberkeit und Fertigkeit der Arbeit betrifft. Es mag das in diesem Fall an der Art und Weise der Massenherstellung liegen, doch haben wir bei einem früheren Vergleich mit Frankreich die deutschen Arbeiten gleichfalls so beurtheilen müssen. Einen Theil der Schuld trägt allerdings fraglos das deutsche Publikum, das billige Arbeiten von starker, wir möchten sagen prahlerischer Wirkung den einfachen, vornehmen Arbeiten vorzieht, abgesehen davon, dass man in Frankreich und England auf ungleich reichere Käufer rechnen darf als wir, also mehr für das einzelne Stück thun kann. – Eine sehr grossartige Sammlung von verarbeiteten edlen Steinen hat die erwähnte dritte Bremer Firma Wilkens & Daugers ausgestellt.

Schnitt 02

Nächst den Goldarbeiten wollen wir die vielen ausgestellten Zimmer-Einrichtungen erwähnen, die an Zahl und Reichthum nicht gering sind Da ist zunächst Louis Fuge aus Hannover zu nennen, der ein Damenzimmer und ein Esszimmer ausgestellt hat, dann Ed Wellhausen in Hannover und Bremen mit 2 Zimmern, Friedr. Haake in Bremen, besonders aber Heinr. Bremer daselbst, der Einzige, der in seinen Zimmern nicht: nur in einer grossen Stoff-, Posamenten- und Polster-Verschwendung in einer „Meininger“ stilvollen Dekoration mit Vasen, Figürchen usw. eine Wirkung zu erzielen sucht.

Grundriss

Im allgemeinen scheint uns überhaupt der Tapezier bei der modernen Zimmer-Dekoration zu sehr in den Vordergrund zu treten, namentlich in den sogenannten Rococo-Einrichtungen. Grade die Zeit des Rococo hat doch einen so bescheidenen Gebrauch von Stoffen besonders in Faltenwürfen gemacht; die alten Entwürfe bezw. Abbildungen damals ausgeführter Arbeiten zeigen grossentheils ein fast gänzliches Fehlen oder grosse Zierlichkeit des Faltenwurfes und wenn der Stoff nicht als Wandbekleidung benutzt wurde, eine ganz geringe Verwendung desselben Im Gegensatze dazu glauben unsere Tapezierer von heute, sobald nur die Losung: „Rococo“ ausgegeben ist, die verschiedenfarbigen Stoffgehänge gar nicht toll genug machen zu können.

Leider war bei unserer Anwesenheit in Bremen die Gesammt-Ausstellung eines Bremer Wohnhauses noch nicht eröffnet; ein Urtheil über diese Arbeiten ist daher unmöglich. Die Arbeiten der Gewerbe-Fortbildungs-Schule zeugen davon, dass auch in Bremen Interesse für diesen wichtigen Zweig der Volksbildung lebendig ist. Sehr anregend ist auch die obenerwähnte Alterthums-Sammlung. Wir bemerkten einen sehr interessanten spätgothischen Eichenholz-Schrank und einen Theil der allerdings stark verwitterten und zerstümmelten Domchor – Gestühle Reste, die es lebhaft beklagen lassen, dass ein verständnissloses Zeitalter den ganzen alten Dom gründlichst von diesen grossartigen Werken der Vergangenheit reinigte, um dafür durch die ganze Kirche ein hässliches, viereckiges Gestühl einzubauen. Auch Messgewänder, alte Gobelins und Stickereien von grossem Werth (wenn wir nicht irren, aus dem Lüneburger Domschatz) sind ausgestellt. Eine reiche Quelle ist leider unbenutzt geblieben; wir meinen die Waffenkammer des Emdener Rathhauses, die an Einlege- und Tauschir-Arbeiten in Metall, Elfenbein und Holz Hervorragendes bietet. Eine kleine Sammlung der besten Waffen daher würde sicher ihres Gleichen suchen dürfen,

Die vielen ausgestellten Arbeiten der Wagenbauer, Böttcher, Leinen- und Kleiderhändler, Rohrwäschereien, Ofenfabrikanten usw. entziehen sich theils dem Interessenkreise dieses Blattes, theils würde eine ausführlichere Beschreibung den verfügbaren Raum bei weitem überschreiten.

IV.

Schon im Anfang unseres Berichtes erwähnten wir, dass das Gebäude der Handels-Ausstellung als eine der glücklichsten Schöpfungen der ganzen Anlage gelten darf. Es ist als holländischer Renaissancebau in Nachbild rother Ziegel mit Sandsteingliedern hergestellt und mit grosser Sorgfalt und Liebe ausgeführt. Die Bretter sind den Steinschichten entsprechend quer gelegt, sodass die Fugen, wo sie sichtbar sind, als Steinfugen vortheilhaft in die Erscheinung treten. Diese Anordnung hauptsächlich lässt das unechte Material sehr wenig störend wirken. Besonders ist hervorzuheben, dass in diesem Bau auch die Innendekoration der äusseren Architektur gleichwerthig zurseite steht.

Gebäude der Handels-Ausstellung

Ueber dem Eingang der auch hier, wie in allen Bremer Ausstellungs-Bauten, zuerst in eine mittlere Empfamgshalle führt, erhebt sich ein reich ausgebildeter Giebel von 2 Thürmen eingefasst, reich mit Schnitzwerk geschmückt. Auf der Spitze bekrönt ihn ein eilender Hermes, der den Zweck des Ganzen allerdings nur unvollkommen erläutert; denn so schön das Gebäude auch ist, so könnte es doch jedem anderen Ausstellungs-Zwecke dienen, ohne geändert zu werden. In der inneren Halle rauscht in der Mitte ein kräftig modellirter Springbrunnen. Geradezu ist, durch eine Säulenhalle vom Eingangsraum getrennt, ein kurzes Querschiff angeordnet; rechts und links erstrecken sich die langen, hohen, lichten Hallen der eigentlichen Handels-Ausstellung, Wenn wir davon absehen, dass vielleicht dieser Mittelraum etwas heller hätte sein können, dass ferner die weitgeschwungenen Hallenseiten im Maassstab etwas grösser gerathen sind, als die Aussenarchitektur und dass sie auch in der Form mehr an die flotten Barockbauten um den Hauptplatz erinnern, so müssen wir anerkennen, dass der Raum an sich einen ganz vorzüglichen Eindruck macht. Besonders gut wirken die flott gemalten Wandbilder vom Maler Hellgreve, die den reichen Farbenschmuck der ausgestellten Erzeugnisse aller Zonen an den Wänden wiederspiegeln, sodass wohl kein einheitlicherer Raum in der ganzen Ausstellung zu finden sein dürfte.

Auch diese Handels-Ausstellung selbst bietet Manches, was man nicht überall wiederfindet. Die weiten Handels-Verbindungen Bremens allein ermöglichten die Reichhaltigkeit der hier vereinigten Sammlungen. Wir erwähnen nur kurz die chinesischen und japanischen Schätze, die ja seit der modernen Mikado-Krankheit allgemein beliebt und bekannt geworden sind, und die u. A. schon so überschätzt werden, dass ein vernunftgemässer Rückschlag nicht lange mehr ausbleiben wird. Aber daneben finden wir für Laien und Fachleute aus allen Theilen der Welt Neues und Interessantes. Dort Götzen- und Masken-Schnitzereien von der Westküste Südamerikas und von den Südseeinseln, die einen unbewussten Humor wiederspiegeln, hier Holzschnitzereien aus Norwegen, Daunen, Pelze, Vogelbälge usw. usw. aus aller Herren Länder, mexikanische Erze, Muscheln und Silberarbeiten, Hölzer in unendlicher Verschiedenheit aus Amerika, Asien und Afrika, Zuckerrohre, Reis- und Tabackproben, Elfenbein in ganzen Zähnen von riesiger Grösse aus unseren Kolonien – kurz zu Vielerlei, um da Einzelne in einem kurzen Bericht genügend zu würdigen.

Für den Techniker besonders interessant sind jedoch verschiedene Modelle von Anlagen zur Verarbeitung der Rohprodukte in den verschiedenen unkultivirten Ländern. Diese Modelle sind bis auf die kleinsten Einzelheiten ausgearbeitete Darstellungen von Mühlen und Pflanzungen; ja ein ganzer indischer Markt mit allen Menschen und Thieren, den Häusern rechts und links ist dargestellt, in der ganzen Buntheit orientalischer Trachten und Bauwerke.

Wenn man die unendlich primitiven Einrichtungen sieht, mit denen grosse Werke besonders in spanischen und holländischen Kolonien bezw. Pflanzerstaaten die reichen Erzeugnisse des Landes verarbeiten, so frägt man sich unwillkürlich, warum nicht mehr unserer jungen Techniker nach „drüben“ gehen, wie die hanseatischen Kaufleute alle Länder über dem Wasser nennen, anstatt hier in Deutschland immer im alten Gleise in kleinen Verhältnissen weiter zu schaffen, Wir sehen Modelle von Anlagen zur Indigogewinnung, Baumwoll-Wäschereien, Salpeterbergwerken, Kaffeepflanzungen usw. usw. – alle von der denkbar einfachsten Konstruktion. In englischen Kolonien soll mehr in dieser Beziehung geschehen, wie ja z. B. die Reismühlen in Indien grossartig ausgebildete Maschinen-Anlagen geworden sind. Allerdings gehen auch massenweise englische Ingenieure und Techniker in die Kolonien. Hoffentlich werden die deutschen Besitzungen, von deren Schätzen die in Bremen ausgestellten Dinge ein vielversprechendes Bild geben, für deutsche Arbeitskraft ein gleich werthvolles Feld, wie Indien bezw. Amerika für England gewesen sind. Jedenfalls sind die Aussichten die denkbar besten und zwar umso mehr für den Einzelnen, je weniger erschlossen das Land im ganzen ist.

Natürlich gehört etwas mehr Unternehmergeist dazu, als den meisten unserer jungen Techniker eigen ist, die in einer auch nur notdürftigen gesicherten Lebensstellung daheim das Ideal ihrer Zukunftsträume finden. Andererseits muss allerdings auch das deutsche Kapital sich mehr an den Unternehmungen jenseits der Meere betheiligen, wenn nicht, wie es oft, – gar in Deutschland selbst – vorkam, das Ausland uns in der zweckentsprechenden Ausnutzung unserer Ländereien zuvorkommen soll.

Wir vermissten leider unter diesen Modellen eine Darstellung der wichtigsten Handelsbedingung, der Verkehrsmittel in den verschiedenen Ländern. Für das Urtheil in dieser wichtigen Frage müsste es unendlich werthvoll sein, einmal vergleichende Studien über die bisher zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel in Europa sowohl, als auch ganz besonders in den unkultivirten Ländern machen zu können. Bei der Ausstellungslust unserer Zeit würde eine solche „Verkehrs-Ausstellung“ sicher ein allgemeines Interesse und grosse Betheiligung finden.

Zunächst der Handels Ausstellung und als letztes hervor ragendes Bauwerk finden wir die sogenannte Altbremer-Strasse. Die Idee an sich ist ja nicht neu. In London war i J. 1884 schon eine solche Nachahmung der Wohnungsweise unserer Vorfahren ausgeführt, auch später wieder hier und dort und in umfassendster Weise auf der vorjährigen Pariser Ausstellung. Kaum jedoch dürfte eine solche Darstellung vorher mit so viel Sorgfalt bewirkt worden sein, wie z. B. an dem ersten Hause rechts in dieser Bremer-Strasse, das, als Weinhaus eingerichtet, von oben bis unten ganz als altes Bremer Kaufhaus ausgebildet, grossentheils sogar aus alten Bautheilen, wie Thüren, Fenstern und Treppen erbaut ist. Durch die Hausthür gelangt man auf die grosse „Diele“, die durch 2 Geschosse reicht. Eine reich geschnitzte Treppe führt zu der im Obergeschoss umlaufenden Gallerie, deren Geländer Gelegenheit zu reicher Entfaltung von Bildhauerarbeit gegeben hat. In der Decke ist in wirklich alten Häusern eine grosse Lucke angebracht, durch die die Waaren in die verschiedenen Dachgeschosse hochgewunden wurden. Um diesen Vorplatz gruppiren sich die Zimmer, welche – da die alten Häuser meist beiderseits eingebaut waren – hauptsächlich nach vorn und hinten liegen. Seitwärts finden sich seltener Räume, die dann von der grossen Halle aus beleuchtet sind. Die Halle selbst empfängt ihr Licht meist von vorn durch ein grosses Fenster über der Thür. Das Ganze macht in seiner Geräumigkeit einen sehr malerischen grossartigen Eindruck. Wir haben uns bei diesem Bauwerk etwas länger aufgehalten, weil das Gesagte für die meisten alten Bremer Häuser zutrifft, ja zum Theil auch für die Jetztzeit gut verwendbar scheint.

Altbremer Strasse

Die beigefügte Abbildung giebt einen Begriff von dem Aeusseren dieses Baues dem sich noch eine ganze Reihe anderer anschliesst. Leider hatte man im Anfang die Dächer hinter den der Strasse zugekehrten Giebeln fortgelassen, sodass das Blendwerk gar zu deutlich zu Tage trat; nachträglich soll jedoch in diesem Punkte Abhilfe geschaffen worden sein. Im Innern der Strasse könnte man sich wirklich in einen alten Stadtwinkel Bremens versetzt fühlen. Diese runden Thorwege neben den vorgebauten Erkern diese niedrigen kleinen Verkaufsläden finden reichlich Ihresgleichen in den alten Strassen der Stadt. Die Bauart dürfte den meisten Fachleuten bekannt sein; Ziegel und Sandstein, ganz wie bei den holländischen Bauten geben in ihrer Vereinigung allen diesen Bauten den Charakter. Es ist nicht zu beklagen, dass dieser Stil auch heute wieder die Hauptrolle in Bremen spielt, soweit wenigstens bessere Bauten inbetracht kommen. Allerdings die alten schmalen Giebelhäuser mit ihren unzähligen Fenstern und ihrer reichen Bildhauerarbeit sind verschwunden; an ihre Stelle ist das kleine Einfamilienhaus nach englischem Muster getreten, doch die äusseren Formen jener alten Bauten werden jetzt vielfach neu benutzt.

Auf dem grossen freien Platz zwischen dem Hauptgebäude und der Handelsausstellung sind die Drahtseile einer Seilbahn gespannt; uns will scheinen, dass das, was hier nur eine Spielerei ist, einer ernsten Erwägung als Verkehrsmittel werth ist. Leider konnten wir nichts über den Kostenaufwand einer solchen Anlage erfahren.

Eine besonders eigenartige Schöpfung, die wir schliesslich noch kurz erwähnen müssen, ist das westfälische Bauernhaus der Lahmeyerschen Brauerei in Bremen. Es zeigt genau die Anlage eines grossen niedersächsischen Bauernhofes: das eigentliche Hauptgebäude weiter zurückliegend, vorn rechts und links zwei kleinere Bauten, die sonst als Ställe benutzt werden. Das Ganze ist in Fachwerk mit weissen Putzfeldern ausgeführt; auf letzteren sind einige sehr primitive Ornamerte aufgemalt. Die ziemlich steilen Strohdächer werden oben von den altbekannten, gekreuzten Pferdeköpfen bekrönt. Die grosse Tenne im Hauptgebäude, die niedrigen Hinterstuben mit den kleinen Fenstern, alles entspricht genau dem Charakter dieser grossen Höfe. Hier dient das ganze als Wirthschaft. Besonders günstig ist für diesen Bau die ganz abgeschlossene Lage im Park, welche die Illusion noch erhöht.

Mit der Erwähnung, dass die Ausführung der meisten Ausstellungsbauten in den Händen der hier als Gross-Unternehmer auftretenden Architekten Hrn. Hecht & Siepmann in Hannover lag, während die Ausführung des Parkhauses an Hrn. Architekt F. W. Rauschenberg, diejenige des Gebäudes der Handels-Ausstellung an einen Bremer Zimmermeister übertragen war, wollen wir unsern Bericht abschliessen.

Berlin, September 1890,
Bodo Ebhardt.

Dieser vierteilige Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.