Als vor 15 Jahren an dieser Stelle die erste vergleichende Veröffentlichung über neuere Bibliotheken erfolgte, ward die Ansicht ausgesprochen, dass das neuere System, nachdem es in strengster und gedrängtester Durchführung durch Gropius und Schmieden in Kiel und Greifswald und dann durch v. Tiedemann in Halle sich aufs glänzendste bewährt hatte, eine schier unbegrenzte Abwandelungs- und Anpassungsſahigkeit zeige.
Das hat sich auch erfüllt und unter den verschiedenartigsten Grund- und örtlichen Vorbedingungen hat man darauf zurückgegriffen. Wenn dann auch in der Raumvertheilung vielfach eine der strengsten Zentralisation entgegengesetzte Entwicklung stattfinden musste, so blieben doch die Grundzuge des Magazinsvstems die Richtschnur.
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Naturgemäss (wie das ebenfalls schon voraus gesagt wurde) hat man in allen Fallen, in welchen die Grundbedingungen nicht dazu drängten, weder Oberlicht, noch lichtdurchlässige Decken in den Magazinen zur Anwendung gebracht, Damit hat man auch – soweit das konstruktiv im Einzelfall sich als zweckmässiger erwies – die Büchergerüste von den Deckenstutzen unabhängig ausgebildet und ebenso sind in der Ausbildung der verstellbaren Bucherbretter namhafte Fortschritte gemacht worden.
Dabei hat sich zugleich in architektonischer Beziehung ergeben, dass es keineswegs nothwendig ist, im Frontaufbau derart an die enge Axentheilung der Büchergerüste sich zu binden, wie – aus Gründen äusserster Sparsamkeit – bei einem gewöhnlichen modernen Waarenspeicher Vielmehr zeugen alle neueren Beispiele, von der Landesbibliothek in Stuttgart, der neuen Bibliothek in Wolffenbüttel, der Kreisbibliothek in Augsburg, bis zu den neuesten Ausführungen, die Möglichkeit, in jeglicher Stilart den Charakter einer Bibliothek in vornehmster, monumentaler Weise als solche zum Ausdruck zu bringen – selbst in dem engeren Rahmen, der zuweilen durch die Geschichte der Bibliothek oder die städtische Umgebung bedingt ist. Das hier zunächst folgende Beispiel, dem später noch einige andere angereiht werden sollen, kann als ein vornehmstes in dieser Richtung gelten.
I. Die neue Universitäts-Bibliothek in Basel.
Architekten: La Roche, Stähelin & Co.
Die baulichen Verhältnisse der ehrwürdigen, durch ihre werthvollen Schätze an alten Geschichtswerken, Inkunablen und Handschriften weltberühmten Baseler Universitäts-Bibliothek genügten längst schon nach jeder Richtung hin den Anforderungen nicht mehr. Es war der Neubau daher seit geraumer Zeit angeregt, aber die gebotene Berücksichtigung der eigenthümlichen Verhältnisse der Universität und der gesammten städtischen Bebauungsanlage machten zeitraubende Verhandlungen nothwendig. Man kam dann zu der Wahl eines Bauplatzes ausserhalb der engbebauten inneren Stadt, in dem botanischen Garten, auf welchem (ausser einem demnächst abzubrechenden Bau) schon einige Universitäts-Institute errichtet worden waren. Der Platz hat eine durch gesetzlich festgelegte Baufluchten sehr geschützte Freilage (s. Lageplan Abbildg. 1) und es ist in dessen Umgebung die Errichtung feuergefährlicher Betriebe auf die Dauer ausgeschlossen. Ganz in der Nähe der neuen Bibliothek, in der Verlängerung der Hauptgrenzstrasse, liegt das Chemisch-Physikalische Institut (Bernoullianeum) und in derselben Strasse (am Petersplatz) das anatomische Institut (Vesalianeum). In des letzteren Nähe ist beabsichtigt, einige andere Neubauten für die Universität zu errichten, darunter namentlich ein Kollegien-Gebäude, dessen Verlegung mehrfach aufgeschoben worden ist, weil man seine gegenwärtige prachtvolle Lage am Rhein nur ungern aufgeben mag. Zu bemerken ist noch, dass die Schönbeinstrasse von der Bernoullistrasse ab stark ansteigt, während letztere kein Gefälle hat. Für die Gesammtgestaltung war programmässig bestimmt, dass der Haupteingang an der Bernoullistrasse und der Bücherspeicher für das Publikum unzugänglich anzulegen seien. Für den letzteren sollten eiserne durchbrochene Decken gänzlich vermieden und Steinzwischendecken nur soweit angewendet werden, als dieses aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich schien.
Zur Gewinnung von Bauplänen war ein auf schweizerische und in der Schweiz ansässige Architekten beschränktes Preisausschreiben am 15. Juni 1891 mit Termin zum 28. November dess. J. erlassen worden, Es gingen infolge desselben 16 Entwürfe ein, unter welchen der von dem Architekten E. La Roche vorgelegte (bei gleichgetheilter Stimmenzahl der fachmännischen Preisrichter) den ersten Preis erhielt. Die anderen eingegangenen Entwürfe zeigten durchweg ┴-förmigen Grundriss, wobei dann der Bücherspeicher rechts und links neben dem Mitteltrakt, oder in dem hinteren Flügelbau angeordnet war; im letzteren Falle reihten sich die Verwaltungs- und Leseräume usw. an langen Korridoren unorganisch auf; ausserdem würde in allen Fällen der hintere Flügelbau den botanischen Garten schwer beeinträchtigt haben. Unstreitig entspricht die vorliegende Lösung wie dem Programm so auch der Lage und Form des Bauplatzes in günstigster Weise.
Die ansprechende Ungezwungenheit, welche der Aufbau im Anschluss an die zur höchsten Blüthezeit der Universität üblichen Bauformen zeigt, spricht sich auch in der Grundrissbildung in einer Weise aus, dass etwa bestandene Programm-Schwierigkeiten vollständig unerkennbar geblieben sind, derart, dass man fast glauben könnte, das Programm sei auf den Entwurf zugeschnitten gewesen.
Zur Durchführung des letzteren sei noch bemerkt, dass zur Gewinnung genügender Beleuchtung im Untergeschoss auf der Gartenseite ein breiter, vor der Mittelthür des Lesesaales überbrückter Freigraben angelegt ist. Der Eckbau ist nur unter den Strassen- und gartenseitigen Räumen unterkellert und enthält unter dem Lesesaal und dessen Nebenräumen die Wohnung des Hauswartes und einen Akkumulatorenraum, an der Schönbeinstrasse grosse Räume für Lagerung von Makulatur und an der Bernoullistrasse solche für Kohlen, für die Heizung und ein Kistenmagazin.
Der Bücherspeicher hat als Sohle eine durchreichende Betonplatte erhalten, welche auch den ╬- förmigen Deckenstützen als Fundament dient. Dem Handschriftenraume im Erdgeschoss entspricht ein gleicher Raum im Untergeschoss. Die Decke über dem Untergeschoss, die in Fussboderhöhe des ersten Stockes des Mittelbaues liegt, und jene, die – als Feuerschutz – das Magazin vom Dachboden abschliesst, sowie die Decke unter dem Kuppeldache des Eckbaues, sind als starke Betonplatten ausgeführt, während die Zwischendecke im Erdgeschoss und die beiden im Obergeschoss des Magazins aus Holz hergestellt sind – letzteres auf besonderes Verlangen der Bibliothek-Beamten. Die durch die glückliche Frontanordnung erzielte Beleuchtung wird als sehr reichlich angesehen.
Oberlicht ist nur verwendet für das Treppenhaus, den Katalog- und den Zeitschriften- sowie für den Lesesaal: in letzterem ist die Einrichtung getroffen, dass im Sommer die Seitenwände der verglasten Laterne und die innere Glasdecke aufgeklappt und durch Rahmen mit Flörtuch bespannt, geschlossen werden können, um die Entlüftung zu begünstigen und Besonnung abzuhalten.
Die Räume sind sämmtlich einfarbig hell gestrichen, der Lesesaal hellgrünlich und mit Stuckornamenten ausgeziert; die Vorhalle mit Treppenhaus wie der Ausstellungssaal sind ebenfalls mit Stuck geschmückt und haben eine hellgelbe Bemalung erhalten.
Das Gebäude ist in allen Theilen mit Warmwasserheizung versehen.
Der Betrieb der Bücher-Aufzüge erfolgt hydraulisch; die Bücher werden im Erdgeschoss auf einem Handwagen vor die Glaswand vor dem Katalog-Beamtenzimmer gebracht und von hier aus nach der Ausleihestelle oder nach :dem Lesesaal abgelangt; im letzteren gelangen dieselben zunächst nach dem Pult des Saal-Vorstehers.
Für die Konstruktion der verschiebbaren Bücherbretter war ursprünglich das in Strassburg usw.
eingeführte Lippmann’sche System in Aussicht genommen, doch fand man dieses bei näherem Eingehen nicht ganz zweckmässig, sondern wählte das infolge eines besonderen – an Baseler Schlosser und Maschinen-Ingenieure ergangenen – Ausschreibens von der Maschinenbau – Gesellschaft Basel eingereichte System. (Abbildung 9-13)
Demselben ward gegenüber dem vorgenannten und ähnlichen Systeme der Vorzug gegeben weil auch bei Verstellung der Bretter, während sie mit Büchern belastet sind, weder ein seitliches noch ein Umkippen nach rückwärts eintreten kann. Es bedarf nämlich bei der Verstellung nur eines geringen Anhebens der Bücherbretter an der Vorderkante, um dieselben vollkommen wagrecht auf- oder abwärts verschieben zu können; beim Loslassen hängt sich der Haken der Blechwange an der Zahnstange fest ein und die Seitenwange stützt sich fest an die Vorderseite der Zahnstange.
Die Einrichtungen für den Zettelkatalog sind die altüblichen. Das Büchermagazin fasst den gegenwärtigen bestand von 220 000 Bänden und gewährt ausserdem Raum für einen Zuwachs von 130 000 Bänden, der nach jetziger Erfahrung jedoch erst im Verlaufe von etwa 50 Jahren erreicht werden soll; für eine dann etwa erforderliche Vergrösserung soll das Magazin in vollständig gleichem Aufbausystem einfach verlängert werden.
Der Bau erfolgte durch La Roche, Stähelin & Co. nach den von ihnen eingehend durchgearbeiteten Plänen, welche von dem preisgekrönten Entwurf nur unmerklich abweichen. Die Bauausführung fand während der Jahre 1894 bis 1896 statt und hat einschliessl. Umzugskosten einen Gesammtaufwand von 870 186 Fres. = rd. 696 150 M. erfordert, in welcher Summe die ertheilten Preis-Honorare mit 2000, 1500 u. 2 x 750 = 5000 Fres. einbegriffen sind.
Dieser Artikel erschien zuerst am 26.03.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „C. Jk.“.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie:
1. Teil, Beschreibung der Universitäts-Bibliothek in Basel, als Teil einer Serie, die Ende des 19. Jahrhunderts erschien: Ueber neuere Bibliotheken I – Die neue Universitäts-Bibliothek in Basel.
2. Teil, als Teil der Serie über moderne Bibliotheken beschreibt dieser Artikel 1898 die Carnegie Free Library in den USA: Ueber neuere Bibliotheken – II. Die Carnegie Free Library in Alleghany, Pa.
3. Teil, 1898 wurde in diesem Text die Stadtbibliothek in Bremen beschrieben, welche 1894-96 neu entstanden ist: Ueber neuere Bibliotheken III – Die Stadtbibliothek in Bremen.
4. Teil, in diesem Teil der Serie über enuere Bibliotheken wird die Kongress-Bibliothek in Washington vorgestellt: Ueber neuere Bibliotheken IV – Die Kongress-Bibliothek in Washington, D. C.
5. Teil, zum 3. mal innerhalb von 30 Jahren musste 1894-98 in Köln ein neues Bibliotheksgebäude gebaut werden. Dieser Artikel erschien damals dazu: Ueber neuere Bibliotheken V – Das neue Bibliothek- und Archiv-Gebäude der Stadt Köln a. Rh.