Die neusten Triumphe der Himmelsphotographie

Von Leo Brenner, Direktor der Manorasternwarte. In der Nummer vom 13. Oktober 1900 haben wir eine kurze Uebersicht der Entwicklung und des damaligen Standes der Himmelsphotographie gegeben und Proben der damals besten Aufnahmen himmlischer Objekte mitgeteilt.

Seither hat die Himmelsphotographie wiederum Fortschritte gemacht, und bei der beständigen Vervollkommnung der Photographie ist es gar nicht abzusehen, was für Ueberraschungen uns noch vorbehalten sind.

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Die ungeahnten Erfolge der Himmelsphotographie haben auch Phantasten à la Flammarion derart berauscht, daß ihnen nichts mehr unmöglich oder unerreichbar erscheint. Das Fernrohr ist für sie bereits eine abgethane Größe, selbst die Kamera nur ein Uebergangsstadium und das Spektroskop oder der Spektrograph auch nur die erste Stufe auf der langen Leiter zu den entferntesten Regionen des Weltalls. „Warum,“ rufen sie aus, „warum soll nicht die Zukunft uns die Entdeckung eines Instruments bringen, von dessen Beschaffenheit wir ebensowenig auch nur eine blasse Ahnung haben, wie unsere Voreltern von der Kamera und dem Spektroskop ?“

Diese Hoffnungen sind vielleicht überschwenglich, aber nicht unberechtigt, wenn man an die Röntgen und Becquerel-Strahlen, an den Fernsprecher, die drahtlose Telegraphie, den Kinematographen, den Phonographen und ähnliche erstaunliche Entdeckungen und Erfindungen der letzten Jahrzehnte denkt. Und was sind ein paar Jahrzehnte gegen die Jahrmillionen, die die Erde schon steht und noch stehen wird! …

Wenn man dies alles so recht bedenkt, so möchte man mit unsern Schwärmern gern glauben, daß unsere Enkel oder Urenkel – vielleicht gar schon unsere Söhne – imstande sein werden, mit den Bewohnern unserer Nachbarwelten in Verkehr zu treten oder die Oberflächenbeschaffenheit von Fixsternen kartographisch darzustellen oder die Vorgänge beim Aufleuchten neuer Sterne zu belauschen und in die entferntesten Regionen des Weltalls zu dringen, bis schließlich das ideale Endziel der Astronomie: die Enthüllung des großen Rätsels der Weltenbildung, ihres Bestehens und Vergehens erreicht ist und wir die genauen Gesetze kennen, nach denen sich alle Himmelskörper durch das Weltall bewegen.

Wer möchte nicht in jener Zeit leben, da der menschliche Geist solche Ziele erreicht hat!

– Das heißt nämlich, wenn er sie überhaupt zu erreichen vermag, was uns sehr zweifelhaft erscheint, bei aller Bewunderung der bisherigen Errungenschaften. Denn wie dem Wachstum der Bäume eine Grenze gesetzt ist, so wohl auch dem menschlichen Geist. Unsere Nachkommen mögen noch viele wichtige und ungeahnte Entdeckungen und Erfindungen machen und die Kenntnis des Himmels gegen unsere heutige um das Millionenfache vermehren, immer wird noch eine Fülle von Rätseln bleiben, deren Auflösung mit allen der Menschheit zur Verfügung stehenden Mitteln und Naturkräften unmöglich sein und auf ewig bleiben wird. In diesem Sinn lassen wir also auch das berühmte Du Bois-Reymondsche „Ignorabimus“ gelten.

Nach diesem sehnsüchtigen Blick in die ferne Zukunft wenden wir uns wieder der nüchternen Gegenwart zu und begnügen uns mit dem, was uns die letzten Monate an bedeutsamen Fortschritten auf dem Gebiet der Himmelsphotographie beschert haben.

1. Spiralnebel
2. Spiralnebel
5. Nebelhülle um den neuen Stern im Perseus

In meiner eingangs erwähnten ersten Arbeit habe ich den Lesern die prachtvollen Nebelfleckphotographien vor Augen geführt, die der leider allzufrüh in der Blüte seiner Jugend uns und der Wissenschaft entrissene Direktor der Licksternwarte, James Keeler, mit dem 36-zölligen Croßleyreflektor seiner Sternwarte gewonnen hatte. Diese Aufnahmen machten um so mehr Aufsehen, als sie an einem Reflektor erhalten wurden, weil Spiegelteleskope allgemein gegen die gewöhnlichen Fernrohre (Refraktoren) als minderwertig betrachtet wurden. In der That läßt sich nicht leugnen, daß für visuellen Gebrauch, also zum Beobachten mit dem Auge, der Refraktor dem Reflektor weit überlegen ist. Einer unserer vierzölligen Refraktoren z. B. zeigt uns die Planeten bedeutend besser, als der 72-zöllige Reflektor des Lord Rosse, obgleich seine Lichtstärke theoretisch nur 1:324 jener des Reflektors beträgt. Allerdings hatte schon Gothard behauptet, daß für photographische Zwecke der Reflektor besser als der Refraktor geeignet sei, aber seine Bemerkung war nicht beachtet worden. Als dann Roberts mit einem Reflektor sehr schöne Photographien von Nebelflecken und Sternhaufen erzielte, bewunderte man zwar auch diese, da sie aber die an Refraktoren gewonnenen Aufnahmen nicht übertrafen, ließ man die Sache auf sich ruhen.

Da fügte es sich, daß ein Engländer, Namens Croßley, sich bereden ließ, seinen 36-zölligen Reflektor, dem er nichts anzufangen wußte und dessen Leistungen in England höchst mittelmäßig waren, der Lick-Sternwarte zum Geschenk zu machen. Dort angekommen, wurde er von allen Astronomen mit Geringschätzung angesehen. Da der damalige Direktor Holden seine Leute nicht zwingen wollte, blieb der arme Reflektor unbenutzt, bis Keeler die Direktion übernahm. Zunächst untersuchte er selbst, ob denn das Instrument wirklich nicht besser als sein Ruf sei. Die visuelle Prüfung fiel nicht sehr zu seiner Zufriedenheit aus. Die Leistungen entsprachen etwa jenen eines sechszölligen Refraktors. Aber Keelers Genie begnügte sich nicht mit dieser Erprobung. „Wenn er für das Auge nichts taugt, so kann er vielleicht durch seine Lichtstärke noch immer für photographische Zwecke gut genug sein“, dachte er und beschloß einen Versuch zu machen, und zwar selbst, obgleich er bis dahin noch niemals einen Reflektor unter der Hand gehabt hatte.

Der Erfolg überstieg seine kühnsten Erwartungen. Die ganze astronomische Welt war überrascht, als sie die ersten Photographien Keelers erhielt, und diese besserten sich noch mit jeder neuen Aufnahme durch die von Keeler gewonnenen Erfahrungen.

Die fortgesetzten Aufnahmen von Nebelflecken brachten Keeler eine große Ueberraschung: er kam zur Erkenntnis, daß die Spiralform der Nebelflecke nicht ihre Ausnahmeform, sondern gewissermaßen ihre Regel sei, was unsere Anschauungen über die Weltenbildung wesentlich modifizieren muß. Wie ähnlich sich diese Spiralnebel alle sehen, zeigt ein Blick auf die Abb. 1 und 2, von denen die letzte den Spiralnebel in seitlicher Verkürzung (¾ Profil) zeigt, während bei der andern unser Blick frontal auf die Spirale fällt. Abb. 2. wieder hat eine überraschende Aehnlichkeit mit dem berühmten großen Andromedanebel, dessen mittlere Partie in Abb. 6 dargestellt ist. Von dieser Aufnahme werden wir unten noch ausführlicher reden.

3. Der grosse Spektrograph am Potsdamer Riesenrefraktor
4. Gruppe von Ringgebirgen auf dem Mond

Keeler trug sich mit dem Plan einer großartigen Durchforschung des ganzen Himmels mit diesem Croßley-, sowie mit einem zweiten gleich großen Reflektor, der eigens für den südlichen Himmel angefertigt und in Südamerika aufgestellt werden sollte. Ueber diese Pläne äußerte er sich kurz vor seinem Tod folgendermaßen:

„Zwar sind einige Nebel und Sternhaufen (zum Beispiel der große Andromedanebel und die Plejaden) zu ausgedehnt, um auf der Platte des Croßleyreflektors (8 x 11 cm) Platz zu finden, aber die Mehrzahl geht doch darauf, so daß ich auf Grund meiner Erfahrungen die Zahl der dem Instrument, zugänglichen Nebelflecke des ganzen Himmels auf 120 000 schätzen möchte, von denen erst der zehnte Teil bekannt und katalogisiert ist. Fast auf jeder Aufnahme finde ich neue schwache Nebelflecke oft bis zu 31 auf einer einzigen Platte! Daß sich auf einer Platte 8- 10 neue vorfinden, ist nichts Seltenes, und 5-4 kann man auf jeder Platte voraussetzen. Dabei sind die meisten der Herschelschen Nebel so hell, daß schon eine Belichtung von 1-2 Stunden genügt, sie schön zu zeigen. Ich ziehe aber Aufnahmen von 5-4 Stunden vor, weil dann viel mehr Detail zum Vorschein kommt. In einzelnen Ausnahmefällen genügt allerdings auch schon eine Belichtung von mehreren Minuten. Bei langen Aufnahmen kommen oft so feine Nebel zum Vorschein, daß sie kaum von einem schwachen Stern zu unterscheiden sind. Eine merkwürdige Entdeckung, die ich machte, ist auch die, daß die meisten der von Herschel gezeichneten „Doppelnebel“ nichts anderes sind als Spiralnebel, deren schwächere Verbindungsteile Herschel nicht sichtbar waren, die aber in der Photographie deutlich herauskommen und meine Behauptung unterstützen, daß die meisten Nebel Spiralform aufweisen. Diese Entdeckung ist um so wichtiger, als sie uns zu ganz andern Schlüssen in Bezug auf die Entstehung der Doppelsternsysteme bringt. Denn bisher glaubte man mit Poincaré, daß die Doppelnebel das Urstadium der Entwicklung von Doppelsternen vorstellen; dagegen zeigt uns die Photographie, daß die durch die Spiralform verratene Bewegung auf viel verwickeltere Entstehungsbedingungen hinweist, als nach der Theorie. Nimmt man aber die Spiralform als die normale der Nebelflecke an, so liegt die Erwägung nahe, daß auch unser eigenes Sonnensystem sich aus einer solchen Form entwickelt hat. Dann kann aber die Weltenbildung nicht so einfach gewesen sein, wie nach der gewöhnlichen Nebularhypothese. In dieser wird nämlich der zusammenziehenden Masse eine Einfachheit zugeschrieben, die von der Photographie in den Spiralnebeln nicht gezeigt wird.“

Ein grausames Geschick entriß uns den hochbegabten Keeler gerade in dem Augenblick, als er an die Verwirklichung seiner großen Pläne schritt, und wie es scheint, ist diese dadurch ins Stocken geraten.

Unter diesen Umständen ist es um so erfreulicher, zu sehen, daß an einer andern großen Sternwarte, der Yerkessternwarte in Amerika (gleich der Licksternwarte Stiftung eines amerikanischen Millionärs), ein neues Instrument in Thätigkeit getreten ist, das den Croßleyreflektor noch zu übertreffen scheint. Allerdings ist es nicht immer das Instrument, dem das Hauptverdienst zugeschrieben werden muß, sondern in erster Linie der Mann am Okularende oder der, welcher es handhabt. In der Geschichte der Astronomie finden wir immer, daß der durch ein Instrument erworbene Ruhm mit dem Tod jenes Beobachters verblich, der es durch seine Arbeiten berühmt gemacht hatte. Auf diese Weise ist es vielleicht auch zu erklären, daß unter den Händen des geschickten Ritchey ein nur 23 ½ zölliger Reflektor, dessen Bild wir in Abb. 8 wiedergeben, Leistungen vollbringt, die jene des Croßleyreflektors übertreffen.

Zunächst werfe man einen Blick auf die Abb. 6, von der wir schon oben gesprochen. Man sieht einen Spiralnebel, wie jener in Abb. 2, jedoch nur seine Mittelpartie, weil er für die Platte zu groß ist. Trotzdem erkennt man genau die spirale Anordnung des Ganzen und die dunklen Zwischenräume zwischen den einzelnen Spiralen. Die ganze Nebelmasse ist von einer großen Zahl Sterne überlagert.

Und dennoch ist der Andromedanebel kein Nebelfleck, sondern seine Spiralen setzen sich aus einer Unzahl winziger Sterne zusammen! Diese Entdeckung machte ich selbst am 24 August 1895. Damals war die Luft von einer so wunderbaren Klarheit, wie sie außerhalb unserer Insel kaum noch auf einem andern Punkt der Welt angetroffen wird – wenigstens nirgends, wo sonst noch eine Sternwarte steht. Und da fand ich mit Vergrößerung 600 unzählige feine Sterne 13 bis 15 Grad über das ganze Gesichtsfeld zerstreut, wie feiner weißer Sand über graue Marmorplatte.

Dieser unvergeßliche Anblick wurde auch von Frau Manora bestätigt, und eine Täuschung ist vollständig ausgeschlossen, wo zwei Personen mit solcher Deutlichkeit die Sache sahen. Wenn aber noch ein Zweifel herrschen sollte, so würde er durch das Spektroskop zerstreut, das von Nebel ein kontinuierliches Spektrum giebt, also beweist, daß thatsächlich nur ein Sternhaufen in unendlich weiter Entfernung ist. Dieser Umstand muß aber in Verbindung mit der offenbaren Spiralform unser Interesse im höchsten Grad erregen. Wäre nicht daraus zu schließen, daß die Spiralnebel nicht als Ganzes sich in ein Sonnensystem verwandeln (durch Zusammenziehung), sondern daß ihre einzelnen Bestandteile, jeder für sich, dies thun ?…

Eine solche Annahme mag kühn erscheinen, ist es aber nicht, wenn man sich erinnert, daß unser Sonnensystem einen winzigen Bestandteil des ganzen Milchsraßensystems bildet, und daß die Milchstraße sich nach den neusten Forschungen ebenfalls als eine Spirale entpuppt. Es liegt also die Annahme sehr nahe, daß unser ganzes Milchstraßensystem, von einem fernen Punkt im Weltall, z. B. vom Andromedanebel selbst aus gesehn, ebenfalls den Eindruck eines Spiralnebels machen würde. Unser ganzes Sonnensystem würde dann dem dortigen Beobachter nicht anders erscheinen, wie uns eins der bereits erwähnten „Sandkörnchen“. Der Spektroskopiker im Andromedanebel würde dann ebenfalls von unserm Milchstraßensystem ein kontinuierliches Spektrum erhalten und es deshalb für einen Sternhaufen in unermeßlicher Entfernung erklären, während seine Kollegen vielleicht die ihm geglückte Auflösung des Objekts in Sterne in Zweifel ziehn würden. Mit dem Umstand, daß der Andromedanebel ein ungeheurer Sternhaufen ist, steht auch die Thatsache in Einklang, daß schon zweimal, 1885 und 1898, in seinem Innern neue Sterne aufleuchteten.

Von ganz anderer Form als spiralig ist jedoch ein anderer Nebelfleck im Schwan, der ebenfalls in einer bis dahin unerreichten Schönheit auf der Yerkessternwarte mit dem 23½-zöller photographiert wurde und der in Abb. 7 wiedergegeben ist. Offenbar scheint die ganze lange, schmale Masse zusammenzugehören, obgleich es natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß vielleicht einzelne Teile zu andern Nebelflecken gehören, die sich nur zufällig in gleicher Gesichtslinie projizieren, sonst aber von den andern durch ungeheure Entfernungen getrennt sind.

6. Mittlerer Teil des grossen Andromedanebels
7. Nebelfleck im Schwan
8. Der Reflektor des Yerkesobservatorium

Für den Mond taugt der neue Reflektor schon weniger, weil hier nicht Lichtstärke, sondern scharfe Definition ins Gewicht fällt, weshalb ein Refraktor bessere Resultate liefert. Dies sieht man aus Abb. 4, wo die prächtige Gruppe der Ringgebirge Theophilus, Cyrillus und Katharina wiedergegeben ist, so wie sie am größten Refraktor der Welt, am 40 Zöller der Yerkessternwarte, bei Anwendung eines farbigen Glases von Ritchey aufgenommen wurde. An Deutlichkeit des Details übertrifft sie alles bisher von der Photographie Erreichte, wenngleich unser Fernrohr natürlich noch immer weit mehr und weit feineres Detail zu zeigen vermag.

Dagegen hat die Photographie in jüngster Zeit noch einen andern unerwarteten Triumph zu verzeichnen. Sie nämlich, die zuerst auf eine Nebelhülle aufmerksam machte, die sich um den im Sternbild des Perseus vor einem Jahr aufgetauchten neuen Stern gebildet hatte. In Abb. 5 sehen die Leser so eine auf der Yerkessternwarte am 20. September 1901 mit dem 23½ Zöller von Ritchey aufgenommene Photographie, auf der infolge der langen Belichtung der in der Mitte befindliche Stern – eben die „Nova Persei“ – sich ungebührlich auf der Platte ausgebreitet hat, geradeso wie der helle links unten. Um die Nova ziehen sich ringsum – am stärksten oben – feine Nebelmassen, an denen das Merkwürdigste das ist, daß sie nach späteren Aufnahmen ihre Stellungen verändert hatten. Aus der Rechnung ergab sich aber für die Schnelligkeit der Bewegung eine so ungeheure Zahl, daß sie beiläufig der Schnelligkeit entsprach, mit der sich das Licht fortpflanzt (300 000 Kilometer in der Sekunde). Aus diesem Grunde ist man auch geneigt, diese Ortsveränderung des Nebels keiner wirklichen Bewegung der Nebelmassen zuzuschreiben, um so mehr, als diese Fortbewegung nicht in einer Richtung, sondern nach allen Seiten vom Stern weg erfolgt. Man glaubt vielmehr, daß es sich um die Fortpflanzung einer optischen Erscheinung handelt, nämlich der Lichtwellen, was mit einem auf dem Stern stattgefundenen Ausbruch zusammenhängen könnte. Wie nämlich jetzt von den meisten angenommen wird, ist das Auftauchen des neuen Sterns dem Zusammenstoß mir einer großen kosmischen (Meteor)wolke zuzuschreiben, durch den sowohl die Oberfläche des Sterns als auch die mit ihr in Berührung gekommenen Meteoriten ins Glühen gerieten. (Unter „Meteoriten“ wollen wir hier nicht nur solche Meteorstücke verstanden wissen, wie sie in unsern Museen zu finden sind, sondern auch die diskreten Körperchen, aus denen sich Nebelflecke zusammensetzen dürften.) Die Reibung mag sich fortgepflanzt haben und uns in der Form eines glühenden Nebels zu Gesicht kommen. Näheres dürften wohl die nächsten Beobachtungen lehren.

Nicht geringen Anteil an den Ergebnissen unserer Forschungen bezüglich der Nova gebührt aber dem Spektroskop, das allein in der Lage ist, uns mit den chemischen Prozessen in jener unermeßlichen Entfernung bekannt zu machen. Und da ist es ein wahres Glück, daß wir bereits über ausgezeichnete Spektrographen verfügen, die imstande sind, uns alle die feinen Veränderungen im Spektrum des neuen Sterns getreu und fehlerfrei vor Augen zu führen und die Messungen der Linien mit einer Genauigkeit zu erlauben, die visuell gar nicht möglich gewesen wäre. Dabei ist es sehr erfreulich, daß die Potsdamer Sternwarte in ihrer neuen instrumentellen Ausrüstung auf der Höhe der Situation steht und bereits bedeutend zu unserer Kenntnis der hochinteressanten Vorgänge auf der Nova Persei beigetragen hat. Es dürfte deshalb dem Leser interessant sein, in Abb. 3 den großen am Potsdamer Riesenrefraktor angebrachten Spektrographen im Bild kennen zu lernen, der bei diesen Untersuchungen benutzt wird. Man sieht auf dem Bild das Okularende des Doppelrefraktors, dessen linke Hälfte das visuelle, die rechte das photographische Rohr birgt.

Ersteres endet in einem Mikrometer (rechts vom linken und oberhalb des gleichgroßen angrenzenden Rades, letzteres in dem Spektrographen, der an seiner Hufeisenform kenntlich ist.

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.11.1902 in Die Woche.