Unterwasser-Photographie

Die wunderbare Welt der Tiefsee war bis vor kurzem noch in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt. Man wußte von ihr kaum mehr, als die Taucher erzählen konnten, und von dem Leben auf dem Meeresgrund erfuhr man nur das, was Netze und Tiefseeapparate ans Tageslicht brachten. Diese geheimnisvolle Welt zu erobern, konnte eben nur durch ein einziges Mittel erreicht werden: durch die Photographie.

Früher wurde der Meeresgrund wohl bei ganz geringen Tiefe vom Boot aus photographiert, besondere Resultate erzielte man aber damit nicht. Jetzt ist es möglich, mit einem zu diesem Zweck konstruierten Apparat thatsächlich unter Wasser photographische Aufnahmen zu machen. Einem jungen französischen Zoologen blieb es vorbehalten, der Tiefe ihre Geheimnisse zu entreißen.

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Im Jahr 1893 unternahm Louis Boutan, Assistent von Lacaze de Duthiers, dem Professor der Zoologie an der Universität zu Paris, die ersten Versuche mit der von ihm erfundenen Wasserkamera. Sie fielen über Erwarten gut aus Während seiner Arbeit, die sich auf Beobachtung und Erforschung der Meeresfauna erstreckte, sah sich Boutan genötigt, Taucherrüstung anzulegen. Er gewöhnte sich sehr bald an die Schwere der Taucherkleidung, an das Brausen der Luftpumpen, wie an die sonstigen Unbequemlichkeiten, und der Aufenthalt in der Tiefe gewann so großen Reiz für ihn, daß er bedauerte die einzigartig schöne Scenerie die sich dort unten seinen Blicken darbot, malerisch nicht wiedergeben zu können. Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los, und so begann er die Konstruktion seines photographischen Apparats.

Unterwasser Photographie
Ein Taucher der sich zehn Fuss unter dem Wasserspiegel befindet. Bei Blitzlicht vom Boot aus aufgenommen

Er benutzte die sogenannte Detektivkamera, die er in einer aus Kupferplatten angefertigten Kassette unterbrachte. Der Deckel dieser Kassette, den ein dicker Kautschukstreifen umgiebt, wird von starken Schrauben niedergehalten. Das Objektiv der Kamera befindet sich hinter einer in die vordere Kupferwand eingelassenen runden Spiegelglasscheibe. Mit einer an der Außenseite des Kamerabehälters angebrachten Vorrichtung kann das Objektiv geöffnet und geschlossen, auch die Platte automatisch erneuert werden.

Unterwasserphotographie – Momentaufnahme eines schwimmenden Mondfisches

Um zu verhindern, daß der bei Tiefen von etwa zehn Metern schon recht unangenehm sich fühlbar machende Luft- und Wasserdruck Deckel und Seitenwände des Kupferkästchens eindrückte, befestigte der Erfinder einen Guttaperchaball, der ungefähr vier Liter Luft enthielt, an einem kurzen Rohr, das in das Innere der Kassette mündete. Auf diese Weise drang bei starkem Druck von außen genügend Luft in den Kamerabehälter, um ihn widerstandsfähig zu machen. Als Stativ diente ein einfacher Dreifuß aus Gußeisen.

Eine der größten Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bestand in der „höchst mangelhaften Beleuchtung“ des Meeresgrundes. Bei einer Tiefe von sechs Metern ist bereits eine Expositionsdauer von mindestens dreißig Minuten erforderlich, während bei sieben Metern unter Wasser das hellste Tageslicht so abgeschwächt wird, daß es keine Wirkung mehr auf eine photographische Platte ausübt. Mit Hilfe von künstlichem Licht aber können in jeder Tiefe, zu der ein Taucher sich hinabwagen darf – man weiß, daß dem Tiefseetaucher bestimmte Grenzen gezogen sind – sogar photographische Momentaufnahmen gemacht werden.

Momentaufnahme eines Forellenzuges

Das elektrische Licht würde sich nun sicher zum Photographieren auf dem Grunde der See am besten eignen, Boutan mußte aber aus pekuniären Gründen von der Benutzung eines submarinen Scheinwerfers absehen. Er begnügte sich mit einer selbstkonstruierten, mit einem Sauerstoffbehälter in Verbindung stehenden Lampe, die schon angezündet in einer Glaskugel hinabgelassen ward. Ein mit Magnesiumpulver gefüllter Gummiball, der durch ein Lötrohr mit der gläsernen Kugel verbunden wurde, ergänzte die Vorrichtung und ermöglichte es dem Tiefseephotographen, Momentaufnahmen bei plötzlich aufflammendem Licht zu machen.

Diesem Blitzlichtapparat und der wasserdichten Kamera verdankt man nun außerordentlich interessante Photographien von den Landschaften und dem Leben im Meer.

Unsere Illustrationen zeigen einige der der letzten Aufnahmen des submarinen Forschers.

Das Bild des Tauchers ist an einem sonnenhellen Herbstvormittag des vergangenen Jahres in der kleinen Bai von Troc unweit Banyuls am Mittelmeer bei Blitzlicht gemacht worden.

Momentaufnahme einer Gruppe von Mondfischen

Der Mann befand sich zehn Fuß tief unter dem Wasserspiegel und etwa vier Meter von der Kamera entfernt. Es ist die erste Momentaufnahme, bei der der französische Forsch nicht selbst mit zum Meeresgrund hinabtauchte, sondern von seinem Boot aus mittels einer neuen Vorrichtung das Magnesiumlicht aufflammen ließ und gleichzeitig das Objektiv öffnete und schloß.

Der gute Erfolg dieses Versuches beweist, daß es in absehbarer Zeit möglich sein wird, an der Hand neuer und besserer Apparate die Tiefen der Weltmeere zu erforschen. Nicht lange mehr, und uns wird enthüllt werden, was die Götter gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 06.05.1901 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit „Oberberg“.