Berichtet von Conrad Sutter in Mainz.
Die beschlossene Wiederherstellung des ehem. kurfürstlichen Schlosses zu Mainz und der Neubau der evangelischen Christuskirche in der Nachbarschaft des Schlosses waren mir vor mehr als zwei Jahren Veranlassung, darauf hinzuweisen, dass diese beiden baulichen Unternehmungen von einheitlichem Gesichtspunkte zu betrachten seien, weil ihre benachbarte Lage sie zum Ausgangspunkte der Bestrebung machen sollte, ihre Umgebung in würdiger und künstlerischer Weise umzugestalten.
Die mit reichen Mitteln (bewilligt von Stadt, hessischem Staat und Reich) zu unternehmende Wiederherstellung des kurfürstlichen Schlosses verfolgt den Zweck, dieses Kunstwerk der deutschen Renaissance in seinem ursprünglichen Glanze wiederherzustellen.
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Die Baugruppe dieses mächtigen, den Kunstsinn seiner Erbauer kennzeichnenden Profanbaues, ist ein eigenartiger Typus deutscher Palast-Architektur des 17. und 18. Jahrhunderts und heute noch ein leuchtendes Beispiel, das wie die ersten unserer hervorragenden Denkmale der Baukunst auf deutschem Boden, erneut zu erstehen verdient. Dieses Streben aber wäre nutzlos, wenn dem Kunstwerk der Rahmen fehlte, wenn die Umgebung erdrückend statt erhebend wirkte. Das Schaffen eines bedeutsamen Rahmens, einer würdevollen Umgestaltung der Umgebung des kurfürstlichen Schlosses beabsichtigte mein damaliger Vorschlag, wobei ausgesprochen wurde, dass der Zeitlauf dort jedenfalls eine Aenderung bringen müsse: die Entfernung der Schlosskaserne.
Der beigefügte Bebauungsplan des gegenwärtigen Bestandes lässt die Lageverhältnisse erkennen und es ist daraus ersichtlich, wie sich die Schlosskaserne, ein 250 m langer, nüchterner, dreigeschossiger Nutzbau, gleich einer Barrikade auf der Grenze zwischen Alt- und Neustadt erstreckt. Die gewaltige Oede des Schlossplatzes, eines Exerzier- und Paradeplatzes, steigert noch mehr die traurige Wirkung der heutigen Umgebung des ehemaligen kurfürstlichen Schlosses. Hinter den abschliessenden Mauern, aus französischer Zeit stammender Douanebauten, liegen Schlosshof und Schloss gewissermaassen im Zauberschlafe, darauf wartend erweckt zu werden zu neuer Pracht. Ausser dem kurfürstlichen Schlosse sind es noch das grossherzogliche Palais (ehemalige Deutsch-Haus), ein stolzer Palast der Barockzeit, und die Peterskirche, ein Denkmal des Spätbarocks und Rococo, sowie andererseits die Prachtstrasse von Neu-Mainz, die Kaiserstrasse mit der im Bau begriffenen monumentalen Christuskirche, welche jene Stelle der Stadt umsäumen und bezeichnen, für deren künstlerische Umgestaltung die Bewegung in die Wege geleitet wurde. Wäre es denkbar, dass soviel vorhandene Schönheit ungehoben bleiben sollte? Und doch war es nöthig, mit aller Energie, mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, denn bis vor kurzem drohte ein militärischer Plan den heutigen traurigen Zustand dauernd festzulegen und damit eine künstlerische Gestaltung der Umgebung für immer auszuschliessen. Die Schlosskaserne – deren Fallen Grundbedingung einer glücklichen Lösung sein muss – sollte ausgebaut und nach der Tiefe erweitert werden. Es waren Verhandlungen zwischen dem Militär-Fiskus und der Verwaltung der Stadt Mainz eingeleitet, welche den Erwerb eines grossen Theiles des zwischen Schlosskaserne und Kaiserstrasse gelegenen Geländes zur Erweiterung des Kasernengebietes anstrebten. Im Herbste des Jahres 1898 war der militärische Plan soweit wie eben geschildert gediehen und der Reichstag sollte die Mittel zur Ausführung bereit stellen. Da schien es geboten, die breiteste Oeffentlichkeit für die Angelegenheit zu interessiren, um Unterstützung zu gewinnen in einer Bewegung gegen den Ausbau und die Erweiterung der Schlosskaserne. Die Frankfurter Zeitung brachte einen diese Frage eingehend behandelnden Artikel, welcher verlangte, dass das kurfürstliche Schloss gegen Unternehmungen wie der militärische Kasernenplan zu schützen sei und die städtische Verwaltung von Mainz aufforderte, ihrerseits die hierzu geeigneten Schritte zu thun. Dieser Mahnruf fand Wiederhall. Von Wichtigkeit war es, dass zunächst der Mainzer Architekten- und Ingenieur-Verein (Ortsverein des mittelrh. Arch.- u. Ing.-Vereins) Stellung zu dieser Frage nahm.
Es dürfte vielleicht angezeigt erscheinen, um einen möglichst klaren Einblick in die Sache zu geben, den an die grossherzogliche Bürgermeisterei und die Stadtverordneten-Versammlung der Stadt Mainz gegebenen Bericht über diese Stellungnahme des Vereins, dem ein von mir aufgestellter neuer Bebauungsplan beigegeben war, hier in der Hauptsache folgen zu lassen.
Unter gleicher Begründung soll, wie es auch damals gewollt war, beispielsweise auch dieser Bebauungsvorschlag hier mitgetheilt werden; nur sei vorausgeschickt, dass die zur Veröffentlichung gewählte Gestaltung nur eine meiner mannichfachen Studien über diese Materie war und um deswillen zur Veröffentlichung bestimmt wurde, weil sie mir am leichtesten geeignet erschien, widersprechenden Anschauungen nicht zu Schroff entgegenzutreten.
Die Monatsversammlung des Architekten- und Ingenieur-Vereins Mainz vom 3. Nov. 1898 gestaltete sich zu einer wichtigen Kundgebung mit Bezug auf das ehemalige kurfürstliche Schloss zu Mainz und dessen Nachbarschaft. Zunächst brachte der Vorsitzende einen Artikel der Frankfurter zeitung vom 7. Okt. d. J. zur Verlesung (Oben erwähnt.) Zur weiteren Erläuterung dieser Frage berichtete Architekt Conrad Sutter wie folgt.
Die Herstellung des ehemaligen kurfürstlichen Schlosses und der von der Militärbehörde geplante Ausbau der Schlosskaserne sind zwei Kapitel der Mainzer Baugeschichte von solch’ eminent wichtiger Bedeutung, dass deren nähere Betrachtung und Stellungnahme hierzu auf’s dringendste geboten erscheint.
Die Herstellung des kurfürstlichen Schlosses ist beschlossene Sache. Die Stadt Mainz hat dafür 600 000 M., der hessische Staat 300 000 M. bewilligt und neuerdings ist auch ein Reichszuschuss von 300 000 M. in Aussicht gestellt; zusammen 1 200 000 M.
Dass das kurfürstliche Schloss in seinem alten Glanze wieder erstehen soll, ist eine höchst erfreuliche Thatsache, die nur allgemeine Befriedigung erregen würde, wenn die Militärbehörde nicht beabsichtigte, die unmittelbar benachbarte sogenannte Schlosskaserne auszubauen. Die unwürdige Nachbarschaft des kurfürstlichen Schlosses, dessen Schönheit in solcher Umgebung niemals zur vollen Geltung kommen kann, soll nunmehr noch mit besonderem Nachdrucke auf lange Zeit festgelegt werden. Die Planung der Erhöhung der Schlosskaserne und des Geländeankaufs hinter derselben, an der Kaiserstrasse, dokumentirt, dass man hier ein umfangreiches Militärlager beabsichtigt. Wird diese Absicht verwirklicht, so ist eine künstlerische Gestaltung der Umgebung des kurfürstlichen Schlosses thatsächlich und gewaltsamer Weise ausgeschlossen. Es geht hieraus hervor, wie berechtigt der Mahnruf ist, das Zustandekommen dieses militärischen Planes zu verhindern, so lange es noch Zeit ist.
Wenn wir uns einerseits darüber klar werden, welch’ wichtige Verwendung das Gelände der Schlosskaserne und dessen Umgebung im künftigen Mainz finden kann und andererseits inbetracht ziehen, welche für Militärbauten geeigneten Baugelände an den Grenzen der Stadt theils vorhanden sind, theils im Laufe der Zeit durch Entfestigung und Eingemeindung erschlossen werden können, so ist des Exempels logischer Schluss der: „die Schlosskaserne muss einst fallen.“
Alle Bestrebungen, den Ausbau der Schlosskaserne zu verhindern, rechnen nicht mit dem sofortigen Fallen der Schlosskaserne. Der heutige Bestand soll zunächst nicht angegriffen werden, es ist nur verlangt und muss wiederholt mit allem Nachdrucke geschehen, der die Schlosskaserne nicht durch Ausbau vergrössert werde und dass für die Umgebung des herzustellenden kurfürstlichen Schlosses ein Zukunfts-Bebauungsplan aufzustellen sei, der die Möglichkeit bietet, in allmählicher Entwicklung die Umgebung des Schlosses würdig zu gestalten und dort, im künftigen Mainzer Mittelpunkte, öffentliche Gebäude erstehen zu lassen, welche Bezüglich des Verkehrs und der allgemeinen Lage hier die Beste Stelle finden.
Es ist in erster Linie Sache der Stadt, für den Schutz dieses ihres bedeutenden Baudenkmales kräftig einzutreten und sich zugleich weitschauend die Möglichkeit zu sichern, dort, in der Umgebung des Schlosses, einstmals, wenn es die Bedürfnisse verlangen, eine Bauthätigkeit in ihrem eigenen Interesse entfalten zu können. Den von der Militärverwaltung gesuchten Geländeankauf nicht zu genehmigen, ist die Stadt ohne Weiteres in der Lage. Sie schafft sich damit den grossen Vortheil, dass ihr übriges Baugelände an der bevorzugtesten Strasse, der Kaiserstrasse, nicht durch die dauernde Nachbarschaft einer Kaserne entwerthet wird. Auch der mit den grössten Mitteln ins Werk gesetzte evangelische Kirchenbau wäre Grund genug, ihm keine Kaserne an die Seite zu stellen. Im eigensten Interesse also schon sollte dieser Geländeverkauf unterbleiben.
Anders steht es mit der Erhöhung des bestehenden Gebäudes der Schlosskaserne. Hier gilt es vorstellig zu werden. Es ist möglicherweise zu erreichen, dass die „Militärbau-Verwaltung ihren Plänen eine andere Richtung giebt und in Verständigung mit der städtischen Verwaltung ermöglicht, ihre Vorschläge an das Kriegsministerium derart zu gestalten, dass der Ausbau der Schlosskaserne unterbleiben kann. Der Ausbau der jetzt dreigeschossigen Kaserne zu einer vier- oder fünfgeschossigen widerspricht ja schon in sich der modernen hygienischen Richtung des Kasernenbaues. Nicht grosse, geschlossene, hohe Baukörper, sondern Gebäudegruppen sind es, die man heute beim Kasernenbau anstrebt. Ist auf diesem Wege nichts zu erreichen, dann allerdings gilt es, gestützt auf das fachmännische Urtheil berufener Beurtheiler, die weiteren Schritte zu unternehmen. Das Eingreifen der Regierung und die Vorlage beim Reichstage sind dann geboten. Die Urtheile hervorragender Baukünstler verlangen heute schon einstimmig den absoluten Schutz des kurfürstlichen Schlosses und die Inhibirung des geplanten Ausbaues der Schlosskaserne.
Das hiesige Vorkommniss im Vereine mit der gleichzeitigen Bedrohung des Thurn- und Taxis’schen Palais in Frankfurt durch die Postverwaltung zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass unsere Reichsgesetzgebung sich eingehend mit dem Denkmäler-Schutze zu befassen habe. Die vielen schlimmen Erfahrungen, die bei uns gemacht werden, drängen dazu, dass der gesetzliche Schutz, vielleicht in ähnlicher Form, wie es in Frankreich der Fall ist, angestrebt wird.
Das französische Gesetz vom 30. März 1887 in Verbindung mit einem älteren Gesetz vom 3. Mai 1841 schützt die künstlerischen und historischen Denkmäler in weitestem Umfang. Es ist der französischen Gesetzgebung dabei gelungen, die auf dem Gebiete des Denkmalschutzes so leicht einander feindlich gegenübertretenden Interessen und Ansprüche möglichst auszugleichen. Es besteht eine besondere Behörde, die Kommission des monuments historiques, welche die Einzelheiten der jeweiligen Restaurirung und Konservirung zu begutachten bezw. zu beaufsichtigen hat. Wichtig für unseren Fall ist der Ausblick auf die französischen Verhältnisse besonders um deswillen, als die dortige Verwaltung und Rechtsprechung stets anerkannte, dass Gebäude enteignet werden dürfen, denen selbst jede geschichtliche oder künstlerische Bedeutung fehlt, sofern sie nur ein Denkmal verunstalten oder verbergen. Wenn auch nicht an eine sklavische Uebertragung der französischen Bestimmungen auf unsere deutschen Verhältnisse gedacht werden darf, so ist das französische Gesetz doch wegen seiner Folgerichtigkeit, seiner glücklichen Anpassung an die bestehenden Einrichtungen und allgemeinen Rechtsverhältnisse geradezu als vorbildlich zu betrachten.
Es ist gesagt worden, dass die Umgebung des kurfürstlichen Schlosses in hervorragender Weise sich dazu eigne, der öffentlichen, städtischen Bauthätigkeit Raum zu bieten. Ich habe im Anschluss an meinen früheren Bebauungs-Vorschlag einen neuen Bebauungsplan aufgestellt, welcher das künftige Fallen der Schlosskaserne gleichfalls voraussetzt und an das Bestehende sich anschliesst, wobei die Susgangspunkte das kurfürstliche Schloss und die Christuskirche bilden. Das kurfürstliche Schloss selbst ist, wie früher, nach der Stadt zu freigelegt gedacht. Nach Beseitigung der französischen Douane-Bauten sind kleine Beamtenwohnungen enthaltende Pavillons geplant, die durch zangenartige Verbindungshallen dem Schlossbau angegliedert sind und den Verkehr von demselben fernhalten. Der so entstehende Schlossvorhof, durch eine niedrige Einfriedigung begrenzt, und die Verbindungshallen böten Gelegenheit zur Aufstellung alter Denkmäler.
Als wichtigstes öffentliches Gebäude ist ein Rathhaus geplant, hier im Zukunfts-Mittelpunkt der Stadt, an der staatlichen Verkehrsstrasse – Grosse Bleiche – Brücke -, auf der Grenze zwischen Alt- und Neustadt, für beide Theile, sowie für das benachbarte Kastel gleich gut zu erreichen. Es mögen noch Jahre darüber hingehen, bis die Stadt in der Lage ist, den Rathhausbau ins Leben zu rufen; kommen muss aber dieser Zeitpunkt mit zwingender Nothwendigkeit und deshalb muss die geeignete Baustelle heute schon vorgemerkt werden. Bebauungspläne haben, wenn sie brauchbar sein sollen, mit der Zukunft zu rechnen und es muss immer und immer wieder gesagt sein, dass die derzeitigen Verhältnisse dazu zwingen, hier nichts zu versäumen, sich alle Rechte zu wahren und mindestens den status quo zu erhalten.
Dem Nordflügel des Schlosses gegenüber ist ein zweites öffentliches Gebäude angenommen; es wäre hier vielleicht der geeignete Platz für ein Reichspostgebäude, dessen Nothwendigkeit sich im Laufe der Zeit jedenfalls auch ergeben wird; auch für dessen Page gilt ähnliches, wie für das Rathhaus.
Für die Entlastung des kurfürstl. Schlosses als Sammlungsgebäude habe ich zu anderer Zeit schon auf die zu erstrebende Verwendung des Zeughauses und der Karmeliter-Kirche aufmerksam gemacht.
Für die sonstige Bebauung ist Wohnhausbau angenommen, mit Ausnahme des Theiles, welcher zwischen Raimundigarten und Kaiserstrasse gelegen ist. – Der Raimundigarten soll als öffentlicher Garten beibehalten und ausgestaltet werden, ja er kann möglicherweise dazu beitragen, dass in Verbindung mit ihm auf dem nach der Kaiserstrasse anschliessenden und ausreichend grossen Gelände ein Sommer-Theater oder dergleichen errichtet wird. – Die herrliche Lage fordert von selbst die Phantasie der Baukünstler heraus. – Wichtig und grundlegend für den ganzen Bebauungsplan ist, dass dem Schlosse die richtig abgewogene Umgebung, der Rahmen, geschaffen wird; dass eine hervorragend schöne Platzanlage die bestehenden und werdenden öffentlichen Bauten aufnimmt und schliesslich die Gesammtanlage darauf abgestimmt ist, dem künftigen Städtebild nichts von dem Zauber zu nehmen, der die alte Moguntia umgiebt.
Im flüchtigen Bilde habe ich unter diesen Voraussetzungen versucht zu zeigen, wie sich Neu-Mainz, von der Strassenbrücke aus, dem Blicke darbieten könnte. Eine fast tausendjährige Baugeschichte spricht aus dem Bilde der Stadt zu uns. Die ragenden Thürme und hohen Dächer, zumtheil herrlicher Gebäude, welche das Mainzer Stadtbild zu einem der schönsten machen, zu einem Bilde, das zum Herzen spricht und begeistert, umschliessen eine baugeschichtliche Kulturstätte von hoher Bedeutung. Was die vielhundertjährigen Stürme, welche über Mainz dahinzogen, überdauert hat, ist wahrlich werth, von uns bis aufs Kleinste geschützt, bis aufs Aeusserste vertheidigt zu werden.
Wenn die Vergangenheit mit solcher Sprache zu uns redet, so sollte man sich in engherziger Kurzsichtigkeit nicht dazu erheben können, einen Standpunkt einzunehmen, der über die allernächsten Lebensfragen nur ein wenig hinausragt? Wenn das kurfürstliche Schloss selbst – wie es heute vor uns steht – eine Bauzeit von 125 Jahren beanspruchte, so sollten unsere Pläne nicht so gestellt werden können, dass sie eine kurze Spanne Zeit, unser Menschenalter, überdauern? Wenn wir uns heute erfreuen und erheben, an dem, was uns von den Alten überkommen ist, so haben wir auch die Pflicht. unseren Nachkommen kein Aergerniss zu hinterlassen. – Zur weiteren Plan-Erläuterung sei noch bemerkt, dass bei der angeordneten Platzgruppe darauf Bedacht genommen ist, für Schloss, Christuskirche, Rathhaus usw. die geeigneten Beschauungspunkte darzubieten. Die breite, strassenartige Verbindung des grösseren Platzes mit der Kaiserstrasse bietet den freien Blick auf die Kirche und steht zu derselben im Verhältnisse eines Tiefenplatzes; das gleiche gilt von der platzartigen Erweiterung vor der Peterskirche für diese. Kirchen verlangen bekanntlich für ihre Beschauung Tiefenplätze, während profane Monumentalbauten, mit Ausnahme von Thurmfassaden, Breitenplätze für sich in Anspruch nehmen. Diese Bedingungen sind für die verschiedenen Gebäude erfüllt.
Zwischen den öffentlichen Gebäuden und der Kirche sind umfassende Wohnhausgruppen angeordnet, um den Monumentalbauten einen Maasstab zu geben und deren Grössenwirkung zu steigern. Die Thürme des Rathhauses und des Beenden, jener den Platz, dieser das Rheinufer beherrschend, sind zusammen mit der hochragenden Kuppel der Kirche diejenigen Faktoren, welche für die ganze Gruppe die Dominante im Stadtbilde abgeben. Ein Kollegium von Fachmännern, wurde weiter gesagt, wie der Architekten- und Ingenieur-Verein ist dazu berufen, mitzuberathen und in wichtigen Fragen der Oeffentlichkeit seine Stimme abzugeben.
Ich beantragte: „Der Architekten- und Ingenieur Verein wolle beschliessen, dass er für den vollständigen Schutz des kurfürstlichen Schlosses eintritt und infolge dessen den Ausbau bezw. die Erhöhung der Schlosskaserne als unzulässig bezeichnet. Der derzeitige Bestand möge so lange, wie unumgänglich nöthig, erhalten bleiben, es soll aber gleichzeitig befürwortet werden, dass unter Voraussetzung des späteren Fallens der Schlosskaserne ein entsprechender Bebauungsplan in den Haupt-Grundzügen festgelegt wird, um für eine spätere sachgemäße Gestaltung der Umgebung des kurfürstlichen Schlosses die Möglichkeit zu bieten, Der Beschluss des Architekten- und Ingenieur-Vereins soll der grossherzoglichen Bürgermeisterei der Stadt Mainz unterbreitet werden“.
Eine lebhafte und eigehende Erörterung, in welcher alle Gesichtspunkte zur Sprache kamen, schloss sich an und führte in der Anerkennung der Bestrebungen zum Schutze des ehemaligen kurfürstlichen Schlosses und in dem Wunsche nach geeigneter Gestaltung seiner Umgebung zu folgendem Beschlusse:
„Der Mainzer Architekten- und Ingenieur-Verein ersucht die grossherzogliche Bürgermeisterei und die Stadtverordneten-Versammlung, dass sie für den Schutz des kurfürstlichen Schlosses eintreten möge. Zur Erreichung dieses Zweckes hält es der Verein für erforderlich, einen Bebauungsplan und besondere Bauvorschriften für das Gelände zwischen der grossen Bleiche und Kaiserstrasse, mit Einschluss des Raimundigartens, aufzustellen, welcher auf das Gebäude der Schlosskaserne keine Rücksicht nimmt.
Dieser Plan und die Bauvorschriften sowie event. sich ergebende Pläne zur Erweiterung von bestehenden Gebäuden daselbst (Schlosskaserne) sollen dem zur Herstellung des ehemaligen kurfürstlichen Schlosses früher schon berufenen Kunstrathe zur Prüfung unterbreitet werden“. (Schluss folgt)
Die Umgestaltung der Umgebung des ehemaligen kurfürstl. Schlosses zu Mainz.
Zum weiteren Verlaufe der Bewegung zurückkehrend ist zunächst zu berichten, dass im Anschluss an die Mainzer-Stellungnahme der. mittelrheinische Architekten- und Ingenieur-Verein in seiner Hauptversammlung im Dezember 1898 gleichfalls Stellung zur Sache nahm und sich der Resolution des Mainzer Vereins anschloss, gleichzeitig darauf hinweisend, dass diese Frage nicht als eine örtliche zu betrachten sei, sondern als eine solche, welche das Interesse der gesammten deutschen Baukünstlerschaft hervorrufe.
Zur Durchführung der Absichten des Vereins, den angestrebten Schutz des kurfürstlichen Schlosses und die Umgestaltung seiner Umgebung auf’s beste zu unterstützen, wurde eine Kommission gewählt, welcher nachbenannte Herren angehörten:
Stadtbmstr. Genzmer-Wiesbaden, Brth. Grimm-Mainz, Geh. Ob.-Brth. Prof. Hofmann-Darmstadt, Beigeordneter Jäger-Darmstadt, Brth. Kuhn-Mainz, Architekt Rudolf Opfermann-Mainz, Architekt F. Pützer-Darmstadt, Architekt Conrad Sutter-Mainz, Architekt Frz. Jos. Usinger-Mainz, Architekt Wilhelm Usinger-Mainz, Prof. Wickop-Darmstadt.
Diese Kommission stellte einen Bebauungsplan und ein Gutachten auf, wodurch die Bestätigung erbracht wurde, dass eine künstlerisch befriedigende Gestaltung der Umgebung des Schlosses in Einklang zu bringen sei mit den wirthschaftlichen Interessen der Stadt. Zu Beginn des Jahres hatte die Agitation auch in weiten Kreisen der Mainzer, Bürgerschaft Boden gefunden. Namentlich waren es die in erster Linie interessirten Anwohner der Kaiserstrasse und der Grossen Bleiche, welche gegen die Verunstaltung ihrer Strassen und für die Wahrung ihrer wirthschaftlichen Interessen durch Ermöglichung einer guten Verbindung zwischen Alt- und Neu-Stadt eintraten und deshalb die Unterdrückung des Planes der Militär-Verwaltung auf Erhöhung und Erweiterung der Schlosskaserne verlangten. Mitten in diese Agitation hinein fiel ein Ereigniss, welches dazu bestimmt war, der günstige Wendepunkt für die Bewegung zu werden.
In der Budget-Kommission des Reichstages sprachen sich bei Berathung des Militäretats die Hrn. Dr. Gröber, Graf Oriola und Dr. Lieber für die Absetzung des Titels aus, welcher den Ausbau und die Erweiterung der Schlosskaserne in Mainz vorsah. Es wurde auf den grossen Widerspruch hingewiesen, welcher zwischen der Forderung der Militär-Verwaltung und den Absichten des Reichsamtes des Inneren bestehe,wonach eine Beihilfe zu den Kosten der Wiederherstellung des kurfürstlichen Schlosses in Aussicht genommen sei. (Ist inzwischen bewilligt worden.) Ferner wurde hervorgehoben, dass gerade die kunstliebenden Kreise von Mainz dagegen agitirten, dass durch irgend eine noch so schöne Kaserne ein kunstgeschichtlich so werthvolles Bauwerk wie das kurfürstliche Schloss verunziert werde. Der Titel wurde in einen solchen abgeändert, der den Verhandlungen mit der Stadt Mainz Spielraum gewährte. Der Erfolg dieses warmen Eintretens der Kommission, für welches die deutsche Baukünstlerschaft derselben grossen Dank schuldet, war ein wirkungsvoller.
Die Verwaltung der Stadt Mainz hatte seither der ganzen Bewegung gegenüber eine abwartende Stellung eingenommen. Die Unwahrscheinlichkeit, das mit dem Militär schon lange vorbereitete Geschäft zur Erweiterung des Kasernengebietes nunmehr noch zum Ziele zu bringen, musste nothwendiger Weise den Umschwung herbeiführen.
Die Verhandlungen zwischen Stadt und Militärfiskus nahmen nunmehr eine ganz andere Richtung an und beschäftigten sich zunächst fast ausschliesslich mit der Erwägung, die Schloss-Kaserne zu entfernen. Anfangs schienen die Wege bald geebnet zu sein, doch je länger sich die Verhandlungen hinzogen, desto ungünstiger waren ihre Ergebnisse. Im Sommer drohte die ganze Sache an, wie es schien, unüberwindlichen wirthschaftspolitischen Schwierigkeiten zu scheitern oder doch zu versanden. Die scheinbare Trostlosigkeit der Lage veranlasste mich, noch einmal den Versuch zu machen, unterstützend einzugreifen. Der Vollständigkeit des Berichtes halber sei mitgetheilt, dass ich in einem Immediatgesuch an S. M. den Kaiser die Sachlage und Entwicklungs-Geschichte schilderte und darauf hinwies, von welch hoher und allgemeiner Bedeutung diese Frage, vorab für die Denkmalspflege, für für ganz Deutschland sei. An allerhöchster Stelle ein warmes Wort auszusprechen für unsere deutsche Baukunst und Denkmalspflege und dort für sie in solch’ kritischer Lage das Heil zu suchen, schien mir angezeigt. –
Ob dieses Unternehmen mit den nun folgenden Ereignissen in ursächlichen Zusammenhang zu bringen ist, lasse ich völlig dahingestellt. Bald darauf war dem Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Hrn. Dr. Gassner, gelegentlich der Anwesenheit des Kaisers in Mainz Gelegenheit geboten, S. M. eine eingehende Darlegung der Lage der Stadt in dieser Frage zu geben. Darauf folgten in raschen Zügen herüber und hinüber neue Verhandlungen, die nahezu abgebrochenen Beziehungen wurden wieder angeknüpft und es wurde gegen Erwarten schnell eine Einigung erzielt. Es ist ersichtlich, dass zweifellos der kaiserliche Wille unsere Kunst mächtig gestützt hat.
Am 2.November d. J. wurde seitens der Stadtverordneten der Stadt Mainz der Vertrag mit dem Militärfiskus genehmigt, nach welchem die Schlosskaserne nebst Schlossplatz in den alleinigen Besitz der Stadt Mainz übergehen wird.
Es bedeutet dieser Abschluss einen vollen Erfolg für die Bestrebungen unserer Baukünstlerschaft auf dem Gebiete des Städtebaues nach künstlerischen Grundsätzen und auf dem Gebiete der Denkmalspflege und des Denkmalschutzes; möge der Erfolg in dieser Beziehung vorbildlich zum Segen werden, denn noch manchen Orts sind durch richtiges Eingreifen die Denkmäler unserer Kunst zu schützen und in ihrer Werthstellung hervorzuheben. Es möge mir noch gestattet sein, dankend auszusprechen, welche grosse Summe von Arbeit und wie viel guter Wille seitens der Behörden dazu nöthig war, unsere Sache zu der ihrigen zu machen und dieselbe zum erfolgreichen Abschlusse zu führen. Aufrichtiger Dank gebührt der Presse und allen Fachgenossen, welche mitgewirkt haben, die wichtige Frage zur Durchführung zu bringen. Eines Mannes aber möchte ich besonders gedenken, der zu einer Zeit, wo es am meisten Noth that, seine Autorität einsetzte.
Einer der grössten Kunstkenner, Domkapitular Prälat Dr. Fr. Schneider, liess durch seine umsichtige Thätigkeit der Sache die grösste Förderung angedeihen.
Die Angelegenheit wird jetzt in breitere Bahnen gelenkt werden. Es ist die Absicht der Stadt Mainz, den endgiltigen Bebauungsplan für die Umgebung des kurfürstlichen Schlosses auf dem Wege des Wettbewerbes zu erlangen. Möge die Durchführung dieses Unternehmens der Stadt und unserer Kunst zum Segen gereichen.
Dieser Artikel von C. Sutter erschien zuerst am 11. & 18.11.1899 in der Deutsche Beuzeitung.