Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen III – Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich

Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich - Architekt Stadtbaumeister Gustav Gull in Zürich

Architekt: Stadtbmstr. Gustav Gull in Zürich.

Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich ist am 25. Juni 1898 in feierlicher Weise eröffnet worden. Just ein Jahrhundert zuvor wurden die ersten Beschlüsse über die Erhaltung vaterländischer Alterthümer der Schweiz von Staats wegen gefasst, aber lange Zeit nicht zur Ausführung gebracht, da durch die kriegerischen Zeiten im Anfang des XIX. Jahrhunderts das Geld in den öffentlichen Kassen sehr knapp war. Handel und Gewerbe lagen darnieder, das Patriziat und die regierenden Familien der Länder waren verarmt; die Landbevölkerung hatte es nicht verstanden, sich den wirthschaftlichen Umwälzungen anzupassen.

So kam es, dass in vielen Theilen der Schweiz die ehrwürdigen Raths- und Amtshäuser mit ihrem reichen Inhalt an Kunstwerken verkauft werden mussten. Die Zeughäuser der Kantone wurden von den Franzosen geplündert; die Schlösser der Patrizier und die Landsitze der Städter gingen an die Bauern über, welche dem darin angesammelten Kunstbesitz ohne Theilnahme, höchstens allenfalls der für den Materialwerth gegenüberstanden und verschleuderten, was sich zu Geld machen liess. Kurzum, der alte Kunstbesitz des Landes wäre in Gefahr gewesen völlig unterzugehen, wenn nicht schon frühe einzelne Sammler aufgekommen wären, aus deren reichem Besitz eine spätere verständnissvollere Zeit hätte schöpfen können. J. N. Vincent in Konstanz und Martin Usteri sind aus dem Anfang des Jahrhunderts charakteristische Gestalten, die sich der alten Kunstwerke annahmen; und es berührt eigenartig, auch den Prediger Lavater unter der kleinen Gruppe von Männern zu finden, welche den schweizerischen Kunstbesitz, wenn auch nur für das Ausland, sammelten. Ihrem Sammeleifer verdankt heute die Schweiz die Erhaltung z. B. des besten Theiles ihrer schönen Glasmalereien.

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Denn was die napoleonischen Wirren nicht zerstörten, das vollendeten die stürmischen Zeiten der dreissiger und vierziger Jahre. Als die Klöster aufgehoben wurden, wurde der Verkauf der Alterthümer von Staats wegen betrieben.

Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen III - Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich
Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen III – Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich

„Die tiefste Ebbe der Verschleuderung vererbten Kunstgutes und die Hochfluth des Vandalismus waren erreicht, als 1836 der grösste Theil des ehemaligen Basler Kirchenschatzes in Liestal auf öffentlicher Gant nach allen Windrichtungen zerstreut wurde. Als dann im Jahre 1848 aus dem lockeren, ohnmächtigen Staatenbunde der Kantone ein kräftiger Bundesstaat, die neue Schweiz, entstand, war der grossen Masse des Volkes das Bewusstsein abhanden gekommen, dass die alte Eidgenossenschaft auf dem Gebiete des Kunstgewerbes eine hervorragende Stelle eingenommen, dass ihre Bürger, die Jost Ammann, Tobias Stimmer, Daniel Lindtmayer, Christoph Murer, ehemals den Ruhm schweizerischer Kunstfertigkeit in ferne Länder getragen hatten und dass bei uns bis tief ins 17. Jahrhundert hinein die bildende Kunst enger mit dem politischen, militärischen und sozialen Leben des gesammten Volkes verbunden gewesen war, als vielleicht in irgend einem anderen Lande Europas“.

Diesen Anspruch kann der Direktor des Landes-Museums, H. Angst, in seiner Gründungsgeschichte mit Recht erheben, denn schweizerische Kunst stand immer an erster Stelle in der deutschen Kunstbewegung der Vergangenheit; das bezeugt der heutige Inhalt des Museums, von dem auch dieser Aufsatz einige Beispiele enthalten wird. Mit dem Zusammenbringen dieses Inhaltes sollte es aber noch nicht so schnell gehen.

Die Gründung des South-Kensington-Museums in London war wie allenthalben so auch für die Schweiz das Zeichen zum Anfang. I. J. 1856 gründete Rud. Wackernagel die erste öffentliche Sammlung alter kunstgewerblicher Arbeiten in Basel. Aber weder Zürich noch Bern, die Sammlungen antiker und vorgeschichtlicher Gegenstände besassen, folgten mit Werken der schweizerischen Vergangenheit nach. Erst den Bemühungen Rahns gelang es, den Boden soweit vorzubereiten, dass 1880 die „Schweizerische Gesellschaft für Erhaltung historischer Kunstdenkmäler“ ins Leben treten konnte und fast gleichzeitig tauchte durch Salomon Vögelin in Zürich der Gedanke der Gründung eines „schweizerischen Nationalmuseums für historische und kunstgeschichtliche Alterthümer“ auf, ohne dass der Anregung zunächst Folge durch die maassgebenden Behörden gegeben wurde.

Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich - Grundriss
Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich – Grundriss

Da kam die schweizerische Landes-Ausstellung in Zürich vom Jahre 1883 und mit ihr neues Wasser auf die Mühle der Alterthumsfreunde. Im Nationalrath rief Vögelin damals aus:

„Es giebt Formen, in welchen der nationale Gedanke seinen unvergänglichen und monumentalen Ausdruck gefunden hat. Das sind die geschichtlichen Denkmäler eines Volkes, die lebendiger als alles andere Zeugniss ablegen von seinem Wollen und Können, von seinen Thaten und Geschicken, von seinen Hoffnungen und Idealen.“

Der Erfolg des warmen Eintretens war zunächst nur ein Bundeskredit von jährlich 50 000 Frcs. zur Erhaltung und Erwerbung vaterländischer Alterthümer; weitere Kredite folgten aber nach, die Bahn zum endlichen Ziel erschien frei. Der Gedanke des „Zentral-Museums“ fand Boden, als 1887 die „Eidgenössische Kommission für Erhaltung schweizerischer Alterthümer“ in Thätigkeit trat. Wo aber sollte das Museum errichtet werden, zu dessen Bau eine Reihe glücklicher Erwerbungen und Vermächtnisse drängten. Genf, Basel, Bern und Zürich bewarben sich in gleich opferfreudiger Weise um den Sitz des Museums. Die Angelegenheit wurde aus der einer privaten Begeisterung oder kantonaler Förderung zu der der schweizerischen Zentralbehörde, des Bundesrathes, welcher ihr nunmehr sein Interesse zuwendete. Der Kampf der Städte aber währte fort und führte zu schärfstem Wettbewerbe, als am 27. Juni 1890 der Nationalrath das Gesetz zur Errichtung eines schweizerischen Landesmuseums beschloss und der Bundesversammlung die Bestimmung des Sitzes überliess. Das Gesetz bestimmte, dass die Stadt, die das Museum erhält, demselben unentgeltlich zur Verfügung zu stellen habe ein zweckmässig gelegenes, für die Aufnahme der Sammlungen eingerichtetes würdiges Gebäude und ein freies Gelände zur Vergrösserung und zur Aufstellung grösserer Sammlungsstücke, Der Sitz des Museums sollte überhaupt die Bau-, Einrichtungs- und Unterhaltungskosten des Hauptgebäudes und späterer Anbauten tragen.

Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich - Architekt Stadtbaumeister Gustav Gull in Zürich. - Ansicht der Waffenhalle
Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich – Architekt Stadtbaumeister Gustav Gull in Zürich. – Ansicht der Waffenhalle

Ausserdem sollten die am Sitze des Museums befindlichen Sammlungen dem Museum einverleibt werden. Die Verwaltung des Museums sollte die Bundeskasse tragen.

Unter diesen Umständen blieben schliesslich noch vier Städte im engeren Wettbewerb: Zürich, Bern, Luzern und Basel. Den geplanten Neubauten in Bern und Zürich standen in Basel und Luzern alte Baudenkmäler kirchlicher und weltlicher Bestimmung gegenüber. Nach zahlreichen Abstimmungen und Wirrnissen in der parlamentarischen Behandlung der Angelegenheit fiel endlich in der Sitzung des Nationalrathes vom 18. Juni 1891 die Entscheidung mit 74 Stimmen zugunsten Zürichs, während 53 Stimmen auf Bern kamen. So wurde die Feier des sechshundertjährigen Bestandes der Eidgenossenschaft eingeleitet.

Da nach den Bestimmungen des erwähnten Gesetzes der Sitz des Museums das Gebäude zu errichten hatte, so betraute die Stadt Zürich ihren Stadtbaumeister Hrn. Arch. Gustav Gull mit der Aufstellung eines Entwurfes, welcher in seiner ersten Fassung im Jahrg. 1890 der „Schweizerischen Bauzeitung“ erschienen ist und der in seiner wesentlichen Gestaltung für die Ausführung beibehalten wurde. In wie vortrefflicher Weise dieselbe unternommen wurde, das sei in den weiteren Aufsätzen dargelegt und hier nur noch kurz erwähnt, dass der Wettbewerb der schweizerischen Städte zur Einrichtung selbständiger kantonaler Museen in Bern und Basel geführt hat.

(Fortsetzung folgt.)

Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen III. – Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich.

Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich - Architekt Stadtbaumeister Gustav Gull in Zürich
Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich – Architekt Stadtbaumeister Gustav Gull in Zürich

Das in den Abbildungen der No. 26, dieser und einer noch folgenden Nummer (Mit Ausnahme der Grundrisse verdanken wır die dem Aufsatze über das Schweizerische Landes-Museum in Zürich beigeebenen Abbildungen dem Entgegenkommen der „Schweizerischen Bauzeitung in Zürich und der Zeitschrift „Kunst und Handwerk“ in München.) zur Darstellung gebrachte Gebäude stellt sich als eine erweiterte Bearbeitung des im Jahre 1890 durch Gull aufgestellten Entwurfes dar, mit welchem Zürich in die Bewerbung um den Sitz des Landes-Museums eintrat. Für das Gebäude hatte die Stadt einen hervorragend gelegenen Platz in Vorschlag gebracht: die spitz zulaufende Landzunge, die durch den Zusammenfluss von Limmat und Sihl gebildet wird und auf welcher sich auch der Hauptersonenbahnhof befindet. Unmittelbar nördlich neben demselben ist das Gebäude so errichtet, dass es in seiner Breitenausdehnung nahezu die an jener Stelle verfügbare ganze Breite der Landzunge einnimmt und die geräumige Spitze derselben zu ausgedehnten Garten-Anlagen, welche die Möglichkeit der Aufstellung grösserer Architekturstücke aus den Sammlungen des Museums gewähren, frei lässt. Die so gegebene Lage ist sowohl für die Stadtbesucher des Museums, wie namentlich auch für die Fremden eine ungemein günstige.

Das Gebäude stellt eine Vereinigung dreier verschiedener Anstalten dar; es enthält im südwestlichen Hauptbau das Landes-Museum und im nordöstlichen Flügelbau ein Gewerbe-Museum und eine Kunst-Gewerbeschule. Beide Baugruppen sind durch eine stattliche Thurmanlage von einander getrennt. Die Bedürfnisse des Landes-Museums waren für die Gruppirung der gesammten Anlage in erster Linie entscheidend. Die Anordnung der Sammlungsräume sollte in chronologischer Reihenfolge geschehen und es sollten gleichzeitig die aus den verschiedenen Stilperioden vorhandenen geschlossenen Innenräume in geschickter Weise eingebaut werden, sodass dem Besucher ein möglichst zusammenfassendes Bild der betreffenden Kulturperiode geboten werden könne. Wie die Grundrisse zeigen, ist das möglich geworden, ohne die Anlage so völlig in unsymmetrische Gestaltungen aufzulösen, wie es z. B. beim National-Museum in München mit Erfolg versucht ist.

Schlafzimmer aus dem Schlösschen Wiggen bei Rorschach (1582)
Schlafzimmer aus dem Schlösschen Wiggen bei Rorschach (1582)
Wiederherstellung eines Zimmers aus dem Hause Zum Loch in Zürich (etwa 1306)
Wiederherstellung eines Zimmers aus dem Hause Zum Loch in Zürich (etwa 1306)

Das Landes-Museum in Zürich stellt in den Bestrebungen, die sich auf dem Gebiete des neueren Museumsbaues geltend machen, eine Art Mittelstufe zwischen der älteren symmetrischen und geschlossenen Anlage der vorhergehenden Zeit und der völligen Auflösung der Baugruppe der jüngsten Zeit dar. Es bevorzugt in den grossen Zügen des Grundrisses die Axenbeziehungen und die Symmetrie und versucht nur im Einzelnen eine Abweichung hiervon zu freierer malerischer Gestaltung. Dass dieses Bestreben, welches vielleicht in erster Linie durch die sparsame Bausumme veranlasst ist, nicht ohne Glück zur Durchführung gelangt ist, ist unschwer aus unseren Abbildungen zu erkennen.

Die mehr regelmässige Anlage wurde vielleicht auch dadurch veranlasst, dass bei Aufstellung des Entwurfes noch nicht so viele geschlossene Innenräume vorhanden waren, welche die Gruppirung des Baues hätten beeinflussen können. Erst während der Bauzeit gelang es, eine Reihe alter Zimmer zu den vorhandenen hinzu zu erwerben und diese mussten in die bereits in ihrer Anlage bestimmten Räume so gut wie möglich eingebaut werden. Ein Theil des Krezganges, des ehemaligen Barfüsserklosters in Zürich, sowie die Ueberreste des Prediger-Kreuzganges wurden als bestimmende Bautheile in den Bauorganismus eingefügt. Von den 16, mit spätgothischem Maasswerk geschmückten Bogenfeldern der einen Seite des Barfüsser-Kreuzganges wurden 9 Felder in die westliche Fassadenmauer eingebaut. Die Ueberreste des Prediger-Kreuzganges wurden im Erdgeschoss neben der Haupttreppe zur gothischen Kapelle aufgestellt.

Die Haupträume des Museums bilden die grossartige gewölbte Waffenhalle an der Südseite und die zweigeschossige Kapelle der Westseite, bestimmt für die Aufstellung kirchlicher Kunstwerke und begleitet von einem Tresorraum für die Aufstellung der Gold- und Silbersachen. Neben diesen Theilen wurden noch eingebaut der Rathhaussaal von Mellingen, drei aus der ehemal. Fraumünsterabtei in Zürich stammende gothische Zimmer, das Zimmer der Sibylle von Helfenstein vom Jahre 1489, das Zimmer der Aebtissin Katharina von Zimmern, Zimmer aus dem Frauenkloster Oetenbach in Zürich, die Zimmer aus dem Schlösschen Wiggen und aus dem Seidenhof in Zürich, der Raum aus dem Hause „zum Loch“usw. Die Krone der Sammlungsräume bildet die eben erwähnte, mit einem Sterngewölbe überspannte 16 m hohe Waffenhalle, die auch im Aeusseren des Gebäudes eine behertschende Stellung einnimmt. Sie soll noch monumentale Wandmalereien nach den Entwürfen des Hrn. Malers Ferd. Hodler aus Genf erhalten. Die Angabe des offiziellen. Führers durch das Schweizerische Landesmuseum, dass die Einrichtung des Inneren „ausschliesslich“ durch die Direktion besorgt sei, entspricht nicht den thatsächlichen Verhältnissen, da hier die Mitwirkung des Architekten Gull in weitgehender Weise stattgefunden hat. Wo derselbe infolge der Ueberhäufung an Arbeit vor Eröffnung des Museums nicht mitwirken konnte, wie bei der Einrichtung der Waffenhalle, beklagt er die nicht im Einklang mit dem Raum angeordnete Aufstellung der Waffen und hofft noch auf eine veränderte, den Absichten des Erbauers entsprechende, Schönheit mit Wissenschaftlichkeit vereinigende Aufstellung.

Zimmer aus dem Seidenhofe in Zürich
Zimmer aus dem Seidenhofe in Zürich

Auf die Anlage des Grundrisses glauben wir im übrigen nicht weiter eingehen zu brauchen. Das Aeussere ist, wie die Abbildungen zeigen, durchaus in Sandstein erstellt; glatt bearbeitet in den Architekturtheilen, als rauhes Mauerwerk gelassen in den Flächen. Dadurch ist ein wirksamer Gegensatz hervorgerufen worden. Die Dächer sind zumtheil mit farbig glasirten Ziegeln gedeckt und bereichern so auch durch die Farbe das reiche Bild der vielgestaltigen Baugruppe. Am Aeusseren sollen an den beiden grossen Wandfeldern unter dem Durchgangsgewölbe des Thorthurmes Wandgemälde al fresco, und auf den 14 grossen Wandfeldern unter den Bogenfenstern der Waffenhalle Wandgemälde in Glasmosaik zur Ausführung kommen. Für sieben dieser Bilder mit Darstellungen aus der Schweizergeschichte, bestimmt für die Hofseite, erhielt der Maler Hans Sandreuter in Basel den Auftrag.

Der bildnerische Schmuck des Aeusseren beschränkt sich auf zukünftige lebensgrosse Statuen für die 12 baldachingekrönten Nischen und auf die beiden Reitergruppen des Bildhauers R. Kissling auf der Freitreppe des Museumshofes, mit der Darstellung von Struth Winkelried als Drachentödter und des Herzogs von Zaehringen, den Bären erlegend. – So viel in aller Kürze über das Gebäude selbst.

Die Pläne zu demselben wurden im September 1892 vom Bundesrath genehmigt und noch im Oktober desselben Jahres wurde mit den Erdarbeiten begonnen. Am 25. Juni 1898 wurde das Museum mit grossen Festlichkeiten und unter besonderer Ehrung seines Erbauers eröffnet. In etwa 5 ½ Jahren nur ist es diesem gelungen, ein Werk zu schaffen, welches unter den Bauwerken der schweizerischen Eidgenossenschaft mit an erster Stelle steht. Es bildet den Uebergang aus der älteren, geschlossenen, magazinartigen Anordnung der Kunstgewerbe-Museen zu der neueren, freieren, von historischen und malerischen Gesichtspunkten beherrschten Anordnung. Wer wollte leugnen, dass die letztere die anmuthendere und auch wahrere ist?

Hofansicht von Westen
Hofansicht von Westen

Wenn die dem Architekten bei der Eröffnung des Museums überreichte Urkunde sagt, es stehe nun ein Werk da, „das über die Anforderungen, welche an den Architekten eines öffentlichen Gebäudes gestellt werden, hinausragt und zu dessen Schaffung es neben dem technischen Können einer künstlerischen Begabung bedurfte, welche sich vom ersten Entwurfe für den Bau bis zu seiner endlichen Vollendung unausgesetzt in hervorragendem Maasse bethätigte“, so entspricht diese warme Anerkennung nur den thatsächlichen Verhältnissen. Was Meister Gustav Gull unter Bezwingung ungeahnter Schwierigkeiten hier geschaffen, steht fest in der schweizerischen Kunstgeschichte der neueren Zeit. –

Im Schlussaufsatze gedenken wir auf einige der bemerkenswerthesten Ausbildungen und alten Räume des Inneren, soweit sie mit dem Bau organisch verbunden sind, noch etwas näher einzugehen. –

(Schluss folgt.)

Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen III. – Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich.

Es gehört zu den glücklichen Umständen, unter welchen die Begründung dieses spätesten der bedeutenderen neueren Kunst- und Gewerbe-Museen erfolgte, dass es dem Spürsinn seiner leitenden Beamten gelang, eine grössere Anzahl höchst bedeutsamer geschlossener Innenräume

vergangener Zeit entweder vollständig oder doch in ihren wesentlichen Theilen so zu erwerben, dass eine Ergänzung ohne Schwierigkeit dem ursprünglichen Zustande treu erfolgen konnte. Hierher gehören zunächst und soweit sie durch unsere Abbildungen erläutert sind, das Schlafzimmer aus dem Schlösschen Wiggen bei Rorschach, nach einer aufgefundenen Jahreszahl aus dem Jahre 1582 stammend. Es ist eine sogenannte Winterstube mit Alkoven und mit dem aus der Zeit der Entstehung stammenden grünen Reliefkachelofen. Die ausserordentlich schlichte Bildung von Wänden und Decke lässt die sparsamen kunstvollen Möbel um so wirkungsvoller heraustreten.

Die Wiederherstellung eines Zimmers aus dem Hause „Zum Loch“ in Zürich, das in der Zeit etwa um 1306 entstanden sein dürfte, ist nach bescheidenen Ueberresten erfolgt. Die Deckenbalken sind mit Wappen von Rittergeschlechtern aus der Gegend in und um Zürich, aus dem Aargau, Thurgau, aus Rätien, von Dienstleuten des Abtes von St. Gallen, von Freiherren und Grafen aus der Schweiz und aus Süddeutschland usw. geschmückt. Der Figurenfries ist eine Nachbildung des Frieses im Hause „Zum Grundstein“ in Winterthur, mit einer aus dem XIV. Jahrhundert stammenden Darstellung der „Geschichte vom Veilchen“ von Neidhart von Reuenthal. Die unteren Wandmalereien sind den Malereien aus dem Anfang des XIV. Jahrhunderts im Rittersaale des Schlosses in Burgdorf, die Friese und Malereien der Fensternischen den aus der gleichen Zeit stammenden Malereien der St. Gallus-Kapelle zu Ober-Stammheim nachgebildet. Für die Bemalung des Kamines wurden Motive aus der Manessischen Liedersammlung benutzt.

Das Prunkzimmer aus dem Seidenhof in Zürich ist in seiner Pracht als Ganzes in das Museum übernommen worden. Es enthält einen jener köstlichen Schweizer Fayence-Oefen aus der Werkstatt des Hafners Ludwig Pfau in Winterthur, aus dem Jahre 1620 stammend, die heute die hervorragendsten keramischen Zierstücke unserer Kunstgewerbemuseen sind, soweit sie von ihrem ursprünglichen Standorte entfernt werden konnten oder durften.

Die Rathsstube von Mellingen, nach einer Inschrift am mittleren Deckenbalken von Uli Hans Widerkehr, dem Werkmeister der Stadt Mellingen, im Jahre 1467 geschaffen, hat eine einfache, aber durch zierliche Schnitzarbeit an den Balkenköpfen und durch gut geschnittene Friese bereicherte Balkendecke. Der Raum ist nur sehr fragmentarisch übernommen worden.

Die drei gothischen Zimmer aus der ehemaligen Fraumünster-Abtei in Zürich gehören zu den interessantesten Theilen der mittelalterlichen Sammlungen des Museums. Die an ihrem ursprünglichen Standorte durch einen dicken grauen Oelfarbenanstrich verunstalteten Räume wurden gereinigt, in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt und in ihren Malereien nach den vorhandenen Spuren ergänzt. Das Zimmer mit dem. Wappen der Sibylle von Helfenstein, aus dem Jahre 1489, konnte noch mit zeitgenössischer Einrichtung versehen werden. Dasselbe ist der Fall bei dem Zimmer mit bemalten flachgeschnitzten Wandfriesen aus der Prälatur, mit der Jahreszahl 1507, das unter der letzten Fürstäbtissin Katharina von Zimmern (1496-1524), gefertigt wurde.

Ansicht des westlichen Flügels mit theilweisem Einblick in den großen Hof
Ansicht des westlichen Flügels mit theilweisem Einblick in den großen Hof

In dem dritten Raume, einem aus dem Jahre 1507 datierten gothischen Saale, sind die Wappen der Eltern der Aebtissin angebracht. Prächtig ist die einfache Holzgliederung dieser Räume.

Das Zimmer aus der Casa Pestalozzi in Chiavenna, etwa um 1585 entstanden, gehört zu den reichen Renaissance-Prunkräumen des Museums und steht würdig neben dem berühmten Seidenhofzimmer. Kraftvoll und reich in Holz gegliedert sind Wände und Decke, eine tiefe Reliefwirkung geht von dem schönen Raume aus, der mit dem Wappen des Antonio und der Angelica Pestalozzi geziert ist.

Nicht so reich ist das Zimmer aus der Rosenburg in Stans. Es zeigt das Wappen des Johannes Waser und enthält einen farbigen Kachelofen aus dem Jahre 1566. Die Wandflächen um den Ofen herum sind verputzt, in den übrigen Theilen mit reichem Schranktäfelwerk versehen.

Die Täfel- und Deckenbestandtheile von zwei Zimmern aus dem Frauenkloster Oetenbach in Zürich, aus dem Jahre 1521 datirt, sind zu einem Raume vereinigt worden und sind bemerkenswerth durch die Art der Verzierung der Täfelbretter mit Füllungen in Flachschnitzerei. Gull weist darauf hin, dass die Technik der Flachschnitzerei in Verbindung mit Bemalung, welche gestatte, mit den einfachsten Mitteln grosse Wirkungen zu erzielen und welche der Phantasie grossen Spielraum gewähre, in der Schweiz in gleicher Weise wie in Tirol, woher sie uns mehr bekannt ist, seit der Mitte des XV. Jahrhunderts und bis tief ins XVI. Jahrhundert zur Ausschmückung der Decken, des Täfelwerkes, der Thüren und des Hausrathes Anwendung gefunden habe. Das Schweizerische Landes-Museum in Zürich enthält treffliche Beispiele hierfür.

Eine Reihe einfacherer Zimmer, die während der Bauausführung des Museums erworben wurden, sind im Dachgeschoss zur Aufstellung gelangt und zwar: ein Renaissancezimmer aus der Casa Pellanda in Biasca mit der Jahreszahl 1587, ein Raum mit de gebrochenen Kassettendecke aus dem Winkelriedhaus, in Stans aus dem Jahre 1600 und das kleine, aus den Jahre 1630 und aus dem Frauenkloster St. Johanne Baptista zu Münster stammende, zierlich in Arvenhol getäfelte Bündtnerzimmerchen.

Die stimmungsvolle Wirkung aller dieser Innenräume ist da, wo sie nicht lückenlos übernommen wurden, dadurch bewahrt oder wieder herbeigeführ worden, dass nicht nur die Fenster-Oeffnungen und das Fenstermaasswerk überall die ursprünglichen sind oder doch eine genaue Nachbildung erfahren haben sondern dass auch die neue Verglasung mit Butzen oder Rautenscheiben, die in Blei gefasst und mit eingesetzten Glasmalereien aus der betreffenden Zeit bereichert wurden, genau den alten Verglasungen nachgebildet wurde. Aehnliche Maassnahmen wurden inbezug auf Form, Material und Technik der Fussböden seien es nun hölzerne oder seien es Thonplattenböden beobachtet.

Dass die Schweiz, was nicht allgemein bekann sein dürfte, im XIII. und XIV. Jahrhundert eine hoch entwickelte Backsteinkunst besass, zeigen die Steine von dem Cisterzienser Kloster St. Urban, aus welcher einzelne Architekturtheile wie Fenster- und Thüreinfassungen, Kreuzgang-Arkaden usw. wieder hergestellt wurden. Neben St. Urban waren es noch die St. Gallus-Kapelle in Beromünster (bei Luzern), Häuser in Zofingen, Fraubrunnen, Altbüron, Hägendorf, Langenthal usw., von welchen bedeutsame Reste ornamentirter Ziegelsteine gewonnen wurden.

Von ferneren Innenräumen seien nur noch flüchtig genannt der barocke Lochmannsaal aus dem gleichnamigen Hause in Zürich, das Walliser Zimmerchen aus dem 15. Jahrhundert, der Arbonsaal, die Loggia mit der Nachbildung der interessanten Kassettendecke aus der Casa de’ Negromanti in Locarno usw., um von dem Reichthum des Museums einen annähernden Begriff zu erhalten. –

Dieser Artikel erschien zuerst in der Deutsche Bauzeitung vom 31.03., 11.04. & 28.04.1900.