Bremen und seine Bauten, bearbeitet und herausgegeben vom Architekten- und Ingenieur-Verein. Mit 800 Abbildungen und 12 Beilagen, Verlegt bei Carl Schünemann, Bremen 1900

Kopfbild, S. 437

Mag man von griesgrämiger Seite den Nutzen der Wanderversammlungen unseres Faches – selbst in ihrer gegenwärtigen Beschränkung – anzweifeln und dem unmittelbaren Gewinn, den die Theilnehmer von dorther nach Hause tragen, nur geringe Bedeutung beimessen: ein Nutzen wird ihnen jedenfalls nicht bestritten werden können, dass sie zur Ausarbeitung von Werken über den jedesmaligen Festort veranlassen, die ohne diese äussere Anregung schwerlich entstanden wären.

Von allen Opfern, welche die Vorbereitung einer solchen Versammlung bedingt, ist die Herstellung der Festschrift vielleicht das schwerste, zumal es verhältnissmässig wenigen Personen angesonnen wird. Aber es ist u. W. bisher noch stets und überall mit Freude dargebracht worden und deutsche Gründlichkeit – verbunden mit dem edlen Ehrgeiz, hinter dem an anderen Orten Gebotenen nicht zurück zu stehen – haben zu Leistungen geführt, die nicht nur den Festgenossen ein willkommenes Andenken gewährten, sondern auch als ein dauernder, werthvoller Besitz unseres Volkes anzusehen sind. Denn die aus Anlass jener Versammlungen herausgegebenen Bücher, die nunmehr schon zu einer stattlichen Reihe angewachsen sind, stellen einen Beitrag zur Kenntniss des deutschen baulichen Schaffens in Vergangenheit und Gegenwart dar, dem keine andere Nation Aehnliches an die Seite zu setzen hat.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Auch die diesmalige Festschrift „Bremen und seine Bauten“, ein stattlicher Band von 784 Seiten, stellt sich würdig in die Reihe ihrer Vorgängerinnen. Ist der stoffliche Inhalt der letzteren, soweit sie die Bauten grösserer Städte behandeln, naturgemäss auf gewissen Gebieten ein reicherer, so ist doch die in diesem Buche vorliegende Leistung unserer Bremer Fachgenossen an sich allen früheren ebenbürtig. Im übrigen dürfte Jeder überrascht sein, wie viel des baulich Interessanten dieser kleinste Staat des deutschen Reiches – auch abgesehen von den hier zu besonderer Trefflichkeit ausgebildeten, der Schifffahrt und dem Handel gewidmeten Anlagen – darbietet.

Ansicht des Marktplatzes in Bremen mit der Liebfrauenkirche. (Aus Bremen und seine Bauten)
Ansicht des Marktplatzes in Bremen mit der Liebfrauenkirche. (Aus Bremen und seine Bauten)

Die Bearbeitung des „dem hohen Senate der freien Hansestadt Bremen“ gewidmeten Werkes lag in den Händen eines besonderen Buchausschusses, dem die Hrn. Gildemeister, Götze, Lange, Mänz, Müller, Dr. Schaefer, Wagner und Zeiter angehört haben. Sie sind sämmtlich – meist mit einer Mehrzahl von Beiträgen – auch an dem Text des Buches betheiligt, an welchem überdies 32 andere Mitarbeiter thätig waren – darunter auch einige, die nicht zu den Mitgliedern des Arch.- u. Ing.-V. zählen. Den zahlreichen Abbildungen sachlichen Inhaltes haben die Maler O. Ubbelohde in Marburg a. L. und E. Proch in Worpswede den Schmuck einer grösseren Anzahl von Kopfleisten und Schluss-Vignetten figürlichen und landschaftlichen Inhaltes hinzugefügt. Alle im Text enthaltenen Abbildungen sind in Zinkätzung, die zuweilen allerdings nicht ganz auf der Höhe des heute Erreichbaren steht, hergestellt; die auf 12 besonderen Tafeln beigegebenen Karten, Pläne und sonstigen Abbildungen aus dem Gebiete des Ingenieurwesens sind dagegen in Steindruck vervielfältigt.

Ausluchten am Hause Langenstrasse No. 121 in Bremen. (Aus Bremen und seine Bauten)
Ausluchten am Hause Langenstrasse No. 121 in Bremen. (Aus Bremen und seine Bauten)
Ansicht eines ehemaligen Orgelprospektes der Stephani-Kirche in Bremen (Aus Bremen und seine Bauten)
Ansicht eines ehemaligen Orgelprospektes der Stephani-Kirche in Bremen (Aus Bremen und seine Bauten)

Was wir über den Inhalt des Buches hier sagen können, muss sich – wie in früheren Fällen – in den Grenzen einer durch einzelne Bemerkungen erweiterten Inhalts-Angabe halten. Es darf dies aber um so mehr geschehen, als ja der von uns in ausführlichem Auszuge mitgetheilte Vortrag des Hrn. Oberbaudir. Franzius im wesentlichen eine gedrängte Zusammenstellung dessen giebt, was das Werk in seinen einzelnen Theilen ausführlicher behandelt.

Ansicht der oberen Halle des Rathhauses in Bremen. (Aus Bremen und seine Bauten)
Ansicht der oberen Halle des Rathhauses in Bremen. (Aus Bremen und seine Bauten)

Vorangestellt sind als Einleitung des Ganzen unter dem Titel: „Die Stadt und das Gebiet Bremen“, die üblichen Angaben allgemeiner Art. Hr. Dr. med. Kurth, Dir. d. bakteriolog. Inst., behandelt die Lage der Stadt und die interessante geognostische Beschaffenheit ihres Gebietes; Hr. Senats-Syndikus und Archivar Dr. v. Bippen giebt eine kurze Uebersicht über die geschichtliche Entwicklung und die Verfassung Bremens, während die Hrn. Ing. E. Müller, Bauinsp. de Thierry und Prof. Walther Lange Angaben über Bevölkerung, Handel und Verkehr, die Organisation der Baubehörden und das (durch ein Technikum und eine Seefahrtsschule in Bremen, sowie eine technische Lehranstalt in Bremerhaven vertretene) technische Unterrichtswesen machen. Die beiden folgenden, den Architektur-Werken Bremens gewidmeten Theile schildern einerseits die geschichtlichen Baudenkmale der Stadt, anderseits die Hochbauten, welche in derselben während des XIX. Jahrhunderts entstanden sind.

Kopfbild, S. 437
Kopfbild, S. 437

Der erste Theil, „Alt-Bremen“, beginnt mit einer von Hrn. Dr. Karl Schaefer verfassten baugeschichtlichen Uebersicht; Nachbildungen alter Stadtpläne, sowie älterer Zeichnungen von Gebäuden, die heute entweder schon verschwunden oder doch stark verändert sind, ergänzen mit einer Fülle von Strassenbildern aus den noch Ihr geschichtliches Gepräge bewahrenden Theilen der Stadt den anziehend geschriebenen Text – Auch in der sich anschliessenden Darstellung der alten Kirchen von Hrn. Dombmstr. E. Ehrhardt ist in dankenswerther Weise darauf Bedacht genommen, neben dem gegenwärtigen Zustande dieser Bauten auch deren frühere Erscheinung im Bilde vorzuführen. Das Hauptinteresse beansprucht natürlich der soeben wiederhergestellte Dom, der demzufolge auch am eingehendsten behandelt ist; doch bieten auch die übrigen Kirchen manches Bemerkenswerthe, insbesondere an einzelnen schönen Ausstattungs-Stücken. Der pietätvollen Denkmalpflege ist hier noch Gelegenheit zu dankbarer Thätigkeit gegeben; insbesondere gilt es, manche Sünden wieder gut zu machen, die bei früheren Herstellungen aus Missverständniss oder Uebereifer begangen worden sind. Unter dem letzteren hat noch i. J. 1891 die drittälteste Kirche der Stadt, St. Stephani, gelitten, die man damals ihres alten Schmuckes beraubte. (Wie man in Bremen heute darüber denkt, zeigt in bezeichnender Weise die Unterschrift, welche der auf S. 417 u. Ztg. mittgetheilten Abbildung aus Br. u. s. B. beigegeben ist. Sie lautet: Ansicht des ehemaligen Orgelprospekts der Stephanikirche. Meisterwerk bremischer Holzskulptur aus der Zeit des späten Barock 1740-1760. Bei der „stilgerechten“ Restauration der Kirche unter Oberleitung von Hase entfernt und jetzt in den Haupttheilen wieder aufgestellt im Gewerbemuseum.)

Der Dom zu Bremen. Westfront. Architekten der Wiederherstellung Max Salzmann (verst.) und E. Ehrhardt
Der Dom zu Bremen. Westfront. Architekten der Wiederherstellung Max Salzmann (verst.) und E. Ehrhardt
Der Dom zu Bremen. Nordseite. Architekten der Wiederherstellung Max Salzmann (verst.) und E. Ehrhardt
Der Dom zu Bremen. Nordseite. Architekten der Wiederherstellung Max Salzmann (verst.) und E. Ehrhardt

Dass auch das werthvollste und berühmteste alte Baudenkmal der Stadt – das Rathhaus – eine entsprechend eingehende Darstellung in Wort und Bild gefunden hat, durfte man voraussetzen. Bekanntlich hat dieses Werk, auf das die Bürger Bremens mit Recht stolz sind, bereits eine kleine Litteratur hervorgerufen, zu der sich diese von Hrn. Arch. H. Mänz verfasste Abtheilung wie der in der Versammlung gehaltene Vortrag von Dr. K. Schaefer als neue Beiträge gesellen. Aus der ersten werden die Fachgenossen jedenfalls eine genauere Kenntniss des Baues schöpfen können, als dies bisher möglich war, und es gebührt dem Verfasser – namentlich im Hinblick auf den bevorstehenden Wettbewerb um den Entwurf des neuen Stadthauses – hierfür aufrichtigster Dank, während die von Hrn. Mänz verneinte Frage, ob Lüder von Bentheim wirklich als der Architekt des Rathhauses angesehen werden dürfe, daneben ziemlich unwichtig erscheint. Dem Rathhause an Bedeutung zunächst stehen die aus der Renaissance-Zeit stammenden Korporations-Gebäude des Schütting, des Gewerbehauses, der Stadtwage und des Kornhauses (letztere unbestritten Werke des Lüder von Bentheim), die Hr. Arch. Hugo Wagner beschreibt, während Hr. Arch. Mänz: in dem nächsten Abschnitte über die geschichtliche Entwicklung des bremischen Wohnhauses die älteren Bürger- und Kaufmannshäuser der Stadt, die bekanntlich noch in grösserer Zahl und mannichfachster architektonischer Ausbildung sich erhalten haben, zum Gegenstande einer sehr eingehenden Darstellung macht; von grossem Interesse ist es, dass neben den Abbildungen des Aeusseren (unter denen wiederum einige von verschwundenen Häusern sich befinden), auch solche von Innenräumen, insbesondere Dielen, und bemerkenswerther Einzelheiten gegeben sind. Den Schluss bildet eine kleine Studie von Prof. Walther Lange über das Bauernhaus des Bremischen Landgebietes. –

Der Dom zu Bremen. Portal der Nordseite (Brautthor)
Der Dom zu Bremen. Portal der Nordseite (Brautthor)

Den zweiten Theil, „Bremen im XIX. Jahrhundert“ eröffnet eine durch entsprechende Strassenbilder unterstützte von Hrn. Arch. Ed. Gildemeister verfasste Abhandlung über das moderne Stadtbild, in welcher die allmählichen Wandlungen, die dasselbe im Laufe des verflossenen Jahrhunderts erfahren hat, geschildert werden. Es folgen dann in einer Reihe meist kurzer Abschnitte Mittheilungen über die wichtigsten öffentlichen Gebäude und Anstalten Bremens, die zu näheren Bemerkungen keinen Anlass bieten. So sei nur kurz erwähnt, dass Hr. Arch. W. Sunkel die Kirchen der Neuzeit, die Börse und die Baumwollbörse sowie die Badeanstalten, Hr. Brth. Hugo Weber das neue Gerichtsgebäude und Untersuchungs-Gefängniss sowie die Strafanstalt in Oslebshausen, Hr. Bmstr. L. Beermann die Schulen und die Krankenhäuser, Hr. Reg.-Bmstr. Grubert das Posthaus, Hr. Arch. Hugo Wagner die Theaterbauten und die Stadtbibliothek, Hr. Dr. K. Schaefer die Museen, Wohlfahrtsanstalten und Stifte, Hr. Ingen. M. Hartmann die Gesellschaftshäuser und die Arch. Hrn. Wellermann und Frölich die Gasthöfe und Wirthschaften bearbeitet haben. Obwohl sich unter den in diesen Abschnitten dargestellten und beschriebenen Bauten einzelne treffliche Leistungen befinden, die überall sich behaupten würden, kann man doch nicht sagen, dass ihr durchschnittlicher Rang ein sehr hoher wäre. Höher stehen im allgemeinen die Denkmäler und Brunnen, die Bankgebäude und Sparkassen und die Geschäftshäuser, welche die Hrn. Dr. K. Schaefer, Arch, J. Andresen und Arch. F. W. Mehlhorn schildern. Den Glanzpunkt der neueren architektonischen Thätigkeit Bremens bildet jedoch unfraglich der Wohnhausbau, dem daher in dem letzten von Hrn. Arch. Ed, Gildemeister verfassten Abschnitt des inrede stehenden Theiles, das Wohnhaus, mit Recht der breiteste Raum gewährt worden ist. Die sehr eingehende und liebevolle Darstellung führt den Leser nicht nur aufs beste in die Eigenart des Bremer Wohnhaus-Baues ein, sondern giebt in ihrem geschichtlichen Theile auch ein sehr fesselndes Bild von den künstlerischen Persönlichkeiten, die seit Heinrich Müller († 1890) – dem Bahnbrecher auf diesem Gebiete – bis in die neueste Zeit hier thätig waren. Einige Bemerkungen über die neuere Richtung, welche die Ausstattung der vornehmsten Bremer Wohnhäuser neuerdings genommen hat, deren Höhepunkt jedoch schon überschritten zu sein scheint, enthält unser Bericht über die gelegentlich der Wanderversammlung ausgeführten architektonischen Besichtigungen.

Die von den Hrn. Dir. Dr. Janke, Dir. Dr. med. Kurth und Prof. Dr. B. Tacke verfassten Mittheilungen über das chemische Staatslaboratorium, das bakteriologische Institut und die Moorversuchsstation sind wohl nur mangels eines anderen Platzes zwischen die Architektur-Abschnitte gerathen, da ihr Inhalt natürlich mehr den Anstalten selbst als ihrer baulichen Anlage gilt.

Die bisher erwähnten Abschnitte nehmen 488 Seiten, also mehr als 2/3 des Buches ein, während auf die Anlagen des Ingenieurwesens nur der kleinere Rest entfällt. Allerdings würde sich das Verhältniss ganz anders gestalten, wenn in beiden Haupttheilen nur der Text und nicht zugleich der von den Abbildungen eingenommene Raum inbetracht gezogen würde. Jedenfalls sind auch jene Anlagen in einer ihrer Bedeutung an sich und ihrer Wichtigkeit für Bremen entsprechenden Weise behandelt worden.

Die grosse Weserbrücke in Bremen. Arch. Herm. Billing in Karlsruhe
Die grosse Weserbrücke in Bremen. Arch. Herm. Billing in Karlsruhe

Die Abtheilung für Ingenieurwesen gliedert sich in die 5 Hauptabschnitte III.—VII., welche der Reihe nach die städtischen Anlagen, die Anlagen im Landgebiet, die Schifffahrt, die Weser mit ihren Seehäfen und schliesslich die Eisenbahnen behandeln. Abschnitt III. ist in erster Linie den städtischen Unternehmungen und Betrieben gewidmet. Ueber die neuen Gaswerke in Woltmershausen, deren interessante, konstruktive Durchbildung wir schon kurz bei den Besichtigungen berührt haben, macht Hr. Dir. Salzenberg die nöthigen Mittheilungen, über das von Siemens & Halske ausgerüstete städtische Elektrizitätswerk Hr. Obering. F. Jordan. Dieses Werk soll nach völligem Ausbau ausser der Beleuchtung auch der Lieferung des gesammten Stromes für die eletrische Strassenbahnen einschl. der jetzt noch umzuwandelnden Pferdebahnen dienen. Die verhältnissmässig nicht bedeutende Anlage verzinst sich gut. – Die ebenfalls schon erwähnte Wasserversorgung der Stadt bespricht Hr. Obering. Götze, die Kanalisation Hr. Brth. Graepel und Hr. Ing. Fischer. Sie ist als Schwemmkanalisation für beide Ufer getrennt ausgeführt, ursprünglich unter Zugrundelegung eines Hobrecht’schen Entwurfes, der aber wesentliche Abänderungen erfahren hat. Die Abwässer am rechten Ufer der Altstadt sollen in den Sommermonaten geklärt, im Winter zum Ueberstauen von Wiesen benutzt werden, die des linken Weserufers werden bisher unmittelbar in den Fluss abgeführt, aber auch hier dürfte sich Bremen bald in die Zwangslage einer durchgreifenden Aenderung versetzt sehen. Die Fäkalien werden übrigens nicht mit in die Strassenkanäle aufgenommen. Es herrscht das Tonnensystem für Abortanlagen und die Abfuhr ist ein Zweig der Strassenreinigung. – Die Strassen, Strassenbahnen und Strassenbrücken werden von denselben Autoren behandelt. Die Strassen sind vorwiegend mit Stein, in den Aussenbezirken z. Th. auch mit Makadam versehen. Geräuschlose Pflasterarten, wie Holz und Asphalt, sind nur in sehr beschränktem Maasse vorhanden. Für Radfahrer sind seit 1897 auf den nach dem schönen Bürgerpark und den ins Land führenden Strassen besondere Streifen im Pflaster vorgesehen. Die Strassenbahnen, etwa 30 km, die jetzt in den Händen einer Gesellschaft liegen, gehen, wie schon hervorgehoben, ihrer gänzlichen Umwandlung in solche mit elektrischem Betrieb entgegen. Von den Strassenbrücken ist die „Grosse Weser-Brücke“ die bedeutendste. Ihr ist schon bei den Besichtigungen eine eingehende Beurtheilung gewidmet. Strassenreinigung und Feuerlösch- und Sanıtätswesen wird von Hrn. Branddirektor Dittman besprochen. Es ist bekannt, dass das Bremer Feuerlöschwesen vortrefflich organisirt ist und dass mehrmals die Leiter von dort nach Berlin berufen wurden. – Ein kurzer Abschnitt ist dem Schlachthof und Viehmarkt von Baumeister L. Beermann gewidmet. Die Anlage bietet Raum für 253 Rinder, 800 Kälber und Schafe, sowie 1000 Schweine. –

Abgesehen von seinen alten Bauten, wird dem Städtebilde Bremens durch seine herrlichen Wallanlagen der Charakter aufgedrückt, Anlagen, wie sie von solcher Schönheit kaum eine andere Stadt aufweisen dürfte. Baumgruppen wie die am Bischofsthor, Blicke von diesem über das Wasser zur Vase von Steinhäuser oder auf die Windmühle am Ansgariithor sind unübertroffen. Wenn der Verfasser dieses Abschnittes, Garteninspektor J. C. W. Heins die Leistungen Altmann’s, der diese Anlagen geschaffen hat, als genial bezeichnet, so ist damit nicht zuviel gesagt. – Als ein Werk grossen künstlerischen Verständnisses und echten Bürgersinnes ist auch der von Benque geschaffene Bürgerpark zu bezeichnen, der nicht weniger als 136 ha bedeckt und ausschl. aus freiwilligen Beiträgen der Bürger mit einem Kostenaufwande von etwa 3,4 Mill. M. hergestellt worden ist. Der jetzige Park-Direktor, Hr. C. Ohrt, lässt der Anlage in seinem Bericht entsprechende Würdigung zutheil werden. Was wäre auch Bremen mit seiner öden, flachen Umgebung, wenn es nicht seinen Wall, seinen Bürgerpark aufzuweisen hätte. – Den Schluss dieses Kapitels geben die Friedhöfe ab, welchen, und zugleich ihrem künstlerischen Schmuck, A. Fitger einen besonderen Abschnitt widmet. Nur die beiden Friedhöfe auf dem Riensberge und in Walle mit einigen werthvollen Denkmälern verdienen hervorgehoben zu werden.

Ueber den IV. Abschnitt, die Anlagen im Landgebiete Bremen, können wir kurz hinweg gehen, da er sich mit den beiden folgenden an Bedeutung nicht messen kann. Er behandelt die Deiche, die Be- und Entwässerung, die Schiffahrtsanlagen für die Beförderung des Torfes, eines sehr geschätzten Heizmaterials in Bremen, der in den etwa 15 km nordöstlich von der Stadt gelegenen, durch die Worpsweder Malerschule mit ihren schwermüthigen Stimmungsbildern genügend bekannt gewordenen Torfmooren gewonnen wird. Das Kapitel schliesst ab mit den Kunststrassen und Brückenbauwerken des Landbezirkes Bremen. Sein Verfasser ist Hr. Bauinsp. J. Oeltien.

Wohnhaus Gust. Melchers. Parkallee 95 in Bremen. Arch. E. Gildemeister & W. Sunkel. 1900
Wohnhaus Gust. Melchers. Parkallee 95 in Bremen. Arch. E. Gildemeister & W. Sunkel. 1900

Der Schiffahrt, die von wagemuthigen Privat-Gesellschaften aus kleinen Anfängen auf ihre jetzige glänzende Höhe gebracht wurde, den Hafenanlagen und der Weserkorrektion, die von einem weitschauenden Senat, dank der Opferwilligkeit der Bürger des kleinen Gemeinwesens, rechtzeitig unternommen und dank der grossen Thatkraft und dem technischen Können eines Oberbaudir. Franzius und seines Stabes trefflich geschulter Mitarbeiter zu einem glücklichen, noch stetig weiteren Aufschwung verheissenden Ausgang geführt hat, den beiden Einrichtungen also, welche als der Lebensnerv Bremens bezeichnet werden können, sind die beiden folgenden Abschnitte überlassen.

In Kapitel V behandelt Hr. Ing. Zeiter zunächst die Schiffahrt. Den einleitenden Worten entnehmen wir, dass Deutschland an Zahl der Schiffe an dritter, nach seiner Leistungsfähigkeit aber an zweiter Stelle vor Amerika unmittelbar nach England kommt. Allerdings besitzen die englischen Seeschiffe eine Transport-Leistungsfähigkeit von fast 24 Mill. Reg.-Tonn., Deutschland noch nicht ganz 4 Mill. In der Bedeutung seiner beiden grossen Rhedereien, des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie, übertrifft Deutschland aber alle anderen Länder, auch England. Ebenso ist ein deutsches Schiff, der „Kaiser Wilhelm der Grosse“, der schnellste, bisher noch von keinem anderen hinsichtlich dieser Eigenschaft übertroffene Schnelldampfer. Auch für die weiteren ausserordentlich interessanten Ausführungen des Autors in statistischer Beziehung, hinsichtlich der Konstruktion der Schiffe und Maschinen, sowie schliesslich hinsichtlich der Ausstattung der Passagierdampfer, auf welchem Gebiete Deutschland bahnbrechend vorgegangen ist, müssen wir im wesentlichen auf den Vortrag des Hrn. Dr. Neubauer verweisen. Es sei nur hervorgehoben, dass nacheinander der Anlagen folgender Rhedereien: des Norddeutschen Lloyd, der Dampfschiffahrts – Gesellschaften Hansa, Neptun, Triton, Argo, Rickmers, der deutsch-amerikanischen Petroleum-Gesellschaft, der Segelschiffs-Rhedereien, Hochseefischereien, des Schleppschiffahrt- und Leichterverkehres und schliesslich der Wohlfahrts-Einrichtungen für Seeleute gedacht wird. Den Beschluss des Abschnittes bilden einige kurze Angaben des Hrn. Ing. Wilda über die jetzigen Werften und Maschinen-Fabriken in Bremen und Bremerhaven, als welche die Akt.-Ges. Weser, Joh. C. Tecklenborg, Bremer Vulkan, Akt.-Ges. G. Seebeck, schliesslich die Werft von F. W. Wencke zu nennen sind, die sich hauptsächlich mit dem Baıı von Fischdampfern beschäftigt.

Wohnhaus Kohlhöker-Strasse 39 in Bremen. M. Salzmann (verst.)
Wohnhaus Kohlhöker-Strasse 39 in Bremen. M. Salzmann (verst.)

Der Schiffahrt folgt im VI. Kapitel der wichtigste Theil des Buches für den Bauingenieur: die Weser und ihre Seehäfen, deren Ausbau und Anlage als Vorbedingung der Schiffahrt eigentlich an erste Stelle gehörte. Hier hat Hr. Oberbaudir. Franzius zusammen mit seinem ständigen Adjutanten, Hrn. Bauinsp. de Thierry, selbst das Wort ergriffen und in den einleitenden Abschnitten die Bedeutung der Lage Bremens zur See und zum Binnenlande, der Entwicklung des Handels, der Gründung des Norddeutschen Lloyd, der Korrektion der Unterweser, der Bremen die Entwicklung seines Freihafens verdankt und der Aussenweser, welche die Einfahrt noch weiter verbessern soll, in schlichter Form sein Lebenswerk besprochen. Den Schlusstein und die Bekrönung des ganzen Unternehmens bildet die Kanalisirung der Oberweser bis Minden, wo der Anschluss an den Mittellandkanal erreicht werden soll. Ob dieses Werk, dessen Bedeutung Bremen so hoch anschlägt, dass es die auf 42,5 Mill. M. veranschlagten Kosten dieser Kanalisirung selbst aufbringen will, wenn die Einnahmen zur Amortisirung und Verzinsung benutzt werden dürfen, zur Ausführung kommen wird, hängt von dem unbekannten Schicksal der Mittellandkanal-Vorlage selbst ab, Hr. Brth. Bücking hat diesen Abschnitt bearbeitet.

Unter Bezugnahme auf den Franzius’schen Vortrag und unseren Besichtigungs-Bericht müssen wir auf ein Eingehen auf die weiteren Abschnitte dieses Kapitels verzichten. Wir nennen nur als deren Verfasser: die Brthe. Heineken für die Löscheinrichtungen ausserhalb des Freibezirkes, Suling für letzteren selbst und die geplante, schon in Ausführung begriffene Erweiterung, welche die Leistungsfähigkeit des Freihafens mehr als verdoppeln wird, Rudloff und Ing. Claussen für Bremerhaven und Geestemünde, Bücking für die Oldenburgischen Weserhäfen Elsfleth, Brahe, Nordenham, Suling für die Seeschiffahrtszeichen, Betonnung und Befeuerung (Rothe Sand-Leuchtthurm) der Weser.

Diele der Villa v. Kapff an der Schwachhauser Chaussee in Bremen. Heinrich Müller
Diele der Villa v. Kapff an der Schwachhauser Chaussee in Bremen. Heinrich Müller
Villa Buchholz a. d. Hollerallee in Bremen. Alb. Dunkel, 1899, 1900
Villa Buchholz a. d. Hollerallee in Bremen. Alb. Dunkel, 1899, 1900

Als letztes, verhältnissmässig kurzes Kapitel des Buches wird vom Bauinsp. Becker eine Darstellung des Eisenbahnwesens gegeben. Wer das nicht gerade angenehme Getümmel der Auswanderer auf dem Hauptbahnhofe gesehen hat, wird die Bedeutung dieses Verkehrszweiges zu würdigen wissen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 26.09.1900 in der Deutsche Bauzeitung, er trug den Titel: „Die XIV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Bremen vom 2. bis 5. September 1900. IV. Die Festschrift.“ Der Artikel war gekennzeichnet mit „- F.- und Fr. E.“