Ueber neuere Bibliotheken V – Das neue Bibliothek- und Archiv-Gebäude der Stadt Köln a. Rh.

Bereits zum drittenmal im Verlauf von 30 Jahren sah sich die Stadt Köln veranlasst, ein neues Bibliothek-Gebäude herzustellen. Das erste 1868-69 durch Raschdorff erbaute Haus war lediglich zur Aufnahme der vereinigten Schulbibliotheken (ungefähr 35 000 Bände) bestimmt.

Schon wenige Jahre später wurden die Bestände dieser Büchersammlung in dem zweiten, 1875-1877 (im Zusammenhange mit einem zu Verwaltungs- und Archivzwecken hergerichteten älteren Gebäude) durch Weyer für rd. 85 000 Bände errichteten neuen Bibliothek-Gebäude mit der eigentlichen alten Stadtbibliothek und einigen anderen, diese ergänzenden – aber für sich geschlossen zu verwaltenden – Sammlungen vereinigt.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Beide Gebäude waren nach dem Magazinsystem wohldurchdacht angelegt und zählten mit Recht in architektonischer Beziehung zu den besten Zierden der Stadt; jedoch genügten beide nur dem Augenblicksbedürfniss (s. bezügl. des ersten „Dtsch. Bztg.“ 1879 und des letzten „Wochenbl. f. Arch. u, Ing.“ 1887, sowie bezügl. beider „Köln u. s. Bauten” 1888).

Abbildg. 1-7

Diesen beiden jetzt zu allgemeinen Verwaltungszwecken der Stadt in Anspruch genommenen Gebäuden fehlte das, was man wohl die Seele des Magazinsystems nennen dürfte, nämlich die Ausdehnungsfähigkeit! So waren denn sehr bald die Bibliothekräume wieder unzulänglich geworden und noch misslichere Verhältnisse bestanden bezügl. des Stadt-Archivs, dessen unersetzliche Bestände in verschiedenen, ungenügenden, nicht feuersicheren und nicht zusammenhängenden Räumen – sogar in verschiedenen Gebäuden – untergebracht waren (s. Köln u. s. Bauten 1888).

Unter diesen Verhältnissen reiften die Erfahrungen heran über das früher nicht vorauszusehende, immer raschere Anschwellen der Bestände beider Anstalten und die für Köln als Zentralpunkt für Handel und Industrie nothwendige Ausdehnung der Bestände auf eine übersichtliche Sammlung auch von Augenblicks-Erscheinungen, deren bedeutender Zukunftswerth zwar längst anerkannt ist, über deren Zugehörigkeit zum Gebiete der Bibliothek oder des Archivs aber niemals eine über die augenblicklich gebietenden Interessen hinaus blickende Entscheidung sich wird treffen lassen!

Dies letzte Moment sprach entscheidend für die Vereinigung beider Anstalten in einem Gebäude. Im weiteren war für einen Neubau bestimmend, dass die vereinigten Sammlungen ihrem Haupt- und Urzwecke als Bibliothek und Archiv der städtischen Verwaltung nicht entfremdet werden und deshalb das Gebäude in möglichster Nähe des Rathhauses errichtet werden musste; es sollte aber auch zu allgemeinen öffentlichen Bildungszwecken auf breitester Grundlage nutzbar sein und zu dem Zwecke durfte es nicht weit abseits von dem Mittelpunkte des grossen Verkehrs liegen.

Ein diesen und den allgemeinen Bedingungen der ruhigen Freilage entsprechender – in der engen Bebauung der Altstadt sehr schwer zu findender Bauplatz bot sich an der Mittelseite eines von drei Seiten eingeschlossenen, an der gegenüberliegenden Seite von einer Hauptstrasse begrenzten kleinen Schmuckplatzes, mit der Front der Westseite von St. Gereon zugekehrt. Das Gelände bot noch die besondere Annehmlichkeit eines bedeutenderen Gefälles von der Front nach der hinteren – West – Seite hin. Leider ergaben sich hier bei der Gründung Schwierigkeiten, welche einem raschen Bautriebe sich hindernd in den Weg stellten.

Das nunmehr in den Jahren 1894-98 durch Stdtbrth. Heimann nach seinen Entwürfen in den – für Kölner Bauten typisch ausgereiften – gothischen Formen des 14. Jahrhunderts zu Ausführung gebrachte Bibliothek- und Archiv – Gebäude zerfällt in einen ganz in Haustein ausgeführten Kopfbau- und zwei hintere Seitenflügel, zwischen welche sich nach hinten abgestuft zwei niedrigere Zwischenbauten einfügen, deren einfache Gliederungen aus Haustein bestehen, während ihre Flächen mit Backstein verblendet sind.

Im hohen Untergeschoss enthält dasselbe neben der Buchbinderei, Packraum, Kistengelass, die Heizung und den Heizmaterialienraum und an den infolge des Geländeabfalles mit hohen Fenstern versehenen Räumen der Seitenflügel Räume, die vorläufig zu Ausstellungszwecken benutzt werden sollen, die jedoch später zur Sammlung von Zeitungen usw. sehr dienlich sein werden.

Das ganze Erdgeschoss ist nebst dem Obergeschoss im linken Seitenflügel der Bibliothek zugewiesen, während das Obergeschoss des Kopfbaues und des rechten Seitenflügels für das Archiv bestimmt ist. Das hohe Dachgeschoss ist zu späterer Erweiterung des Bücherspeichers vorbehalten und es sollen, sobald sich eine solche Nothwendigkeit zeigt, auch die Obergeschosse der Seitenflügel ausgebaut werden.

Dieser Vertheilungsplan gewährleistet die erforderliche freie Beweglichkeit für die einzelnen in sich geschlossenen Sammlungen und deren ebenfalls in sich geschlossene Ausdehnung auf einzelnen Gebieten; die Wahrnehmung letzterer Gesichtspunkte dürfte wohl als die grösste Schwierigkeit der Planverfassung anzusehen sein.

Beide Hauptgeschosse haben durchweg einschliesslich ihrer massiven Decken eine Gesammthöhe von 5,3 m erhalten, mit Ausnahme des hinter dem Frontbau zwischen die Flügel eingebauten Lesesaales im Erdgeschoss, dessen durch Oberlicht durchbrochene reichgeschnitzte Holzdecke bei 6,7 m Höhe liegt und des oberen Lesesaales, dessen Sterngewölbe im Scheitel 5,7 m Höhe erreichen.

Die sämmtlichen Räume im Erdgeschoss des rechten Flügels, sowie der Arbeitssaal des Archivs im Obergeschoss des Kopfbaues sind bei gleicher Vertheilung der Wandhöhe unter- und oberhalb auf 2,4 m mit Gallerien zur Aufstellung von Bücher- und Aktengerüsten umzogen.

Sämmtliche Magazinräume haben eine ebenfalls je 2,4 m freie Nutzhöhe belassende Zwischendecke aus rostförmig angeordneten T-Eisenstäben erhalten, welche auf Zwischenauflagern aus C-Eisen angelascht und selbst an die hölzernen Büchergerüste angebolzt sind. Als Auflager der Bücherbretter sind hier durchweg Stellstifte (nach Art der in London, Stuttgart usw. gebräuchlichen) verwendet, welche bei den früheren kölnischen Bibliothekbauten sich wohl bewährt haben, während im Sekretariat das Lipman’sche und im Katalogsaale das Wolff-Ebrard’sche System versuchsweise Anwendung finden.

Durch diese Einrichtung ist (das gesammte Dach eingeschlossen) zunächst Raum geschaffen für 208 500 Bände der Büchersammlung und 776 qm Ansichtsfläche der Archivgerüste. Bei Ausbau der Flügelobergeschosse würde weiterer Raum gewonnen für 71 000 Bände bezw. 177 qm Ansichtsfläche, also insgesammt für eine Bücherzahl von 279 500 Bänden und für 953 qm Ansichtsfläche der Archivgerüste.

In Ausnützung der Tiefenlage im hinteren Geländetheile sind der Fussboden und das Dach des hinter dem Lesesaale liegenden Magazinflügels entsprechend tiefer gelegt worden und damit ward erzielt, dass dem Lesesaale mittels fünf 1,9 m breiter und 2,9 m hoher in der Hinterwand liegender Fenster reichliches Seitenlicht zugeführt werden konnte.

Lüftung und Beheizung (in den Magazinen auf eine Temperatur von 18° und für die übrigen Räume auf 20° C.) werden mittels Niederdruckdampfheizung bewerkstelligt.

Die Deckung der hinteren Gebäudetheile ist in Holzzement erfolgt, die des Vorderbaues in Schiefer mit reicher aus Blei getriebener Giebel- und Helmzier.

Eine ausgedehnte Wasserleitung mit zahlreichen Hähnen, sowie eine Blitzableiteranlage gewähren den nöthigen Feuerschutz. Die kleine Wendeltreppe im Vorderbau rechts ist zu bequemerem Verkehr der beiden Vorsteher und zur Benützung bei gegenseitiger Vertretung derselben bestimmt. Im Vestibül sind die Fussböden aus Mosaikplatten und in sämmtlichen übrigen Räumen aus Zement hergestellt und mit Linoleum überdeckt worden.

Das für einen Kaufpreis von 190 000 M. erworbene Gelände hat eine Fläche von 2321 qm, wovon das Bibliothek-Gebäude, für dessen Herstellung ein Kostenbetrag von 381 600 M. vorgesehen war, nur 1355 qm bedeckt; der übrige, gegen den freien Platz mit Einfahrtsthoren abgeschlossene Theil ist, soweit er nicht als Umfahrt inanspruch genommen wird, gärtnerisch angelegt und ausserdem ist darauf in der vorderen rechten Ecke ein kleines zweigeschossiges Gebäude als Wohnung für die beiden unteren Aufsichtsbeamten errichtet worden.

Das neue Bibiothek- und Archivgebäude der Stadt Köln a. Rh.

Einen bedeutsamen Frontschmuck hat das Gebäude erhalten durch das im mittleren Giebelfelde farbig und plastisch hervorgehobene Stadt kölnische Wappen und die an den Ecken des Mittelvorsprungs aufgestellten, mit reich ornamentirten Baldachinen überdeckten Statuen des berühmten Buchdruckkünstlers Ulrich Zell und des Chronisten Gottfried Hagen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 22.10.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „C. Jk.“.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie:

1. Teil, Beschreibung der Universitäts-Bibliothek in Basel, als Teil einer Serie, die Ende des 19. Jahrhunderts erschien: Ueber neuere Bibliotheken I – Die neue Universitäts-Bibliothek in Basel.

2. Teil, als Teil der Serie über moderne Bibliotheken beschreibt dieser Artikel 1898 die Carnegie Free Library in den USA: Ueber neuere Bibliotheken – II. Die Carnegie Free Library in Alleghany, Pa.

3. Teil, 1898 wurde in diesem Text die Stadtbibliothek in Bremen beschrieben, welche 1894-96 neu entstanden ist: Ueber neuere Bibliotheken III – Die Stadtbibliothek in Bremen.

4. Teil, in diesem Teil der Serie über enuere Bibliotheken wird die Kongress-Bibliothek in Washington vorgestellt: Ueber neuere Bibliotheken IV – Die Kongress-Bibliothek in Washington, D. C.

5. Teil, zum 3. mal innerhalb von 30 Jahren musste 1894-98 in Köln ein neues Bibliotheksgebäude gebaut werden. Dieser Artikel erschien damals dazu: Ueber neuere Bibliotheken V – Das neue Bibliothek- und Archiv-Gebäude der Stadt Köln a. Rh.