Ueber neuere Bibliotheken III – Die Stadtbibliothek in Bremen.

Im Jahre 1892 wurde dem infolge Preisausschreibens von dem Architekten J. G. Poppe in Bremen eingereichten Entwurf für den Neubau einer Stadtbibliothek dort der erste Preis zuertheilt (s. Dtsch. Bztg. 1892, S. 308 und 600).

Dieser Entwurf ward der 1894 unter Arch. Poppe’s künstlerischer und Baurath Flügel’s technischer und geschäftlicher Leitung begonnenen und 1896 beendeten Ausführung zugrunde gelegt.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Das an einem freien Platze vollständig freiliegende Gebäude umfasst in seinem 2,75 m (einschl. Deckenwölbung) hohen, nur wenig in den Erdboden eingesenkten Untergeschoss den Raum für die Niederdruckdampfheizung und das Brennmaterial(unter der Kanzlei); der übrige wohlerhellte Raum bietet günstige Unterkunft für späteren Zuwachs, namentlich an Zeitungen usw.

Die neue Stadtbibliothek in Bremen
Die Stadtbibliothek in Bremen

Das Erdgeschoss hat einschliesslich der gewölbten Decke 5,365 m Höhe und ist im rechten Flügel in zwei Bücherstockwerke zerlegt, von welchen das untere einschliesslich Decke 2,575 m, das obere bis unter die Wölbeträger 2,35 m hoch ist. Gleiche Höhenverhältnisse hat das durchweg zweigetheilte, ebenfalls überwölbte Obergeschoss. Die Dachräume sollen zur Aufnahme alter Holzreale dienen und sind behufs künftigen Ausbaues mit entsprechendem Dachgestühle versehen.

Der Lesesaal ist für nur 30 Leser berechnet, für welche ein reichlicher Raum zur Verfügung steht; er besitzt einen äusserst günstigen Lichteinfall. Die Langseite hat die gleiche Fensteranlage wie im Obergeschoss, jedoch liegen die Fensterbänke ungefähr in halber Höhe des Raumes, so dass genügender freier Wandraum zur Aufstellung der Handbücher usw. verbleibt. Die sehr lichten Magazinräume gestatten in den Kopfbauten die Aufstellung von Studientischen.

Die Zwischendecken zwischen je zwei Bücherstockwerken ruhen auf einem Flacheisennetzwerk, welches an die aus ƆC-Eisen gebildeten Gerüststützen angebolzt ist. Der Fussboden derselben ist aus T-Eisenstäben von rd. 25 mm Breite und 35 mm Höhe bei einer Mittelentfernung von 50 mm gebildet. Gegen Verkippen sind diese T-Eisen mittels durchgehender Rundstangen verkuppelt. Die Gerüststiele stehen in Mittelabständen von 2,1 m quer zu den Ständen, so dass zwischen den untersten festen Bücherbrettern und den Trittstangen in den oberen Stockwerken, welche beiderseits von der Mitte je 0,59 m abstehen, eine geräumige Standgasse von 0,92 m verbleibt, deren Breite nach oben erheblich anwächst, da die verstellbaren oberen Bücherbretter aufsteigend immer mehr an Breite abnehmen. Die Mittelentfernung der Stiele in der Standrichtung beträgt 1,1 m, aber es ergiebt sich zwischen den Wangen der Bretter nur eine Nutzlänge von etwa 1,03 m, also ein Standlängenverlust auf 1 m Länge von rd. 7 cm, während man denselben sonst nicht über 35 mm annimmt. Das System dieser verstellbaren Bücherbretter, welches unter No. 93366 dem Bremer Schlossermstr. Burgmann patentirt worden ist, hat – wie angegeben wird – in Bremen in zweijährigem Gebrauche sich vollauf bewährt und Anerkennung gefunden. Unter Verweis auf die Patentschrift müssen wir indess Abstand nehmen, auf die in das mechanische Gebiet fallende Darstellung der höchst sinnreichen, jedoch der Einfachheit entbehrenden Konstruktion näher einzugehen.

Der Bücher-Aufzug liegt neben der Treppe, von der Kanzlei unmittelbar zugänglich. Das Magazin ist im Erdgeschoss nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der „Kanzlei“ (zugleich Ausgabe und Ausleihe), doch kann der Verkehr des Publikums hier nicht stören, da die Treppe und die oberen Räume nicht dem allgemeinen Verkehr dienen.

Die Stadtbibliothek in Bremen. Photograph. Architekten J. G. Poppe und Brth. Flügel in Bremen. Aufnahme v. Louis Koch-Bremen

Der schöne Bau ist nach dem ursprünglichen Programm für eine Aufnahmefähigkeit von nur 200 000 Bänden bei 3000 qm Standansichtsfläche (also nur 67 Bände für 1 qm) berechnet. Es scheint aber durch die leicht nutzbar zu machenden Keller- und Dachräume für eine weitere Zeit eine genügende Erweiterungsfähigkeit im Gebäude selbst geboten zu sein. Die Baukosten haben, einschl. Bücherbretter-Einrichtung, rd. 342 000 M. betragen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 06.07.1898, er war gekennzeichnet mit „C. Jk.“

Dieser Artikel ist Teil einer Serie:

1. Teil, Beschreibung der Universitäts-Bibliothek in Basel, als Teil einer Serie, die Ende des 19. Jahrhunderts erschien: Ueber neuere Bibliotheken I – Die neue Universitäts-Bibliothek in Basel.

2. Teil, als Teil der Serie über moderne Bibliotheken beschreibt dieser Artikel 1898 die Carnegie Free Library in den USA: Ueber neuere Bibliotheken – II. Die Carnegie Free Library in Alleghany, Pa.

3. Teil, 1898 wurde in diesem Text die Stadtbibliothek in Bremen beschrieben, welche 1894-96 neu entstanden ist: Ueber neuere Bibliotheken III – Die Stadtbibliothek in Bremen.

4. Teil, in diesem Teil der Serie über enuere Bibliotheken wird die Kongress-Bibliothek in Washington vorgestellt: Ueber neuere Bibliotheken IV – Die Kongress-Bibliothek in Washington, D. C.

5. Teil, zum 3. mal innerhalb von 30 Jahren musste 1894-98 in Köln ein neues Bibliotheksgebäude gebaut werden. Dieser Artikel erschien damals dazu: Ueber neuere Bibliotheken V – Das neue Bibliothek- und Archiv-Gebäude der Stadt Köln a. Rh.