Hanseatische Staatsoberhäupter

Wenn der Kaiser die Fürsten und Genossen des Reichs um sich versammelt, fehlen nie die drei regierenden Bürgermeister der drei freien Städte Lübeck, Bremen und Hamburg; der von Lübeck im einfachen schwarzen Frack, der von Bremen in goldgestickter Uniform und der von Hamburg in seinem prachtvollen, ungemein kleidsamen spanischen Kostüm. Dem Rang nach die drei letzten Staaten im Reich, sind die drei freien Städte ihrer politischen Bedeutung ganz anders einzuschätzen, und unter den dreien ist das an letzter Stelle stehende Hamburg die bedeutendste.

Der Einwohnerzahl nach steht Hamburg im Deutschen Reich an der siebenten Stelle. Es folgt auf Hessen, das 1 119 893 Einwohner nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 zählte, mit 768 349 Einwohnern, während das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin nur 607 770 Einwohner hat.

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Es ist ja allgemein bekannt, daß der Kaiser eine ganz besondere Vorliebe für die drei freien Städte hat, und deshalb erfreuen sich ihre Vertreter in hervorragender Weise seiner Gunst. Hamburg und Bremen wird oft die Ehre eines kaiserlichen Besuchs zuteil, und auch Lübeck sah den Kaiser mehrfach in seinen Mauern. Wenn man von den regierenden Bürgermeistern der drei Freistaaten spricht, so drückt das nicht ganz korrekt die Stellung aus, die die Bürgermeister einnehmen. Die Regierung ist der Senat, und der jeweilig erste Bürgermeister ist Präsident des Senats.

Dr. J. G. Mönckeberg, Erster Bürgermeister der freien und Hansestadt Hamburg

Man würde daher richtiger sagen: präsidierender Bürgermeister statt regierender. Lübeck hat einen Bürgermeister, seit 1. Januar 1905 den Dr jur. J. G. Eschenburg (Portr. nebenst.), Nachfolger des Dr. Klug. Da Dr. Eschenburg nicht zugleich Bevollmächtigter zum Bundesrat ist, so erscheint er nur selten in Berlin und ist infolgedessen in den Kreisen des Bundesrats weniger bekannt als seine Kollegen von Bremen und Hamburg. Für Lübeck ist der Bevollmächtigte zum Bundesrat der gemeinsame diplomatische Vertreter der Hansestädte Dr. Klügmann, ebenso wie sein unvergeßlicher Vorgänger Dr. Krüger ein Lübecker. Da Dr. Klügmann zugleich stellvertretender Bevollmächtigter im Bundesrat für Bremen und Hamburg ist, vertritt er in der Regel die drei freien Städte, aber nicht wie vielfach irrtümlich gesagt wird, als hanseatischer Bevollmächtigter, sondern als Bevollmächtigter der einzelnen Freistaaten. Bremen hat zwei Bürgermeister, die aus der Mitte des Senats auf vier Jahre gewählt werden. In jährlichem Wechsel ist einer von ihnen Präsident des Senats und als solcher Leiter der Regierungsgeschäfte. Dr. A. Pauli und Dr. C. Barkhausen sind zurzeit die beiden bremischen Bürgermeister, der erstere Präsident des Senats. Da Dr. Pauli auch Bevollmächtigter zum Bundesrat ist, sieht man ihn sehr oft in Berlin, und sein klares Urteil, sein Verständnis für die Bedürfnisse des Reichs machen ihn zu einem von allen Kollegen aus Nord und Süd hochgeschätzten Mitglied des Bundesrats.

Dr. J. G. Eschenburg, Bürgermeister der freien und Hansestadt Lübeck

In Hamburg wählt alljährlich der Senat aus sich zwei Bürgermeister. Zurzeit ist Dr. J. G.

Mönckeberg präsidierender, Dr. J. H. Burchard zweiter Bürgermeister. Da Dr. Burchard, ehe er Bevollmächtigter zum Bundesrat wurde, lange Jahre stellvertretender Bevollmächtigter war, gehört er zu den bekanntesten Mitgliedern des Bundesrats.

Dr. A. Pauli, Bürgermeister der freien Hansestadt Bremen

In Hamburg hat er neben seinen wichtigen politischen Aufgaben auch die Festlichkeiten zu arrangieren gehabt, die in glänzender Weise gelegentlich der wiederholten Anwesenheit des Kaisers und des Bundesrats vom Senat veranstaltet wurden, und das allgemeine Urteil über diesen Teil seiner Tätigkeit war, daß Hamburg in ihm einen Hofmarschall besitze, der seinesgleichen suchten dürfte.

Dr. Eschenburg (Lübeck) in seinem Arbeitszimmer

Die drei freien Städte haben es immer verstanden, außergewöhnlich tüchtige Männer an ihre Spitze zu rufen, und echt deutsche Gesinnung, treue Hingabe für Kaiser und Reich sind Eigenschaften, die sich bei diesen Herren von selbst verstehen. Wenn es sich um Fragen handelt, bei denen das Wohl und die Entwicklung des Reichs beraten werden, so weiß man, daß die drei freien Städte immer in patriotischer Weise, ohne partikularistische Regungen, für die Interessen der Gesamtheit eintreten, auch Opfer zu bringen bereit sind.

So darf man sich wahrlich freuen, daß im Deutschen Reich neben den Majestäten, Hoheiten und Durchlauchten die drei Magnifizenzen stehen als die Vertreter der drei kräftigen, lebensvollen Gemeinwesen und von größter Bedeutung für alle handelspolitischen Interessen und alle Fragen, die das Seewesen betreffen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1905 in Die Woche.