Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn in Berlin von Siemens & Halske – VI. Gesammtkosten des Unternehmens, Verträge mit den betheiligten Stadtgemeinden.

Anschluss-Dreieck auf dem Gelände des alten Dresdner Bahnhofes

Schlussbetrachtungen

Zur wirthschaftlichen Durchführung der oben beschriebenen Linie und deren zukünftigen Erweiterungen wurde im April 1897 unter Führung der Deutschen Bank die „Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin“ begründet zum Zwecke des Baues und Betriebes von elektrischen Stadtbahnen für Berlin und die Nachbargemeinden. Zwischen der Firma Siemens & Halske und genannter Gesellschaft wurde im Juli 1897 ein Vertrag geschlossen. Hiernach wurde seitens der Firma die betriebstüchtige Ausführung der Bahn nach dem ursprünglichen Entwurfe, der also mit Ausnahme der Abzweigung zum Potsdamer Platz nur eine Hochbahn vorsah, für die Gesammtsumme von 15,25 Mill. M übernommen, wobei eine etwaige Ueberschreitung dieser Kosten höchstens bis zu 5 % besonders vergütet werden sollte. Nicht einbegriffen sind in diesem Betrage die Bauzinsen, sowie die Grund-Erwerbskosten, die auf rd. 8 Mill. M. veranschlagt waren, von welchen übrigens rd. 4 Mill. M. als durch den Werth der Restgrundstücke gedeckt angesehen wurden. (Die Gesammtkosten waren einschl. Bauzinsen und Nebenkosten auf etwa 25 Mill. M. veranschlagt).

Das Unternehmen hat dann während der Ausführung in stetem Zusammenwirken zwischen der „Siemens & Halske A.-G.“ und der „Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin“ die eingreifendsten Umänderungen, Erweiterungen und Vergrösserungen seiner Anlagen und Betriebs-Einrichtungen erfahren, unter denen hervorzuheben sind: die Anlage der schienenfreien Kreuzung im Anschlussdreieck zur Ermöglichung dichtester Zugfolge; die theilweise Umwandlung der Hochbahn zur Unterpflasterbahn vom Nollendorfplatz ab in Verbindung mit der Konzession für die Fortführung der Bahn bis in das Innere von Charlottenburg hinein; die Vergrösserung des Kraftwerkes und der Werkstätten; die Erweiterung des Bahnhofes am Potsdamer Platz behufs Schaffung von Aufstellgleisen, und die Verlängerung des Bahnhofes durch einen Tunnel in der Königgrätzerstrasse; die Anlage eines unterirdischen Aufstellungs-Bahnhofes in der Hardenbergstrasse, die Vermehrung des Betriebsparkes behufs Ermöglichung eines 2 ½ Minutenverkehres auf der Weststrecke; die Ausführung einer 2 km langen Flachbahn als Zuführungslinie vom Zentralviehhof bis zum Endbahnhof Warschauer Brücke.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Durch die Aufwendungen für diese Erweiterungen, für die von den Stadtgemeinden verlangte architektonische Ausbildung der Hauptbauwerke, auch durch Bauverzögerungen und Preissteigerungen haben die Gesammtkosten ein verändertes Bild erhalten, das sich erst nach den Abrechnungen genauer feststellen lassen wird. Schon jetzt aber lässt sich übersehen, dass der Durchschnittspreis der Bahn für 1 km die Höhe von 3 Mill. M. nicht erreichen wird. Sie wird also billiger bleiben, als die Untergrundbahn in Paris, bei der 1 km rd. 3,5 Mill. M. kostete, und nicht halb so theuer werden, wie die Central-London-Bahn, bei der sich 1 km auf mehr als 7 Mill. M. stellte.

Nach den vorliegenden Erfahrungen werden sich die reinen Baukosten für das lfd. m einer glatten Strecke der Hochbahn auf 1000-1200 M., das einer Untergrundbahn auf 2000 M. belaufen.

Zur Deckung der bisher entstandenen Kosten wurden 1897 12,5 Mill. M. in Aktien, 1899 7,5 Mill. M. in 4%igen Obligationen und 1901 nochmals 7,5 Mill M. Aktien ausgegeben. (Die Anleihe ist imganzen auf 12,5 Mill. M. bemessen, es sind jedoch 5 Mill. M. Obligationen noch im Besitze der Gesellschaft.)

Die A.-G. Siemens & Halske hat sich für das erste Betriebsjahr, also für 1902, die selbständige Betriebsführung vorbehalten, um diesen Betrieb unter Verwerthung ihrer Erfahrungen in richtiger Weise ausgestalten zu können. Sie gewährleistet für dieses erste Betriebsjahr der Ges. f. elektr. Hoch- und Untergrund-Bahnen eine Mindest-Rente von 4 % des in der eigentlichen Bahnanlage angelegten Kapitals (einschl. 4 Mill. M. Grunderwerb). Von dem etwaigen Betriebsüberschuss erhält die A.-G. S. & H. 25%. Die Betriebskosten waren bei dem ursprünglich geplanten Ausbau auf rd. 0,88 Mill. M. für das Jahr veranschlagt. Für die Benutzung der städtischen öffentlichen und nicht öffentlichen Grundflächen hat die Unternehmung nach den in der Einleitung erwähnten Verträgen die folgenden Abgaben zu zahlen:

An die Stadt Berlin bei einer jährlichen Brutto-Einnahme auf der Strecke innerhalb des städtischen Weichbildes bis zur Höhe von 6 Mill. M. 2 %, darüber für je 1 Mill. M. Mehreinnahme noch ¼ % Abgaben mehr, mindestens aber jährlich 20 000 M.; an die Stadt Schöneberg eine Abgabe, die sich nach Maassgabe des Vertrages mit der Stadt Berlin im Verhältniss der Bahnlängen regelt; an die Stadt Charlottenburg unter Einschluss der Verbindungslinie von der Brutto-Einnahme auf der gesammten Linie bis 7 Mill. M. 20/36 % und für jede Million Mehreinnahme 1/36 % mehr, mindestens aber 7500 M. nach Ablauf des 4. Jahres seit Ertheilung der staatlichen Genehmigung für die Gesammtstrecke.

Diese Abgaben an die 3 Stadtgemeinden sind spätestens vom 15. Mai des Jahres an zu entrichten, das auf das Geschäftsjahr folgt, in welchem der Betrieb eröffnet wurde.

Alle 3 Gemeinden haben sich im Sinne des § 6 des Kleinbahngesetzes vom 28. Juli 1892 den Erwerb der Bahn mit allem beweglichen und unbeweglichen Zubehör vorbehalten, jedoch ist dieser Fall bis zum Ablaufe des 30. Jahres nach der ersten staatlichen Genehmigung (15. März 1896) ausgeschlossen und es kann das Recht nur alle 10 Jahre ausgeübt werden. Die weiteren Einzelheiten dieses Abkommens, sowie diejenigen Bestimmungen, welche Platz greifen nach Ablauf der Konzession, sind ohne grösseres allgemeines Interesse. Verfehlt würde es auch sein, jetzt, wo die Eröffnung der Bahn bevorsteht und man demnächst mit Thatsachen wird rechnen können, noch in Spekulationen über die voraussichtlichen wirthschaftlichen Erfolge des Unternehmens einzutreten, um so mehr, als gerade derartige Unternehmungen, wie die alte Stadtbahn zeigt, oft eine Entwicklung nehmen, die von Niemand vorausgesehen werden kann. –

Zum Schlusse ist noch derjenigen Männer zu gedenken, welche sich um die Durchführung des Unternehmens verdient gemacht haben; mit Rücksicht auf die grosse Anzahl tüchtiger Techniker, die an einem so bedeutenden Werke mitzuwirken berufen waren, müssen wir uns jedoch auf einige wenige Namen der führenden Persönlichkeiten beschränken. An erster Stelle ist da Werner von Siemens selbst zu nennen, der mit der Uebertragung der elektrischen Kraft auf den Strassenbahn-Betrieb seiner Zeit den Anstoss zu einer Umwälzung des Verkehrswesens gegeben hat, die aller Voraussicht nach erst abgeschlossen sein wird mit der völligen Umwandlung auch der Vollbahnen in solche mit elektrischem Betriebe; seiner Energie, seinem zähen Festhalten an der einmal als richtig erkannten Idee ist es wohl auch in erster Linie zu verdanken, dass der Plan der elektrischen Hochbahn, der ersten auf dem europäischen Festlande, in Berlin schliesslich zur Durchführung gekommen ist. Neben ihm ist Hr. Direktor Schwieger zu nennen, der Vorsteher der Abtheilung für elektr. Bahnen der Firma Siemens & Halske, der den allgemeinen Entwurf der elektrischen Stadtbahn aufgestellt und auch die Oberleitung bei den Verhandlungen und der weiteren Durchführung behalten hat. Zur Ausarbeitung der besonderen Pläne und zur Leitung der Bauausführung wurde dann ein Eisenbahnfachmann, Hr. Reg.- und Brth. Gier, berufen, den schwere Erkrankung aber leider zwang, vorzeitig aus seinem Amte auszuscheiden. An seine Stelle trat Hr. Ober-Ingenieur Ekert, unter dessen Leitung alsdann der grösste Theil der Bahn gebaut und vollendet wurde. Die Bearbeitung der Pläne für die Untergrundbahn, auch der weiteren von der Firma Siemens & Halske geplanten Linien, wurde als selbständige Arbeit an Hrn. Reg.-Bmstr. Lerche übertragen, dessen Erfahrungen über Untergrundbahnen, insbesondere diejenigen vom Bau der von der Firma Siemens & Halske ausgeführten Untergrundbahn in Budapest, so dem Unternehmen zugute kamen. Unter den zahlreichen Regierungs-Baumeistern, Regierungs-Bauführern und Ingenieuren, die bei Aufstellung der Einzelpläne mitgearbeitet und bei der Bauleitung thätig waren, nennen wir nur Hrn. Reg.-Bmstr. Bousset, den verdienstvollen Vorsteher des technischen Büreaus der Hochbahn, aus welchem die zahllosen Pläne und Berechnungen der zum Theil recht schwierigen Konstruktionen hervorgegangen sind. Die elektrische Ausrüstung der Bahn und der Betriebsmittel unterstand Hrn. Ob.-Ing. Reichel, während die Einrichtung des Kraftwerkes Hrn. Ob.-Ing. Raschig oblag.

Direktor der Ges. f. d. Bau von Hoch- und Untergrundbahnen ist Hr. Reg.-Bmstr. a. D. Wittig, der neben seiner ihm aus dieser Stellung erwachsenden Thätigkeit den Grunderwerb durchführte und der Bahn den Weg durch die Häuserviertel freilegte. Als Architekt lag ihm ferner die Wiederverwerthung und die Neubebauung der an der Bahn verbliebenen Grundstücke ob, sowie die Mitwirkung bei der architektonischen Ausgestaltung der Hoch- und Untergrundbahn nebst ihren Nebenanlagen durch eigene Entwürfe und durch Uebernahme der Verhandlungen mit den mit solchen beauftragten Privat-Architekten. Als Sachverständiger der Gesellschaft in Fragen des Verkehrs und des Bahnwesens war Hr. Reg.-Rth. a.D. Kemmann von Beginn der Bauausführung an thätig.

Aus dem. Zusammenwirken dieser Kräfte, auch derjenigen, die wir nicht alle einzeln aufführen konnten, ist in mehrjähriger angestrengter Arbeit das nunmehr vollendete Unternehmen hervorgegangen, das vom technischen Standpunkte höchste Beachtung verdient und dem der erwartete wirthschaftliche Erfolg sowohl nach Seiten der Unternehmung, wie für die betheiligten Stadtgemeinden nicht ausbleiben möge.

Zum Schlusse kann sich der Verfasser nicht versagen, der Firma Siemens & Halske, sowie allen Herren von der Bauleitung der Hoch- und Untergrundbahn, die ihm in der bereitwilligsten und umfassendsten Weise das Material zu der vorstehenden Darstellung zur Verfügung gestellt und ihn nach jeder Richtung hin unterstützt haben, seinen besonderen Dank auszusprechen. –

Fritz Eiselen.

Diese Artikelserie erschien zuerst am 12., 19., 26.10., sowie am 13., 27.11., 07.12. & 11.12.1901 in der Deutsche Bauzeitung. Teil VII. erschien 1902.

VI. Gesammtkosten des Unternehmens, Verträge mit den betheiligten Stadtgemeinden